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Evaluation der klinisch angewandten Kinesiologie bei ...

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116<br />

<strong>Evaluation</strong> <strong>der</strong> <strong>klinisch</strong> <strong>angewandten</strong><br />

<strong>Kinesiologie</strong> <strong>bei</strong> Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />

im Kindesalter<br />

R. Pothmann, S. v.Frankenberg, C. Hoicke, R. Lüdtke und H. Weingarten<br />

1. Einführung<br />

Lebensmittelunverträglichkeiten sind bisher schwierig zu diagnostizieren.<br />

Nur im Fall <strong>der</strong> IgE-vermittelten Sofortallergie stehen ausreichend zuverlässige<br />

Labormethoden zur Verfügung. Nicht IgE-vermittelte Mechanismen<br />

werden von den meisten Methoden jedoch nicht erfaßt. So zum Beispiel<br />

durch Enzymmangel bedingte Unverträglichkeiten.<br />

<strong>Kinesiologie</strong> ist eine diagnostische Methode, die Aufschluß über funktionelle<br />

Störungen des Körpers geben und so auch Lebensmittelunverträglichkeit<br />

erfassen soll. Bei dem nicht-invasiven Verfahren werden Muskelreaktionen<br />

unter Provokationsbedingungen untersucht.<br />

Um die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> aus den USA kommenden Methode zu untersuchen,<br />

wurden in den letzten <strong>bei</strong>den Jahren im Evangelischen Krankenhaus<br />

Oberhausen (Sozialpädiatrisches Zentrum) über 300 Kin<strong>der</strong> und<br />

Jugendliche kinesiologisch auf verschiedene Lebensmittel getestet.<br />

Durch die Testung nativer Lebensmittel erscheint es mit <strong>der</strong> <strong>Kinesiologie</strong><br />

möglich, detaillierte Aussagen über einzelne Produkte zu treffen. Daher<br />

bietet sie sich an eine Untersuchung dazu an, inwiefern Herstellungstechnologien<br />

und Lebensmittelzusatzstoffe die Verträglichkeit von Nahrungsmitteln<br />

verän<strong>der</strong>n.<br />

2. Studiendesign<br />

Die Wertigkeit <strong>der</strong> <strong>Kinesiologie</strong> als diagnostisches Verfahren wurde <strong>bei</strong><br />

Kin<strong>der</strong>n mit rezidivierenden Beschwerden o<strong>der</strong> chronischen Erkrankungen<br />

evaluiert. Darunter fanden sich folgende Diagnosen:<br />

• Kopfschmerzen<br />

(Spannungskopfschmerzen, Kombinationskopfschmerzen, Migräne)<br />

• Hyperaktives Verhalten


117<br />

• Abdominale Symptomatik<br />

(Bauchschmerzen, Diarrhoe, Obstipation, Blähungen, Übelkeit)<br />

• Allergische Erkrankungen<br />

(Atopisches Ekzem, Asthma bronchiale, Pollinosis)<br />

Es wurde überprüft, ob die kinesiologischen Testergebnisse mit Befunden<br />

von bereits standardisierten Testverfahren (RAST, Cytolisa-Test, H 2 -<br />

Atemtest) übereinstimmen.<br />

Die Reproduzierbarkeit <strong>der</strong> Ergebnisse wurde sowohl unter doppelblinden<br />

als auch unter offenen Bedingungen untersucht. Während die Doppelblindversuche<br />

abgeschlossen sind, dauerte die Untersuchung <strong>der</strong> Zuverlässigkeit<br />

im Interraterverfahren noch an.<br />

3. Methoden<br />

3.1 Kinesiologische Testung<br />

Die Testperson nimmt eine Position ein, in <strong>der</strong> ein zu testen<strong>der</strong> Muskel<br />

möglichst isoliert ist. Dann drückt sie kräftig gegen die Hand des Untersuchers<br />

und startet damit die Muskelkontraktion. Spürt <strong>der</strong> Untersucher, daß<br />

die Testperson ihr Kraftmaximum erreicht hat, steigert er den Testdruck.<br />

Bei einer starken Muskelreaktion kann die Testperson dem zusätzlichen<br />

Druck standhalten. Bei einer schwachen Muskelreaktion bricht die<br />

Kontraktion zusammen. (Garten 1992, Gertz 1996)<br />

Man unterscheidet drei Muskelreaktionen:<br />

a) Normoreaktiver Muskel: <strong>der</strong> Muskel ist stark und durch eine definierte<br />

