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Die Traumdeutung - ODYSSEE Theater

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erkennen lassen, während die anderen uns bloß fremdartig erscheinen. Es ist bisher kein<br />

Schritt geschehen, der uns ermöglichte, diese Verschiedenheit durch tiefer gehende<br />

Erkenntnis aufzuheben.<br />

Welche Bedeutung hat nun das Hervortreten ungewollter Vorstellungen im Traume, welche<br />

Schlüsse für die Psychologie der wachenden und der träumenden Seele lassen sich aus diesem<br />

nächtlichen Auftauchen kontrastierender ethischer Regungen ableiten? Hier ist eine neue<br />

Meinungsverschiedenheit und eine abermals verschiedene Gruppierung der Autoren zu<br />

verzeichnen. Den Gedankengang von Hildebrandt und anderen Vertretern seiner<br />

Grundansicht kann man wohl nicht anderswohin fortsetzen, als daß den unmoralischen<br />

Regungen auch im Wachen eine gewisse Macht innewohne, die zwar gehemmt ist, bis zur Tat<br />

vorzudringen, und daß im Schlaf etwas wegfalle, was, gleichfalls wie eine Hemmung<br />

wirksam, uns gehindert habe, die Existenz dieser Regung zu bemerken. Der Traum zeigte so<br />

das wirkliche, wenn auch nicht das ganze Wesen des Menschen und gehörte zu den Mitteln,<br />

das verborgene Seeleninnere für unsere Kenntnis zugänglich zu machen. Nur von solchen<br />

Voraussetzungen her kann Hildebrandt dem Traum die Rolle eines Warners zuweisen, der<br />

uns auf verborgene sittliche Schäden unserer Seele aufmerksam macht, wie er nach dem<br />

Zugeständnis der Ärzte auch bisher unbemerkte körperliche Leiden dem Bewußtsein<br />

verkünden kann. Und auch Spitta kann von keiner anderen Auffassung geleitet sein, wenn er<br />

auf die Erregungsquellen hinweist, die z. B. zur Zeit der Pubertät der Psyche zufließen, und<br />

den Träumer tröstet, er habe alles getan, was in seinen Kräften steht, wenn er im Wachen<br />

einen streng tugendhaften Lebenswandel geführt und sich bemüht, die sündigen Gedanken,<br />

sooft sie kommen, zu unterdrücken, sie nicht reifen und zur Tat werden zu lassen. Nach dieser<br />

Auffassung könnten wir die » ungewollten« Vorstellungen als die während des Tages »<br />

unterdrückten« bezeichnen und müßten in ihrem Auftauchen ein echtes psychisches<br />

Phänomen erblicken.<br />

Nach anderen Autoren hätten wir kein Recht zu letzterer Folgerung. Für Jessen stellen die<br />

ungewollten Vorstellungen im Traume wie im Wachen und in Fieber- und anderen Delirien<br />

»den Charakter einer zur Ruhe gelegten Willenstätigkeit und eines gewissermaßen<br />

mechanischen Prozesses von Bildern und Vorstellungen durch innere Bewegungen dar« (S.<br />

360). Ein unmoralischer Traum beweise weiter nichts für das Seelenleben des Träumers, als<br />

daß dieser von dem betreffenden Vorstellungsinhalt irgendwie einmal Kenntnis gewonnen<br />

habe, gewiß nicht eine ihm eigene Seelenregung. Bei einem anderen Autor, Maury, könnte<br />

man in Zweifel geraten, ob nicht auch er dem Traumzustand die Fähigkeit zuschreibt, die<br />

seelische Tätigkeit nach ihren Komponenten zu zerlegen, anstatt sie planlos zu zerstören. Er<br />

sagt von den Träumen, in denen man sich über die Schranken der Moralität hinaussetzt: » Ce<br />

sont nos penchants qui parlent et qui nous font agir, sans que la conscience nous retienne,<br />

bien que parfois elle nous avertisse. J'ai mes défauts et mes penchants vicieux; à l'état de<br />

veille, je tâche de lutter contre eux, et il m'arrive assez souvent de n'y pas succomber. Mais<br />

dans mes songes j'y succombe toujours ou pour mieux dire j'agis par leur impulsion, sans<br />

crainte et sans remords. ... Evidemment les visions qui se déroulent devant ma pensée et qui<br />

constituent le rêve, me sont suggérées par les incitations que je ressens et que ma volonté<br />

absente ne cherche pas à refouler.« (Le sommeil, p. 113.)<br />

Wenn man an die Fähigkeit des Traumes glaubte, eine wirklich vorhandene, aber unterdrückte<br />

oder versteckte unmoralische Disposition des Träumers zu enthüllen, so könnte man dieser<br />

Meinung schärferen Ausdruck nicht geben als mit den Worten Maurys (p. 165): » En rêve<br />

l'homme se révèle donc tout entier à soi-même dans sa nudité et sa misère natives. Dès qu'il<br />

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