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Die Traumdeutung - ODYSSEE Theater

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Kennzeichen des Traums ist nach ihm die Ort- und Zeitlosigkeit, d. i. die Emanzipation der<br />

Vorstellung von der dem Individuum zukommenden Stelle in der örtlichen und zeitlichen<br />

Ordnung. Mit diesem verbindet sich der zweite Grundcharakter des Traums, die<br />

Verwechslung der Halluzinationen, Imaginationen und Phantasiekombinationen mit äußeren<br />

Wahrnehmungen. »Da die Gesamtheit der höheren Seelenkräfte, insbesondere<br />

Begriffsbildung, Urteil und Schlußfolgerung einerseits und die freie Selbstbestimmung<br />

anderseits, an die sinnlichen Phantasiebilder sich anschließen und diese jederzeit zur<br />

Unterlage haben, so nehmen auch diese Tätigkeiten an der Regellosigkeit der<br />

Traumvorstellungen teil. Sie nehmen teil, sagen wir, denn an und für sich ist unsere<br />

Urteilskraft, wie unsere Willenskraft, im Schlafe in keiner Weise alteriert. Wir sind der<br />

Tätigkeit nach ebenso scharfsinnig und ebenso frei wie im wachen Zustande. Der Mensch<br />

kann auch im Traume nicht gegen die Denkgesetze an sich verstoßen, d. h. nicht das ihm als<br />

entgegengesetzt sich Darstellende identisch setzen usw. Er kann auch im Traume nur das<br />

begehren, was er als ein Gutes sich vorstellt ( sub ratione boni). Aber in dieser Anwendung<br />

der Gesetze des Denkens und Wollens wird der menschliche Geist im Traume irregeführt<br />

durch die Verwechslung einer Vorstellung mit einer anderen. So kommt es, daß wir im Traum<br />

die größten Widersprüche setzen und begehen, während wir anderseits die scharfsinnigsten<br />

Urteilsbildungen und die konsequentesten Schlußfolgerungen vollziehen, die tugendhaftesten<br />

und heiligsten Entschließungen fassen können. Mangel an Orientierung ist das ganze<br />

Geheimnis des Fluges, mit welchem unsere Phantasie im Traume sich bewegt, und Mangel an<br />

kritischer Reflexion, sowie an Verständigung mit anderen, ist die Hauptquelle der maßlosen<br />

Extravaganzen unserer Urteile wie unserer Hoffnungen und Wünsche im Traum.« (S. 18).<br />

Wird so die Abwendung von der Außenwelt zu dem bestimmenden Momente für die<br />

Ausprägung der auffälligsten Charaktere des Traumlebens erhoben, so verlohnt es sich, einige<br />

feinsinnige Bemerkungen des alten Burdach anzuführen, welche auf die Beziehung der<br />

schlafenden Seele zur Außenwelt Licht werfen und dazu angetan sind, vor einer<br />

Überschätzung der vorstehenden Ableitungen zurückzuhalten. »Der Schlaf erfolgt nur unter<br />

der Bedingung«, sagt Burdach, »daß die Seele nicht von Sinnesreizen angeregt wird, ... aber<br />

es ist nicht sowohl der Mangel an Sinnesreizen die Bedingung des Schlafes, als vielmehr der<br />

Mangel an Interesse dafür [Fußnote]Man vergleiche hiezu das » désintérêt«, in dem<br />

Claparede (1905) den Mechanismus des Einschlafens findet.; mancher sinnliche Eindruck ist<br />

selbst notwendig, insofern er zur Beruhigung der Seele dient, wie denn der Müller nur dann<br />

schläft, wenn er das Klappern seiner Mühle hört, und der, welcher aus Vorsicht ein Nachtlicht<br />

zu brennen für nötig hält, im Dunkeln nicht einschlafen kann.« (S. 457.)<br />

»<strong>Die</strong> Seele isoliert sich im Schlafe gegen die Außenwelt und zieht sich von der Peripherie ...<br />

zurück ... Indes ist der Zusammenhang nicht ganz unterbrochen; wenn man nicht im Schlafe<br />

selbst, sondern erst nach dem Erwachen hörte und fühlte, so könnte man überhaupt nicht<br />

geweckt werden. Noch mehr wird die Fortdauer der Sensation dadurch bewiesen, daß man<br />

nicht immer durch die bloß sinnliche Stärke eines Eindruckes, sondern durch die psychische<br />

Beziehung desselben geweckt wird; ein gleichgültiges Wort weckt den Schlafenden nicht, ruft<br />

man ihn aber beim Namen, so erwacht er..., die Seele unterscheidet also im Schlafe zwischen<br />

den Sensationen ... Daher kann man denn auch durch den Mangel eines Sinnesreizes, wenn<br />

dieser sich auf eine für die Vorstellung wichtige Sache bezieht, geweckt werden; so erwacht<br />

man vom Auslöschen eines Nachtlichtes und der Müller vom Stillstande seiner Mühle, also<br />

vom Aufhören der Sinnestätigkeit, und dies setzt voraus, daß diese perzipiert worden ist, aber<br />

als gleichgültig, oder vielmehr befriedigend, die Seele nicht aufgestört hat.« (S. 460 u. ff.)<br />

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