Maßnahme zu schwächen<br />

b) Hyperreaktiver Muskel: <strong>der</strong> Muskel ist stark und nicht zu schwächen<br />

c) Hyporeaktiver Muskel: <strong>der</strong> Muskel ist schwach<br />

Ist ein normoreaktiver Muskel gefunden, findet die Exposition mit <strong>der</strong> zu<br />

untersuchenden Substanz statt. Diese gilt nur dann als verträglich, wenn<br />

die Muskelreaktion normoreaktiv bleibt.<br />

3.2 Wasserstoff-Atemtest (H 2 -Test)


118<br />

Der Wasserstoff-Atemtest ist das gängige Verfahren, um eine Laktoseintoleranz<br />

nicht-invasiv zu diagnostizieren (Winter u. Mitarb. 1990). Der von<br />

laktoseintoleranten Patienten nicht resorbierte Milchzucker wird von <strong>der</strong><br />

Darmflora unter Bildung von Gas verstoffwechselt, die dann in <strong>der</strong> Ausatemluft<br />

nachgewiesen werden können. Liegt <strong>der</strong> Wasserstoffgehalt innerhalb<br />

von 2 Stunden nach dem Trinken eines Laktosetees mehr als 20 ppm<br />

über dem Nüchternwert, besteht eine Intoleranz. (Zu Indikationen und genauerer<br />

Durchführung siehe Jahrbuch 1996.)<br />

3.3 Cytolisa-Test (Bestimmung von spezifischem IgG im<br />

Serum)<br />

Für die spezifische IgG-Bestimmung wird das Patientenserum auf einer<br />

Testplatte (Cyto GmbH, LICH-Ober-Bessingen) mit insgesamt 94 ausgewählten<br />

Nahrungsmitteln ausgestrichen. An die Testsubstanzen gebundene<br />

IgG-Antikörper werden von enzymgebundenen Anti-IgG (Kaninchen) erkannt<br />

und in einer Farbreaktion sichtbar gemacht. Die Farbintensität wird<br />

semiquantitativ im Vergleich zu einem Maximalwert (an die Platte gebundenes<br />

Human IgG) gemessen. Als pathologisch gelten Werte die mehr als<br />

20% über dem Maximalwert liegen.<br />

3.4 Radio-Allergo-Sorbens-Test (RAST)<br />

Die semiquantitative Bestimmung ist die Standard-Labormethode, um IgEvermittelte<br />

Allergien festzustellen. Das Prinzip wird daher als bekannt vorausgesetzt.<br />

RAST-Werte über 2 werden als pathologisch gewertet.<br />

4. Ergebnisse<br />

4.1 Ergebnisse <strong>der</strong> H 2 -Atemtests (Laktose)<br />

Bei 232 Kin<strong>der</strong>n, 137 Jungen und 95 Mädchen, im Alter von 6 Monaten<br />

bis 16 Jahren (mittleres Alter 9,1 Jahre) wurden im Zeitraum März 1996<br />

bis August 1997 diagnostische Laktosebelastungen durchgeführt. Bei<br />

77 Patienten wurde ein spezifischer Anstieg im H 2 -Test im Sinne einer<br />

Laktoseintoleranz nachgewiesen (Prävalenz=33%).


