Trauer in der systemischen Supervision – Oder: Der Tod ... - DGSF
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Ulrich Pfeifer-Schaupp<br />
Lammer bezieht sich deshalb auf die Def<strong>in</strong>ition Freuds und wandelt sie ger<strong>in</strong>gfügig<br />
ab: »<strong>Trauer</strong> ist regelmäßig die Reaktion auf e<strong>in</strong>en Verlust, speziell auf den<br />
Verlust e<strong>in</strong>er signifikanten Person« (S. 31).<br />
Diese »Reaktion auf e<strong>in</strong>en Verlust« hat verschiedene Aspekte, die im angloamerikanischen<br />
Sprachgebrauch deutlicher werden, als im Deutschen. Lammer<br />
erläutert, dass <strong>der</strong> deutsche Begriff »<strong>Trauer</strong>« auf englisch <strong>in</strong> drei verschiedenen<br />
Worten ausgedrückt wird: Bereavement, Grief und Mourn<strong>in</strong>g (Lammer, 2004,<br />
S. 36 ff.).<br />
Mit Bereavement wird die äußere soziale Tatsache des H<strong>in</strong>terbliebense<strong>in</strong>s<br />
nach e<strong>in</strong>em <strong>Tod</strong>esfall beschrieben. Bereavement bezeichnet üblicherweise die<br />
objektive Situation von Menschen, die e<strong>in</strong>e wichtige Person durch <strong>der</strong>en <strong>Tod</strong><br />
verloren haben. Im Deutschen wären dafür die Ausdrücke »e<strong>in</strong>en <strong>Tod</strong>es- o<strong>der</strong><br />
<strong>Trauer</strong>fall haben«, »<strong>in</strong> <strong>Trauer</strong> se<strong>in</strong>« o<strong>der</strong> »h<strong>in</strong>terblieben se<strong>in</strong>« ungefähr entsprechend.<br />
Grief ist dagegen <strong>der</strong> Begriff, <strong>der</strong> mehr die subjektive Innenseite des <strong>Trauer</strong>ns<br />
betont: Gefühle, psychische Zustände o<strong>der</strong> Erlebnisreaktionen. Dieser Begriff<br />
zielt auf die <strong>in</strong>dividuell-subjektive Reaktion auf den <strong>Tod</strong>esfall beziehungsweise<br />
die subjektive Erlebnisseite <strong>der</strong> <strong>Trauer</strong>, die verschiedene emotionale, affektive,<br />
aber auch psychosomatische Aspekte e<strong>in</strong>schließt und <strong>in</strong> etwa mit »<strong>Trauer</strong>reaktion«,<br />
»<strong>Trauer</strong>symptome« o<strong>der</strong> »<strong>Trauer</strong>n« im engeren S<strong>in</strong>n des Wortes übersetzt<br />
werden kann.<br />
Mourn<strong>in</strong>g schließlich ist das äußerlich sichtbare, kulturell und sozial determ<strong>in</strong>ierte<br />
<strong>Trauer</strong>verhalten, e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> Rituale und Interaktionsprozesse.<br />
3 Kommen <strong>Trauer</strong>, Sterben und <strong>Tod</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>systemischen</strong><br />
<strong>Supervision</strong> vor?<br />
Systemische <strong>Supervision</strong> unterscheidet sich von an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> <strong>Supervision</strong><br />
durch ihre Orientierung an Grundpr<strong>in</strong>zipien und Grundhaltungen <strong>systemischen</strong><br />
Denkens und Handelns. Bedeutsam s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Pr<strong>in</strong>zipien von<br />
Zirkularität, Allparteilichkeit beziehungsweise Neutralität, das Hypothetisieren,<br />
die Grundhaltung des Nicht-Wissens, das E<strong>in</strong>nehmen von Metaperspektiven und<br />
e<strong>in</strong>e reflektierende Grundhaltung (z. B. im reflektierenden Team), strategisches<br />
Vorgehen, Wertschätzung und Respekt, gepaart mit angemessener Respektlosigkeit,<br />
Lçsungs- und Ressourcenorientierung, Kundenorientierung, Kontextsensibilität<br />
und e<strong>in</strong>e konstruktivistische Grundhaltung (vgl. Pfeifer-Schaupp,<br />
2002a, Schnei<strong>der</strong>, 2002).<br />
Wo und wie kommt <strong>Trauer</strong> als Thema <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>systemischen</strong> <strong>Supervision</strong> vor? Mit<br />
dieser Fragestellung habe ich Daten aus zehn Jahren me<strong>in</strong>er eigenen supervisorischen<br />
Praxis (aus <strong>der</strong> Zeit von 1996<strong>–</strong>2006) im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Selbstevaluation<br />
ausgewertet (vgl. He<strong>in</strong>er, 1994, 2001; Kähler, 1999; Kçnig, 2000). Ausgewertet<br />
wurden Protokolle aus E<strong>in</strong>zel-, Team- und Gruppensupervisionen. Teilnehmer<br />
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KONTEXT 39,1, S. 31 <strong>–</strong> 50, ISSN 0720-1079<br />
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçtt<strong>in</strong>gen 2008