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Mai 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien

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GEMEINDE<br />

dVR 0112305 € 2.- OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN<br />

Nr. 669 <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />

Ijar/Siwan 5770<br />

erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

Die Die<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO DES<br />

PRÄSIDENTEN 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 21: ESRA 6<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

SUSANE SCHOLL<br />

Offener Brief 9<br />

Lueger-Denkmal soll<br />

gekippt werden 10<br />

15 Jahre Nationalfonds 11<br />

AUSLAND<br />

Ungarns Bischöfe haben<br />

keine Sympathie für Jobbik 12<br />

Im Schatten der Bombe 13<br />

ANTISEMITISMUS<br />

Rechtsextremes bekämpfen 14<br />

NS-ZEIT<br />

Eichmann-Entführer<br />

erinnern sich 15<br />

Suchdienst führt jährlich<br />

50 Personen zusammen 16<br />

ISRAEL<br />

Israel wird OECD-Mitglied 17<br />

Hinrichtungen<br />

im Gazastreifen 18<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Säbelrasseln in Nahost 19<br />

Dokumente über Israels<br />

erste Regierungssitzung 20<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Grenzelose Dummheit 21<br />

Der Friedensprozess<br />

mit den Palästinensern 22<br />

WIRTSCHAFT<br />

Think Global! Israels Top 10<br />

Export-Marken 24<br />

REINHARD ENGEL<br />

Komplexe Software für<br />

einfaches Telefoniereen 26<br />

WISSENSCHAFT<br />

Ein-Blick 28<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Jom Jeruschalajim 29<br />

Panorama 32<br />

ALEXIA WEISS<br />

Am Anfang war das Pferd 34<br />

ALEXIA WEISS<br />

Reisen mit einem<br />

besonderen Ziel 35<br />

SPORT<br />

Mit der Kraft des Glaubens 37<br />

Fackel für Makkabispiele<br />

2011 entzündet 38<br />

KULTUR<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Ganz schön f<strong>als</strong>ch 40<br />

ANITA POLLAK<br />

Juden, Christen und<br />

Muslime 42<br />

JAKOB KLEIN<br />

Die Kraft des Lachens 43<br />

ANITA POLLAK<br />

Meschugge kann<br />

nicht schaden 44<br />

Iran im Weltsystem 45<br />

PETER WEINBERGER<br />

Überall & Nirgendwo 45<br />

JUDENTUM<br />

RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />

Schailes & Tschuwos 46<br />

Titelbild: © Flash 90/Miriam Alster<br />

Herzls Geburtstag in Jerusalem<br />

Täglich aktualisiert!<br />

www. ikg-wien.at<br />

news events pinwand<br />

Aufgrund der Vielzahl an jüdischen<br />

und christlichen Feiertagen im <strong>Mai</strong>,<br />

erhalten sie dieses Monat das <strong>Mai</strong>magazin,<br />

ein Herzl-Dossier und den<br />

Juni-insider in einem Paket.<br />

PLENARSITZUNGEN <strong>2010</strong><br />

8. Juni • 6. Juli • 10. Au gust<br />

7. September • 5. Ok to ber<br />

11. November • 9. Dezember<br />

Gemeinsame Veranstaltung des Instituts für Österreichkunde<br />

mit dem Institut Österreichisches Biographisches Lexikon der<br />

Österr. Akademie der Wissenschaften<br />

DR. CHRISTINE KANZLER<br />

Das Schicksal der in <strong>Wien</strong> verbliebenen<br />

jüdischen Ärztinnen und Ärzte von 1938 bis 1945<br />

Gleich anderen Berufsgruppen wurde auch die jüdische<br />

Ärzteschaft unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs<br />

1938 aus dem Berufsleben verdrängt.<br />

Ärztinnen und Ärzte wurden aus ihren Positionen an der<br />

Uni versität entfernt, aus Spitälern und Kranken kassen ein -<br />

richtungen entlassen und aus ihren Ordinationen vertrieben.<br />

Eine Anzahl von ihnen war <strong>als</strong> so genannte „Kranken be -<br />

hand ler“ ausschließlich zur Behandlung von Juden berechtigt.<br />

Im Vortrag wird die Situation der in <strong>Wien</strong> ansässigen Ärztinnen<br />

und Ärzte jüdischer Herkunft im Vorfeld von Flucht<br />

und Deportation beleuchtet und am Beispiel ausgewählter<br />

Lebensläufe veranschaulicht.<br />

Einführung: Dr. Daniela Angetter,<br />

Institut Österreichisches Biographisches Lexikon<br />

Donnerstag, 24. Juni <strong>2010</strong>, 18.00 Uhr<br />

Institut für Österreichkunde<br />

1010 <strong>Wien</strong>, Hanuschgasse 3/Stiege 1/3.Stock (Lift)<br />

Eintritt frei – Gäste sind herzlich willkommen!<br />

Die JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF ist eine außer ordentlich le ben -<br />

dige, orthodox geführte Ein heits gemeinde und hat zurzeit ca. 7.400 Mit -<br />

glieder. Hier ist ab dem neuen Schul jahr <strong>2010</strong>/2011 im September <strong>2010</strong><br />

die Stelle einer/eines ausgebildeten deutschsprachigen<br />

Religionslehrerin/Religionslehrers<br />

zu besetzen.<br />

Der Einsatz der Religionslehrerin/des Religionslehrers ist für den jüdischen<br />

Religionsunterricht für alle Schul klas sen vor ge sehen.<br />

Die JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF bietet ein interessantes Ar -<br />

beits feld in einem professionellen Kollegium und freut sich auf Ihre aussagefähige<br />

Bewerbung, die Sie bitte an die<br />

JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF<br />

Postfach 32 06 31<br />

D-40421 Düsseldorf<br />

senden.<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz<br />

(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons<br />

Gemeinde<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

2 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Liebe Leserinnen,<br />

Alle Jahre wieder schreibt ein uninformierter, ahnungsloser israelischer Jour nalist unnötige<br />

Artikel (siehe unten), wobei dem Präsidenten der iKG nichts an deres übrig bleibt,<br />

<strong>als</strong> „fast“ Strache und die FPÖ zu verteidigen….<br />

Strache versucht nach der Rosenkranz-Pleite sich von Rechtsextremismus und neona zis -<br />

mus abzugrenzen. das ihm das niemand glaubt, liegt daran, dass ein Großteil der FPÖ-<br />

Funktionäre, wie diverse Schmissträger, Martin Graf, Barba ra Rosenkranz, die Abgeord ne ten<br />

Gerhard Kurzmann (SS-Kameradschaft iV), Su san ne Winter, Harald Stefan (Burschenschaft<br />

Olympia), Werner Königshofer (ehe m<strong>als</strong> ndP), Werner Neubauer u.v.a. mit ihren rechtsex tre -<br />

men Rülpsern regelmäßig unangenehm auffallen. es wird interessant sein zu verfolgen<br />

in wie weit Stra che nun für die <strong>Wien</strong>-Wahlen versucht eine liberale Tarnkappe anzuziehen.<br />

ihr<br />

dr. Ariel muzicant<br />

From Hungary and Austria, come to Israel!<br />

By JERUSALEM POST EDITORIAL - 27/04/<strong>2010</strong><br />

Austria has managed to avoid blame for the Holocaust by claiming it was a victim of Nazi aggression, even though the<br />

Anschluss was well-received.<br />

On Sunday, Hungarian voters transformed the anti-Semitic Jobbik Party into a political power to be reckoned with.<br />

Jobbik, or the Movement for a Better Hungary, was catapulted to 47 seats in the 386-seat legislature in the second of<br />

round of voting. In parallel, the ruling Socialist Party was dethroned, falling from 190 to just 59 seats while its coalition<br />

partner, the Liberal Party, which enjoyed strong Jewish support, lost its parliamentary presence altogether.<br />

In Austria on Monday, meanwhile, Barbara Rosenkranz, the Freedom Party candidate for presidency, who is <strong>als</strong>o known<br />

<strong>als</strong>o as the “Reich mother,” earned 13 percent of the nation’s votes. She was never expected to win the presidential<br />

race, which went to incumbent Heinz Fischer. In fact, Rosenkranz’s showing was lower than the expected 17%. Ne ver -<br />

theless, the present Austrian political climate is hardly congenial to Jews.<br />

Right-wing elements in Austria are already attempting to delegitimize Fischer, voted in on an extremely low voter turn -<br />

out of just over 50%, with the claim that he represents less than half of the voters. They hope Rosenkranz’s high profile<br />

campaign will pave the way for FP leader Heinz-Christian Strache to be voted the next mayor of Vienna later in the year.<br />

The very fact that Fischer’s only plausible rival in the race was the far-right challenger from a party repeatedly tarni shed<br />

by Nazi associations is indicative of a “terrifying shift to the right” across Europe, according to Germany’s Central<br />

Council of Jews.<br />

There is nothing new about anti-Semitism in Austria and Hungary. Austrians have managed to avoid culpability for<br />

the Holocaust by claiming they were victims of Nazi aggression, even though the 1938 Anschluss was positively<br />

received and Austrians were disproportionately represented in Nazi leadership.<br />

What has become the “founding myth” of Austria’s Second Republic has facilitated the integration of former Nazis<br />

into key positions over the years. In February 2000, after the FP, then headed by the late neo-Nazi Jorg Haider, was<br />

included in the country’s government coalition, Chaim Chesler, then-treasurer of the Jewish Agency, called on the<br />

Jews of Austria to immigrate to Israel immediately.<br />

In post-communist Hungary, anti-Semitism has been fueled primarily by claims of a Judeo-Bolshevik nexus. Histo rical -<br />

ly, Jews played key roles in the short-lived Bolshevik Revolution of 1919 led by Bela Kun and after 1945 a small clique<br />

of Hungarian “Muscovite Jews” rallied around the ultra-Stalinist Matyas Rakosi, whose rule ended with the 1956 popular<br />

uprising against Soviet rule.<br />

In 1990, after the fall of communism, the vice president of the Hungarian Democratic Forum, a popular political<br />

party at the time, openly blamed “Jewish Stalinists” for having destroyed the self-esteem of the Hungarian people.<br />

There are an estimated 50,000 to 80,000 Jews in Hungary and 9,000 to 20,000 in Austria. What’s keeping them there?<br />

As historian Matti Bunzl has pointed out, post-Holocaust Jews of Austria have throughout the years disavowed any<br />

Austrian identity. They may have Austrian citizenship, but this is rarely experienced as anything but a formal arrangement.<br />

It is safe to assume that many Hungarian Jews feel the same, which explains the high rates of aliya from both<br />

of countries until the end of the 20th century.<br />

In the last decade, though, a strong Zionism has gradually been replaced by hopes that the European Union would offer<br />

a political entity that provides affiliation regardless of ethnic belonging or nationality – similar, ironically, to what was offe -<br />

red in the 19th century by the Austro-Hungarian Hapsburg Empire.<br />

Jews might have difficulty integrating themselves in a specific European state characterized by a distinct culture, history<br />

and religion. But they would find it easier to define themselves more generically as “Europeans,” a term devoid<br />

of all the ethnically charged particularism surrounding “Austrian” or “Hungarian.”<br />

Now, perhaps the time has come for the Jews of Austria and Hungary to reassess the European reality. Between the<br />

influx of large numbers of Muslims, who are gradually becoming the main perpetrators of anti-Semitic violence in Eu -<br />

rope, and the rise of a rabidly xenophobic Right, as evidenced in the recent elections in Hungary and Austria, Europe, or<br />

at least a goodly part of it, is becoming a very unwelcoming place for Jews. www.jpost.com/LandedPages/PrintArticle.aspx?id=174105<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

April 29: To Israel, come to Austria!<br />

By JPOST READERS - 28/04/<strong>2010</strong> 23:56<br />

To Israel, come to Austria!<br />

Sir, – Your editorial “From Hungary and Austria, come to Israel!” (April 28) has un-made my day. That’s not because<br />

of criticism toward my country, as I am always open to founded criticism, but because of the factual errors and mistakes,<br />

as well as outdated comments and distorted conclusions expressed in the article. It’s just too simple to apply<br />

incorrect stereotypes to Austria as a whole.<br />

While your readers can easily check the correct results of last Sunday’s presidential election in Austria on our<br />

embassy’s Web site (http://www.bmeia.gv.at/en/embassy/tel-aviv.html) – in fact, President Heinz Fischer was ree -<br />

lec ted by 78.49 percent, while overseas ballots are still to be counted – some of the assumptions related to Austria<br />

in the editorial are clearly to be contested.<br />

Yes, it is true that for too many years following World War II, too many Austrians have tried to blot out the past and the<br />

realities during the Nazi regime, and that it was <strong>als</strong>o an uneasy restart of political life at the birth of Austria’s Second<br />

Republic. But the republic grew strong, and since the speech of Chancellor Franz Vranitzky in 1991 before the Austri an<br />

Parliament in Vienna and in 1993 at the Hebrew University of Jerusalem, the Austrian government has clearly demonstrated<br />

its determination to address the country’s darkest years and its readiness to engage proactively in order to work<br />

for the future.<br />

Remembrance of and reflection on the Shoah, as well as restitution efforts, are today very much present in Austrian<br />

official and individual minds. Austria has, for instance, recently been lauded internationally for its successful presidency<br />

of the Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research in 2008-09. The<br />

government of Israel and Israeli institutions, such as Yad Vashem and Lohamei Hagetaot, are very much aware of this.<br />

Austria’s consequent and maintained position against denial and forgetting is <strong>als</strong>o reflected in one of the most stringent<br />

laws against Nazi and neo-Nazi ideologies and activities (Prohibition Act). The public discussions that took<br />

place during this presidential election campaign have very much focused on this fact.<br />

Today’s Austrian Jewish community’s size is painfully small, compared to what it was at the turn of the 20th century.<br />

But it is growing, flourishing and very much alive.<br />

So Israelis, check out the “Tel Aviv beach” at the heart of Vienna this summer, celebrate with us in style the 150th<br />

birthday of Theodor Herzl, or come to the European Maccabi Games Vienna 2011, and get your own picture – Austria<br />

is waiting for you!<br />

MICHAEL RENDI<br />

Ambassador of Austria to Israel, Tel Aviv<br />

To the Editor of Jerusalem Post concerning the Article of 27th of April <strong>2010</strong><br />

„From Hungary and Austria – Come to Israel!“<br />

Jews in Austria have no reasons to leave!<br />

It is very sad that from time to time Israeli journalists write articles about Austria and the situation of its Jews without<br />

proper knowledge of the situation. It is a fact, that anti-Semitism in Europe is rising from the left and from the far<br />

right and that there are plenty of incidents in almost every country in Europe. The highest increase of anti-Semitism<br />

is seen in Spain and Sweden (see reports of ADL and American Jewish Congress).<br />