119<br />

Tab. 1 Diagnosen <strong>der</strong> untersuchten Kin<strong>der</strong><br />

Diagnosen Anzahl Kin<strong>der</strong> Laktoseintoleranz<br />

Spannungskopfschmerzen 111 37 (33%)<br />

Migräne 58 16 (28%)<br />

Hyperaktives Verhalten 74 20 (27%)<br />

abdominale Symptomatik 57 19 (33%)<br />

Allergien 50 14 (28%)<br />

Kontrollgruppe 17 3 (18%)<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Spgs.KS<br />

Migräne<br />

Hyperak.<br />

Verh.<br />

abd.<br />

Sympt.<br />

Allergien<br />

Kontrollgr<br />

gesamt<br />

Laktoseintoleranz<br />

Abb. 1 Anteil <strong>der</strong> pathologischen H 2 -Tests an den gesamten H 2 -Tests<br />

Beschwerden nach <strong>der</strong> Laktosebelastung waren Völlegefühl, Blähungen<br />

und Bauchschmerzen. Aber auch Kopfschmerzen und starke Unruhe traten<br />

in einigen Fällen auf.<br />

Vergleich mit den Ergebnissen <strong>der</strong> kinesiologischen Testung


120<br />

Es wurden insgesamt 255 kinesiologische Laktoseuntersuchungen an den<br />

Kin<strong>der</strong>n, die am H 2 -Test teilnahmen, durchgeführt.<br />

Tab. 2 Vergleich von H 2 -Test und <strong>Kinesiologie</strong><br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

Laktose- unauffällig 77 101 178<br />

H2-Test pathologisch 17 60 77<br />

Gesamt 94 161 255<br />

Sensitivität: 77.9%, 95%-Konfidenzintervall: 67.0% - 86.6%<br />

(Anteil <strong>der</strong> auffälligen kinesiologischen Tests <strong>bei</strong> pathologischen H 2 -Tests)<br />

Spezifität: 43.3%, 95%-Konfidenzintervall: 35.9% - 50.9%<br />

(Anteil <strong>der</strong> normoreaktiven kinesiologischen Tests <strong>bei</strong> negativen H 2 -Befunden)<br />

Reliabilität zwischen den Methoden: Kappa: 0.16, 95%-KI: 0.07 - 0.26<br />

Zu erkennen ist eine unsymmetrische Verteilung. Die kinesiologischen<br />

Laktosetests fallen häufiger pathologisch aus.<br />

Berücksichtigung von Untergruppenstrukturen<br />

• Geschlecht<br />

• Altersklassen:<br />

Kin<strong>der</strong> < 4 Jahre<br />

Kin<strong>der</strong> 4 - 6 Jahre<br />

Kin<strong>der</strong> 6 - 10 Jahre<br />

Kin<strong>der</strong> >10 Jahre<br />

• Surrogattestung<br />

Der Surrogattest ist ein indirektes kinesiologisches Verfahren und wird<br />

angewandt, wenn Kin<strong>der</strong> nicht selbst getestet werden können. Untersucht<br />

wird in diesem Fall eine unauffällig reagierende Versuchsperson,<br />

während das Kind in Körperkontakt steht und mit <strong>der</strong> Testsubstanz in<br />

Berührung ist.<br />

• Nüchterntestung<br />

Die Kin<strong>der</strong> waren nüchtern, wenn sie vor <strong>der</strong> Durchführung des H 2 -<br />

Atemtests kinesiologisch untersucht wurden.<br />

• Verblindete Testung


121<br />

In einer 5er Reihe wurden vier Leergefäße und ein Gefäß mit Laktose in<br />

unterschiedlicher Reihenfolge kinesiologisch untersucht. Der Untersucher<br />

wußte nicht, welches Glas in <strong>der</strong> Hand gehalten wurde.<br />

• Kinesiologische Untersuchung vor, während o<strong>der</strong> nach dem H 2 -Test<br />

• Testmuskeln<br />

Getestet wurden die Muskeln: M. deltoideus, M. rectus femoris, die i-<br />

schiocrurale Muskelgruppe („hamstrings“) und M. latissimus dorsi.<br />

• Tester<br />

An den Untersuchungen nahmen 4 Tester teil.<br />

• Diagnosen<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Untergruppen<br />

Die Reliabilität ist <strong>bei</strong> Mädchen deutlich höher als <strong>bei</strong> Jungen. Patienten<br />

mit Spannungskopfschmerzen sind tendentiell besser kinesiologisch testbar<br />

als Kin<strong>der</strong>, die ein hyperaktives Verhalten zeigen. Letztere Diagnose tritt<br />

vor allem <strong>bei</strong> Jungen auf. Die Übereinstimmung zwischen den <strong>bei</strong>den<br />

