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Kreatives Schreiben und narrative Ansätze in der ... - DGSF

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<strong>Kreatives</strong> <strong>Schreiben</strong> <strong>und</strong> <strong>narrative</strong> <strong>Ansätze</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> systemischen Onl<strong>in</strong>eberatung<br />

erwiesen. Wo vorher Sprachlosigkeit war, f<strong>in</strong>den die Angehörigen im selbstreflexiven<br />

Prozess des <strong>Schreiben</strong>s Wörter, um Emotionen ausdrücken zu können.<br />

Gezielte Schreibaufgaben ermöglichen es den Angehörigen, ihre Gedanken <strong>und</strong><br />

Gefühle aus e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Distanz heraus zu betrachten, was ihnen dabei hilft,<br />

sich von alten Konstrukten <strong>und</strong> Geschichten zu lösen <strong>und</strong> offen für neue Erfahrungen,<br />

neue Erzähll<strong>in</strong>ien zu se<strong>in</strong>.<br />

Wie sich solch e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Erk<strong>und</strong>ungsprozess <strong>in</strong> <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>eberatung<br />

gestalten lässt, soll anhand <strong>der</strong> folgenden Falldarstellung beispielhaft aufgezeigt<br />

werden. Was den Rahmen <strong>der</strong> Kasuistik angeht, so möchte ich neben e<strong>in</strong>er rekursiven<br />

Beobachtung me<strong>in</strong>erseits die Leser(<strong>in</strong>nen) anhand <strong>der</strong> Nachrichten, die<br />

Frau M. <strong>und</strong> ich uns im Verlauf <strong>der</strong> Beratung geschrieben haben, direkt an dem<br />

geme<strong>in</strong>samen Erk<strong>und</strong>ungsprozess <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>eberatung teilhaben lassen<br />

– e<strong>in</strong> »Über-die-Schulter-Schauen«, um zu lesen, wie sich die therapeutische<br />

Wirkung des <strong>Schreiben</strong>s mit <strong>narrative</strong>n <strong>Ansätze</strong>n aus <strong>der</strong> systemischen Praxis <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>eberatung verb<strong>in</strong>den lässt. Aufgr<strong>und</strong> des begrenzten Umfangs dieses<br />

Artikels kann <strong>der</strong> Beratungsverlauf nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen Länge wie<strong>der</strong>gegeben<br />

werden, <strong>und</strong> ich konzentriere mich auf Auszüge aus den Nachrichten, <strong>in</strong> denen<br />

sich die Entwicklung <strong>und</strong> Verdichtung <strong>der</strong> beschriebenen neuen Erzähll<strong>in</strong>ien<br />

wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

2 Falldarstellung: pflegen-<strong>und</strong>-leben.de – Onl<strong>in</strong>eberatung für<br />

pflegende Angehörige<br />

Frau M., 44 Jahre alt, versorgt zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Kontaktaufnahme seit etwa<br />

e<strong>in</strong>em Jahr ihre Mutter (82 Jahre alt), die seit etwa neun Jahren an e<strong>in</strong>em Lungenemphysem<br />

Stadium 3 – 4 leide. Die Mutter sei noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung mobil, ihr<br />

Zustand habe sich im letzten Jahr aber stark verschlechtert, <strong>und</strong> sie benötige<br />

daher immer mehr Unterstützung <strong>und</strong> Versorgung. Frau M. lebt circa 100 Kilometer<br />

von ihrer Mutter entfernt <strong>und</strong> arbeitet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vollzeitstelle als Palliativfachkraft,<br />

e<strong>in</strong>e Arbeit, die ihr viel Freude bereite <strong>und</strong> die von ihr als sehr erfüllend<br />

beschrieben wird. E<strong>in</strong>en Tag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche verbr<strong>in</strong>ge sie bei ihrer Mutter, kaufe<br />

für sie e<strong>in</strong>, gehe mit ihr zum Arzt etc. In letzter Zeit habe sich die Situation<br />

zugespitzt <strong>und</strong> Frau M. fühle sich davon zunehmend belastet. In ihrer ersten<br />

Nachricht schreibt sie:<br />

Und damit s<strong>in</strong>d wir auch bei me<strong>in</strong>em größten Problem. Natürlich kenne ich die Möglichkeiten,<br />

sowohl mediz<strong>in</strong>isch wie pflegerisch <strong>und</strong> psychosozial. Und ich wünsche mir für<br />

me<strong>in</strong>e Mutter auch e<strong>in</strong>en »guten« Weg. Aber sie nimmt von mir nichts, aber wirklich gar<br />

nichts an. Sie sitzt e<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> ihrer Wohnung <strong>und</strong> beschäftigt sich nur mit ihren Beschwerden,<br />

seit e<strong>in</strong>em Jahr gel<strong>in</strong>gt es mir kaum mehr, sie im Gespräch mal auf e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e Spur zu br<strong>in</strong>gen. […] Bekannte haben sich schon längst abgewandt, weil das kaum<br />

auszuhalten ist – es ist schon sehr e<strong>in</strong>sam geworden um sie. Ich kann <strong>und</strong> will mich auch<br />

KONTEXT 44,2, S. 149 – 174, ISSN 0720-1079<br />

Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Gçtt<strong>in</strong>gen 2013 153

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