In Austria we have the toughest laws against Neo-Nazism and Holocaust-denial. Dozens of Neonazis have been sent to<br />

jail for five to ten years. Anti-Semitism from the right is decreasing! In the last 20 years, the Austrian Authorities have<br />

spent tens of millions of Euros to help build a Jewish infrastructure. In 2009 the president and the chancellor opened<br />

the largest Jewish Campus of Europe in Vienna (school, nursery home and Hakoah Sport Club). The Austrian Govern -<br />

ment just decided to spend 20 million Euros to refurbish Austria’s Jewish cemeteries. In Vienna you can attend up<br />

to 300 Jewish cultural events every year. Vienna’s 15000 Jews have no reason at this point to consider leaving Austria.<br />

The Jewish Community is negotiating a program with the Austrian Government to invite Jews from other European<br />

countries to move to Austria.<br />

Concerning the election of the Austrian President, Dr. Heinz Fischer, he was elected with more than 80 percent. His wife<br />

is of Jewish descent. The conservative parties decided not to run a candidate because Dr. Heinz Fischer’s success was<br />

evident. The only candidate, Ms. Rosenkranz, a declared extreme right-wing “Kellernazi”, was attacked by almost eve ry -<br />

one in Austria and got far less votes than her own party (FPÖ). This party has a large number of right-wing functio na -<br />

ries but its voters mostly vote out of protest against the economic crises, unemployment and fear of globalization.<br />

To tally different to Jobbik in Hungary, in Austria there are no anti-Semitic slogans and no anti-Semitic propaganda.<br />

Attacks on Jews are almost non existent ( and cannot be compared to Hungary, France or Sweden). FPÖ-leader Stra che<br />

tries very hard to disassociate himself from Nazism (although nobody believes him). He has absolutely no chance to<br />

become the next Mayor of Vienna (right now he expects 15-25 % of the votes) and in Vienna no other party will make a<br />

coalition with him.<br />

It is true that Austria has taken very long to live up to its past. Only in 1991 chancellor Vranitzky in his speech before<br />

Austrian Parliament and Hebrew University declared Austria’s responsibility for the Nazi-era. Since then many steps<br />

have been taken (i.a. 2,4 billions of Euros have been paid to Nazi-victims). None of this is enough and none of this<br />

sufficient in relationship to the crimes committed against Austrian Jews. But articles such as yours make only harm,<br />

especially since Austrian Jewry has always taken strong positions against any kind of rightwing politics.<br />

Dr. Ariel Muzicant,<br />

President of the Jewish Communities of Austria<br />

4 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


IN EIGENER SACHE<br />

PRÄSENTATION DER SONDERMARKE<br />

'Simon Wiesenthal – Recht, nicht Rache'<br />

Montag, 14.06.<strong>2010</strong>, 18.30 Uhr<br />

Jüdisches Museum <strong>Wien</strong><br />

die israel Postal Company, das <strong>Wien</strong>er Wiesenthal institut, die<br />

israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>, das Jüdische museum <strong>Wien</strong><br />

und die Österreichische Post AG laden Sie zur Präsentation der<br />

neuen Sonderbriefmarke „Simon Wiesenthal - Recht, nicht<br />

eache“ – eine Gemeinschaftsausgabe von Österreich und israel –<br />

herzlich ein.<br />

Programm:<br />

Begrüßung: Direktor DI Georg Haber, Jüdisches museum <strong>Wien</strong><br />

Grußworte: Dr. Ariel Muzicant, israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong><br />

Festrede: Dr. Andreas <strong>Mai</strong>lath-Pokorny, Stadtrat für Kultur und Wissenschaft<br />

Sondermarkenpräsentation: Dr. Erich Haas, Österreichische Post AG - Philatelie<br />

Persönliche Botschaft: Racheli Kreisberg<br />

Grußadresse der Familie Wiesenthal-Kreisberg<br />

Zum Abschluss werden erfrischungen gereicht.<br />

Das Sonderpostamt im<br />

Jüdischen Museum <strong>Wien</strong><br />

steht allen Gäs ten und<br />

Interessierten in der Zeit<br />

von 13.30 bis 17.30 Uhr<br />

zur Verfügung.<br />

Eintritt frei<br />

<strong>Wien</strong>er Jüdischer Chor<br />

unter der Leitung von Roman Grinberg<br />

JAHRESKONZERT <strong>2010</strong><br />

Donnerstag, 24. Juni <strong>2010</strong>,<br />

um 19.30 Uhr<br />

MOZARTSAAL DES WIENER KONZERTHAUSES<br />

„Fargesene Lider“<br />

Karten zu € 19,00/€ 25,00/€ 32,00/€ 39,00 im <strong>Wien</strong>er Konzerthaus<br />

(Lothringerstraße 20, 1030 <strong>Wien</strong>) unter www.konzerthaus.at/programm<br />

oder bei den Chormitgliedern.<br />

Weitere informationen und musikalische eindrücke finden Sie unter: http://<br />

youtube.com/wjchor.at, www.wjchor.at, und www.myspace.com/wjchor<br />

Unsere aktuelle Cd „A bissele Glik“ können Sie auf iTunes <strong>herunterladen</strong> oder<br />

bei emi auf der Kärtnerstraße 30, 1010 <strong>Wien</strong>, im Bookshop dorothy Singer im<br />

Jüdischen museum und bei Chor-mitgliedern kaufen. Unsere Cd "Ose Shalom"<br />

können Sie im ORF-Shop (http://shop.orf.at) und bei Chor-mitgliedern beziehen!<br />

“Fargesene Lider” – das sind jiddische Lieder,<br />

die einst berühmt waren und mit ihrer Zeit<br />

untergegangen sind: Lieder, die während der<br />

Shoa im osteuropäischen Shtetl geschrieben<br />

wurden; Lie der, die nach dem Krieg neuen Mut<br />

verliehen und um die Welt gegangen sind,<br />

bevor die Erinnerung an ihre Me lodie verloschen<br />

ist; Lieder, die zusammen mit dem jiddischen<br />

Theater in Verges sen heit geraten sind.<br />

Chorleiter Roman Grinberg hat diese Lieder<br />

gesammelt und für den Chor neu arrangiert.<br />

Der <strong>Wien</strong>er Jüdische Chor stellt sie mit seiner<br />

Interpretation in ei nen aktuellen Kon text und<br />

gibt ihnen eine neue Be deutung. In einer Mi -<br />

schung mit ganz und gar un ver ges senen Lie -<br />

dern ist ein abwechslungsreiches Pro gramm<br />

entstanden.<br />

Als speziellen Höhepunkt wird Ober rabbiner<br />

Paul Chaim Eisenberg anläßlich seines 60.<br />

Ge burt stages auf der Büh ne des Kon zert hauses<br />

dem Publikum – und dem Chor – ein besonderes<br />

Ständchen darbieten.<br />

Der Chor wird begleitet von Vien na Jazz klezz,<br />

das Programm durch die Einlagen zahl rei -<br />

cher Gäste wie dem Geigervirtuosen Aliosh<br />

Biz und dem Klarinettisten Alexandr Danilov<br />

abgerundet.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />

Teil 21: Psychosoziales Zentrum<br />

ESRA<br />

SERVICE<br />

Erreichbarkeit von ESRA:<br />

Telefonisch: montag bis donners -<br />

tag von 08.00 Uhr - 19.00 Uhr und<br />

freitags von 08.00 Uhr - 14.00 Uhr<br />

unter 01 – 214 90 14 - 0.<br />

Per mail: office@esra.at.<br />

infor ma tionen im internet finden<br />

Sie auf www.esra.at.<br />

Hier können Sie bei interesse auch<br />

bei Bekannt gabe der mail- oder<br />

Postadresse die Veranstal tungs -<br />

hin weise anfordern, welche dann<br />

automatisch zugeschickt werden.<br />

Postanschrift: Tempelgasse 5,<br />

1020 <strong>Wien</strong>.<br />

Spenden sind jederzeit herzlich<br />

will kommen: Bank Austria<br />

00684145600, BLZ 20151<br />

„Wir orientieren<br />

uns immer am<br />

Bedarf“<br />

Seit 15 Jahren gibt es nun schon das Psy -<br />

cho soziale Zentrum ESRA (Hebräisch für<br />

Hilfe). Heute ist es aus dem Alltag in der<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong> kaum mehr wegzudenken.<br />

