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Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst

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6<br />

:Der nöflicne Meldereiter.<br />

Von<br />

Frei h err vo n Schlic ht.<br />

1I:n<br />

(Nac li d rn cl, verbOlC" .)<br />

"0.l~ .~er I~ol1:ma n de ur des Husaren-H.egiments 1'1 anz<br />

~!. ~ Hell1 1'1ch las nun wohl schon zum sechtite n<br />

'(~V;P Mal das umfangreiche Schreiben, das am<br />

frühen Morgen vom General-Kommando ein gelau fen<br />

war. Das Alltenstück cnthielt lauter Bc merkungen<br />

flir die bevorstehenden Herbstm anöver <strong>und</strong> da<br />

Seine Excellenz mit all cr Bestimmtheit darauf rec h­<br />

nete, dass cs den Herren Regimentskommandeuren<br />

noch möglich sein würde, alle seine Wünsche zu<br />

er i'üJl cn, so war deren Stimmung nicht allzu rosig,<br />

denn die vVlinsche der Vorgesetzten steben meitit<br />

in direktem Widerspruch mit denen der Untcrgebenen<br />

<strong>und</strong> man muss sehr hä ufig, um dic Höheren<br />

zu erfreuen, a llc Anordnun gcn, die man schon getroffcn<br />

hat, über den Haufen werfe n. Und das ist<br />

nicht nur sehr unangenehm, sond ern auch sehr<br />

scll wierig.<br />

Das galt be onders von einem Passus des umfangreichen<br />

Aktenstückes, den der Herr Oberst immcr<br />

<strong>und</strong> immer wiedcr las <strong>und</strong> der bei ih m ein so<br />

energisches Schütteln des Kopfes veranlasstc, dass<br />

dati Feuer seinc!' brcnnenden Cigarre, die er im<br />

M<strong>und</strong> hielt, einem Irrlicht glich, das bald hi er, balel<br />

dort leuchtct.<br />

"Wäre Exccllenz nicht Excell enz, un d wäl'c<br />

Excell enz nicht mei n Vorgesetzter", sagtc Cl' schliesslich<br />

zu seinem Ad jutanten, mit dem er zusammen<br />

a uf dem Bureau sass, "dann möchte ich wohl bchaupten,<br />

dass Excell ellz sich das, was er über das<br />

Meldewesen hier schreibt, nicht ganz richtig überleg<br />

t hat, zum mindesten drückt er sich sebl' unldal'<br />

aus. Excell enz schreibt hier wörtlich: ,,,,Wie ich es<br />

schon bei dem letzten Manöver in meiner Scblu sskritik<br />

sagte <strong>und</strong> wie ich es in dem E<strong>und</strong>scbreiben<br />