Testmethoden ist <strong>bei</strong> älteren Kin<strong>der</strong>n besser, dies ist jedoch nicht statistisch<br />

signifikant. Die Reliabilität schneidet <strong>bei</strong> Surrogattests schlechter ab.<br />

Nüchterne Testpersonen sind subjektiv schlechter zu testen, da die Muskelreaktionen<br />

häufig nicht deutlich voneinan<strong>der</strong> abzugrenzen sind. Doch zeigt<br />

sich in den statistischen Daten keine deutliche Verbesserung zugunsten<br />

nicht nüchterner Kin<strong>der</strong>. Die Anzahl <strong>der</strong> Nüchterntests und <strong>der</strong> Surrogatuntersuchungen<br />

ist relativ gering, so daß die Aussage nur eingeschränkt beurteilbar<br />

ist. Der Zeitpunkt <strong>der</strong> kinesiologischen Tests scheint ohne Einfluß<br />

zu sein, läßt man die Muskeltests, die während des H 2 -Atemtests offen<br />

durchgeführt wurden, außer acht. Die Beeinflussung des Untersuchers ist<br />

durch Hinweise einer Laktoseunverträglichkeit gegeben. So läßt sich auch<br />

das deutlich bessere Abschneiden von Tester 3 erklären, <strong>der</strong> häufiger am<br />

Tag des H 2 -Atemtests die kinesiologischen Tests auf Laktoseverträglichkeit<br />

durchführte. Die Tests an verschiedenen Muskeln zeigten nur<br />

leicht schwankende Ergebnisse zugunsten <strong>der</strong> Testmuskeln am Bein. Gegenseitig<br />

verblindete Untersuchungen sind nicht von Zufallsbefunden zu<br />

unterscheiden. Damit bleibt <strong>der</strong> Wert als diagnostisches Verfahren umstritten.


122<br />

Zusatzanalysen<br />

Laktosepulver wurde entwe<strong>der</strong> im klaren o<strong>der</strong> im braunen Glasgefäß in <strong>der</strong><br />

Hand gehalten o<strong>der</strong> es wurde wenig Pulver in den Mund gegeben.<br />

In allen Untergruppen ist eine geringe Spezifität und eine relativ hohe Sensitivität<br />

zu erkennen (Tab. 3-5). Die Reliabilität zwischen den Methoden ist<br />

gering. Die Applikationsart des Milchzuckers hat keinen deutlichen<br />

Einfluß auf die kinesiologischen Testergebnisse.<br />

Tab. 3 Kinesiologischer Laktosetest mit klarem Glasgefäß<br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

Laktose- unauffällig 74 92 166<br />

H2-Test pathologisch 18 52 70<br />

Gesamt 92 144 236<br />

Sensitivität: 74.3%, 95%-Konfidenzintervall: 62.4% -84.0%<br />

Spezifität: 44.6%, 95%-Konfidenzintervall: 36.9% - 52.5%<br />

Reliabilität zwischen den Methoden: Kappa: 0.14, 95% KI: 0.04 - 0.25<br />

Tab. 4 Kinesiologischer Laktosetest mit braunem Glasgefäß<br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

Laktose- unauffällig 29 26 55<br />

H2-Test pathologisch 9 19 28<br />

Gesamt 38 45 83<br />

Sensitivität: 67.9%, 95%-Konfidenzintervall: 47.6% - 84.1%<br />

Spezifität: 52.7%, 95%-Konfidenzintervall: 38.8% - 66.3%<br />

Reliabilität zwischen den Methoden: Kappa: 0.18, 95% KI:- 0.01 - 0.27


123<br />

Tab. 5 Kinesiologischer Laktosetest mit Mundapplikation<br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