Das Erfolgsrezept: der Mensch wird<br />

in seiner Gesamtheit gesehen, die Hilfe<br />

interdisziplinär gestaltet. Die Angebote<br />

werden zudem ständig – bedarfsorientiert<br />

– weiterentwickelt.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

3.000 menschen werden derzeit im<br />

Jahr von eSRA betreut. Was vor 15 Jah -<br />

ren <strong>als</strong> Hilfestellung für Holocaust-<br />

Überlebende mit Traumatisierungen<br />

begann, hat sich in viele Richtungen<br />

weiterentwickelt. die oberste maxime:<br />

den Bedarf erkennen und ihm ent -<br />

sprechend begegnen. medizini sches<br />

Personal sowie Sozialarbei ter/innen<br />

arbeiten dabei Hand in Hand.<br />

David Vyssoki ist der ärztliche Leiter<br />

von eSRA und steht der Ambulanz<br />

vor. diese ist wie ein bettenloses<br />

Krankenhaus organisiert. Zunächst<br />

auf die ärztliche, psychologische und<br />

psychotherapeutische Behandlung<br />

von nS-Opfern ausgerichtet, hat sich<br />

rasch eine zweite Zielgruppe herauskristallisiert,<br />

so Vyssoki: menschen<br />

aus der jüdischen Gemeinde mit mi -<br />

grationshintergrund. Um ihnen helfen<br />

zu können musste auch dem Thema<br />

Sprachbarrieren begegnet werden.<br />

Heute gibt es bei eSRA in allen Berei -<br />

chen mitarbeiter und mitarbeiterin -<br />

nen, die neben deutsch auch Russisch<br />

oder Hebräisch sprechen.<br />

der nächste Schritt: ein spezielles An -<br />

gebot für sämtliche jüdische Schulen<br />

in <strong>Wien</strong>. eSRA-Psychologen sind nun<br />

an allen Standorten regelmäßig vor Ort<br />

und stehen dabei für eltern, Lehrer<br />

und Schüler <strong>als</strong> Ansprechpartner zur<br />

Verfügung. Wird ein Therapiebedarf<br />

festgestellt, wird das mädchen oder<br />

der Bub direkt an eSRA überwiesen.<br />

Am Jüdischen Beruflichen Bildungs -<br />

zen trum (JBBZ) stehen die eSRA-ex -<br />

perten den dortigen mitarbeitern für<br />

Supervision zur Verfügung.<br />

Sehr präsent ist eSRA zudem im mai -<br />

mo nides Zentrum. dort ist nun schon<br />

seit einigen Jahren ein Consiliar-Liaison-Team,<br />

bestehend aus zwei Fach -<br />

ärz ten für neurologie und Psychia trie<br />

und einer diplomierten Krankenschwes<br />

ter tätig. Wird von diesen ein<br />

Bedarf für Psychotherapie festgestellt,<br />

gibt es diese auf Krankenschein.<br />

Grundsätzlich sei es gelungen, mit den<br />

Krankenkassen sehr gute Verträge<br />

auszuverhandeln, freut sich Vyssoki.<br />

eSRA ist übrigens inzwischen im Be -<br />

reich Behandlung von traumatisier-<br />

6 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

ten Patienten österreichweit Vor rei ter.<br />

Für die Stadt <strong>Wien</strong> hat das Team auch<br />

ein Konzept für die einrichtung eines<br />

Traumazentrums erarbeitet. in not fäl -<br />

len und Krisensituationen, wie etwa<br />

nach dem 11. September 2001 oder<br />

nach dem verheerenden Tsuna mi<br />

wer de schon jetzt im Rahmen der<br />

Akut betreuung <strong>Wien</strong> (ABW) auf die<br />

ex pertise der eSRA-experten zurückgegriffen.<br />

nach dem 11. September<br />

mussten beispielsweise menschen be -<br />

handelt werden, die keinen Kontakt<br />

zu Angehörigen in den USA herstellen<br />

konnten.<br />

der Alltag bei eSRA hat aber auch ge -<br />

zeigt, dass menschen immer älter<br />

wer den und demenzerkrankungen<br />

auf dem Vormarsch sind. daher wur -<br />

de eine Memory Klinik eingerichtet,<br />

die einerseits diagnostik, andererseits<br />

aber auch medikamentöse Therapie<br />

und Trainings zur erhaltung des Ge -<br />

dächtnisses bietet.<br />

eine weitere einrichtung ist die<br />

Schmerz ambulanz. Traumatisierte men -<br />

schen können über ihre erlebnisse oft<br />

nicht sprechen – reagieren aber mit<br />

Schmerzen, sagt Vyssoki. ihnen wird<br />

mit Schmerztherapie geholfen. eSRA<br />

arbeitet dabei unter anderem auch<br />

mit Akupunktur.<br />

Und ein weiteres Angebot hat eSRA<br />

über die Jahre ausgearbeitet: Beglei -<br />

tung und Beratung für Patienten, die<br />

an Krebs erkrankt sind. menschen,<br />

die in der Shoah traumatisiert wurden,<br />

reagieren anders auf eine solche<br />

diag n ose <strong>als</strong> andere Betroffene, er -<br />

zählt Vyssoki. Sie werden meist sehr<br />

depressiv. eSRA kooperiert hier mit<br />

der Caritas socialis: diese übernimmt<br />

die Schmerztherapie der Patienten,<br />

eSRA die psychologische Begleitung<br />

sowohl der Betroffenen <strong>als</strong> auch der<br />

Familienangehörigen.<br />

insgesamt arbeiten an der Ambulanz<br />

acht Fachärzte für Psychiatrie und<br />

neu rologie, ein Arzt für Allgemein me -<br />

dizin, ein Kinderarzt, zwei Psy cho lo -<br />

gin nen, sieben Psychothera peu ten und<br />

–therapeutinnen sowie vier Kran ken -<br />

schwestern und -pfleger. da es im mer<br />

wieder vorkommt, dass Pati en ten<br />

zeit weilig nicht sozialversichert sind,<br />

kann der praktische Arzt auch oh ne e-<br />

card aufgesucht werden. die Ambu -<br />

lanz ist montag bis donnerstag von<br />

14.00 Uhr - 19.00 Uhr und freitags von<br />

8.00 Uhr - 14.00 Uhr geöffnet.<br />

Gerda Netopil leitet den zweiten großen<br />

Bereich von eSRA: die Soziale Arbeit.<br />

der erstkontakt erfolgt über ein Clea -<br />

ring-System – zwei Sozialarbeiter/innen<br />

führen hier ein erstgespräch, lo ten<br />

aus, wo die Probleme liegen, wer wei -<br />

terhelfen kann. entweder eine einmalige<br />

oder kurzzeitliche Beratung reicht<br />

aus oder es ist eine längere sozialarbeiterische<br />

Begleitung ratsam, welche<br />

dann das sozialarbeiterische Lang zeit-<br />

Team übernimmt. Zudem werden<br />

Betroffene bei Bedarf an die Ambu lanz<br />

weitergeleitet.<br />

Generell sind die Wartezeiten für Bera<br />

tungstermine – im Vergleich zu an -<br />

de ren sozialen einrichtungen – kurz.<br />

im Rahmen von Clearing-Zeiten ist es<br />

auch möglich, Beratung ohne Voranmel<br />

dung in Anspruch zu nehmen. die<br />

Zeiten des Clearing-Teams: montag,<br />

mittwoch, Freitag von 9.00 - bis 12.00<br />

Uhr und dienstag und donnerstag<br />

von 14.00 Uhr - 17.00 Uhr sowie ge gen<br />

telefonische Terminverein ba rung.<br />

Kompetente Beratung bietet das So -<br />

zialarbeiter/innen-Team einerseits im<br />

Bereich Fremdenrecht, wobei den Kli en -<br />

ten auch aktiv geholfen wird, bei -<br />

spielsweise um ein Aufent halts recht<br />

anzusuchen. „Wir begleiten unsere<br />

Klienten bei diesen Verfahren“, betont<br />

netopil. in <strong>Wien</strong> gebe es kaum eine<br />

andere Stelle, die hier in dieser inten -<br />

si-tät expertise anbiete. insgesamt<br />

würden migranten mit diesen Problemen<br />

ziemlich alleine gelassen.<br />

Beratung gibt es aber auch zum The ma<br />

entschädigungsrecht für nS-Über le -<br />

ben de. Hier ist man außerdem auch<br />

in deutschem Recht firm. eSRA hat<br />

zudem jüngst auch die bisherigen dies -<br />

bezüglichen Agenden der Anlaufstelle<br />

übernommen.<br />

ein wichtiges Thema ist für netopil<br />

zu dem die materielle Grundsiche -<br />

rung, wobei sie betont: eSRA selbst<br />

entscheidet nicht über die Vergabe von<br />

Gel dern. Zunächst werden Betroffene<br />

beraten, bei welchen öffentlichen Stel -<br />

len sie Ansuchen um Förderung, Zu -<br />

schüsse und Ähnliches stellen können.<br />

Bei Bedarf wird bei der Antragstel lung<br />

unterstützt und das behördliche Ver -<br />

fah ren begleitet. Über iKG-interne<br />

finanzielle Stützmittel entscheiden die<br />

Sozialkommission beziehungswei se<br />

Verlassenschaften-Ankauf,<br />

Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,<br />

Spiegelgasse 19, 1010 <strong>Wien</strong>, Österreich<br />

Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at<br />

die Stipendienkommission der iKG<br />

(fi nanzielle Unterstützung zur Be zah -<br />

lung des Schulgeldes).<br />

Bei eSRA werden übrigens vielm<strong>als</strong><br />

nicht einzelpersonen, sondern ganze<br />

Familiensysteme betreut, so netopil.<br />

Viele Probleme könnten nur so in den<br />

Griff bekommen werden.<br />

Gruppen ganz anderer Art haben sich<br />

im Rahmen von „Club SchelAnu“<br />

zusammengefunden, einer initiative<br />

für Senioren. im Rahmen von acht<br />

Aktivitätsgruppen treffen hier mit glie -<br />

der verschiedenster religiöser Grup -<br />

pie rungen und ethnien zusammen,<br />

um Bewegung zu machen, einen<br />

edV-Kurs zu absolvieren oder eine<br />

Sprache zu erlernen. Besonders ältere<br />

menschen, die aus der ehemaligen<br />

Sowjetunion stammen, hätten oft das<br />

Bedürfnis, englisch zu erlernen.<br />

Und schließlich koordiniert die Sozial -<br />

arbeit den ehrenamtlichen Besuchs -<br />

dienst für alleinstehende Holocaust -<br />

überlebende, „meist Frauen, die plus<br />

mi nus alleine leben“. Freiwillige besuchen<br />

ältere, zumeist traumatisierte<br />

menschen etwa zwei Stunden in der<br />

Wo che, wobei die eSRA-Sozialar bei -<br />

ter/innen dabei darauf achten, „dass<br />

die Ehrenamtlichen nicht ihre Grenzen<br />

überschreiten“.<br />

Leider spielt auch in jüdischen Fami -<br />

li en Gewalt in der Familie eine Rolle,<br />

bedauern Vyssoki und netopil. Hier<br />

setzt nun die neue initiative „Hotline<br />

– gegen Gewalt in der Familie“ an, die<br />

vor allem Frauen dazu motivieren<br />

möchte, sich mit allfälliger häuslicher<br />

Gewalt – gegen sich oder aber die Kin -<br />

der – besser auseinanderzusetzen.<br />

An gerufen werden kann die Hotline<br />

unter der Telefonnummer 01-212 55 18<br />

jeweils montag, dienstag und don -<br />

ner stag von 10.00 Uhr - 12.00 Uhr und<br />

mittwochs von 15.00 Uhr - 17.00 Uhr.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 7


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Zwölf Sozialarbeiter/innen sind bei<br />

eS RA im einsatz sowie, zur Unter -<br />

stüt zung, fünf Zivildiener. der Alltag<br />

ist dabei nicht immer leicht. „Die Viel -<br />

sei tigkeit ist das Schöne“, sagt netopil,<br />

„und gleichzeitig ist sie auch die He rausforderung<br />

und das Anstrengende und be -<br />

deu tet für mich auch immer wieder schlaf -<br />

lose Nächte“. Wichtig für ein ausgeglichenes<br />

Befinden der mitarbeiter:<br />

Supervision.<br />

Peter Schwarz bemüht sich <strong>als</strong> Ge -<br />

schäfts führer die Rahmen bedin gun -<br />

gen zu schaffen, damit das Angebot<br />

von eSRA immer auch den aktuellen<br />

Bedarf deckt. er versteht sich dabei<br />

„nicht <strong>als</strong> Verwalter, sondern mehr <strong>als</strong><br />

Gestalter“. die Frage laute <strong>als</strong>o nicht:<br />

ist das im Budget noch drinnen oder<br />

nicht, die Frage laute vielmehr: „Wie<br />

ermögliche ich das?“ Schwarz ist vor<br />

allem für die finanzielle Gebarung des<br />

Hauses zuständig, verhandelt mit öf -<br />

fentlichen Stellen um Unterstützun gen<br />

und Förderungen, verhandelt aber<br />

auch mit den Sozialversicherungs trä -<br />

AMBU LANZ<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag - Donnerstag 14.00 - 19.00 Uhr<br />

(nur nach Terminvereinbarung)<br />

Telefonische Information und Anmeldung_<br />

Montag - Donnerstag 10.00 - 19.00 Uhr<br />

Freitag<br />

10.00 - 14.00 Uhr<br />

Folgende Angebote stehen zur Verfügung:<br />

• Neurologische Behandlung und Beratung<br />

• Psychosoziale Behandlung und Beratung<br />

• Allgemein-med. Behandlung und<br />

Beratung<br />

• Betreuung & Beratung durch dipl.<br />

Pflegepersonal<br />

• Psychotherapie<br />

• Traumabehandlung<br />

• Supervision<br />

• Psychol. Begutachtung und Beratung<br />

• Palliativ-Behandlung und Beratung<br />

• Memory Clinic<br />

ELTERN-KIND-BERATUNG<br />

Sprechstunde: Montag 16.00 - 19.00<br />

KINDER- UND JUGENDBERATUNG<br />

Terminvereinbarung:<br />

Montag - Donnerstag 9.00 - 15.00 Uhr<br />

Matthias Lichtenegger Tel. 01 214 90 14 - 49<br />

HOTLINE gegen Gewalt in der Familie<br />

Tel.: 01-212 55 18<br />

Montag, Dienstag. Don ner stag<br />

10.00 Uhr - 12.00 Uhr<br />

Mittwoch 15.00 Uhr - 17.00 Uhr.<br />

gern.<br />

Und schließlich kümmert er sich auch<br />

um die Öffentlichkeitsarbeit des Hau -<br />

ses. ein Ansatzpunkt sind Kultur ver -<br />

an staltungen im Haus, wie musik -<br />

pro gramme, Filmvorführungen, Aus -<br />

tel lungen, Lesungen. So kommen<br />

men schen mit eSRA in Kontakt und<br />

können dann vielleicht auch mehr mit<br />

dem anfangen, was eSRA tut, hofft<br />

Schwarz. damit werde man in der<br />

Öffentlichkeit, aber auch bei ent schei -<br />

dungsträgern bekannter. Gleichzeitig<br />

biete sich so jüdischen Künstlern eine<br />

möglichkeit, sich und ihre Arbeit zu<br />

präsentieren.<br />

ein Problem hat Schwarz in der na hen<br />

Zukunft zu lösen: die Raumnot. eSRA<br />

platzt inzwischen aus allen nähten,<br />

die Aufgaben werden mehr statt we -<br />

niger, räumlich hat man den Plafonds<br />

erreicht. Aber auch hier wird man mit<br />

Hilfe der iKG und der Wohnheim ver -<br />

waltungsgesellschaft (WVG) Lösun -<br />

gen finden, zeigt sich Schwarz zuversichtlich.<br />

CLEARING-TEAM<br />

Montag, Mittwoch, Freitag 9.00 - 12.00 Uhr<br />

Dienstag & Donnerstag 14.00 - 17.00 Uhr<br />

sowie ge gen telefonische Terminverein ba rung.<br />

SOZIALBERATUNG<br />

Montag<br />

9.00 - 12.00 Uhr<br />

Dienstag<br />

14.00 - 17.00 Uhr<br />

Mittwoch<br />

9.00 . 12.00 Uhr<br />

Donnerstag<br />

14.00 - 17.00 Uhr<br />

Freitag<br />

9.00 - 12.00 Uhr<br />

Diese Sprechstunden sind für all jene gedacht,<br />

die zum ersten Mal mit der Sozialberatung in<br />

Kon takt treten wollen oder die keinen regelmäßigen<br />

Kontakt zu einem Sozialarbeiter oder<br />

ei ner Sozialarbeiterin haben.<br />

Beratung und Betreuung<br />

• Integrationsarbeit (Aufenthaltstitel, Aus -<br />

län derbeschäftigungsrechtliche Be willigun -<br />

gen, Staatsbürgerschaftser lan gung<br />

• Entschädigungsansprüche (Opferfür sor -<br />

ge gesetz, Entschädigungsleistun gen aus<br />

Deutsch land, Ansprüche aus dem Natio -<br />

nal fonds der Republik Ös terreich, Pen si -<br />

ons an sprüche nach dem Begünstigten ver -<br />

fah ren, Pflege geld leistungen und Wie der -<br />

erlangung der österreichischen Staats bür -<br />

ger schaft von im Ausland lebenden Überlebenden<br />

der NS-Verfolgung u.a.)<br />

• Unterstützung im Alter (Vermittlung So -<br />

zialer Dienste, Pflegegeldanträge, Ver mitt -<br />

lung der Unterbringung in Tages heim stät -<br />

te, Seniorenwohnheim, Pflege heim, Kurz -<br />

zeit pflege; Angehörigenbera tung)<br />

ZUR PERSON<br />

DSA Mag. Gerda Netopil, Leiterin<br />

Soziale Arbeit, geb. 1963 in Klos -<br />

terneuburg (nÖ), nach der matura<br />

Studium der Geschichte und Po li -<br />

tik wissenschaft an der Uni <strong>Wien</strong><br />

und Ausbildung zur diplomierten<br />

Sozialarbeiterin an der Sozialaka -<br />

de mie <strong>Wien</strong>. Von 1984 bis 1991<br />

Sekre tariat in der Gewerkschaft<br />

Öf fent li cher dienst (GÖd) und<br />

Pro jekt ar beit im sozial- und kultur -<br />

wissenschaftlichen Bereich. 1991<br />

bis 1995 Produktionsleiterin im<br />

Film kultur bereich. 1996 bis 1997<br />

mitarbei te rin der iT-Abteilung in -<br />

ternational Sales & Partnerring.<br />

Seit 1997 in eSRA <strong>als</strong> Sozialar bei -<br />

terin tätig, seit 2001 stellvertretende<br />

Leitung, seit 2007 Leitung des Be -<br />

rei ches Soziale Arbeit. Sie ist verheiratet<br />

und mut ter einer sechsjährigen<br />

Tochter.<br />

Peter Schwarz, Geschäftsführer,<br />

geb. 1958 in <strong>Wien</strong>, verbrachte seine<br />

Jugend im Hashomer Hazair, be -<br />

gann nach der matura Wirtschaft<br />

zu studieren und absolvierte eine<br />

Controller-Ausbildung. Von 1978<br />

bis 1983 neben dem Studium für el<br />

Al tätig. 1983 bis 1987 Aufbau und<br />

Leitung der Fremdenverkehrs ver -<br />

tre tung des Tourismusministe ri ums<br />

des Staates israel, anschließend im<br />

Handel tätig. Von 1996 bis 1998 Re -<br />

ferent im Parlamentsklub der Grü -<br />

nen, dabei u.a. für minderheiten -<br />

politik und Restitution zuständig.<br />

Seit 1996 Geschäftsführer von eS RA.<br />

er ist verheiratet und Vater eines<br />

Sohnes.<br />

Dr. David Vyssoki, Ärztlicher Lei -<br />

ter, geb. 1948 in Tscherno witz/<br />

UdSSR, seit 1962 in Österreich. 1967<br />

matura, 1976 Abschluss des medi -<br />

zin studiums. Seit 1985 Facharzt<br />

für Psychiatrie und neurologie,<br />

lang jährige erfahrungen <strong>als</strong> Psy -<br />

cho - und Familientherapeut. 1994<br />

mitbegründer und mitarbeiter am<br />

Konzept des psychosozialen Zen -<br />

trums eSRA/<strong>Wien</strong>, Primarius der<br />

Ambulanz. Seit 1994 ärztlicher<br />

Leiter von eSRA. er ist verheiratet<br />

und Vater zweier erwachsener<br />

Kin der. Hobbies: Geschichte, Ar -<br />

chäologie, neurobiologie, Kunst.<br />

8 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • INLAND<br />

Offener Brief an <strong>Wien</strong>, 5. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />

Herrn Bundeskanzler Werner Faymann<br />

Frau Innenministerin Maria Fekter<br />

Herrn Außenminister Michael Spindelegger<br />

Meine Großeltern konnten im Dezember 1939 gerade noch aus Nazi-Österreich nach<br />

Belgien entkommen. Willkommen waren sie dort nicht. Man forderte sie immer wieder<br />

auf, das Land zu verlassen und drohte ihnen mit Abschiebung - nach Nazi-Deutschland.<br />

Am Ende haben die Nazis sie in Belgien eingeholt - und ermordet.<br />

Ich verdanke mein Leben der Tatsache, dass England meine Eltern nicht abge scho ben<br />

hat - und nicht von den Nazis eingenommen wurde.<br />

Ich nehme mir aber nicht nur deshalb das Recht heraus an Sie, die Sie dieses Land re -<br />

gie ren, einige Fragen zu stellen. Als Österreicherin und Mensch mit Gewissen frage ich<br />

Sie:<br />

1. Wissen Sie nicht, dass die große Mehrheit jener, die heute in Österreich Zuflucht<br />

suchen, das tut, weil sie an Leib und Leben bedroht ist?<br />

2. Wissen Sie nicht, was auf die Menschen, die jetzt Tag für Tag wie Kriminelle außer<br />

Landes gebracht werden, zukommt? Welches Schicksal die meisten dort erwartet,<br />

wohin sie von Österreich aus verfrachtet werden?<br />

3. Wissen Sie nicht, wie viele jener, die jetzt plötzlich unbedingt abgeschoben werden<br />

müssen, seit Jahren hier leben und nur eben das wollen: in Ruhe und Sicherheit hier<br />

leben?<br />

4. Glauben Sie nicht, dass schnelle und faire Asylverfahren die Lage wesentlich besser<br />

entspannen würden <strong>als</strong> willkürliche Abschiebungen?<br />

5. Glauben Sie nicht, dass wirkliche Experten - <strong>als</strong>o Menschen, die die Situation tatsächlich<br />

gut kennen - die Lage in den jeweiligen Ländern, aus denen die Flüchtlinge<br />

kommen, beurteilen sollten und nicht desinteressierte überforderte Beamte?<br />

6. Glauben Sie nicht, dass eine Arbeitserlaubnis den Menschen nicht nur eine<br />

Perspektive geben würde sondern auch verhindert, was Sie Sozi<strong>als</strong>chmarotzertum<br />

nennen?<br />

7. Glauben Sie nicht, dass zutiefst traumatisierte Menschen von ausgebildeten<br />

Psychologen und nicht von überforderten Polizisten einvernommen werden sollten?<br />

8. Glauben Sie nicht, dass gerade Österreich eine besondere Verpflichtung hat,<br />

Menschen in Not zu helfen?<br />

Hochachtungsvoll<br />

Dr. Susanne Scholl<br />

POLITIK<br />

Für einen würdigen Umgang mit Menschen in Not:<br />

http://www.petitiononline.com/liaboh<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 9


POLITIK • INLAND<br />

Latente Verharmlosung des<br />

Rechtsextremismus durch<br />

die Innenministerin“<br />

„Die ÖVP hat offenbar größte Schwie rig -<br />

keiten mit der Mathematik“, stellte der<br />

Sicherheitssprecher der Grünen, Peter<br />

Pilz, angesichts der Präsentation des<br />

Verfassungsschutzberichtes fest.<br />

„Wir stehen vor einem massiven Rechts -<br />

extre mis mus-Problem in diesem Land mit<br />

na he zu 800 Anzeigen im Jahr 2009“, so<br />

Pilz. Angesichts dieser Situation von<br />

einer „Stabilisierung“ zu sprechen, fällt<br />

wohl unter grobe Verharmlosung. „Die<br />

In nen ministerin sollte sich daran messen<br />

lassen, wie sie die rechtsextremen Umtriebe<br />

im Land zurückdrängt und nicht,<br />

wie sie sie „stabilisiert“, kritisierte Pilz.<br />

im selben Atemzug einen Anstieg von<br />

64 auf 90 Anzeigen im linksextremen<br />

Bereich von einer „gewaltigen Zunah -<br />

me“ zu sprechen, ist allerdings der<br />

Gip fel: „Das ist eine glatte Irreführung<br />

der Öffentlichkeit.“ Hier werde mit<br />

Zahlen manipulation betrieben und es<br />

soll verschleiert werden, dass die in -<br />

n enministerin scheinbar aufmarschierende<br />

Rechtsextremisten und nazis<br />

<strong>als</strong> naturgesetz betrachtet.<br />

Pilz: „Seit dem Beginn der Ära der schwar -<br />

zen In nen ministerInnen ist das Innenmi -<br />

nisterium auf dem rechten Auge blind.<br />

Der Rechts extremismus-Bericht wurde<br />

unter Schwarz-Blau abgeschafft und nie<br />

wieder ein gerichtet. Das ist eine klare<br />

Vor leis tung für die nächste ÖVP-FPÖ-<br />

Koali tion. Denn: Wer im braunen Sumpf<br />

wühlt, der wird FPÖ-Funktionäre finden.<br />

Die Innen ministerin will sie offenbar gar<br />

nicht erst finden“.<br />

Lueger-Denkmal soll gekippt werden<br />

im dezember 2009 gründeten Studie -<br />

rende an der Universität für angewandte<br />

Kunst <strong>Wien</strong> und Martin Krenn<br />

(Lehrbeauftragter) einen Ar beits kreis<br />

zur „Umgestaltung des Lueger-denk -<br />

m<strong>als</strong>“, der einen „Open Call“ für<br />

einen internationalen Wettbewerb zur<br />

„Umgestaltung des Lueger-Denkm<strong>als</strong> in<br />

ein Mahnmal gegen Antisemitismus und<br />

Rassismus in Österreich“ ausschrieb.<br />

das Feedback war mit 220 internationalen<br />

einreichungen sehr positiv - die<br />

Wahrnehmung über die Grenzen Ös -<br />

terreichs hinaus bestätigt insofern<br />

auch die Relevanz der gesellschaftskritischen<br />

Stoßrichtung des Wettbe -<br />

werbs. Ca. 75% aller einreichungen<br />

stammen aus Österreich, die restli -<br />

chen 25% aus europäischen Ländern,<br />

drei Vorschläge stammen aus den USA,<br />

einer aus China. nun hat die Jury ei -<br />

nen Vorschlag ausgewählt. die entscheidung<br />

fiel auf den entwurf des<br />

<strong>Wien</strong>er Künstlers Klemens Wihlidal. er<br />

sieht vor, die Statue und einen Teil<br />

des Sockels um 3,5 Grad nach rechts<br />

zu neigen. die Jury begründet ihre<br />

ent scheidung damit, dass der ent wurf<br />

die Unsicherheit der Stadt <strong>Wien</strong> im<br />

Umgang mit Karl Lueger verdeutliche<br />

und den aktuellen Stand der diskus -<br />

sion zeige. Sowohl die Person Karl<br />

Lu egers <strong>als</strong> auch ihre Rezeption<br />

befänden sich in einer Schieflage.<br />

durch den eingriff werde der vertikale<br />

Charakter des monuments ge -<br />

brochen und der mythos Luegers <strong>als</strong><br />

Vaterfigur <strong>Wien</strong>s hinterfragt. die<br />

Schieflage verweise auf den problematischen<br />

Umgang der Stadt <strong>Wien</strong><br />

mit ihrer antisemitischen Vergan gen -<br />

heit. die Umgestaltung, so Wihlidal<br />

selbst, „führt eine Irritation bei den Be -<br />

trach terInnen herbei, das Monument ge -<br />

rät in Unruhe, es soll die Frage evoziert<br />

werden: Wie geht es jetzt mit dem Denk -<br />

mal weiter? Entgegen eines Denkmal -<br />

stur zes, wird in dem Moment, wo die<br />

Statue nur gekippt wird, das Denkmal<br />

zum Mahnmal.“ der Arbeitskreis und<br />

seine Unterstützerinnen fordern nun<br />

die Umsetzung. in den nächsten Wo -<br />

chen wird der entwurf der Stadt <strong>Wien</strong><br />

im <strong>Wien</strong>er Rathaus übergeben. der<br />

diesbezügliche Antrag im <strong>Wien</strong>er Ge -<br />

meinderat kann von den Verant wort -<br />

lichen noch vor dem Sommer eingebracht<br />

werden.<br />

Alle anderen eingereichten entwürfe<br />

werden in den kommenden Wochen<br />

in Absprache mit den Künstlerinnen<br />

für eine Präsentation auf der Website<br />

(www.luegerplatz.com) aufbereitet.<br />

Klemens Wihlidal wurde 1982 in <strong>Wien</strong><br />

geboren, studierte von 2001 bis 2002<br />

Gitarre am Konservatorium <strong>Wien</strong> und<br />

von 2003 bis <strong>2010</strong> medienübergrei -<br />

fen de Kunst an der Universität für<br />

angewandte Kunst <strong>Wien</strong>.<br />

der Jury gehörten folgende Personen<br />

an: Aleida Assmann, Literatur- und Kul -<br />

turwissenschaftlerin, Universität Kon -<br />

s tanz/Gerald Bast, Rektor der Uni ver -<br />

si tät für angewandte Kunst <strong>Wien</strong>/Eva<br />

Blimlinger, Historikerin, Univer si tät für<br />

angewandte Kunst <strong>Wien</strong>/Fe li citas Hei -<br />

mann-Jelinek, Chef-Kurato rin Jü di sches<br />

museum <strong>Wien</strong>/Johan na Kandl, Künst -<br />

le rin, Universität für Angewandte<br />

Kunst <strong>Wien</strong>/Lisl Ponger, Künstlerin/<br />

Doron Rabinovici, Schriftsteller, essa yist<br />

und Historiker/Martin Krenn und Ver -<br />

treterinnen des Arbeitskreises (ei ne<br />

Stimme).<br />

info unter: www. luegerplatz.com<br />

„Menschenschutz“<br />

Auch bei mutmaßlich Rechtsextremen sollten die Behörden hart durchgreifen<br />

56 Seiten hat die Anzeige, die Georg Zanger bei der Staatsanwaltschaft Graz eingebracht hat. 56 Verdächtige hat der Anwalt<br />

benannt. Er zeiht Frei heit li che, Teil eines rechtsextremen, über Österreichs Grenzen hinausgehenden Netz werks zu sein. Er<br />

werde es den "Nazis" zeigen, sagt der streitbare Ad vo kat. Es ist löblich, dass sich ein Jurist die Mühe gemacht hat, Verbin -<br />

dun gen zwischen FPÖ und der rechten Szene aufzuzeigen. Dass es solche gibt, ist nicht neu. Mit ar beiter von National rats -<br />

präsident Graf, einem schlagenden Bur schenschafter, hatten Nazi-Devotionalien bei einem einschlägigen Ver sand bestellt;<br />

rechtsextreme Liedermacher und Historiker sind immer wieder in Buden zu Gast.<br />

Politisch und strafrechtlich haben derlei Umtriebe selten Konsequenzen. Und so versucht Zanger, das „Spinnennetz des Rechts -<br />

extremismus“ mithilfe des „Ma fia“-Paragrafen zu zerschlagen: Bildung einer kriminellen Organisation. 13 Tier schützern wird das<br />

vorgeworfen; sie sind deswegen angeklagt. Es gab Haus durch suchungen, etliche von ihnen waren 104 Tage inhaftiert. Da vor dem<br />

Gesetz alle gleich sind, ist zu erwarten, dass die Justiz gegen po ten zielle Rechtsextreme und deren Gönner mit ebenso schwerem<br />

Ge schütz auf fährt wie gegen Menschen, die Tiere schützen wollen. KURIER-Kommentar von Karin Leitner, 19. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />

