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Fachartikel - «Viehzucht ist immer extrem» (pdf / 269 KB)

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NUTZTIERE<br />

GENETIK<br />

<strong>«Viehzucht</strong> <strong>ist</strong> <strong>immer</strong> <strong>extrem»</strong><br />

DIE ORIGINAL BRAUNVIEH POPULATION <strong>ist</strong> im letzten Jahrzehnt gewachsen,<br />

während die totale Anzahl Milchkühe abgenommen hat. Im In- und Ausland wird<br />

Original Braunvieh Genetik rege nachgefragt. Es gab Zeiten, da ging der Trend in eine<br />

ganz andere Richtung.<br />

«Ohne eigene Stierenhaltung würde<br />

es heute vielleicht kein Original<br />

Braunvieh mehr geben», vermutet<br />

Beat Liver. Der Präsident der Braunvieh-Stierenhaltervereinigung<br />

und Vizepräsident<br />

des Original Braunvieh Zuchtverbandes<br />

freut sich, dass diese<br />

Schweizer Rasse in den vergangenen<br />

Jahren an Beliebtheit gewonnen hat.<br />

Die Anzahl Standardabschlüsse in der<br />

Milchle<strong>ist</strong>ungsprüfung sind seit 2003<br />

um über 1400 gestiegen.<br />

Auch für Mast geeignet «Das<br />

Original Braunvieh <strong>ist</strong> eine Zweinutzungsrasse<br />

mit guter Milchle<strong>ist</strong>ung und<br />

Eva und Beat Liver mit der<br />

13-jährigen Bilz Bianca<br />

(Zweite an der Joba 2006) vor<br />

dem Hausberg Beverin.<br />

Betriebsspiegel<br />

Beat und Eva Liver, 7426 Flerden<br />

Nutzfläche: 27 ha, Bergzone 3,<br />

1180 m über Meer<br />

Pflanzenbau: 25 ha Mähwiese,<br />

2 ha Weide<br />

Tierhaltung: 20 Milchkühe, 1 Zuchtstier,<br />

20 Aufzuchttiere (5 Rinder auswärts in<br />

der Vertragsaufzucht)<br />

Le<strong>ist</strong>ungen: 6800 Milch pro Laktation<br />

(Höchstle<strong>ist</strong>ungen von 9500 kg),<br />

4 % Fett, 3.5 % Eiweiss, 25 000kg<br />

Lebensle<strong>ist</strong>ung<br />

Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar,<br />

Sohn Jürg Liver<br />

Kürzere Zwischenkalbezeit mit eigenem Stier<br />

Die Zwischenkalbezeit bei Milchkühen kann durch den Einsatz eines<br />

Natursprung-Stiers reduziert werden, bestätigen Auswertungen des<br />

Beratungsdienstes Ökologischer Landbau Schwäbisch Hall e.V.<br />

Aufgrund verbesserter Fruchtbarkeit sinken die Tierarztkosten und die<br />

Herdenle<strong>ist</strong>ung steigt. Je nach erzielter Schlachtqualität können die<br />

Aufzuchtkosten mit dem Verkauf des Stiers im Alter von zirka zwei<br />

Jahren gedeckt werden. Übernimmt ein Stier das Decken, sinkt die<br />

Bedeutung der Brunstbeobachtung. Die entsprechenden Kühe müssen<br />

nicht gefangen und fixiert werden. Ausserdem erlaubt es der Einsatz<br />

eigener Stiere, die Genetik der Herde betriebsindividuell zu prägen.<br />

Häufig erwähnter Nachteil <strong>ist</strong> das Unfallrisiko, das sich jedoch mit<br />