nach Scbluss der Manöver den mir unterstellten<br />

Truppenteil en mitteilte, hat das Meld ewesen mich<br />

im vorigen .Jahr in keiner Weise befriedigt <strong>und</strong> aucll<br />

nicht befriedigen können. Ueber den W ert der<br />

Meld ungen bra uche .ich heute ja nicht viel Worte<br />

zu machen, denn ich glaube es bereits zu wicderholten<br />

Malen klar gesagt zu haben, dass der Führer<br />

nur dann disponic ren <strong>und</strong> nur dann sein e Truppen<br />

r ichtig ansetzen kann, wenn er d urch zahlreiche <strong>und</strong><br />

genaue Meldungen über die Aufstellung der feindlichen<br />

Truppen unterrichtet ist. In dieser Hinsicht erfüllte<br />

die Kavallerie im vorigen Jabl' absolLlt nicht die<br />

E r wartungen, die ich an sie stell en musste. Nicht<br />

nur, dass di e Meldungen sehr häufig ganz ausblieben<br />

- auch das Wenige, was gemeld et wurde, li ess<br />

sehr viel zu wünschen übrig. Vor all en Dingen<br />

aber erwartt! ich a uch, dass iu diesem Jahr mir die<br />

Me ldun gen in einer anderen Art <strong>und</strong> W eise überbracht<br />

werden wie im vorigen Jahr. I.ch wünsche<br />

es nicht wieder zu sehen, dass die Meldereitet: mich<br />

beinahe umreiten <strong>und</strong> mir die Meld ekarten, ohne ein<br />

VVort dabei zu sagen, mit einer kurzen, energ ischcn<br />

l~e\Veg ung hinreichen, gleichsam, als wollten sie mich<br />

mit der I-land stossen; diese Boxerbewegungen. wenn<br />

ich micb so ausdrücken soll , verbitte ich m ir auf<br />

das energischste. Gewiss soll der Verk ehr des<br />

Untergebenen mit dem Vorgesetzten streng militärisch<br />

sein, aber er Hi sst sich doch in ein e gewisse<br />

Ilöfliche Form hin einbringen <strong>und</strong> genide die w Unsche<br />

icll in diese m Jahre anzutrcffen.''''<br />

Die Cigarre des Herrn Oberst Hog wieder wie<br />

ein I'euerball in der Luft herum.<br />

" VVa,; denkt Exce ll enz sich n UI' dabei?" fragte<br />

er sein en Adjutanten. ,,[ch habe mit all er Strenge<br />

darauf gehalten, dass d ie Meldereiter, wenn sie ei ne<br />

Meldung abstatten oder überbringen, sich so mi litärisch,<br />

wie nur irgend möglich benehmen, den M<strong>und</strong><br />

halten, eine tadellose Haltung annehmen <strong>und</strong> den<br />

Vorgesetzten mit g rossen, oflenen Augen frei ansehen.<br />

Nun genügt das plötzl ich nicht mehr: nun<br />

soll ein e gewisse höfliche Form gewahrt werden!<br />

VVenn Exce ll enz wen igstcns di e Güte gehaht hätten,<br />

~i c h darüber zu ä ussern , was er unter di esel' höllichen<br />

form versteht <strong>und</strong> wie er sich dieselbe denkt) dann<br />

wollte ich sie mclnen Leuten schon beibringen, darauf<br />

könnte Excell enz Silmtliche Eide der W elt schwören;<br />

denn um dem Tadel eines Vorgesetzten zu e nt ~e h e n ,<br />

t hut ein Untergebener, der sein en Dienst li ebt <strong>und</strong><br />

der es weiter brin gen wi ll, alles, <strong>und</strong> er bringt sein en<br />

Untergebenen Sachen bei, die er früher selbst nicht<br />

<strong>für</strong> möglich gehalten hat. Nu n sagen Sie a uch mal<br />

einen Ton: wie denken Sie sich die höl1 liche l"orm ?"<br />

Der Adjutant fühlte sich durch die Frage des<br />

Vorgesetzten <strong>und</strong> durch das Vertra uen aue sein<br />

VVisscn, das aus diesen Worten sprach , zwar sehr<br />

geehrt, - aber das war a uch all es. Eine ve r­<br />

ständige Antwort ve rmochte auch er nicht zu geben.<br />

Aber während die in direk.ten Fragen das Gute haben,<br />

dass man sie mit Stillsch we igen übergehen kann,<br />

gehört auf ein e d irekte Frage, zumal wcn n sie aus<br />

dem M<strong>und</strong>e eines Vorgesetzten kom mt, immer a uch<br />

ein e Antwort - schweigt man a uch dann, so<br />

ist das entweder ein Ze ichen von Widersetzlichkeit<br />

oder vo n geistiger Be sc hr ~l nkth e it , <strong>und</strong> in dieser<br />

Be leuchtung zcigt sich der Untergebene nicht gern<br />

dem Höheren. Sagen musste der Adjutant also<br />

irgend etwas un d so meinte cl' denn schliesslich :<br />

"Viell eicht wi ll Exce ll enz, dass di e Me ldereiter ihm<br />

di e Meldekarten mit einer geringen Verbeugung überreichen<br />

oder dass sie während des prechens ein<br />

fre<strong>und</strong>liches Gesicht machen."<br />

Der Oberst sah seinen Adjutanten, der sein e<br />

Sache sehr gut gemacht zu h aben gla ubte, mit<br />

grossen, starren Augen an. "Sagen Sie mal," fragte<br />

er endlich, " haben Sie gestern Abend se h I' lange<br />

im Kasino gesessen ? Was Sie mir da erzählen,<br />

scheint mir eine Kateridee zu sein, oder wollten Sie<br />

mich etwa uzen ? Soll ich meinen Husaren viell eicht<br />

vor dem Manöver noch Tanz- <strong>und</strong> Anstandsunterricht<br />

geben lassen <strong>und</strong> sollen die Jungen da noch erst<br />

lernen, mit einer sogenannten eleganten Verbeugung<br />

bei der unter H<strong>und</strong>ert wenigstens Neun<strong>und</strong>neunzig<br />