10 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


15-jähriges Jubiläum<br />

des Österreichischen<br />

Nationalfonds<br />

POLITIK • INLAND<br />

©Karl Schrammel<br />

Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums<br />

des nationalfonds der Republik Ös -<br />

ter reich für Opfer des nation<strong>als</strong>o zia -<br />

lismus lud Österreichs Botschafter in<br />

Washington, Christian Prosl, am 13. mai<br />

zu einer Gedenkveranstaltung in die<br />

Botschaft ein. Unter den zahlreichen<br />

Gästen befanden sich neben Vertre tern<br />

von Opferorganisationen und des<br />

department of State auch zahlreiche<br />

aus Österreich stammende Holo caust-<br />

Überlebende.<br />

nationalfonds-Gener<strong>als</strong>ekretärin Mag.<br />

Hannah Lessing brachte einen Rück blick<br />

auf die 15-jährige Tätigkeit des Fonds<br />

und präsentierte aktuelle Projekte<br />

und initiativen des nationalfonds: die<br />

Unterstützung älterer und bedürftiger<br />

Holocaust-Überlebender sei ein<br />

pri oritäres Anliegen des Fonds, aber<br />

auch die Verwertung von Kunstob -<br />

jek ten, die während der nS-Zeit ihren<br />

eigentümern entzogen wurden und<br />

nicht mehr an deren Rechtsnach fol -<br />

ger zurückgegeben werden können,<br />

denn diese Verwertung kommt den<br />

Opfern des nS-Regimes unmittelbar<br />

zugute. der Fonds fördert auch die er -<br />

haltung von Gedenkstätten und die<br />

Pro jekte der zeitgeschichtlichen Forschung,<br />

sowie Schulprojekte im Be -<br />

reich Holocaust education.<br />

der US Sonderbeauftragte für Holo -<br />

caust fragen des State department, Bot -<br />

schafter Christian Kennedy, würdigte die<br />

erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ös -<br />

terreich bei der Umsetzung des Wa -<br />

shing ton Agreement 2001 über offene<br />

Restitutionsfragen, den wichtigen Bei -<br />

trag zu den Arbeiten der Task Force<br />

for international Cooperation on Ho -<br />

lo caust education, insbesondere während<br />

des österreichischen Vorsitzes<br />

im Jahr 2008/2009 und den österreichischen<br />

Beitrag zur Vorbereitung<br />

der Holocaust-era Assets Conference,<br />

die im Juni 2009 in Prag stattfand.<br />

Stuart Eizenstat, der in den Jahren<br />

2000/2001 <strong>als</strong> US-Regierungsbeauf -<br />

tragter für Holocaust-Fragen die Ver -<br />

handlungen mit der österreichischen<br />

Bundesregierung über das sehr umfas<br />

sende Washington Agreement über<br />

offene Restitutions- und Vermögensfra<br />

gen geleitet hatte, hob hervor, dass<br />

sich Österreich seit Gründung des na -<br />

tionalfonds konsequent dem dunkelsten<br />

Kapitel seiner Geschichte stelle.<br />

mit zahlreichen neuen initiativen neh -<br />

me Österreich eine Vorreiterrolle un -<br />

ter den europäischen Staaten ein: die<br />

österreichische Kunstrestitutions ge -<br />

setzgebung sei weltweit einzigartig<br />

und vorbildhaft, ebenso wie die ös ter -<br />

reichischen Sozialleistungen, insbesondere<br />

die Pflegegeldleistungen, die<br />

vielen überlebenden Opfern des na ti -<br />

o n<strong>als</strong>ozialismus zugute kommen. Ge -<br />

ra de aufgrund der Bedürftigkeit vieler<br />

Holocaust-Überlebender kommen<br />

Pro grammen wie den Pflegegeld- und<br />

Pensionsleistungen heute eine zentrale<br />

Bedeutung zu.<br />

Seit seiner Gründung hat der natio -<br />

nal fonds dazu beigetragen, Brücken<br />

zu österreichischen emigranten zu<br />

schlagen, die nach den Gräueln der<br />

nS-Verfolgung in den USA eine neue<br />

Heimat gefunden haben. neben den<br />

Leistungen des nationalfonds und des<br />

Allgemeinen entschädigungs fonds<br />

erhalten die Antragsteller auch laufend<br />

informationen über österreichische<br />

Restitutions- und entschädi -<br />

gungs programme sowie über österreichische<br />

Sozial-, Pflegegeld- und Pen -<br />

si onsleistungen, die den Überlebenden<br />

in den USA zugute kommen. Zahl -<br />

reiche Antragsteller, die dem Fest akt<br />

an der Botschaft beiwohnten, drückten<br />

ihre Anerkennung für die Arbeit<br />

des nationalfonds aus und würdigten<br />

die zahlreichen österreichischen Un -<br />

ter stützungsprogramme. Am wichtigsten<br />

seien jedoch die An er kennung<br />

der Leiden der Opfer und das Gefühl,<br />

nicht vergessen worden zu sein.<br />

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mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 11


