Gerettete Worte - Verlagsgruppe Droemer Knaur

die Umwälzungen des zwanzigsten Jahrhunderts verändert
werden – weder durch den Sturz der Qing-Dynastie noch
durch das Chaos der Warlord-Ära, den Chinesisch-Japanischen
Krieg, den Bürgerkrieg oder die kommunistische Revolution.
Offenbar fehlt es den Chinesen immer noch an dem nötigen
Selbstvertrauen, um ihre wahren Gedanken offen auszusprechen
– und das, obwohl die nach Mao durchgeführten Reformen
im Lauf der Zeit einige Türen zwischen China und der
Außenwelt, zwischen Chinas Vergangenheit und seiner Zukunft,
zwischen Staat und Individuum geöffnet haben.
Das Sicherheitsdenken prägte alle öffentlichen Äußerungen in
China schon zu lange, als dass es in einem Zeitraum von weniger
als dreißig Jahren abgelegt werden konnte. Bis heute
wird die Redefreiheit in China mit geradezu idiotischer Sturheit,
Ignoranz und Angst eingeschränkt.
Ich aber kann nicht länger warten. Die Vernichtung der Vergangenheit
durch die Kulturrevolution sowie die anhaltende
Zensur der Medien und die Einflussnahme auf Schulbücher
haben dazu geführt, dass die jüngeren Chinesen den Bezug
zum Kampf früherer Generationen um die nationale Würde
verlieren. Die Einzelpersonen, die für das China des zwanzigsten
Jahrhunderts gekämpft haben, werden wegen ihrer bedingungslosen
Treue zu inzwischen veralteten revolutionären
Idealen abgelehnt und verhöhnt. Viele junge Leute suchen
zwar der unsicheren Gegenwart und der an Nimbus verlierenden
Vergangenheit mit neuen Werten zu begegnen, verweigern
sich jedoch der Einsicht, dass das selbstbewusste, in einem
Modernisierungsprozess befindliche China, das sie kennen,
ohne die Anstrengungen ihrer Großeltern und Urgroßeltern
gar nicht existieren würde.
Nach zwanzig mit Interviews und journalistischer Recherche
angefüllten Jahren mache ich mir ernsthaft Sorgen, dass die
Wahrheit über die moderne Geschichte Chinas – und über
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