Entwicklungszeiten - Arbeitsgebiet Grundschulpädagogik ...
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http://www.grundschulpaedagogik.uni-bremen.de/archiv<br />
41<br />
"Schulkampf" sowie schließlich vom Scheitern des Bildungsgesamtplans nachdem die<br />
Länderfinanzminister 1974 feststellten, "dass aufgrund der wirtschaftlichen Rezession die<br />
vorgegebenen Ziele nicht einzuhalten sind (vgl. dhm.de/lemo/html/dasGeteilteDe...Liberale<br />
Koalition/bildungsreformBody.html). Weitere Links verweisen unfreiwillig doppeldeutig auf<br />
Studentenprotest, Radikalisierung und den Deutschen Herbst. Bildungsreform in der<br />
Bundesrepublik Deutschland ist demnach Geschichte ohne Vorgeschichte, ohne Gegenwart<br />
und ohne Zukunft. Eben wie seit dem allgemeinen preußischen Landrecht gewohnt, eine<br />
Frage der herrschaftlichen Durchsetzung über den Weg der bürokratischen Verwaltung. Den<br />
Vorstellungen des Euphemismenkonstruktes „Generationenvertrag“ entsprechend (vgl.<br />
Michael/Schepp 1973, Leschinsky/Roeder 1984), werden Lehrkräfte ebenso wie Schülerinnen<br />
und Schüler bis heute einem vordemokratischen „erzieherischen Verhältnis“ (Nohl)<br />
unterstellt. Weder so manche pädagogische Lebensarbeitszeit im Bemühen um pädagogisch<br />
gestaltete Grundschule noch die Schulen verordnete Autonomie vermochten diese Strukturen<br />
zu durchbrechen, denn bis heute können Anrechte schulischer Versorgung bestenfalls als<br />
Verfahrensfragen bei Schädigungsvermutung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
eingefordert werden (vgl. Luthe 2002). Offenkundigen Strukturdefiziten zum Trotz zeigt sich<br />
deutsche Kultuspolitik jedoch ausgesprochen optimistisch, auch wenn dieser Tenor ihrer<br />
Verlautbarungen, wie nachfolgend in kurzen Gegenüberstellungen gezeigt, kaum zu den<br />
Situationswahrnehmungen zumindest mancher Kinder undLehrkräfte passen dürfte.<br />
Schlaglichter aus dem Grundschulalltag:<br />
Berechtigter Kinderprotest oder 'altlinke' Agitation im Klassenzimmer?<br />
Wenngleich die nachfolgend für illustrative Schlaglichter 8 herangezogenen Äußerungen von<br />
Kindern und Lehrerinnen nicht repräsentativ sein können, so lassen doch gerade neuere<br />
Studien zur Lebenswelt heutiger Kinder, Berichte aus Grundschulkollegien ebenso wie<br />
Berichterstattungen aus Gewerkschaften und Fachverbänden ähnlich gelagerte Probleme in<br />
größeren Ausmaßen vermuten. Nicht wenige Schülerinnen und Schüler nehmen ebenso wie<br />
ihre Lehrkräfte gegenwärtig ratlos und keinesfalls naiv wahr, dass Politik in ihrem Namen<br />
populistisch opportune Mythen von Wachstum und Fortschritt bedient (vgl. Fend 2003),<br />
deren Lasten und Folgekosten sie zu tragen haben .<br />
Grundschule nach neuer Hamburgischer Dramaturgie im September 03, aus dem<br />
Morgenkreis einer 3. Klasse:<br />
Die Kinder sprechen über ihr Umgehen mit Geld. Die Lehrerin notiert die Kinderäußerungen.<br />
Üblicherweise werden sie später im Unterricht aufgegriffen und vertieft. Dann meldet sich<br />
Carina. "Was die Schuldenuhr zeigt und unser Leben müssen wir später alles bezahlen. Das<br />
ist ganz schön ungerecht. Die Politiker sagen immer, es wird alles besser. Aber das stimmt<br />
nicht. Das ist so wie mit Schröder und zum Kotzen und dann bei Logo das nicht zugeben und<br />
bei der Frau von der anderen Partei, die nicht will, dass Chefs bestraft werden, die anderen<br />
Menschen das Leben kaputt machen." Andere Kinder signalisieren Zustimmung, reagieren<br />
aufgewühlt und benennen Frau Merkel und ihre Äußerungen zur Frage der Rechtmäßigkeit<br />
der Ermittlungen gegen die Herren Ackermann, Esser und Zwickel. Die Empörung droht zu<br />
eskalieren. Die Lehrerin bricht den Morgenkreis mit Beruhigungsformeln ab, die sie selber<br />
nicht glaubt. Auf dem Weg zu ihren Tischen charakterisieren die Kinder das Agieren<br />
führender Politiker ausgesprochen deutlich und zugleich begründet. Die Lehrerin ist zerrissen<br />
zwischen Stolz auf ihre Kinder und Ängsten davor, dass den Kindern und ihr Repressionen<br />
drohen können. Schon auf den Protest von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften gegen den<br />
Krieg im Irak reagierte die Kultusbürokratie ihres Bundeslandes mit<br />
Disziplinierungsdrohungen. Der latente Konflikt um das neue Arbeitszeitmodell trägt nicht<br />
8<br />
Über dreißig ähnliche Kinderäußerungen, die mir allein im September 03 von Kolleginnen zur Vorbereitung dieses Beitrags<br />
zugeleitet wurden, konnten aus Gründen des Umfang nicht berücksichtigt werden.