Ungarns Bischofskonferenz hat vor<br />

dem Hintergrund von aktuellen m e -<br />

di enberichten, in denen von kirchl i -<br />

chen Sympathien für nationalistische<br />

und rechte Strömungen im Land die<br />

Rede ist, ihr Bemühen unterstrichen,<br />

Rassismus, Rechtsextremismus und<br />

neu heidentum entgegenzutreten.<br />

POLITIK • AUSLAND<br />

Ungarns Bischöfe: Keine Sympathien für nationalistischrechte<br />

Ideen<br />

die Bischofskonferenz habe diese Phä -<br />

nomene bereits in einem Schrei ben<br />

von 20. September 2009 mit aller ent -<br />

schie denheit verurteilt, heißt es in ei -<br />

nem an internationale medien gerichteten<br />

Kommunique des Sekretariats<br />

der Bischofskonferenz (magyar Ka to -<br />

li kus Püspöki Konferen cia/mKPK),<br />

wie Kathpress meldet. in der erklärung<br />

wird an die eindeutige Haltung<br />

des ungarischen Primas, Kardinal Pe -<br />

ter Erdö, erinnert. der erzbischof von<br />

esztergom-Budapest habe dafür im<br />

november 2006 einen Preis der jüdischen<br />

Gemeinschaft in Ungarn be -<br />

kommen. Auch zu Beginn der festli -<br />

chen messe bei der Stephans-Basilika<br />

zum nationalfeiertag am 20. August<br />

2009 habe er den Rassismus <strong>als</strong><br />

„schreckliche Sünde“ bezeichnet.<br />

Wörtlich heißt es in der mKPKerklärung:<br />

„Die Bischofskonferenz organisierte<br />

unter der Leitung des Heiligen<br />

Stuhls und internationaler jüdischer Or -<br />

ga nisationen im November 2008 mit dem<br />

Verband der jüdischen Gemeinden in Un -<br />

garn (Mazsihisz) ein internationales<br />

christlich-jüdisches Symposion. In einer<br />

öffentlichen Rede am Holocausttag hat<br />

Kar dinal Erdö erneut seine Stimme<br />

gegen den Rassismus erhoben.“<br />

Weiters wird auf den Vorfall im Au -<br />

gust 2007 eingegangen, <strong>als</strong> Fahnen der<br />

rechtsextremen Ungarischen Garde<br />

von Geistlichen gesegnet worden wa -<br />

ren. dies hatte international scharfe<br />

Kritik hervorgerufen. dabei habe es<br />

sich um einen Priester „ohne kirchliche<br />

eingliederung“ gehandelt, so die<br />

erklärung von msgr. Lasz lo Nemet, der<br />

2007 Sekretär der mKPK war, habe<br />

„noch am Abend eine Stellungnahme<br />

veröffentlicht, in dem die Konferenz sich<br />

von diesem Ereignis ab grenz te und es<br />

miss billigte“. die me di en hätten allerdings<br />

diese Stellung nah me „nicht<br />

wahr genommen“ und eine weiter ge for -<br />

dert. „Die Fahnenweihe der Ungari schen<br />

Garde war eine Provokation; die Kirche<br />

hatte damit aber nichts zu tun“, so das<br />

mKPK-Sekretariat. Auch zu der initia -<br />

tive der rechtsradikalen Par tei Jobbik,<br />

Kreuze im Rahmen von po litischen<br />

Ver anstaltungen an öffent li chen Orten<br />

aufzustellen, habe die mKPK bereits<br />

Stellung genommen, betont das Se kre -<br />

tariat in dem Kom mu nique. erinnert<br />

wird auch an eine parallele Situation<br />

©cc<br />

in Österreich, <strong>als</strong> im Frühjahr 2009 in<br />

<strong>Wien</strong> Kardinal Christoph Schönborn die<br />

Verwen dung des Kreuzes durch FPÖ-<br />

Chef Heinz-Christian Strache im eU-<br />

Wahlkampf öffentlich missbilligt hat te.<br />

„Die Wahlergebnisse von (der ungarischen<br />

Par lamentswahl im) April <strong>2010</strong> be zeug -<br />

ten auch, dass die Ergebnisse der rechts -<br />

radikalen Partei (Jobbik, Anm.) in Ge gen -<br />

den mit katholischer Mehrheit wesentlich<br />

schlechter sind <strong>als</strong> anderswo“, so das<br />

Sekretariat der Bischofs konferenz.<br />

Kein öffentliches Denkmal für brutal ermordete Roma in Ungarn<br />

Für den im Februar 2009 in der ungarischen<br />

Gemeinde Tatarszengyörgy<br />

bru tal ermordeten 27-jährigen Rom<br />

Robert Csorba und dessen fünfjährigen<br />

Sohn darf öffentlich kein denkmal auf -<br />

gestellt werden, entschied der Ge mein -<br />

derat. er begründet seine ent schei -<br />

dung nach Angaben der nach rich ten -<br />

agentur mTi folgendermaßen: „Das<br />

Denkmal erinnert die Menschen an die<br />

Tragödie, die umso eher vergessen werden<br />

soll.“ Robert Csorba und sein gleichnamiger<br />

Sohn waren in der nacht auf<br />

den 23.02.09 vor dem Haus der Fa mi lie<br />

er schossen worden, <strong>als</strong> sie aus dem<br />

brennenden Ge bäu de flüchten wollten.<br />

Zuvor hatten offenbar Rechts extre mis -<br />

ten das Ge bäu de mit molo tow cock -<br />

tails angegriffen. Bei der Tra gödie<br />

wur den auch zwei weitere Kin der der<br />

Familie sowie die mutter verletzt.<br />

der an einer Buda pes ter Schu le unterrichtende<br />

deutsche Künst ler Alexander<br />

Schikowski hatte das fünf meter hohe<br />

und 3,4 meter breite holzgeschnitzte<br />

denkmal „Robert und Robika“ an ge -<br />

fer tigt, um es in der Ge mein de Ta tar -<br />

szent györgy aufzustellen.<br />

die Bürgermeisterin des Ortes empfiehlt<br />

dagegen dem Künstler, sein<br />

denk mal lieber am Schauplatz der Tra -<br />

gödie, auf dem Hof des abgebrannten<br />

Hauses der Familie Csorba aufzustellen,<br />

da die Statue doch „zum Gedenken<br />

an die Opfer entstanden“ sei.<br />

Die Roma sind mit geschätzten 700.000 An ge -<br />

hörigen die größte Minderheit in Ungarn. An -<br />

gehörige der Volksgrup pe waren im vergangenen<br />

Jahr einer rassistisch motivierten Atten -<br />

tats serie ausgesetzt, bei der acht Menschen<br />

starben. Im vergangenen August verhaftete<br />

die ungarische Polizei in Debrecen mehrere<br />

Verdächtige der Anschläge.<br />

12 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • AUSLAND<br />

Im Schatten der Bombe:<br />

Der Atomwaffensperrvertrag am Prüfstand<br />

VON CHRIS MELZER/DPA<br />

eigentlich könnte auf der Konferenz<br />

zum Atomwaffensperrvertrag alles<br />

so schön sein. die USA und Russland<br />

haben gerade eine Verringerung ihres<br />

strategischen Atomarsen<strong>als</strong> vereinbart,<br />

die USA eine neue, defensivere<br />

nu klearwaffendoktrin vorgelegt, und<br />

der Washingtoner Atomgipfel fand<br />

fast weltweit Zustimmung. Wenn da<br />

nicht Sorgenkinder wären: der iran,<br />

Pakistan, nordkorea, auch indien und<br />

israel. in in new York tagt die weltweite<br />

Kon ferenz zur nichtweiter ver -<br />

brei tung von Atom waffen. dass der<br />

Sperrvertrag verlängert wird, steht<br />

kaum infrage. dass er seine Aufgabe<br />

erfüllt, dagegen schon.<br />

Seit 1968 ist der exklusive Kreis der<br />

Atommächte vertraglich festgeschrieben.<br />

nur Länder dürfen „die Bombe“<br />

haben, die sie ohnehin schon hatten.<br />

neben den erstunterzeichnern USA,<br />

Sowjetunion und Großbritannien wa -<br />

ren das noch Frankreich und China.<br />

Alle anderen verzichteten, sicherten<br />

sich mit ihrer Unterschrift dafür aber<br />

Zugang zur zivilen nutzung der<br />

Atom kraft.<br />

mit dem Vertrag sollte das Wettrüsten<br />

auf die großen Blöcke nATO und War -<br />

schauer Pakt begrenzt und eine un -<br />

kon trollierte Atomrüstung in der Welt<br />

vermieden werden. denn in den un -<br />

ruhigen 60er Jahren mit Konflikten<br />

auf praktisch allen erdteilen gierten<br />

weltweit Staaten, Parteien und despo -<br />

ten nach der kriegsentscheidenden<br />

Waffe. das Kalkül: Wer mit nur einer<br />

Bombe ganze Städte auslöschen kann,<br />

wird nicht angegriffen.<br />

Fast alle Staaten der erde unterzeichneten<br />

den Vertrag, bis auf drei: israel<br />

- wenn auch unbestätigt - sowie Pa kis -<br />

tan und indien. „Das sind immer noch<br />

die Problemfälle“, sagt der Kieler Polito<br />

loge Joachim Krause. „Hinzu kommt<br />

natürlich Nordkorea, das sich über das<br />

Vertragswerk erst einmal mit Atomtech -<br />

no logie versorgte und dann austrat.“<br />

die nordkoreaner behaupten von sich<br />

selbst, zweimal zu Testzwecken Atom -<br />

bomben gezündet zu haben. „Und<br />

dann sind da noch die Staaten, bei denen<br />

die Vertragstreue immer noch zweifelhaft<br />

ist“, sagt Krause und nennt den iran<br />

und Syrien. Gerade Teheran brüskiert<br />

die Weltgemeinschaft immer wieder<br />

und hat jetzt sogar die Partner Russ -<br />

land und China verärgert.<br />

Seit Wochen wird in new York über<br />

neue Un-Sanktionen gegen den iran<br />

verhandelt. mehr <strong>als</strong> 95 Prozent der<br />

nuklearen Gefechtsköpfe lauern zwar<br />

in amerikanischen und russischen<br />

Bun kern, aber die Handvoll in Asien<br />

bereitet den Regierungen der Welt weit<br />

mehr Kopfzerbrechen. Weder indien<br />

noch Pakistan noch nordkorea habe<br />

das Papier am Bau der Bombe gehindert<br />

und im iran könnte der nächste<br />

Sün denfall kommen. „Aber immerhin<br />

hat der Vertrag etwa 50 Länder, die Kern -<br />

waffen herstellen könnten, dazu gebracht,<br />

diese Option nicht weiter zu verfolgen“,<br />

sagt Krause. Aus seiner Sicht hat die<br />

Welt schlicht keine Wahl: „Die Alterna<br />

tiven wären, dass jeder sich Kernwaf fen<br />

beschaffen darf - oder deren vollständige<br />

und kontrollierte Abschaffung.“<br />

So wün schenswert die letztere Vari -<br />

ante wäre, so illusorisch ist sie noch.<br />

deshalb bleibt die Welt weiter geteilt<br />

in Atommächte und Atomhabe nicht se.<br />

„Der Vertrag ist zwar ungerecht, aber ge -<br />

rade das hat ihn bisher effektiv gemacht“,<br />

sagt Krause. „Die meisten der Nicht kern -<br />

waffenstaaten fühlen sich nicht be nach -<br />

teiligt, solange das ihre Sicherheit nicht<br />

negativ beeinträchtigt. Und das ist weitgehend<br />

der Fall.“ Auf der vierwöchigen<br />

Konferenz sollte Bilanz gezogen werden.<br />

dass der Vertrag ernsthaft in -<br />

frage gestellt wird, ist nicht zu erwarten.<br />

dass eine der erklärten oder un -<br />

er klärten Atommächte auf die Waffe<br />

verzichtet, auch nicht.<br />

Krauses amerikanischer Kollege Ro bert<br />

Harkavy glaubt sogar, dass einige<br />

Staaten auf die Bombe gar nicht verzichten<br />

können. „Israel hat einfach<br />

keine andere Wahl <strong>als</strong> mit Vernichtung<br />

zu drohen“, sagt der Professor von der<br />

Penn State University in Pennsyl va nia.<br />

„Und Indien könnte Pakistan überrennen,<br />

wenn die nicht die Bombe hätten.“<br />

in der Region habe die Atombombe auf<br />

beiden Seiten Kaschmirs so sogar ei ne<br />

stabilisierende Wirkung wie einst im<br />

Kalten Krieg zwischen den USA und<br />

der Sowjetunion. „Natürlich nur, so lange<br />

Pakistan weiter auf dem Weg zur De mo -<br />

kra tie ist“, räumt Har kavy ein. „Wenn<br />

sich radikale Elemente in Pakis tan durchsetzen,<br />

ist die Bombe eine enorme Ge fahr.“<br />

www.politik.uni-kiel.de/prof_krause.php<br />

Atommacht unter<br />

Atom waffen sperr ver trag<br />

(China, Frank reich,<br />

Russland, Groß -<br />

britannien, USA)<br />

Atommacht ohne<br />

Atomwaffensperrvertrag<br />

(Indien, Israel,<br />

Nordkorea, Pakistan)<br />

Vermutetes<br />

Atomwaffenprogramm<br />

(Iran, Syrien, Saudi-<br />

Arabien)<br />

Besitz bzw. Programm<br />

aufgegeben<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 13


POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

CIVIS Online Preis <strong>2010</strong> für<br />

www.netz-gegen-nazis.de<br />

der Webauftritt „Netz gegen Nazis -<br />

mit Rat und Tat gegen Rechtsextre mis -<br />

mus“ der Amadeu Antonio Stiftung<br />

wurde in Berlin mit dem neuen eu -<br />

ropäischen CiViS Online Preis ausgezeichnet.<br />

Preisträgerin ist die für das<br />

Webangebot verantwortliche Journa -<br />

lis tin Simone Rafael. der CiViS Online<br />

Preis prämiert journalistische Weban -<br />

ge bote zum Thema integration und<br />

kulturelle Vielfalt aus, die webgerecht<br />

grafisch und multimedial aufbereitet<br />

sind. Alle gestalterischen Formen wa -<br />

ren zulässig. der Preis war mit 5.000<br />

euro dotiert.<br />

www.netz-gegen-nazis.de bietet einen<br />

umfassenden Überblick über aktuelle<br />

erscheinungsformen des Rechts extre -<br />

mis mus und vermittelt grundlegendes<br />

Wissen zum Thema. netz-gegen-na -<br />

zis demontiert rechtsextreme, rassistische<br />

und antisemitische ideologiean -<br />

sät ze sowie damit verbundene Ar gu -<br />

mentationen. das Webangebot rich tet<br />

sich an Bürgerinnen, die in ihrem Um -<br />

feld mit neonazis in Berührung kommen.<br />

ein Serviceteil mit praktischen<br />

Alltags tipps und Anbindung an soziale<br />

netzwerke ergänzen die Websei ten.<br />

diese bieten nach Ansicht der Preis -<br />

jury dem nutzer „Vernetzung und So -<br />

lidarität - sie bieten Schutz. Sachlich und<br />

in seriöser Form“.<br />

red<br />

Bandwettbewerb: „Get up -<br />

Laut gegen Rassismus!“<br />

im Rahmen ihrer Kampagne „Laut ge -<br />

gen Rassismus“ startete die Soziali sti -<br />

sche Jugend einen Bandwettbewerb<br />

ge gen Rassismus, Fremdenfeindlich -<br />

keit und Rechtsextremismus. „Rassis -<br />

mus, Ausgrenzung und Hetze gegen<br />

Minderheiten prägen unseren Alltag, das<br />

beobachten wir in der Straßenbahn genau -<br />

so wie bei rechten Parteien. Deswegen<br />

wollen wir junge Bands motivieren, sich<br />

dagegen zu engagieren!“ begründet SJ<br />

nÖ Landesvorsitzender Andreas Beer<br />

die initiative.<br />

„Immer stärker verbreiten sich rassistische<br />

und rechtsextreme Inhalte auch über<br />

Musik, wie zum Beispiel Rechtsrock,<br />

brauner Metal oder aber auch Rassismen<br />

im Hiphop. Dem wollen wir mit unseren<br />

Bandwettbewerb in der jungen Musik sze -<br />

ne entgegenwirken“, so SJ OÖ Lan des -<br />

vor sitzender Michael Lindner.<br />

„Alle jun gen Bands, die diesem Thema<br />

einen Song widmen und sich bewerben,<br />

sind eingeladen, sich am Wettbewerb zu<br />

beteiligen. Der SiegerInnenband winkt ein<br />

Auf tritt am Festival des politischen Liedes<br />

im Juni am Attersee, sowie ein Auftritt<br />

bei der After Contest Party des restart.tc<br />

Skatecontests in St. Pölten“, so Lindner<br />

und Beer abschließend.<br />

http://bandcontest.sjgmuend.at/<br />

Aktion „Gegenrede“<br />

Rassistische, diskriminierende und<br />

he rabwürdigende Sager haben be son -<br />

ders in Wahlkampfzeiten Hochsai -<br />

son. Reagiert wird darauf oft mit entsetztem<br />

Schweigen. dagegen will die<br />

Volkshochschule Brigittenau mit der<br />

Aktion „Gegenrede“ etwas unternehmen.<br />

nach dem motto „Schmähstad<br />

war gestern“ werden in Kooperation<br />

mit Kabarettistinnen, Autorinnen und<br />

musikerinnen Sprüche gegen Rassis -<br />

mus und diskriminierung gesammelt.<br />

Alle interessierten können sich<br />

beteiligen unter gegenrede@vhs-brigittenau.at.<br />

eine Sammelbox befindet<br />

sich im 2. Stock der VHS Brigittenau,<br />

Raffaelgasse 11. die besten Sprüche<br />

werden veröffentlicht.<br />

www.vhs.at/brigittenau<br />

„147 Rat auf Draht“ kooperiert<br />

mit neuer Hotline für Fragen zu<br />

Rechtsextremismus<br />

die rechtsextreme Szene wird von vie -<br />

len mit nazi-Skins in Bomber jac ken<br />

und Springerstiefeln assoziiert. doch<br />

in Wirklichkeit ist es nicht immer einfach<br />

zu erkennen, wer der rechten<br />

Szene angehört, denn die Kleidung<br />

wird „cooler“, und mit modischen Ac -<br />

cessoires und mainstream-Pro duk ten,<br />

die mit bestimmten jugendkulturellen<br />

Codes ausgestattet sind und deren Be -<br />

deutung in der Regel nur in der Szene<br />

bekannt sind, kann man sich szeneintern<br />

genauso outen wie mit Schläger-<br />

Outfits. das mauthausen Ko mitee Ös -<br />

ter reich präsentierte im Pres se club<br />

Con cordia das Buch „Rechts ex trem -<br />

Symbole, Codes, Musik, Gesetze, Organi -<br />

sa tionen“ von Christa Bauer und Willi<br />

Mernyi. Zusätzlich hat das maut hau -<br />

sen Komitee Österreich (mKÖ) - in Zu -<br />

sammenarbeit mit „147 Rat auf Draht“,<br />

der erfolgreichen ORF- deren Bezugs -<br />

per so nen - auch eine eigene Hot line<br />

initiiert, die unter 0810-500-199 für Fra -<br />

gen zum Thema Rechts ex tremismus<br />

zur Verfügung steht. Bei dieser Hot -<br />

line können sich eltern, Leh rerinnen,<br />

Betriebs rätin nen, Aus bild nerinnen,<br />

Jugendarbei ter in nen, etc. zu rechts ex -<br />

tre men Symbolen, Co des, mode mar -<br />

ken, musikrichtun gen, Bands, Webs i -<br />

tes und Organisationen informieren<br />

lassen. Wenn sich bei diesem Ge spräch<br />

herausstellt, dass ein Bezug zur rechts -<br />

extremen Szene be steht, wird in Zu -<br />

sammenarbeit mit der meist frequentierten<br />

notruf num mer Österreichs,<br />

„147“, eine individuelle Be treu ung mit<br />

Fokus auf die Fragen „Wie gehe ich jetzt<br />

weiter vor? Wie kommuniziere ich mit dem<br />

Jugend li chen?“ angeboten. Sissy Ma yer -<br />

hoffer, die Leiterin des ORF-Humani -<br />

tarian-Broad cas ting, zu dem auch „147<br />

Rat auf draht“ gehört: „Das Telefon <strong>als</strong><br />

niederschwelliges Medium bietet sich <strong>als</strong><br />

ideales Be ratungsinstrument an. Allein<br />

im vergangenen Jahr sind bei der rund<br />

um die Uhr und kostenlos aus ganz Österreich<br />

er reich baren Notrufnummer ‘147’<br />

175.000 An rufe der zumeist jugendlichen<br />

Ziel grup pe eingegangen. Darüber hinaus<br />

ver steht sich ‘Rat auf Draht’ auch <strong>als</strong><br />

Dreh scheibe zu anderen Beratungs ein rich -<br />

tungen. Auf gabe unserer Expertinnen und<br />

Experten ist es nicht, mit den An ru fern<br />

über neonazistische Symboliken zu sprechen<br />

oder eine bestimmte politische Hal -<br />

tung einzunehmen, sondern eine am Ge -<br />

setz orientierte, klare Werthaltung zu<br />

transportieren.“ Birgit Satke, Team che -<br />

fin von „147 Rat auf draht“ unterstreicht:<br />

„Ziel dieser Kooperation zwischen<br />

‘147’ und dem Mauthausen Ko mi tee<br />

Österreich soll es sein, Bezugs per so nen bei<br />

