DER FREIHANDEL - Börse Stuttgart
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der renommierte Ökonom Jagdish Bhagwati, der eigentlich<br />
für einen weltweiten Freihandel zwischen allen<br />
Ländern eintritt (s. Interview auf Seite 14). Vor allem<br />
US-Präsident Barack Obama dürfte an einer Forcierung<br />
des TTIP gelegen sein. Er will seiner Präsidentschaft<br />
damit einen historischen Erfolg verleihen – und hat dafür<br />
nur noch bis Ende 2016 Zeit.<br />
„US-Präsident Barack Obama und<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />
sind zu dem schlüssigen Vorhaben<br />
gelangt, den derzeit größtmöglichen<br />
Freihandelsraum zu schaffen.<br />
So wollen sie verhindern, dass<br />
sich die wirtschaftliche Macht<br />
weiter nach Osten, insbesondere<br />
nach China, verlagert.“<br />
Wenn tatsächlich GröSSe über<br />
den Erfolg entscheidet, stehen die<br />
Chancen für TTIP gut. „Zu dem<br />
neuen westlichen Block demokratischer<br />
Nationen wird es in nächster<br />
Zeit weltweit kein adäquates<br />
Gegengewicht geben“, prophezeit<br />
Rosecrance. Es ist nicht das erste<br />
Mal, dass es Pläne für einen Freihandelspakt<br />
gibt. Aber mit Schaffung<br />
der WTO Mitte der 1990er-<br />
Jahre und dem Wunsch nach einem<br />
weltweiten Abkommen – der<br />
sogenannten Doha-Runde – wurde<br />
das europäisch-amerikanische<br />
Projekt erst mal auf Eis gelegt.<br />
Nach dem Scheitern der Doha-<br />
Verhandlungen wird der alte Ansatz<br />
jetzt folgerichtig wieder vorangetrieben.<br />
„Wenn wir annehmen, dass<br />
die Welthandelsgespräche der WTO<br />
endgültig tot sind, dann könnte<br />
man sagen: besser eine transatlantische<br />
Freihandelszone, um den<br />
globalen Handel zu stimulieren, als<br />
gar kein Abkommen“, meint sogar<br />
Globalisierung<br />
Das Ziel eines<br />
freien Welthandels<br />
ist unmittelbar<br />
ans Gelingen<br />
der sogenannten<br />
Doha-Runde<br />
geknüpft. 2001<br />
hatten sich die<br />
Handelsminister<br />
der WTO-Mitgliedstaaten<br />
in<br />
Doha auf das Ziel<br />
geeinigt, die<br />
Märkte weiter zu<br />
öffnen und die<br />
Entwicklungsländer<br />
besser in<br />
das System des<br />
Welthandels<br />
einzubinden. Bis<br />
heute ist keine<br />
Einigung erzielt<br />
worden. Der<br />
neue WTO-Chef<br />
Roberto Azevedo<br />
hat sich jetzt auf<br />
die Fahnen<br />
geschrieben, das<br />
Abkommen doch<br />
noch zum Erfolg<br />
zu führen. Im<br />
Dezember 2013<br />
treffen sich<br />
deshalb die<br />
Handelsminister<br />
der 159 WTO-<br />
Mitgliedsstaaten<br />
in Bali.<br />
Trotz aller wirtschaftlichen Vorteile darf<br />
allerdings nicht vergessen werden, dass sich die Gespräche<br />
in einem frühen Stadium befinden. Da argumentieren<br />
die Verhandlungspartner noch ganz grundsätzlich<br />
mit der Gesundheit der eigenen Bevölkerung, wenn die<br />
USA die Einfuhr von Schimmelkäse verbieten und die EU<br />
mit Masthormonen behandeltes Fleisch aus den Vereinigten<br />
Staaten nicht in ihren Supermärkten sehen will.<br />
Dass alle bürokratischen Hemmnisse abgebaut, aber<br />
gleichzeitig Einschränkungen zum Verbraucherschutz<br />
beibehalten werden, ist unwahrscheinlich. Bald wird sich<br />
zeigen, wie groß die Kompromissbereitschaft auf beiden<br />
Seiten wirklich ist.<br />
„Es steht zu befürchten, dass die Verhandlungspartner<br />
Wirtschafts- und Wachstumsinteressen den Vorrang<br />
vor Nachhaltigkeits- und Verbraucheranliegen geben“,<br />
erklärt Katharina Knoll vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.<br />
Sie glaubt, dass bewährte Standards<br />
einfach als Handelshemmnis deklariert und dann abgesenkt<br />
werden. So sind beispielsweise die Hygiene- und<br />
Sicherheitsstandards für Lebensmittel und Agrarprodukte<br />
auf beiden Seiten des Atlantiks höchst unterschiedlich.<br />
Während in den USA etwa gentechnisch veränderte<br />
Produkte ohne Deklaration zum Verkauf stehen, lehnen<br />
Verbraucher in Europa diese mehrheitlich ab. „Diese<br />
Unterschiede gilt es zu respektieren“, findet Verbraucherschützerin<br />
Knoll. Sie fordert: „Harmonisierung nach oben<br />
– ja. Deregulierung nach unten zulasten von Verbrauchern<br />
und Umwelt – nein.“<br />
Die Analysten des Ifo-Instituts sehen diese Differenzen<br />
zwar auch. Dennoch glauben sie, dass die Chancen auf<br />
weitreichende Kompromisse gut stehen. Studienautor<br />
Professor Mario Larch erklärt: „Sehr ähnliche ökonomische<br />
Entwicklungsniveaus, starke gegenseitige Investitionspositionen,<br />
eine tiefe politische Verflechtung und<br />
hohe kulturelle Nähe legen nahe, dass es den Partnern<br />
leichter gelingen sollte, die nicht-tarifären Handelshemmnisse<br />
zu senken.“ Dies erfordere nämlich in vielen<br />
Bereichen, etwa bei der Zulassung von Produkten, ein<br />
hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen.<br />
Illustration: Jörg Block<br />
10 marktmacher 02/2013