Laktose- unauffällig 32 37 69<br />

H2-Test pathologisch 8 21 29<br />

Gesamt 40 58 98<br />

Sensitivität: 72.4%, 95%-Konfidenzintervall: 52.8% -87.3%<br />

Spezifität: 46.4%, 95%-Konfidenzintervall: 34.3% - 59.0%<br />

Reliabilität zwischen den Methoden: Kappa: 0.15, 95% KI: -0.01 - 0.30<br />

4.2 Ergebnisse Cytolisa<br />

Insgesamt wurden 55 Kin<strong>der</strong> mittels Cytolisa auf 94 verschiedene Lebensmittel<br />

getestet. Bei 49 (89,1%) lag <strong>der</strong> Laborwert für Kuhmilch über<br />

dem festgelegten Grenzwert von 20, wohingegen dieser Wert <strong>bei</strong> Tee,<br />

Backpulver und dem Geschmacksverstärker Glutamat in keinem Fall erreicht<br />

wurde. Für weitere Ergebnisse siehe Tabelle 6.<br />

Vergleich mit den Ergebnissen <strong>der</strong> kinesiologischen Testung<br />

Es wurde untersucht, ob kinesiologische Muskeltests <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Diagnose von<br />

Lebensmittelunverträglichkeiten zu gleichen Ergebnissen führen wie <strong>der</strong><br />

Cytolisa-Test. Insgesamt wurde <strong>der</strong> Test <strong>bei</strong> 55 Kin<strong>der</strong>n durchgeführt. Je<br />

Kind wurden bis zu 9 Substanzen kinesiologisch gegengetestet. Da einerseits<br />

im Kindesalter die Milchallergie eine dominante Rolle spielt (König<br />

1993), an<strong>der</strong>erseits aber <strong>der</strong> Milchkonsum erfahrungsgemäß hoch liegt,<br />

wurde hier <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> kinesiologischen Testung gesetzt. Getestet<br />

wurden Kuhmilch, Joghurt, die Milcheiweiße alpha-Lactalbumin, beta-<br />

Lactoglobulin, Casein, Rin<strong>der</strong>albumin und Milchzucker aber auch Hühnereiklar<br />

und Hühnereigelb. Die Ergebnisse wurden gegenseitig blind gehalten.<br />

308 Testpaare standen zur vergleichenden Auswertung zur Verfügung.


124<br />

Tab. 6 Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die <strong>bei</strong> Testung <strong>der</strong> einzelnen Lebensmittel Cytolisa-Werte<br />

über 20 hatten (insgesamt n=55 Kin<strong>der</strong> getestet)<br />

Kuhmilch 49 Schweinefleisch 34 Walnuß 27 Banane 14<br />

Schmelzkäse 48 Kartoffel 34 Radieschen 26 Tomate 14<br />

Buttermilch 46 Pfirsich 34 Rindfleisch 25 Vanille 14<br />

Casein 46 Knoblauch 33 Kakaobohne 25 Zwiebel 14<br />

Joghurt 45 Blumenkohl 32 Lachs 24 Birne 13<br />

Schafskäse 45 Pampelmuse 32 Pfeffer 24 Brokkoli 13<br />

Hühnereiweiß 43 Pflaume 32 Apfel 23 Hafer 12<br />

Parmesan 43 Distelöl 31 Eigelb 23 Petersilie 12<br />

Roggen 43 Rin<strong>der</strong>albumin 31 Thunfisch 23 Rosine 11<br />

Wassermelone 43 Kalbfleisch 30 Pistazie 23 Ananas 10<br />

Dinkel 42 Kiwi 30 Olive 22 Garnele 10<br />

Gouda 42 Kohlrabi 30 Sonnenbl.kerne 22 Mandel 10<br />

Emmentaler 41 Mandarine 30 Amaranth 21 Zitrone 10<br />

Ziegenkäse 41 Erbse, grün 29 Kamille 21 Lauch 9<br />

Pfefferminze 41 Honig 29 Kirsche 21 Paprika, grün 8<br />

Weizen 39 Kokosnuß 29 Laktose 21 Traube 6<br />

Lactoglobulin, β 38 Kopfsalat 29 Speisepilze 21 Zimt 5<br />

Muskatnuß 38 Sojabohne 29 Sellerie 21 Karotte 4<br />

Haselnuß 37 Carob 28 Kabeljau 20 Huhn 3<br />

Aspergillus<br />

niger<br />

36 Mais 28 Malz 19 Backpulver 0<br />

Cashewkern 36 Orange 28 Erdbeere 18 Glutamat 0<br />

Paprika 36 Weißkohl 28 Spinat 17 Tee 0<br />

Backhefe 35 Gurke 27 Bohne, grün 16<br />

Lactalbumin, α 35 Sesam 27 Reis 15<br />

Sowohl Cytolisa als auch die kinesiologische Testung zeigen häufig pathologische<br />

Befunde. Die Ergebnisse stimmen jedoch nur schlecht überein<br />

(Kappa: 0,02).<br />

Auch <strong>bei</strong> Berücksichtigung von Untergruppen (siehe H 2 -Atemtest) ist<br />

die Übereinstimmung nicht besser.


