KOMpass – Ausgabe 5 / 2. Quartal 2012
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den Wind gereimt<br />
Nazim Hikmet <strong>–</strong> Das Leben eines türkischen Dichters, Lyrikers und<br />
Schriftstellers im Exil<br />
Die Türkei, ein Land mit vielen Offenbarungen in jegliche<br />
Hinsicht. Auf diesem Boden gedeihen die schönsten Exemplare<br />
des Lebens, der Kunst, jedoch können diese ihre weitere<br />
Entfaltung nur sehr schwer oder gar nur aus dem Ausland<br />
frei ausleben. Die Rede ist hier von den ins Exilleben hinaus<br />
gedrängten Dichtern, Lyrikern und Schriftstellern. Seit der<br />
Gründung der Republik Türkei bekämpft das Land die Stimme<br />
der inneren Kritik, welche sich auch in der Dichtung und<br />
Lyrik auslebt, mit Mitteln und Methoden, die einer freien<br />
Demokratie fern sind. Jedoch solange die leiseste Hoffnung<br />
besteht, solange die Hand noch schreibt und das Gehirn noch<br />
denkt, werden weiterhin die Gedanken auf zahllose Papiere,<br />
mit der Tinte, die den Kreislauf des Dichters und Lyrikers<br />
vom Gehirn zum Papier darstellt, fließen.<br />
Hierzu möchten wir an Nazim Hikmet gedenken, welcher sein<br />
Leben im Exil verbrachte und von dort aus eifrig und mit viel<br />
Hoffnung schrieb.<br />
Nazim Hikmet ist der bekannteste türkische Lyriker innerhalb<br />
und außerhalb des Landes. Der am 20.1.1902 in Saloniki<br />
geborene Sohn eines Paschas war zunächst Anhänger des türkischen<br />
Nationalismus, wandte sich aber rasch davon ab, als er<br />
die blutigen Auswirkungen erkannte und wurde zur Symbolfigur<br />
der demokratischen Bewegungen.<br />
1921-24 studiert Hikmet in Moskau, wo er von Wladimir Majakowskij<br />
entscheidend beeinflusst wird.<br />
Durch den Einsatz von reimlosen Zeilen im Blankvers bricht<br />
Hikmet mit den Traditionen der türkischen Lyrik. 1938 wird<br />
Hikmet zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Bis 1965 sind seine<br />
Werke in der Türkei verboten und werden ausschließlich<br />
im Ausland gedruckt und unter der Hand verbreitet. In der<br />
Haft arbeitet Hikmet<br />
an seinem Hauptwerk<br />
„Ansichten der Menschen<br />
in meinem Heimatland“.<br />
Erst 1950<br />
wird der Dichter nach<br />
internationalen Protesten<br />
freigelassen, kurz<br />
danach zum Militär<br />
einberufen und erhält<br />
gleichzeitig mit der<br />
Einberufung Morddrohungen. Hikmet flieht mit einem Ruderboot<br />
übers Schwarze Meer und wird von einem rumänischen<br />
Frachter aufgenommen. 1963 Nazim Hikmet stirbt im Alter<br />
von 61 Jahren am 3. Juni 1963 im Moskauer Exil.<br />
Leben<br />
Leben wie ein Baum<br />
einzeln und frei<br />
und brüderlich<br />
wie ein Wald<br />
das ist<br />
unsere Sehnsucht<br />
Heute ist Sonntag<br />
Heute haben sie mich das erste Mal<br />
in die Sonne hinausgelassen.<br />
Ich bin das erste mal in meinem Leben<br />
so sehr verwundert darüber<br />
das der Himmel so sehr weit weg von mir ist<br />
so sehr blau ist<br />
so sehr großflächig ist<br />
ohne mich zu rühren stand ich da.<br />
Danach setze ich mich mit Ehrfurcht auf die Erde,<br />
meinen Rücken lehnte ich an die Wand.<br />
In diesem Moment dachte ich weder an<br />
das Fallen der Wellen,<br />
noch an Streit,<br />
noch Freiheit, noch an meine Frau.<br />
Die Erde, die Sonne und ich...<br />
Ich bin überglücklich...