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COCO CHANEL - SUR Kultur

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von 1948, die Nakba. Sie hat keinen Platz in Sprache, Landschaft<br />

oder Erinnerung des jüdischen Kollektivs. Um das zu ändern, habe<br />

ich die Nichtregierungsorganisation Zochrot, also »Erinnerung«,<br />

mitgegründet. Unser Ziel ist es, der Nakba einen Platz in unserer<br />

Sprache zu verschaffen, um eine andere Erinnerung neben der hegemonistisch-zionistischen<br />

zu stellen und über die palästinensische<br />

Geschichte aufzuklären.<br />

SuR: Was bedeutet Nakba?<br />

M: Nakba meint »Tag der Katastrophe«. Es beschreibt die Zerstörung<br />

palästinensischer Dörfer und Städte, Mord, Vertreibung, das<br />

Auslöschen der palästinensischen <strong>Kultur</strong>. Aber die Nakba ist auch<br />

unsere Geschichte, die der Juden in Israel. Es ist der »ground zero«<br />

des israelisch-palästinensischen Konflikts. Um diesen zu beenden<br />

und einen Einigungsprozess beginnen zu können, ist es wichtig,<br />

dass die Juden in Israel ein Bewusstsein für die Nakba entwickeln<br />

und sie anerkennen.<br />

SuR: Dass du darüber überall in der Welt sprichst, kommt nicht<br />

immer an. Wie lebt es sich mit Todesdrohungen?<br />

M: Ich habe mich daran gewöhnt. Man muss langen Atem haben.<br />

Ich erlebe auch viel Zuspruch. Viele Israelis haben genug vom<br />

Konflikt, sie wollen Frieden. Mütter wehren sich gegen den Militärdienst<br />

ihre Kinder. Im israelischen Parlament gab es einen Gesetzesentwurf,<br />

das Wort Nakba zu verbieten! Das zeigt, das Thema<br />

wird Teil des öffentlichen Diskurses.<br />

SuR: Nach der jüngsten Gaza-Offensive zeigest du in der Zochrot-<br />

Galerie »Postkarten für Gaza«...<br />

M: Die Weltöffentlichkeit bekam über die Medien nicht mit, was<br />

wirklich in Gaza passiert, wie die Bevölkerung leidet. Im Internet<br />

fand ich Bilder, die der Gazaer Fotograf Shareef Sarhan während<br />

der Angriffe schoss und in den wenigen Minuten, wo es Strom gab,<br />

ins Netz stellte. Ich mailte den Link der Fotos an befreundete israelische<br />

Künstler, bat sie, darauf zu reagieren. Daraus ist die Schau<br />

»Postkarten für Gaza« entstanden.<br />

Die du, Barbara, dann in einem Nazibunker unter dem Schlossplatz<br />

mit deiner Installation samt Fluchtkoffer zeigtest. Eine Provokation?<br />

K-C: Nein, sicher nicht. Als ich im Internet Normas Aktion entdeckte,<br />

war ich sofort fasziniert. Mir war klar, dass dies zu meiner<br />

Arbeit, die sich mit dem Konservieren von Erinnerungen beschäftigt,<br />

passte. Letztlich geht es darum, wie man sich an ein Ereignis<br />

wie die deutsche Vergangenheit, nicht zuletzt auch die Vergangenheit<br />

der eigenen Familie, erinnert. Ob man beschönigt, verdrängt<br />

oder der Wahrheit ins Gesicht schaut. Und es geht auch darum,<br />

was über welches Medium vermittelt wird. Hier schließt sich gewissermaßen<br />

der Kreis.<br />

SuR: Wie haben die Besucher reagiert?<br />

K-C: Manche interessiert und nachdenklich, andere wütend. Jemand<br />

hat sogar Bier über meine Arbeiten ausgeschüttet. Das ist<br />

ärgerlich, aber es zeigt, wie nötig es ist, diese Zusammenhänge an<br />

die Oberfläche zu bringen. In dieser Atmosphäre des Bunkers war<br />

das auch sehr intensiv, alles ist sehr eng. Es war meine Absicht, zu<br />

erspüren, wie sich der Aufenthalt in so einem Bunker anfühlt. In<br />

einem Bunker kannst du der Geschichte nicht entfliehen.<br />

SuR: Sind Gaza-Postkarten im Nazibunker ok Norma?<br />

M: Absolut, es geht um die Verantwortung für die Geschichte, deswegen<br />

ist eine solche Zusammenarbeit, wie sie Barbara und ich<br />

haben, wichtig. Verantwortung übernehmen die Deutschen, und<br />

auch die Israelis müssen ihren Teil der Verantwortung übernehmen.<br />

Nur, es ist schwer für die Deutschen Israel zu kritisieren mit ihrer<br />

Vergangenheit. Aber ich als jüdische Israelin kann und muss das.<br />

Dabei darf man nicht in Scham verhaftet bleiben, sonst kann man<br />

nichts ändern.<br />

SuR: Kann Kunst etwas ändern?<br />

K-C: Vielleicht nicht direkt, aber sie kann über mehrere indirekte<br />

Wege Anstöße geben, indem sie Emotionen und Denkprozesse<br />

auslöst.<br />

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