125<br />

Tab. 7 Vergleich von Cytolisa und <strong>Kinesiologie</strong> ohne Berücksichtigung von<br />

Untergruppen<br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

Cytolisa verträglich 37 72 109<br />

unverträglich 63 136 199<br />

Gesamt 100 208 308<br />

Sensitivität: 68,3% 95%-Konfidenzintervall: 61,4%-74,7%<br />

Spezifität: 33,9% 95%-Konfidenzintervall: 25,1-43,6%<br />

4.3 Ergebnisse des RAST-Testes<br />

Die Untersuchungsergebnisse von 92 Kin<strong>der</strong>n lagen vor (33 weiblich, 59<br />

männlich). Je Kind wurden bis zu 6 Substanzen kinesiologisch gegengetestet<br />

(α-Lactalbumin, β-Lactoglobulin, Casein, Milchpulver, Hühnereiweiß,<br />

Hühnereigelb). Die Ergebnisse wurden gegenseitig blind gehalten.<br />

Vergleich <strong>Kinesiologie</strong> - RAST<br />

Insgesamt standen 288 Testpaare zur vergleichenden Auswertung zur Verfügung.<br />

Es ergab sich da<strong>bei</strong> eine deutlich unsymmetrische Verteilung, d.h.<br />

die <strong>Kinesiologie</strong> erkennt wesentlich häufiger auf positive Ergebnisse (Unverträglichkeit)<br />

als <strong>der</strong> RAST (s. Tab. 8).<br />

Tab. 8 Vergleich von <strong>Kinesiologie</strong> und RAST ohne Berücksichtigung von<br />

Untergruppen<br />

<strong>Kinesiologie</strong><br />

Gesamt<br />

verträglich unverträglich<br />

RAST verträglich 77 169 246<br />

unverträglich 8 34 42<br />

Gesamt 85 203 288<br />

Sensitivität: 81,0% 95%-Konfidenzintervall: 65,9-91,4%<br />

Spezifität: 31,3% 95%-Konfidenzintervall: 25,5-37,5%<br />

Kappa: 0,05 95%-Konfidenzintervall: 0,00-0,10


126<br />

Die Reliabilität (Kappa) ist statistisch nicht signifikant von 0 verschieden,<br />

also nicht überzufällig. Bei keiner betrachteten Untergruppe ist die Reliabilität<br />

deutlich höher. In allen Gruppen ist eine relativ hohe Sensitivität zu<br />

erkennen, die Spezifität ist dagegen in allen Gruppen gering. Legt man die<br />

RAST-Befunde als Standard zugrunde, so sind Sensitivität und Spezifität<br />

des kinesiologischen Muskeltests weit von Anfor<strong>der</strong>ungen entfernt, die<br />

man an ein diagnostisches Verfahren stellen muß.<br />

5. Einfluß von Herstellungstechnologien auf die<br />

Verträglichkeit von Lebensmitteln<br />

5.1 Offene Testung von Quark<br />

Als Beispiel dafür, daß unterschiedliche Herstellungsverfahren die<br />

Verträglichkeit eines Produktes beeinflussen, wurden zwei nach<br />

verschiedenen Verfahren hergestellte Quarksorten getestet: ein traditionell<br />

mit Abscheidung <strong>der</strong> Molke hergestellter Quark (A) und ein nach dem<br />

Thermoverfahren hergestellter Quark (B). Bei <strong>der</strong> Herstellung von B<br />

kommt es durch höhere Temperaturen zu einer Denaturierung <strong>der</strong><br />

