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Die Traumdeutung - ODYSSEE Theater

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Erklärung zu Gebote, sooft diese ihrer bedarf. Sie stehen aber hinter den objektiven<br />

Sinnesreizen darin zurück, daß sie jener Bestätigung ihrer Rolle als Traumerreger, welche<br />

Beobachtung und Experiment bei den letzteren ergeben, nur schwer oder gar nicht zugänglich<br />

sind. Den Haupterweis für die traumerregende Macht subjektiver Sinneserregungen erbringen<br />

die sogenannten hypnagogischen Halluzinationen, die von Joh. Müller als »phantastische<br />

Gesichtserscheinungen« beschrieben worden sind. Es sind dies oft sehr lebhafte, wechselvolle<br />

Bilder, die sich in der Periode des Einschlafens, bei vielen Menschen ganz regelmäßig,<br />

einzustellen pflegen und auch nach dem Öffnen der Augen eine Weile bestehen bleiben<br />

können. Maury, der ihnen im hohen Grade unterworfen war, hat ihnen eine eingehende<br />

Würdigung zugewendet und ihren Zusammenhang, ja vielmehr ihre Identität mit den<br />

Traumbildern (wie übrigens schon Joh. Müller) behauptet. Für ihre Entstehung, sagt Maury,<br />

ist eine gewisse seelische Passivität, ein Nachlaß der Aufmerksamkeitsspannung erforderlich<br />

(S. 59 u. f.). Es genügt aber, daß man auf eine Sekunde in solche Lethargie verfalle, um bei<br />

sonstiger Disposition eine hypnagogische Halluzination zu sehen, nach der man vielleicht<br />

wieder aufwacht, bis das sich mehrmals wiederholende Spiel mit dem Einschlafen endigt.<br />

Erwacht man dann nach nicht zu langer Zeit, so gelingt es nach Maury häufig, im Traum<br />

dieselben Bilder nachzuweisen, die einem als hypnagogische Halluzinationen vor dem<br />

Einschlafen vorgeschwebt haben (S. 134). So erging es Maury einmal mit einer Reihe von<br />

grotesken Gestalten mit verzerrten Mienen und sonderbaren Frisuren, die ihn mit<br />

unglaublicher Aufdringlichkeit in der Periode des Einschlafens belästigten und von denen er<br />

nach dem Erwachen sich erinnerte geträumt zu haben. Ein andermal, als er gerade an<br />

Hungergefühl litt, weil er sich schmale Diät auferlegt hatte, sah er hypnagogisch eine<br />

Schüssel und eine mit einer Gabel bewaffnete Hand, die sich etwas von der Speise in der<br />

Schüssel holte. Im Traume befand er sich an einer reichgedeckten Tafel und hörte das<br />

Geräusch, das die Speisenden mit ihren Gabeln machten. Ein andermal, als er mit gereizten<br />

und schmerzenden Augen einschlief, hatte er die hypnagogische Halluzination von<br />

mikroskopisch kleinen Zeichen, die er mit großer Anstrengung einzeln entziffern mußte; nach<br />

einer Stunde aus dem Schlafe geweckt, erinnerte er sich an einen Traum, in dem ein<br />

aufgeschlagenes Buch, mit sehr kleinen Lettern gedruckt, vorkam, welches er mühselig hatte<br />

durchlesen müssen.<br />

Ganz ähnlich wie diese Bilder können auch Gehörshalluzinationen von Worten, Namen usw.<br />

hypnagogisch auftreten und dann im Traum sich wiederholen, als Ouvertüre gleichsam,<br />

welche die Leitmotive der mit ihr beginnenden Oper ankündigt.<br />

Auf den nämlichen Wegen wie Joh. Müller und Maury wandelt ein neuerer Beobachter der<br />

hypnagogischen Halluzinationen, G. Trumbull Ladd. Er brachte es durch Übung dahin, daß er<br />

sich zwei bis fünf Minuten nach dem allmählichen Einschlafen jäh aus dem Schlaf reißen<br />

konnte, ohne die Augen zu öffnen, und hatte dann die Gelegenheit, die eben entschwindenden<br />

Netzhautempfindungen mit den in der Erinnerung überlebenden Traumbildern zu vergleichen.<br />

Er versichert, daß sich jedesmal eine innige Beziehung zwischen beiden erkennen ließ in der<br />

Weise, daß die leuchtenden Punkte und Linien des Eigenlichts der Netzhaut gleichsam die<br />

Umrißzeichnung, das Schema für die psychisch wahrgenommenen Traumgestalten brachten.<br />

Einem Traum z. B., in welchem er deutlich gedruckte Zeilen vor sich sah, die er las und<br />

studierte, entsprach eine Anordnung der leuchtenden Punkte in der Netzhaut in parallelen<br />

Linien. Um es mit seinen Worten zu sagen: <strong>Die</strong> klar bedruckte Seite, die er im Traum gelesen,<br />

löste sich in ein Objekt auf, das seiner wachen Wahrnehmung erschien wie ein Stück eines<br />

reellen bedruckten Blattes, das man aus allzu großer Entfernung, um etwas deutlich<br />

auszunehmen, durch ein Löchelchen in einem Stück Papier ansieht. Ladd meint, ohne<br />

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