Thüringen Kulturspiegel September 2013 - Thueringen ...
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<strong>Thüringen</strong> <strong>Kulturspiegel</strong> | <strong>September</strong> <strong>2013</strong> Klassik 19<br />
CD-Tipp<br />
Ästhetisch aufmüpfig<br />
und politisch engagiert<br />
Hans Werner Henzes 1. und 6. Sinfonie – neu eingespielt<br />
Mit den Violinkonzerten Nr. 1 B-Dur und Nr. 5 A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart eröffnet die Jenaer Philharmonie<br />
die Spielzeit <strong>2013</strong>/2014. Solist ist der Geiger und Louis-Spohr-Preisträger Kenneth Renshaw aus den USA (Foto).<br />
Renshaw, 19 Jahre alt, erspielte sich nicht nur 2010 diesen begehrten Preis, den die Hochschule für Musik FRANZ<br />
LISZT Weimar auslobt, sondern auch 2012 Platz 1 beim internationalen Menuhin-Violinenwettbewerb (Peking).<br />
Er studierte bei Li Lin in San Francisco und bei Itzhak Perlman. Derzeit erhält er seine Ausbildung am Sophomoreund<br />
am New England Musikkonservatorium bei Donald Weilerstein. Er spielt eine Guadagnini-Violine aus dem Jahre<br />
1711, bereitgestellt von Bein & Fushi Violins of Chicago.<br />
4. <strong>September</strong>, 20 Uhr, Jena, Volkshaus<br />
Von Martin Luther zu Ernst Kreidolf<br />
Das Heinrich-Schütz-Haus Bad Köstritz lädt zur 10. Museumsnacht ein<br />
Am Freitag, dem 6. <strong>September</strong>, ab<br />
19.30 Uhr heißt es zum 10. Mal<br />
„Hereinspaziert zur Museumsnacht!“<br />
Das Programm ist weit gefächert:<br />
da erwartet die Besucher<br />
Musik vom Feinsten mit dem Ensemble<br />
Capella de la torre unter der<br />
Leitung von Katharina Bäuml. Mit<br />
ihren strahlenden und lachenden<br />
Schalmei-Tönen und ihrer mitreißenden<br />
Art zieht sie ihre Musikerkollegen<br />
genauso in den Bann wie<br />
das Publikum.<br />
Capella de la torre eröffnet den<br />
musikalisch-literarischen Rundgang<br />
mit dem Nachtwächter durch<br />
Bad Köstritz und sorgt für den<br />
hochkarätigen Abschluss in der Köstritzer<br />
Kirche gegen 22 Uhr. Sie<br />
waren schon einige Male zu Gast in<br />
Bad Köstritz und haben uns mit ihrem<br />
feinen Gespür für die Musik<br />
fasziniert!<br />
Eröffnet wird die Museumsnacht<br />
um 19.30 Uhr im Heinrich-Schütz-<br />
Haus Bad Köstritz mit einer szenischen<br />
Lesung unter dem Motto<br />
„Euch stoßn, dass es krachen soll“.<br />
Gisela Reimann, Schauspielerin<br />
aus Zeitz, schlüpft in die Rolle der<br />
Katharina von Bora und wie im<br />
wahren Leben spielt ihr Mann, Hubert<br />
Reimann, ihren Mann, Martin<br />
Luther. Wir erleben das Miteinander<br />
von Katharina und Martin, mal<br />
im Sinne einer Gardinenpredigt,<br />
mal ganz beschaulich. Den „Wirbelwind“<br />
Katharina, die nie auf den<br />
Mund gefallen ist, mit ihrem Martin<br />
… Umrahmt wird die szenische<br />
Lesung von den Köstritzer Flötenkindern.<br />
Nach einer Stärkung wartet dann<br />
der Köstritzer Nachtwächter auf<br />
alle Gäste, um sie in die dunkle –<br />
aber von vielen Kerzen erhellte –<br />
Museumsnacht zu führen: Es geht<br />
zunächst in Richtung Palais, weiter<br />
vorbei am Sturm- und Schütz-<br />
Denkmal in die Köstritzer Kirche.<br />
Das Ensemble carmina und der<br />
Propsteikantor Patrick Kabjoll werden<br />
ebenfalls noch zu hören sein.<br />
Bei ihnen dreht sich dann alles um<br />
musizierende Schmetterlinge, singende<br />
Käfer und tanzende Blumen<br />
– als Hommage an den 150. Geburtstag<br />
von Ernst Kreidolf.<br />
Eine Sonderausstellung mit seinen<br />
Bilderbüchern lässt seit einigen<br />
Wochen das Treppenhaus des<br />
Heinrich-Schütz-Hauses zu einer<br />
großen Voliere inklusive Gewächshaus<br />
werden.<br />
In der Köstritzer Kirche sind seine<br />
Biblischen Bilder zu sehen. Kleine<br />
aber auch große Besucher bestaunen<br />
die Käfer und Grillen, die<br />