Molkenproteine bzw. zu einer Komplexbildung mit den Caseinen, den<br />

Hauptproteinen <strong>der</strong> Kuhmilch. In dieser Form verbleiben die<br />

Molkenproteine im Quark (Klupsch 1992).<br />

Die Quarksorten wurden insgesamt <strong>bei</strong> 106 Patienten offen ausgetestet<br />

(oral).<br />

Bei 72% wurde ein Unterschied in <strong>der</strong> kinesiologischen Testung festgestellt<br />

(siehe Abb. 2).<br />

Nach einer ersten Vorlaufphase mit 20 Patienten wurde an die offene<br />

Testung eine Doppelblindtestung angeschlossen.


127<br />

1% 3%<br />

71%<br />

25%<br />

A und B unverträglich<br />

B verträglich, A nicht<br />

A verträglich, B nicht<br />

A und B verträglich<br />

Abb. 2 Offene Testung von Quark<br />

A: Traditioneller Quark<br />

B: Thermoquark<br />

5.2 Doppelblinde Testung<br />

In einem Sensoriktest (Dreieckstest) mit 12 Mitar<strong>bei</strong>tern des Sozialpädiatrischen<br />

Zentrums in Oberhausen wurde sichergestellt, daß die Quarksorten<br />

für den Untersucher optisch nicht unterscheidbar waren. Auch geschmacklich<br />

konnten die Testpersonen keine Zuordnung treffen.<br />

In die Doppelblindtestung kamen nur Patienten, die in <strong>der</strong> ersten offenen<br />

Testung <strong>bei</strong> Quark A eindeutig eine normoreaktive und <strong>bei</strong> B eindeutig<br />

eine hypo- o<strong>der</strong> hyperreaktive Muskelreaktion zeigten.<br />

Die verblindete Testung <strong>bei</strong>nhaltete immer je eine <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Quarksorten.<br />

Zwei Untersucher testeten insgesamt 63 Kin<strong>der</strong>. Nur in 47,6% <strong>der</strong><br />

Fälle konnte eine Übereinstimmung mit <strong>der</strong> offenen Testung erzielt werden<br />

(siehe Tabelle 9).<br />

Keine Untergruppe fiel <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Auswertung beson<strong>der</strong>s auf. Es gibt daher<br />

keinen Hinweis darauf, daß die Retest-Reliabilität <strong>bei</strong> verblindeten Untersuchungen<br />

überzufällig ist.


128<br />

Tab. 9 Doppelblindtestung verschiedener Quarksorten<br />

Anzahl <strong>der</strong> Tests Übereinstimmung mit offener Testung<br />

Tester 1 30 15 50,0%<br />

Tester 2 33 15 45,5 %<br />

insgesamt 63 30 47,6%<br />

6. Diskussion <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

Im Vergleich mit H 2 -Atemtest, Cytolisa und RAST zeigt die <strong>Kinesiologie</strong><br />

immer eine relativ hohe Sensitivität aber geringe Spezifität. Die vergleichsweise<br />

gute Sensitivität ist darauf zurückzuführen, daß kinesiologisch<br />

weit häufiger pathologische Ergebnisse gefunden werden als mittels<br />

Vergleichsverfahren. Das kann dahingehend interpretiert werden, daß <strong>Kinesiologie</strong><br />

mehr erfaßt als jedes <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Verfahren für sich genommen.<br />

Während die einzelnen Testverfahren immer nur eine Form <strong>der</strong> Unverträglichkeit<br />

erfassen – IgE-vermittelte Sofortallergien (RAST), IgGvermittelte<br />

verzögerte Allergien (Cytolisa) bzw. das Fehlen o<strong>der</strong> den Mangel<br />

des Enzyms β-Galactosidase (H 2 -Test) – erhebt die <strong>Kinesiologie</strong> den<br />

Anspruch, eine umfassen<strong>der</strong>e Reaktionslage des Körpers feststellen zu<br />

können, bzw. was diesem im weitestem Sinn schadet o<strong>der</strong> auch nutzt.<br />