schwierigen Gesprächssitua tio nen mit den<br />

Jungendlichen zu unterstützen. Denn oft<br />

ist es für Eltern, AusbildnerInnen, Leh re -<br />

rInnen sehr schwer, eine vernünftige Kom -<br />

munikation mit dem Jugendlichen herzustellen.<br />

Das Expertenteam von ‘Rat auf<br />

Draht’ kann hilfreich sein, um herauszufinden,<br />

welche Gesprächstechniken da für<br />

angewendet werden können. Ein wei terer<br />

Focus soll darin liegen, Alter na tiven aufzuzeigen<br />

und einen Perspekti ven wechsel<br />

vorzunehmen. Die Veränderung des Blick -<br />

winkels kann zum Beispiel durch Fra gen<br />

wie ‘Was findet Ihr/e Kind/Lehr ling/Schü -<br />

lerIn dort, was es woanders nicht be -<br />

kommt?’ oder ‘Warum macht es für ihn/sie<br />

subjektiv Sinn, dort dabei zu sein?’. Dies er -<br />

möglicht die Erweiterung der eigenen Sicht<br />

und eröffnet dadurch neue Deu tungsund<br />

Handlungsmuster.“<br />

ORF<br />

http://rataufdraht.ORF.at<br />

14 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • NS-ZEIT<br />

50 JAHRE DANACH:<br />

Eichmann-Entführer erinnern sich<br />

Am 11. mai 1960 wurde der nazi-<br />

Kriegsverbrecher Adolf eichmann<br />

von israelischen Agenten in Argenti -<br />

ni en entführt und anschließend nach<br />

israel gebracht, wo er zwei Jahre später<br />

nach einem Aufsehen erregenden<br />

Gerichtsprozess hingerichtet wurde.<br />

Aus Anlass des 50. Jahrestages der<br />

entführung des SS-Obersturm bann -<br />

führers, der <strong>als</strong> Leiter des Judenrefe -<br />

rats im Reichssicherheitshauptamt<br />

für die deportation und ermordung<br />

von millionen europäischer Juden<br />

mitverantwortlich war, erinnern sich<br />

drei der vier seiner noch lebenden ent -<br />

führer – Rafi Eitan, Avraham Shalom<br />

und Yaakov Gat – in der Haa retz an<br />

ihre spektakuläre Aktion.<br />

Rafi Eitan (84), zuletzt minister für Se -<br />

niorenangelegenheiten im Kabinett<br />

Olmerts, beschreibt, wie er den frisch<br />

gefassten eichmann identifizierte:<br />

„Woran ich mich erinnere ist, dass ich<br />

bereits im Auto nach den beiden Narben<br />

suchte, von denen ich wusste, dass ich sie<br />

fühlen muss, und schnell fand ich eine<br />

un ter der Achselhöhle. Das war die Nar be<br />

seiner SS-Nummer. Dann kam die andere,<br />

auf dem Bauch, eine Blind darm nabe<br />

von einer groben Opera tion. Ich entdeckte<br />

all das in den ersten zwei Minu ten. Dann<br />

nahm ich meine Hand von Eichmanns<br />

Bauch und nahm die Hand von Zvi Mal -<br />

kin und deutete ihm mit meinem Kopf an,<br />

dass dies der Mann sei. Ich erinnere mich,<br />

wie erhoben ich mich nach dem Hände -<br />

druck mit Zvika fühlte. Stell Dir vor, sag -<br />

te ich zu mir selbst, ein jüdischer Offizier<br />

hat den Nazi in den Händen, der sechs<br />

Millionen Juden auf die Schlachtbank<br />

führte.“<br />

Zu seinem damaligen eindruck von<br />

eichmanns Persönlichkeit sagt eitan:<br />

„Meine größte Überraschung war, dass<br />

ich einen Offizier von absolut mittelmäßigem<br />

Niveau gefunden hatte, der sich<br />

vom ersten Moment, da wir ihn in den<br />

Händen hatten, völlig ergab. Es war ein<br />

Fall der Unterwerfung und Ergebenheit<br />

gegenüber seinen neuen Herren. Ich fand<br />

eine weniger <strong>als</strong> mediokre Person, und du<br />

sagst dir, es war das Schicksal des jüdischen<br />

Volkes, unter diesem Technokraten<br />

vernichtet zu werden. Als Technokrat war<br />

er offensichtlich talentiert.“<br />

die drei Agenten im Ruhestand ziehen<br />

nach 50 Jahren in unterschiedli cher<br />

Weise Schlüsse aus ihrer damaligen<br />

Operation. Shalom: „Ich bin immer<br />

mehr überzeugt davon, dass es ohne eine<br />

jüdischen Staat einen weiteren Holocaust<br />

geben würde. Hätten wir dam<strong>als</strong> einen<br />

Staat gehabt, wäre der Holocaust nicht<br />

passiert.“ Gat: „Es ist hart sich vorzustellen,<br />

was wir taten, 11.000 Kilometer weit<br />

weg von hier, ohne Kommunikations equip -<br />

ment, ohne Kontakt mit Israel. Es war ei -<br />

ne außergewöhnliche Kühnheit. In meinem<br />

fortgeschrittenen Alter kann ich sagen,<br />

dass es heute sogar noch erstaunlicher<br />

aussieht <strong>als</strong> zuvor.“ eitan: „Die Eich -<br />

mann-Entführung hat mein Leben nicht<br />

verändert.“<br />

Haaretz<br />

(li) Adolf Eichmanns Ausweis, der ihm zur Ein reise<br />

nach Argentinien diente – ausgestellt vom Ro ten Kreuz<br />

in Italien am 14. Juli 1950.<br />

(u) Original des handschriftlichen „Ro mans“ von<br />

Adolf Eichmann, den<br />

er 1961 in seiner Zel le<br />

zwischen Todes urteil<br />

und Hinrichtung verfasst.<br />

„Als ein Men -<br />

schenkind, trat ich am<br />

19. März 1906 in das<br />

Le ben“, beginnen die<br />

ma kabren „Memoi ren“<br />

des Verwalters des Mas -<br />

senmordes an sechs<br />

Millionen Juden. Er gab<br />

seinem „Werk“ den<br />

Titel „Götzen“.<br />

ADOLF EICHMANN<br />

Adolf Eichmann wird im 1906 wird in Solin g en<br />

geboren. 1914 Um zug der Familie nach Linz<br />

1919-1921- Besuch der "Höheren Bundeslehr -<br />

an stalt für Elektrotechnik, Maschinenbau und<br />

Hochbau" in Linz. Eichmann verläßt die An stalt<br />

ohne Abschluß.<br />

1927 - Beitritt zum deutsch-österreichischen<br />

Frontkämpferbund.<br />

1932 - 1. April: Mitgliedschat bei der ös terr -<br />

eichischen Nation<strong>als</strong>ozialistischen Deut schen<br />

Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutz staffel<br />

(SS). Aufgrund des österreichischen NSDAP-<br />

Ver bots Übersiedlung nach Deutsch land, wo er<br />

in Bayern eine 14-monatige militärische Ausbil -<br />

dung durch die SS erhält. Eich mann wird in<br />

den Sicherheits dienst (SD) aufgenommen.<br />

ab Oktober 1934 - Referententätigkeit im SD-<br />

Hauptamt Berlin, Referat II 112 ("Referat Ju den").<br />

Eichmann informiert sich über Mittel und We -<br />

ge, die erzwungene Emigration der jüdischen<br />

Bevölkerung zu forcieren. Er erwirbt ober fläch li -<br />

che Kenntnisse des Hebräischen und Jid di schen<br />

und nimmt Kontakt mit Zionis ten füh rern auf.<br />

1938 - August: Eichmann organisiert die "Zen-<br />

tral stel le für jüdische Auswanderung" in <strong>Wien</strong>,<br />

die ein zige NS-Stelle, die ermächtigt ist, österreichischen<br />

Juden Ausreisegenehmigungen zu<br />

erteilen. In weniger <strong>als</strong> eineinhalb Jahren verlassen<br />

150.000 Juden zwangsweise das Land.<br />

Oktober 1939: Er übernimmt die Leitung der<br />

von Reinhard Heydrich im Juni eingerichteten<br />

"Reichszentrale für jüdische Auswanderung" in<br />

Berlin. Eichmann ist an den Planungen zur<br />

Zwangsumsiedlung der Juden in das General -<br />

gou vernement beteiligt. Er erhält das Referat IV<br />

B 4 ("Refe rat Auswanderung und Räumung") des<br />

Reichssi cher heitshauptamts (RSHA) in Berlin,<br />

Kurfür s ten straße 115/116 im Dezember. Eich -<br />

mann wird zur zentralen Figur der Depor ta tio -<br />

nen von über 4 Mio. Juden in die Ghettos und<br />

Konzen trationslager.<br />

9. November 1941: Beförderung zum SS-Ober -<br />

sturmbannführer.<br />

1944 - März: Als Führer eines Sonderkom man -<br />

dos organisiert Eichmann in Budapest die De -<br />

portation ungarischer Juden nach Auschwitz.<br />

1945 - Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ge lingt<br />

ihm die Flucht aus der amerikanischen In ter -<br />

nie rungshaft und lebt mit ge fälsch ten Pa pie ren<br />

in Deutschland. 1950 emigriert er über Ita lien<br />

nach Ar gentinien, wo er un ter dem Na men Ri car -<br />

do Kle ment in Buenos Ai res lebt und <strong>als</strong> Leiter<br />

ei ner Unter abteilung bei Daimler-Benz arbeitet.<br />

11. <strong>Mai</strong> 1960 - Nach monatelanger Beo bach -<br />

tung nimmt der israelische Geheimdienst Eich -<br />

mann fest. Neun Tage später wird er nach Is -<br />

ra el entführt, da zwischen Argentinien und<br />

Israel kein Auslieferungsabkommen besteht.<br />

April-Dezember 1961: Eichmann-Prozeß in Is -<br />

ra el. Er bekennt sich nicht schuldig im Sinne<br />

der Anklage und beruft sich auf Befehle von Vor -<br />

gesetzten. Eichmann wird in erster und zwei -<br />

ter Instanz zum Tode verurteilt.<br />

1962 - Am 1. Juni wird das Todesurteil im Ge -<br />

fäng nis Ramleh bei Tel Aviv an Adolf Eich -<br />

mann vollstreckt.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 15


POLITIK • NS-ZEIT<br />

Gerichtsstreit<br />

um Heesters<br />

KZ-Besuch beigelegt<br />

der 106 Jahre alte Schauspieler Jo -<br />

hannes Heesters und der Historiker<br />

Vol ker Kühn haben ihren Rechtsstreit<br />

um einen Besuch Heesters im KZ<br />

dachau 1941 beigelegt. Vor dem<br />

Berliner Kammergericht schlossen die<br />

beiden Parteien im mai einen Kom -<br />

promiss mit einer erklärung Kühns.<br />

der Historiker darf weiter seine mei -<br />

nung äußern, Heesters sei dam<strong>als</strong> im<br />

KZ auch aufgetreten. er darf den<br />

Schau spieler aber nicht <strong>als</strong> einen Lüg -<br />

ner bezeichnen, wenn dieser dies be -<br />

streitet. die Gerichtskosten muss<br />

nach dem Vergleich Heesters tragen,<br />

wie Kühns Anwalt Peter Raue sagte.<br />

der betagte Schauspieler war nicht<br />

bei der Verhandlung. Wie sein An walt<br />

Gunter Fette sagte, ging es vor allem<br />

darum, den Vorwurf der Lüge auszuräumen.<br />

dass Heesters in dachau<br />

war, habe er nie bestritten. er sei aber<br />

dort nicht vor SS-Wachmannschaften<br />

aufgetreten.<br />

An dachau erinnern könne sich Hees -<br />

ters. „Das weiß er sehr wohl“, sagte Fet te.<br />

Heesters hatte gegen den Historiker<br />

eine Unterlassungsklage wegen dessen<br />

Äußerungen in einer Zeitung eingereicht.<br />

er war damit im dezember<br />

2008 gescheitert. Heesters Anwalt er -<br />

innerte in dem Verfahren daran, dass<br />

der Schauspieler ein Leben lang be -<br />

dau ert habe, dass er zusammen mit<br />

dem ensemble des münchner Gärt -<br />

ner platz-Theaters der einladung der<br />

SS gefolgt sei - welche dam<strong>als</strong> alle <strong>als</strong><br />

Befehl verstanden hätten.<br />

der Besuch ist in einem Fotoalbum<br />

des damaligen KZ-Kommandanten<br />

dokumentiert. Auf den Bildern ist der<br />

Schauspieler in Hut und mantel bei<br />

der Besichtigung des Lagers zu se -<br />

hen, aber nicht bei einer Bühnen dar -<br />

bietung.<br />

ein mittlerweile verstorbener Zeuge,<br />

der Kühns These von einem Auftritt<br />

stützte, hatte in einer Fern seh do ku -<br />

mentation gesagt, er habe dam<strong>als</strong> für<br />

Heesters den Vorhang gezogen.<br />

Auch 65 Jahre nach dem ende der<br />

nS-Herrschaft bringt der interna tio -<br />

na le Suchdienst (iTS) in Bad Arolsen<br />

im deutschen Bundesland Hessen Fa -<br />

milienangehörige zusammen.<br />

„Zwi schen 50 und 70 Menschen finden<br />

sich mit unserer Hilfe jedes Jahr wieder“,<br />

sag te der direktor des dazugehörigen<br />

Ar chivs, Jean-Luc Blondel, in einem<br />

Ge spräch mit der deutschen Presse-<br />

Agen tur (dpa). Häufig seien es Halb -<br />

geschwister, die etwa bei der Suche<br />

nach informationen über die eltern<br />

gefunden würden. Auch heute noch<br />

wendeten sich viele menschen vor al -<br />

lem aus dem Ausland an den Such -<br />

dienst, um zu erfahren, was mit ihren<br />

Verwandten geschah. „Wir hatten<br />

allein im vergangenen Jahr 12.000 An -<br />

fragen“, sagte Blondel. der iTS verfügt<br />

über das weltweit größte Archiv von<br />

Opfern des nation<strong>als</strong>ozialismus mit<br />

mehr <strong>als</strong> 30 mio.dokumenten und 50<br />

mio. Hinweisen zum Schick sal von<br />

17,5 mio. Opfern des nS-Re gimes. das<br />

bekannteste dokument ist „Schind -<br />

lers Liste“.<br />

An Bedeutung gewinne die For schung<br />

in dem seit november 2007 der Öf -<br />

In NS-Zeit<br />

getrennt –<br />

Suchdienst<br />

führt jährlich<br />

50 Personen<br />

zusammen<br />

12.000 Anfragen im Jahr 2009 - Archiv für Erinnerungsarbeit Bad Arolsen<br />

fent lichkeit zugänglichen Archiv, sag -<br />

te Blondel. Um die Arbeit der Wissen -<br />

schafter zu ermöglichen und die Ori -<br />

gi naldokumente zu schützen, werden<br />

die Papiere derzeit digitalisiert und<br />

ka talogisiert. Je länger die nazi-Herr -<br />

schaft zurückliege, umso wichtiger<br />

werde das Archiv für die erinne rungs -<br />

arbeit. „Die Ereignisse des Zweiten Welt -<br />

krieges dürfen nicht vergessen werden“<br />

sagt Blondel. Aus diesem Grund set ze<br />

der iTS immer mehr darauf, mit Schu -<br />

len zusammenzuarbeiten. „Wir haben<br />

immer öfter Schüler hier, die das Schick sal<br />

von NS-Opfern untersuchen.“ Zudem<br />

werde ein pädagogisches Kon zept er -<br />

arbeitet, mit dem Lehrer die do ku -<br />

mente des Archivs im Unter richt <strong>als</strong><br />

Quellen einsetzen könnten.<br />

der internationale Suchdienst des<br />

Roten Kreuzes wurde im Zweiten<br />

Welt krieg gegründet, um Vermisste zu<br />

suchen. Zudem sollte er Unterlagen<br />

über in haf tierte in Arbeits- und Kon -<br />

zen tra tionslagern sammeln und auswerten.<br />

der iTS hat rund 300 mit ar -<br />

beiter. das Budget von 14 mio. euro<br />

trägt der Bund.<br />

16 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

die Organisation für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und entwicklung<br />

(OeCd) hat israel eingeladen, mit glied<br />

zu werden. die einstimmige entschei -<br />

dung der 31 mitgliedsstaaten anerkennt<br />

israels errungenschaften und<br />

wirtschaftliche Stärke sowie seine Fä -<br />

higkeit, zu der Organisation und der<br />

Weltwirtschaft beizutragen<br />

die Aufnahmeverhandlungen wurden<br />

vom israelischen Außenministe -<br />

rium geführt. ein zusätzliches Team<br />

für fachliche Fragen agierte unter der<br />

Leitung des Finanzministeriums.<br />

Um israels Verbindungen mit der Or -<br />

ganisation zu maximieren, stellt das<br />

Außenministerium derzeit israels<br />

OeCd-delegation zusammen. Sie<br />

wird von der Botschaft in Paris aus<br />

operieren, und israels Botschafter bei<br />

der UneSCO wird zusätzlich zu seinen<br />

anderen Pflichten noch <strong>als</strong> OeCd-<br />

Botschafter fungieren.<br />

Während des dreijährigen evaluati -<br />

ons prozesses, der israels Übereinstimmung<br />

mit den OeCd-Standards und<br />

-Richtlinien kontrollierte, prüften<br />

OeCd-experten genau die Politik und<br />

die Funktionsweise der ministerien,<br />

Regierungsbehörden und des öffentlichen<br />

Sektors; sie trafen sich auch mit<br />

Vertretern von wirtschaftlichen und<br />

sozialen Organisationen, Universi tä ten<br />

und nichtregierungsor gani sa tio nen.<br />

die mitgliedschaft in der OeCd wird<br />

wirtschaftliche Fortschritte mit sich<br />

bringen und israels image aufwerten<br />

sowie die Funktionsfähigkeit zahlreicher<br />

Sektoren der israelischen Gesell -<br />

schaft und Wirtschaft erhöhen, auch<br />

in den Bereichen von Umweltschutz<br />

und erziehungswesen und auf dem<br />

Ar beitsmarkt. die Verbesserungs- und<br />

Aufwertungsprozesse werden auch<br />

nach dem Beitritt israels zur OeCd<br />

wei tergehen, aufgrund der Ver pflich -<br />

tung der Regierung zu fortlaufender<br />

Begutachtung durch die Orga ni sation<br />

und zur Anpassung seiner Regulie -<br />

rungspolitik an die Stan dards der mit -<br />

gliedsstaaten.<br />

israels Außenminister Avigdor Lie ber -<br />

man hat die entscheidung der OeCd<br />

zur Aufnahme israels <strong>als</strong> ergebnis<br />

lang währender diplomatischer Be -<br />

mü hungen willkommen geheißen. Sie<br />

sei ein Zeugnis der Wertschätzung für<br />

die Wirtschaft des Landes und seine<br />

technologischen errungenschaften.<br />

Israel wird<br />

OECD-Mitglied<br />

Lieberman wies auch auf Versuche<br />

an tiisraelischer elemente hin, den<br />

OeCd-Beitritt israels zu verhindern.<br />

dass diese gescheitert seien, zeuge<br />

von der soliden Stellung israels in -<br />

nerhalb der internationalen Gemein -<br />

schaft.<br />

die zentralen Vorteile, die die OeCdmitgliedschaft<br />

für israel mit sich<br />

bringt, lassen sich in den folgenden<br />

Punkten zusammenfassen:<br />

• Zugehörigkeit zu einer hoch respektierten<br />

Gruppe von Staaten, was<br />

die internationale Stellung israels<br />

stärken wird<br />

• einflussmöglichkeiten auf die ent -<br />

wicklung der internationalen wirtschaftspolitischen<br />

Standards<br />

• Gesteigerte Attraktivität für ausländische<br />

investoren, die auf das „Gü -<br />

tesiegel“ vertrauen, das israel durch<br />

seinen OeCd-Beitritt verliehen wird.<br />

• Abgleich mit den Standards und<br />

nor men der fortgeschrittenen und<br />

entwickelten Staaten auf der Welt<br />

in Form des kontinuierlichen eva -<br />

lu ationsverfahrens.<br />

• Zugang zu Basiskompetenzen und<br />

hochqualitativen und vergleichenden<br />

informationen, die bei wirtschaftli -<br />

chen und gesellschaftlichen Refor men<br />

in israel nützlich sein werden.<br />

die OeCd wurde 1961 <strong>als</strong> nach fol georganisation<br />

der OeeC und des mar -<br />

shall-Plans zum Wiederaufbau euro -<br />

pas gegründet, die seit 1948 agierten.<br />

in den ersten Jahren ihres Bestehens<br />

zählte sie 18 mitglieder (15 europäische<br />

Staaten sowie die USA, Kanada<br />

und die Türkei). in den 60er Jahren<br />

traten italien, Japan und Finnland bei;<br />

in den 70er Jahren Australien und<br />

neuseeland. in der letzten erweite -<br />

rungs welle in den 90er Jahren kamen<br />

mexiko, Tschechien, Ungarn, Südko -<br />

rea, Polen und die Slowakei hinzu.<br />

Außenministerium des Staates Israel<br />

19.01.<strong>2010</strong> - Vertragsunterzeichnung in Israel: Außenminister Avigdor Lieberman und OECD<br />

