Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst
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Ein ~- --<br />
Erzählung vo n M. v. Lo '11' ie.<br />
11m dämmerigen Salon meiner kleinen Villa sassen<br />
~ @ wir, P rofessor [( .... z <strong>und</strong> ich in lebhaftem<br />
Geplauder.<br />
"Nach allem, was Sie mir da erzählen, sind Sie<br />
also ein ausgesprochener Fatalist, - einer jener<br />
Glücklichen oder Unglücklichen, die alles, was das<br />
<strong>Leben</strong> ihnen aufbürdet, <strong>für</strong> Schicksalsfüg un g - um<br />
mich deutlicher auszudrücken - <strong>für</strong> Bestimmung<br />
ansehen."<br />
"Ich aber hasse die Bestimmung - verabscheue<br />
alles, was - wie soll ich nur sagen, in gewisse<br />
vorgeschriebene Bahnen gelenkt wird <strong>und</strong> aus uns<br />
Menschen nur Automaten schaffen will. "<br />
"Nun, so weit geht es mit dem Fatalism us denn<br />
doch nicht", erwiderte Professor K . ... z etwas in <br />
digniert; dann aber fügte er sclterzend hinzu: "Wir<br />
bewegen Arme <strong>und</strong> Füsse nach Willkür <strong>und</strong> eigenem<br />
Gutdünken - lassen unsere Gedanken je nach individ<br />
ueller Beschaffenheit in nebelhaften Fernen - oder<br />
auf realem Boden sich ergehen, <strong>und</strong> unser Wille ist<br />
es, der un s am meisten dirigiert ; denn all e Subordination<br />
ist nur ein an gelernter Zwang - <strong>und</strong> dennoch<br />
mLissen Sie m ir zugebell, dass wir manchmal<br />
unbewusst ein em seelischen Zwange fo lgen - der,<br />
,vie ich oft bemerkt, unsere Bestimmung bedeutet."<br />
E in ungläubiges Lächeln VO ll meiner Seite<br />
musste meinen Ideengang verraten haben, denn<br />
Professor K .... z fuhr in etwas g.ereiztem Tone<br />
fort: "Eine kl eine Erzählung a us meinem <strong>Leben</strong>, die<br />
trotz ihrer ticheinbaren DLirftiglteit meinem Dasein<br />
viell eicht die entsprechende Richtung gegeben, soll<br />
Ihnen, meine verehrte Gnädigste, beweisen, dass<br />
ich all erdings mit einer gewissen Berechtig un g "Fatalist"<br />
geworden bin. Vor so <strong>und</strong> so viel Jahren ,<br />
die Jahreszahl spielt da keine Ro ll e, zog ich mit<br />
Rucksack, Bergstock <strong>und</strong> manchem Thaler ausgerüstet<br />
- den ;ll ir Mütterchen in ihrer un endlichen<br />
Herzensgüte von ihrem Ersparten heimlich zugesteckt<br />
- , in die Welt.<br />
Ich war damals ein Mann von circa ::di Jahren.<br />
Die letzten Rigorosen lagen hintel' mir, jedoch nicht<br />
absolviert, sO l1 dern aufgeschoben; na ja - das<br />
Lernen war grad nicht mein Fall <strong>und</strong> so war ich<br />
bei dem letzten Doktor - Examen einstimmig -<br />
durchgefallen.<br />
Der Vater tobte, musste sich aber mit dem<br />
Gedanken trösten, dass es das nächste .fahr hoffentlich<br />
besser gehen würde _ . <strong>und</strong> willigte endlich ein ,<br />
mir die Summe, die <strong>für</strong> den "promovierten Doktor"<br />
zu ein er Erholungsreise bestimmt gewesen, "anticipando"<br />
zukommen zu lassen.<br />
Nach mehrwöchentlichen Märschen war ich die<br />
Schweiz durchquerend in "Lausanne", spät in der<br />
Nacht, hungernd <strong>und</strong> müde angekommen. - Ein<br />
schlaftrunkenes Zimmermädchen geleitete mich,<br />
nachdem ich einen kräftigen Imbiss zu mir genommen,<br />
durch einen langen Gang zu meinem<br />
Zimmer, das, am äussersten E nde gelegen, un s<br />
an einer H.eihe VOll Stiefeln <strong>und</strong> Stiefelchen vorüber<br />
führte, die teils nachlässig hingeworfen, teils l.ierlich<br />
<strong>und</strong> adrett wie ei n paar g ute Kameraden nebeLl einander<br />