folgenden Massnahmen eindämmen lässt:<br />

• Stier schon als Kalb ans Führen mit Strick gewöhnen und den Kontakt<br />

bis ins Erwachsenenalter pflegen<br />

• keine Angst, aber Respekt zeigen<br />

• nicht zwischen Stier und brünstige Kuh stehen<br />

• weibliches Tier in der Box des Stiers belassen<br />

• Zäune möglichst ausbruchsicher erstellen<br />

• bei Kontakt <strong>immer</strong> einen Stock dabei haben<br />

• Vorsicht, wenn fremde Menschen in den Stall kommen<br />

• Verhältnis zum Stier regelmässig überprüfen<br />

• Stier bei Risikoanzeichen schlachten<br />

Quelle: Merkblatt «Stierhaltung für die Zucht im Biobetrieb»;<br />

FiBL, Demeter; 2007<br />

hohen Milchgehalten», fasst Beat Liver<br />

die Vorteile zusammen. Die Milchle<strong>ist</strong>ungen<br />

seien auf ein anspruchvolles Niveau<br />

angewachsen. Nicht zuletzt lösen<br />

Tränkekälber höhere Verkaufspreise als<br />

reine Milchtypen. Original Braunvieh<br />

(OB) eignet sich dank seinem guten<br />

Charakter, ausgeprägtem Mutterinstinkt<br />

und hoher Fleischqualität auch für die<br />

Mutterkuhhaltung.<br />

Es gab Zeiten, in denen das OB-Samenangebot<br />

gering und der Druck<br />

durch Verdrängungskreuzungen hoch<br />

war. Deshalb wurde damals der Verein<br />

zur Förderung des OB gegründet. Indem<br />

die OB-Züchter gute Stiere heranzogen<br />

und gezielt einsetzten, konnte die Stellung<br />

gehalten und später das Genetikniveau<br />

deutlich erhöht werden.<br />

Stier Alex (Vater Verol Mingo x Hold<br />

Havanna) we<strong>ist</strong> einen Zuchtwert<br />

Milch von 140 und gute Inhaltsstoffe<br />

aus. Auch das Exterieur stimmt.<br />

Stiere mit Ausstrahlung Beat<br />

Liver remontiert seine Milchviehherde<br />

vorwiegend mit eigener Nachzucht und<br />

deckt die Kühe, so weit es der Inzuchtgrad<br />

zulässt, mit dem eigenen Stier. Spe-<br />

56 3 2013 · UFA-REVUE


GENETIK<br />

NUTZTIERE<br />

«Zugekauftes Futter muss höchste<br />

Ansprüche erfüllen»<br />

Verol Mingo ET,<br />

aktuell im Einsatz<br />

über die Stierenhaltervereinigung<br />

(SHV),<br />

erreichte an der<br />

ZM Zug zwei<br />

Abteilungssiege.<br />

Robin Rosetta<br />

erreichte an der Joba<br />

2011 den zweiten<br />

Rang und wurde Dritte<br />

im Schöneuter-Wettbewerb.<br />

Sie imponiert<br />

mit Milchgehalten von<br />

4.15 % Fett und 3.61 %<br />

Eiweiss.<br />

Wichtigste Futtergrundlage auf dem Betrieb Liver sind die Mähwiesen und Weiden. Im<br />

Winter besteht die Milchviehration aus Belüftungsheu, Gras- und Maissilage, Getreideflocken<br />

und UFA 173 F Milchle<strong>ist</strong>ungsfutter (nach Le<strong>ist</strong>ungspotenzial). Als Stufenbetrieb<br />

organisiert, nutzen Livers während der Vegatationsperiode gepachtete Parzellen in Thusis<br />

(700 m über Meer) und drei Maiensässe (1500 – 1800 m). Die Weide wird mit Heu,<br />

Getreidemischung, Maiswürfeln und UFA 173 F ergänzt.<br />

«Auch Originale haben gern gutes Futter, wenn sie viel le<strong>ist</strong>en sollen», begründet Beat<br />

Liver. «Wenn ich schon Futter zukaufe, dann muss dieses höchste Ansprüche erfüllen.»<br />

UFA 173 F werde gern gefressen. In der Praxis lässt sich zudem feststellen, dass Kühe bei<br />

der Aufnahme von jungem Gras stabiler koten, wenn sie eine Ergänzung UFA 173 F<br />

erhalten. Zu erklären <strong>ist</strong> dies mit der relativ langsamen Abbaugeschwindigkeit flockierter<br />

Futter, welche den Pansen entlastet, und in der Ausgewogenheit der Ration, die zu einer<br />

gleichmässigen Fermentation führt.<br />

Aufzuchtkälber erhalten in den ersten Wochen rund 8 l Milch pro<br />

Tag, statt wie früher empfohlen nur rund 6 l. Damit soll ihr<br />

Wachstumspotenzial optimal ausgeschöpft werden. Neuere<br />

Untersuchungen zeigen nämlich, dass eine intensive Milchversorgung<br />

zu Lebensbeginn die spätere Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit der<br />

Milchkühe steigert.<br />

Eugen Signer, Fütterungsspezial<strong>ist</strong> im UFA-Beratungsdienst,<br />