mit einem Bein hinten ausschlagen, ein er Tänzerin<br />

einen Blumenstrauss zu überreichen, <strong>und</strong> soll en meine<br />

Husaren dann das, was sie in der A nstandsst<strong>und</strong>e<br />

lernten, praktisch im Manövergelä nde verwerten?<br />

Excell enz müsste nicht Excellenz, sondern wie Sie<br />

ei n ganz junger Oberleutnant sein, wenn er all en<br />

E rn stes so etwas verlangen oder auch nur denken<br />

sollte. "<br />

Der Herr Oberst schwieg <strong>und</strong> der Adjutant<br />

lllilchte ein sehr wenig intelligentes Gesicht! De r<br />

letzte Hieb sass <strong>und</strong> zwar derartig, dass es ihm<br />

nicht einmal schmeichelte, mit Excell enz in einem<br />

Atem genannt worden zu sein .<br />

Der Kommandeul' versank in tiefes Nachdenken,<br />

seinen Adjutanten fragte er garnicht mehr um Rat,<br />

dabei kam, wie es sich eben erst gezeigt hatte, doch<br />

nichts Gescheidtes heraus, so grlibelte er denn a llein<br />

weiter <strong>und</strong> ze rbrach sich den Kopf darüber, in<br />

welcher Form Excellenz denn die Me ldungen überbracht<br />

haben woJJte; aber auch bei seinem Nachdenken<br />

kam nicbt allzu viel heraus, eigentlich garnichts.<br />

Aber so ganz umsonst zerbricht sich ein Vorgesetzter<br />

denn doch nicht den Kopf, das ze igte sich<br />

au ch. hi er wieder: "Halt, ich habs," rief er endlich,<br />

" feh lese heute M.ittag den Herren J~ ittmei ste rll das<br />

Schreiben Sr. Excell enz vor <strong>und</strong> sage dann zu ihnen:<br />

" Mein e H crren, Excell enz drü ckt sich so Id ar <strong>und</strong><br />

deutlich aus <strong>und</strong> die gewisse höflich e Form, die<br />

Excellen z zu sehen w ünscht, ist so selbstverständlich,<br />

dass ich über die Form selbst ja kein weiteres W ort<br />

zu ve rlieren brauche." - So werde ich zu den<br />

Herren sprechen <strong>und</strong> sie mögen dann selbst sehen,<br />

wie sie das <strong>Kunst</strong>stLick fertig bringen - ich vermag<br />

ihnen beim besten Willen nicht zu h elfen. "<br />

Die Herren machten am Mittag, als der Kommandeur<br />

zu ihnen gesprochen <strong>und</strong> sich dann schneller,<br />

al s es sonst sein e Art war, \'on ihn en vera bschi edet<br />

hatte, ein sehr langes Gesicht <strong>und</strong> sahen sich mit<br />

g rossen Augen verw<strong>und</strong>ert an. VVas verstand der<br />

()berst unter der gewissen hö fli chen Form? Dass<br />

Excell enz nicht übel' den Haufen geritten ·werden<br />

wollte, wa r ja selbstverständ lich - deshalb h atten<br />

sie a uch ihrcn Husaren auf das stren gste ein geschärft.<br />

schon fü nf Schritt vo n dem Vorgesetzten<br />

vom Pr'erd zu springen <strong>und</strong> den alten Friedrich<br />

Wilhelm am Zügel zu nehmen. Es wal' ja ein<br />

LeiChtes, die fünf Schritt in sieben oder acht Uill ­<br />

zUändern, a ber damit war auch dann Schluss der<br />

Vorstellung - m ehr gab es nicht.<br />

"Das ein fachste ist," dachten die Hittmeister<br />

endli ch, "wir schärfen unseren Leutnants ein, mit<br />

allcr Strenge darauf zu h alten, da s die Leute ihres<br />

Zuges die Meldungen in einer gewissen höt'li chen<br />

Form Li berbringen - mögen sie dann seI bst zusehen ,<br />

wie sie das <strong>Kunst</strong>stück fertig bringen, wir können<br />

ihnen da beim besten Willen nicht helfen."<br />

Am nächsten Vormittag machten die Herren<br />

Leutnants, als ihnen die I-Ierren H.ittmeister be i dem<br />

Exerzieren eine lange H.ede gehalten h atten, seltr<br />

lange Gesichter <strong>und</strong> sahen sich mit grossen, starren<br />

Augen gegenseitig sehr verw<strong>und</strong>ert an. Sie hatten<br />

keine Ahnung, wie Excellenz sich die Sache dachte.<br />

Aher auch ein Leutnant weiss sich zu h elfen:<br />

als die Zugführer entlassen waren, riefen sie ihre<br />

Unteroffiziere zusammen <strong>und</strong> hielten denen eine<br />

H.ede, deren Inhalt a uf ein Haar dem glicb, was der<br />

Herr O berst zu seinen I~ ittm eistcrn gesprochen hatte.<br />

Mochten die Unteroffiziere sehen, wie sie das<br />

<strong>Kunst</strong>stück fertig brachten - sie selbst ko,nnten

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