Stiefmütterchen und Georginen,<br />
die Schachbrettfalter und Kohlweißlinge<br />
…<br />
Schon zum 10. Mal lädt das<br />
Heinrich-Schütz-Haus zur Museumsnacht<br />
ein. Es ist eine „familiäre“<br />
Museumsnacht, die kleine und<br />
große Besucher und Aktive, Laien<br />
und absolute Profis zusammenführt!<br />
Von Dr. Eberhard Kneipel Es ist die<br />
vierte und vorletzte CD der Neuaufnahmen<br />
aller Sinfonien, die das renommierte<br />
Mainzer Neue-Musik-Label<br />
WERGO in seiner Henze-Edition<br />
vorlegt. Auch sie ist aller Aufmerksamkeit<br />
wert: Zum einen, weil die exzellenten<br />
Aufführungen des Rundfunk-Sinfonieorchesters<br />
Berlin unter<br />
Marek Janowski hörbar Referenzstatuts<br />
erlangen – nach der von Hans<br />
Werner Henze geleiteten Ersteinspielung<br />
der Sinfonien 1-5 mit<br />
den Berliner Philharmonikern<br />
(1966) und der<br />
„Sechsten“ mit dem London<br />
Symphony Orchestra<br />
(1972) und mehreren<br />
Aufnahmen der Sinfonien<br />
7-10. Zum anderen, weil<br />
sie zwei Werk vereint, die<br />
konträrer nicht sein könnten,<br />
die aber dennoch etwas<br />
gemeinsam haben:<br />
den Tabubruch.<br />
21-jährig legte der junge<br />
Komponist seine 1.<br />
Sinfonie vor – zu einer<br />
Zeit, in der die Gattung erledigt<br />
schien und den Verfechtern der Neuen<br />
Musik als suspekt galt. Und als<br />
Igor Strawinskys Neoklassizismus,<br />
den die spielerisch-konzertante, doch<br />
im „Notturno“ sehr ausdrucksintensive<br />
Musik Henzes zum Vorbild gewählt<br />
hatte, dem Verdikt der Schönberg-Schule<br />
und der Webern-Jünger<br />
anheim fiel. Da war es geradezu grotesk,<br />
dass dieser langsame Satz im<br />
Entstehungsjahr der Sinfonie bei den<br />
Darmstädter Ferienkursen 1947 vorgestellt<br />
wurde, in der Hochburg der<br />
Moderne-Apologeten. Vom legendären<br />
Hermann Scherchen. Henzes Lehrer<br />
Wolfgang Fortner dirigierte dann<br />
die Uraufführung 1948 in Bad Pyrmont.<br />
Doch Henze missfiel sein sinfonischer<br />
Erstling, er arbeitete ihn<br />
mehrmals um und legt 1991 die revidierte<br />
Neufassung vor, deren Premiere<br />
er selbst leitete.<br />
Auch die „Sinfonia N. 6“ für zwei<br />
Orchester, die Henze 1969 in Havanna<br />
mit dem Kubanischen Nationalorchester<br />
präsentierte, erhielt erst 25<br />
Jahre später ihre endgültige Version.<br />
In diesem Werk klingt die Solidarität<br />
des großen Komponisten mit der<br />
68er Studentenrevolte und den Befreiungsbewegungen<br />
der Dritten<br />
Welt an, und auch das wurde angefeindet.<br />
Mit „politischer Musik“ hatte<br />
Henze erneut einen Tabubruch begangen.<br />
Sein Komponieren besaß jedoch<br />
auch folkloristische Aspekte:<br />
„Meine Sechste, eine lutherisch-protestantische<br />
Sinfonie, hat einen<br />
heidnischen Corpus, sein Pulschlag<br />
und sein Blutdruck sind schwarz.<br />
Das kommt von der Mythologie her<br />
und aus der mythologisch zu verstehenden<br />
Rhythmik der Musik, Ausdrucksmittel<br />
der einst nach Cuba<br />
verschleppten und dort sesshaft gewordenen<br />
Afrikaner, einer Musik, die<br />
heute so lebendig und unwiderstehlich<br />
ist wie je.“ Da finden sich Liedzitate<br />
aus Vietnam und von Mikis<br />
Theodorakis („Lieder der Freiheit“)<br />
ebenso wie die Vertonung „eines<br />
verzweifelten Liebesgedichts von<br />
Miguel Barnet, einem modernen kubanischen<br />
Dichter.“<br />
Unwiderstehlich und lebendig –<br />
so wirkt denn auch die Wiedergabe<br />
der beiden Werke, ganz gleich, ob sie<br />
von apollinischer Helligkeit oder<br />
dunkel glühender Leidenschaft<br />
durchdrungen sind, ob sie sich spürbar<br />
leicht oder deutlich engagiert<br />
geben.<br />
Hans Werner Henze, Symphonies 1 & 6 /<br />
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Marek<br />
Janowski // WERGO 1 CD 67 24 2