9501 Wil<br />

ziell freut er sich, wenn einer seiner Stiere<br />

ein gutes Resultat oder gar den<br />

Sprung in den <strong>KB</strong>-Katalog schafft. So<br />

geschehen mit Stier Milton Monti (M<strong>ist</strong>er<br />

ZM Zug, 2009). Auch Verol Mingo<br />

ET, dessen Samen im privaten Rahmen<br />

vermarktet wird, erwe<strong>ist</strong> sich als qualitativ<br />

hochstehender Stier. Vento Vicarbo<br />

und Hecker Hugo sind im Natursprung<br />

aktiv. Zu den nicht mehr aktiven<br />

Stieren gehört Robin, der einen Milchwert<br />

von 132 erreicht hatte.<br />

Für den Mittelweg <strong>«Viehzucht</strong> <strong>ist</strong><br />

<strong>immer</strong> extrem, aber zu extrem <strong>ist</strong> nie<br />

gut», findet Beat Liver. Früher drehte<br />

sich alles um die Erhöhung der Milchle<strong>ist</strong>ung,<br />

heute suchen viele wieder die<br />

langlebige, robuste Kuh.<br />

Die genomische Selektion hält Beat<br />

Liver insbesondere aus Sicht der Stierenzucht<br />

für eine grosse Chance, da die<br />

genetischen Eigenschaften schon beim<br />

Kalb geschätzt werden können. Aber<br />

auch hier gelte es, Extreme zu vermei-<br />

Jürg Liver mit<br />

Milton Maloja.<br />

den. Seiner Ansicht nach handeln die<br />

Zuchtverbände klug, wenn sie neben<br />

den genomischen Prognosen auch die<br />

Zuchtwerte aus den Nachzuchtprüfungen<br />

weiter ausweisen. «Ich will die genetische<br />

Qualität der Tiere nicht nur auf<br />

dem Papier, sondern auch in der Praxis<br />

sehen», begründet der ehemalige<br />

Schaurichter.<br />

OB-Kühe sind gesucht Da Beat<br />

Liver über eine ausgeglichene Kuhherde<br />

verfügt, zieht er praktisch alle Kuhkälber<br />

auf. Drei bis vier Stück werden jährlich<br />

als erstlaktierende Kuh oder als Rind<br />

verkauft. Erfolge an nationalen Ausstellungen<br />

(Joba, Bruna) und der Markt allgemein<br />

führen zu einer guten Nachfrage,<br />

die aus der Milchvieh-, aber auch<br />

aus der Mutterkuhhaltung stammt.<br />

Ebenfalls nach Deutschland und ins Tirol<br />

können Tiere verkauft werden. «Allerdings<br />

mit einem relativ hohen admin<strong>ist</strong>rativen<br />

Aufwand», hält Beat Liver fest.<br />

80 % aus Natursprung<br />

Zirka 80 % der an der letzten Bruna und Europaschau in St. Gallen<br />

aufgeführten Original Braunvieh Tiere waren Nach kommen von<br />

Natursprungstieren. Das Stierenzuchtprogramm 2012/13 umfasst zwei<br />

Brown Swiss und zwei Original Braunvieh Stiere. Dieses Programm<br />

ermöglicht es privaten Stierenhaltern, ihre Genetik breit einsetzen, und<br />

seltene Blutlinien können erhalten werden.<br />

Unter www.top-braun.ch <strong>ist</strong> das aktuelle Stierenangebot ersichtlich. Die<br />

Website dient auch als Vermittlungsplattform für den Nutzstierenhandel.<br />

Die gute Nachfrage führt zu Preisen von<br />

über 3500 Fr. pro Kuh. Der Export von<br />

OB-Samen nimmt tendenziell zu und<br />

hat 2011/12 rund 15 000 Dosen erreicht,<br />

bestätigt Hans Ulrich Moser von<br />

Swissgenetics.<br />

Hofkäserei Gute OB-Genetik garantiert<br />

noch nicht die Wirtschaftlichkeit<br />

der Milchproduktion. Ebenso wichtig<br />

<strong>ist</strong> ein kostendeckender Milcherlös.<br />

Beat und Eva Liver verkäsen rund einen<br />

Drittel der gehaltreichen Milch selber zu<br />

Bergkäse, Hirtenkäse (mit Weinhefe),<br />

Rahmkäse «Beverin» (so heisst der<br />

Hausberg) und zum Weissschimmelkäse<br />

«Soldadis» (so heisst der Hof). Der Käseabsatz<br />

erfolgt via Wochenmarkt Chur<br />

(Mai bis Oktober), vier Wiederverkäufer<br />

und den Hofladen, der viele Stammkunden<br />

hat. Im Sommer werden auch Joghurt,<br />

Quark und Vollmilchziger produziert.<br />

«Frischprodukte bringen die beste<br />

Wertschöpfung», erklärt Beat Liver. <br />

Autor Matthias Roggli, UFA-Revue,<br />

3360 Herzogenbuchsee, www.ufa.ch<br />

www.ufarevue.ch 3 · 13<br />

UFA-REVUE · 3 2013 57

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