Um diesem Anspruch mit den konventionellen Verfahren besser zu<br />

entsprechen, wurden die Ergebnisse <strong>der</strong> kinesiologischen Testung auch mit<br />

einer Kombination aus RAST und Cytolisa verglichen (Befund <strong>bei</strong> zumindest<br />

einem <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den Vergleichsverfahren pathologisch). Erwartungsgemäß<br />

sank dadurch die Sensitivität <strong>der</strong> kinesiologischen Testung (73,6%),<br />

während die Spezifität leicht anstieg (45,2%).<br />

Durch die unzureichende Spezifität erfüllt die <strong>Kinesiologie</strong> nicht den<br />

Anspruch, <strong>der</strong> an ein diagnostisches Verfahren, selbst an eine Screeningmethode<br />

gestellt werden muß, zumal Doppelblindversuche zu rein zufälligen<br />

Ergebnissen führen.<br />

Als Vorteil <strong>der</strong> <strong>Kinesiologie</strong> muß gewertet werden, daß ganze Lebensmittel<br />

getestet werden können. Cytolisa und RAST testen dagegen Lebensmittelextrakte,<br />

die nie dem nativen Lebensmittel mit seiner ganzen<br />

Bandbreite an Inhaltsstoffen und Zutaten gerecht werden können. So werden<br />

<strong>bei</strong>spielsweise im Prick-Test mit frischem Obst und Gemüse, aber<br />

auch <strong>bei</strong> Milch und Eiern an<strong>der</strong>e Ergebnisse erzielt als mit den handelsüb-


129<br />

lichen Lösungen (Norgaard u. Mitarb. 1992, Ortolani u. Mitarb. 1989).<br />

Auch <strong>bei</strong>m RAST-Test gibt es entsprechende Befunde. Beson<strong>der</strong>s <strong>bei</strong> Obst<br />

und Gemüse sind bestimmte allergene Eiweiße so empfindlich, daß sie den<br />

Extraktionsprozeß und die Lagerung <strong>der</strong> Extrakte nicht überstehen (Vieths<br />

u. Mitarb. 1996).<br />

Der Cytolisa zeigte sich bereits in an<strong>der</strong>en Untersuchungen wenig zuverlässig<br />

(Bahna 1987). Auffällig ist, daß die Ergebnisse oft den anamnestisch<br />

gewonnenen Hinweisen und den Erfahrungen aus <strong>der</strong> Ernährungsberatung<br />

wi<strong>der</strong>sprechen. Es scheint, als ob dieser Test trotz des Anspruchs,<br />

auch Kohlenhydrate zu erfassen, in Realität nur Eiweiße testet.<br />

Angesichts <strong>der</strong> Unzulänglichkeit <strong>der</strong> Vergleichsverfahren, sollte doch<br />

<strong>der</strong> Aufwand betrieben werden, die <strong>Kinesiologie</strong> mit dem Goldstandard in<br />

<strong>der</strong> Diagnostik von Nahrungsmittelallergien zu vergleichen – <strong>der</strong> doppelblind<br />

placebokontrollierten oralen Provokation (Burks u. Sampson 1992).<br />

Bisher erwies sich die <strong>Kinesiologie</strong> <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Diagnose von Lebensmittelunverträglichkeiten<br />

als unzuverlässig. Offen bleibt, inwiefern sie kombiniert<br />

mit einer Laserakupunktur zur Therapie im Sinne einer Toleranzsteigerung<br />

eingesetzt werden kann (Pothmann 1996; i. Druck).


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Kin<strong>der</strong>n mit rezidivierenden Bauchschmerzen. Klin. Pädiatr. 202 (1990) 413-416<br />

Dr. Raimund Pothmann°, Stephanie v.Frankenberg°, Cornelia Hoicke°, Dipl.-Stat.<br />

Rainer Lüdtke*, H. Weingarten°<br />

° Evangelisches Krankenhaus Oberhausen, Kin<strong>der</strong>neurologie/SPZ<br />

Virchowstr. 20, 46047 Oberhausen<br />

* Biometrisches Zentrum Erfahrungsmedizin<br />

Institut für Med. Informationsverar<strong>bei</strong>tung <strong>der</strong> Universität Tübingen<br />

Westbahnhofstr. 55, 72070 Tübingen

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