standen. Das flackernde Licht streift plötzlich<br />
ein paar kleine Stiefelchen, die - mich momentan<br />
ganz eigentümlich berührend - da vor einer Thür<br />
standen. W arum ich nochmals hingesehen, icll<br />
weiss es h eute nicht zu sagen, - aber ich that es -<br />
<strong>und</strong> dabei zuckte es plötzlich wie ein elektrischer<br />
Schlag durch meinen Körper.<br />
Nebenbei muss ich noch bemerken, dass ich,<br />
in meinen Jugendjabren etwas phantastisch veranlagt<br />
die Bemerkung gemacht hatte, dass auch Schuhe<br />
ihre eigene Sprache führen könnten .<br />
Beim E rblicken dieser Ideinen Stiefelchen tauchte<br />
blitzartig ein zierlicher Mädchenkopf mit dicken,<br />
blonden Flechten, krausen Löckchen um die niedere<br />
Stirne, blauen Kinderaugen <strong>und</strong> roten Backen vor<br />
mir auf : - meine erste Liebe, ein jugendfrisches<br />
Krämerskind, das ich bei einem Landaufenthalte<br />
kenl1en gelernt, seitdem aber ganz aus dem Auge<br />
verloren <strong>und</strong> vergessen hatte.<br />
In meinem Zimmer angelangt, verabschiedete<br />
ich das Mädchen, bestellte <strong>für</strong> 9 Uhr am nächsten<br />
Morgen erst mein FrühstLick - da ich mich tüchtig<br />
auss hl afen wollte - <strong>und</strong> warf mich auf mein<br />
Lager, wo ich bald in einen totenähnlichen Schl.af<br />
verfiel.<br />
Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als ich<br />
mich den nächsten Tag daran machte, die Stadt <strong>und</strong><br />
deren Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen.<br />
Nachlässig bummelte ich, wie man so zu sagen pHegt,<br />
durch das Gewirr krummer <strong>und</strong> steiler ' Gässchell,<br />
- langer Treppen, - denn die Stadt ist zwischen<br />
<strong>und</strong> auf drei Hügeln erbaut - <strong>und</strong> wer die City<br />
(Altstadt) besuchen will, muss sich das Treppensteigen<br />
schon gefall en lassen. -<br />
Da es gegen eptember war, war der Fremdenverkehr<br />
ein ä usserst lebhafter, denn die vorzüglicllet1<br />
Bildungsanstalten führen ein e Menge junger Leute,<br />
namentlich aus England,Deutschland <strong>und</strong> der deutschen<br />
Schweiz in die Institute <strong>und</strong> Pensio nate der Stadt.<br />
Vor dem neuen Universitätsgebäude angelangt,<br />
wollte ich eben den Weg nach der Kathedrale<br />
Ll ehmen, .einem schönen gotischen Bau, der an<br />
Stelle einer älteren Kirche um' '1235 - 75 errichtet<br />
<strong>und</strong> von Gregor X in Gegenwart Hudolfs von Habsburg<br />
eingeweiht wurde, als ein junges Mädchen<br />
knapp an mir vorüber jagte, so dass ich notgedrungen<br />
st eh en bleiben m Utiste.<br />
Ein e etwas korpulente Dame keuchte mit hochgeröteteLl,<br />
glänzend en Backen schwerfällig nach <strong>und</strong><br />
ich vernahm die abgebrochenen Sätze: deal' me! -<br />
Nelly, my Child, - wait a moment! -<br />
Doch Nelly, der vVildfang, schien nicht darauf<br />
zu achten.<br />
Mit wehendem Schleier un d wehenden Locken ,<br />
elie - wie ich in der Schn elligkeit bemerkte, jenes<br />
prächtige Tizianblond besassen, das meine Pulse<br />
immer rascher schlagen macht - , eilte sie voraus;<br />
die alte Lady <strong>und</strong> ich selbstverständlich nach.<br />
Sie lächeln, g nädige Frau, weil ich dies "selbstverständlich"<br />
hinzufügte? Mir schien es ein Wink<br />
vom Schicksal zu sein - <strong>und</strong> ich folgte, weil ich<br />
musste.<br />
Ich war auch gar nicht erstaunt, als wir "Drei"<br />
vor der "Pension", in der ich abgestiegen war, "Halt"<br />
machten, die Treppen hi