Gener<strong>als</strong>ekretär Angel Gurría<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 17


POLITIK • ISRAEL<br />

@ Abed Rahim Khatib/Flash90.<br />

UN-Sommerlager für Kinder verwüstet –<br />

Militante Palästinenser legen Feuer<br />

militante Palästinenser haben ein<br />

Kin der-Sommerlager des Un-Flücht -<br />

l ingshilfswerks im Gazastreifen überfallen<br />

und in Brand gesetzt. etwa 30<br />

Bewaffnete seien in das im Aufbau be -<br />

findliche Lager am Strand der Stadt<br />

Gaza eingedrungen, teilte das Un-<br />

Hilfswerk für palästinensische Flücht -<br />

linge (UnRWA) mit. Zum Zeitpunkt<br />

des Angriffs wa ren noch keine Kinder<br />

in dem Lager, nach Un-Angaben<br />

wurde aber ein Wächter verletzt.<br />

die männer hätten an Zelten und Holz -<br />

überdachungen Feuer gelegt sowie<br />

Wächter angegriffen, hieß es. Bevor sie<br />

wieder gingen, übergaben sie den<br />

Wäch tern nach palästinensischen An -<br />

ga ben einen drohbrief mit vier Ge -<br />

wehr kugeln, der an den UnRWA-Lei -<br />

ter in Gaza, John Ging, adressiert war.<br />

Ging beschrieb den Überfall an schlies -<br />

send vor Journalisten <strong>als</strong> „Van da lis mus<br />

mit extremistischem Hinter grund und<br />

einen Angriff auf das Glück der Kinder“.<br />

Werbung im US-Fernsehen:<br />

Palästinenserführung glorifiziert Terror<br />

die israelische Organisation „Palestinian Media Watch“ (PMW) hat bei mehreren<br />

US-amerikanischen Fernsehsendern im Raum Washington eine Wer -<br />

be an zeige geschaltet. darin macht sie auf die Verherrlichung des Terrors<br />

durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) aufmerksam.<br />

der 30 Sekunden lange Spot wird während dieses monats auf Cnn, Fox<br />

news, mSnBC und Headline news ausgestrahlt. PmW weist damit darauf<br />

hin, dass der palästinensische Präsident mahmud Abbas sowie der Pre mierminister<br />

im Westjordanland, Salam Fajjad, die Verherrlichung von Terro ris -<br />

ten unterstützen. Am ende der Anzeige heißt es: „Wenn Terroristen verherrlicht<br />

werden, wie kann es dann Frieden geben?“<br />

PmW beobachtet die inhalte palästinensischer medien. in dieser Woche hat<br />

die Organisation unter der Überschrift „Von Terroristen zu Vorbildern“ einen<br />

26-seitigen Bericht und zusätzliches material veröffentlicht, das mitglie dern<br />

des US-Kongresses vorgelegt werden soll.<br />

die Anzeige von PmW finden Sie untter<br />

http://palwatch.org/site/modules/videos/popup/video.aspx?doc_id=2068<br />

das angegriffene Lager ist eines von<br />

insgesamt 35 einrich tungen dieser<br />

Art, die das UnRWA im vierten Jahr<br />

in Folge im Rahmen von „Sommer-<br />

spie len“ einrichtet. damit soll mehr<br />

<strong>als</strong> 250.000 Kindern in dem blockierten<br />

Autonomiegebiet am mittelmeer eine<br />

Beschäftigung geboten werden. „Das<br />

UNRWA wird weiter die Unterstützung<br />

bieten, die Kinder in Gaza brauchen, weil<br />

sie körperlichem und psychologischem<br />

Stress ausgesetzt sind“, sagte Ging.<br />

Zunächst bekannte sich niemand zu<br />

der Tat. die Abteilung für die Rechte<br />

palästinensischer Flüchtlinge, die von<br />

der radikal-islamischen Hamas-Orga -<br />

ni sation geleitet wird, hatte dem Hilfs -<br />

werk jedoch vorgeworfen, „mit kulturellen<br />

Mitteln in die Seelen palästinensischer<br />

Kinder einzudringen“. Ziel sei es,<br />

„ihren Glauben zu zerstören und zu er -<br />

schüttern, mit Hilfe von Ideen wie Verge -<br />

bung, Koexistenz und dem Vergessen der<br />

Vergangenheit“.<br />

die Hamas hatte im Sommer 2007 die<br />

Kontrolle im Gazastreifen gewaltsam<br />

an sich gerissen und herrscht seitdem<br />

in dem Gebiet.<br />

APA<br />

Hinrichtung im<br />

Gazastreifen<br />

Ungeachtet der Proteste von men -<br />

schen rechtsgruppen hat die im Gaza -<br />

streifen herrschende Hamas im mai<br />

drei men schen hingerichtet. das in -<br />

nen mi nisterium der radikalislamischen<br />

Organisation teilte mit, es habe<br />

sich um überführte mörder gehandelt.<br />

Krankenhauskreisen zufolge<br />

wur den die von Kugeln durchsiebten<br />

Leichen in einer Klinik in Gaza-Stadt<br />

abgeladen.<br />

im April waren im Gaza streifen zwei<br />

Palästinenser erschossen worden, die<br />

wegen Kollaboration mit israel zum<br />

To de verurteilt worden waren. es war<br />

die erste Vollstreckung von Todes stra -<br />

fen, seit die radikalislamische Ha mas<br />

im Juni 2007 im Gazastreifen gewaltsam<br />

die macht übernommen hatte.<br />

im Westjordanland regiert die Fatah<br />

des palästinensischen Präsidenten<br />

mah moud Abbas. nach Angaben<br />

von nicht-Regierungsorganisationen<br />

wurden im Gazastreifen in den vergangenen<br />

zwei Jahren noch 15 weitere<br />

menschen wegen Kollaboration<br />

mit israel zum Tode verurteilt.<br />

18 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Säbelrasseln in Nahost - Wird neuer Krieg herbeigeredet?<br />

Syrische Raketen für Hisbollah Stein des Anstoßes<br />

VON ULRICH W. SAHM/APA<br />

„Im Sommer gibt es wieder Krieg.“ das<br />

wurde in den vergangenen Wochen<br />

vor allem in Syrien wiederholt. die<br />

arabische Presse, darunter das ägyptische<br />

Regierungsblatt „Al-Ahram“,<br />

spekuliert ganz offen darüber. US-<br />

Außenministerin Hillary Clinton hat<br />

erklärt, dass der Beschluss des syrischen<br />

Präsidenten Bashar al-Assad, die<br />

schiitische Hisbollah-miliz im Liba non<br />

mit Raketen auszustatten, zu einem<br />

Krieg führen könnte. Assad wurde in<br />

einem Fernsehinterview gefragt, ob<br />

Syrien sich an einem Krieg beteiligen<br />

würde, falls israel im Sommer den Li -<br />

ba non angreifen sollte. er erwiderte,<br />

keine militärgeheimnisse verraten zu<br />

wollen, damit israel sich nicht darauf<br />

vorbereiten könne. Vom russischen<br />

Prä sidenten Dmitri Medwedew habe<br />

As sad eine Botschaft des israelischen<br />

Präsidenten Shimon Peres erhalten,<br />

wonach israel bereit wäre, sich von<br />

den besetzten Golan-Höhen zurückzuziehen,<br />

sofern Syrien seine Bezie -<br />

hun gen zum iran und der Hisbollah<br />

kappe. Aus Jerusalem kam ein<br />

promptes dementi. Peres habe keine<br />

Botschaft „über Medwedew oder andere<br />

Vermittler“ an Syrien übermitteln lassen,<br />

sagte ein israelischer Präsiden ten -<br />

sprecher. Und erneut wurde der Som -<br />

mer <strong>als</strong> Zeitpunkt eines neuen Krie -<br />

ges genannt. der französische Außen -<br />

minister Bernard Kouchner wurde<br />

überraschend in damaskus erwartet,<br />

um die bestehenden Spannungen zu<br />

entschärfen.<br />

es scheint, <strong>als</strong> werde ein Krieg regelrecht<br />

herbeigeredet. Hisbollah-Chef<br />

Has san Nasrallah protzte damit, über<br />

40.000 Raketen zu besitzen, mit de nen<br />

die Schiitenmiliz jeden Punkt in israel<br />

treffen könne. die israelis warn ten<br />

schon vor einem strategischen Un -<br />

gleichgewicht in nahost, wegen der<br />

vermeintlichen Lieferung ballistischer<br />

Scud-Raketen an die Hisbollah mit<br />

einer Reichweite von mehreren hundert<br />

Kilometern und relativ guter<br />

Treffsicherheit. die Amerikaner be stä -<br />

tigten die von israel behaupteten Ra -<br />

ke tenlieferungen, Syrien und der Li -<br />

ba non forderten „eindeutige Beweise“.<br />

Unhandliche Scud-Raketen müssen<br />

mit großen Lastwagen transportiert<br />

werden und könnten von der Luft aus<br />

fotografiert werden. Bekanntlich be -<br />

klagt sich der Libanon über regelmäßige<br />

israelische Aufklärungsflüge, die<br />

is rael wiederum mit mutmaßlichem<br />

Waffenschmuggel rechtfertigt. Beide<br />

Seiten werfen sich Verletzungen des<br />

Waffenstillstandsabkommens nach<br />

dem Libanon-Krieg vom Sommer<br />

2006, der UnO-Resolution 1701, vor.<br />

Obgleich die israelis abwiegeln und<br />

„kei nerlei Absichten“ hegen, einen<br />

neuen Krieg starten zu wollen, bereitet<br />

sich der jüdische Staat auf die<br />

schlimmsten Szenarien vor. ende mai<br />

wird es von Sonntag bis donnerstag<br />

eine landesweite Übung der sogenannten<br />

Heimfront unter dem Co de -<br />

wort „Wendepunkt 4“ geben. es<br />

werde die „umfangreichste zivile Ü bung<br />

in der Geschichte Israels“ werden. Am<br />

mittwoch um 11.00 Uhr sollen im gan -<br />

zen Land die Luftschutzsirenen heulen.<br />

„Jeder Bürger ist aufgefordert, sich in<br />

die vorbestimmten Schutzräume zu begeben“,<br />

heißt es in einer medien kam pa -<br />

gne der militärs. die Übung si mu liert<br />

einen Angriff hunderter Ra ke ten auf<br />

ganz israel. das erklärte ein Ge ne ral,<br />

ohne zu sagen, woher die Ra keten<br />

kom men könnten. Geprobt werden<br />

soll auch eine „Cyber-Attacke“ auf die<br />

elektronische infrastruktur is raels.<br />

Während der Übung wird Poli zei,<br />

militär und Hilfsdiensten verkündet,<br />

dass alle Telefonnetze, das internet<br />

und die Funkverbindungen „zu sam -<br />

mengebrochen“ seien. So soll geprobt<br />

werden, wie sie ohne moderne Kom -<br />

munikationsmittel zurecht kommen.<br />

nach Angaben der Tages zeitung „Ha-<br />

a retz“ habe es während des Gaza-<br />

Kriegs vor eineinhalb Jahren Ver su -<br />

che „feindlicher elemente“ gegeben,<br />

internetauftritte israelischer Regie -<br />

rungs stellen lahmzulegen, über die<br />

wichtige informationen an die Bevölkerung<br />

verbreitet werden. Weiter be -<br />

rich tet die Zeitung, dass es Russland<br />

vor seinem Angriff auf Georgien vor<br />

zwei Jahren gelungen war, praktisch<br />

die gesamte georgische internet-in -<br />

frastruktur zu lähmen. Wohl nicht<br />

zu fällig zeigte das israelische Fern se -<br />

hen eine lange Reportage über übende<br />

israelische Soldaten: „Sie trainieren<br />

nicht mehr den Straßenkampf, wie zu Zei -<br />

ten der Intifada, sondern die Eroberung<br />

eines libanesischen Dorfes, von dem aus<br />

Israel mit Raketen beschossen wurde“,<br />

erklärte der Reporter, während Solda -<br />

ten ein Haus stürmten. Auf dessen<br />

Treppenaufgang spielten <strong>als</strong> Zivilis ten<br />

verkleidete Soldaten die Statisten. is -<br />

ra elische Politiker, darunter der stell -<br />

vertretende Verteidigungs minis ter<br />

Matan Vilnai, verbreiteten unterdessen<br />

„beruhigende Botschaften“ vor al lem<br />

an die Adresse Syriens. die Übung<br />

„Wendepunkt 4“ sei „rein de fensiv zum<br />

Schutz der Zivilbevöl kerung.“<br />

manche Kriege in nahost waren vorherzusehen<br />

und wurden herbeigeredet.<br />

dazu gehört der angekündigte<br />

Be schluss der arabischen Staaten, die<br />

Gründung israels 1948 zu verhindern.<br />

Jener Unabhängigkeitskrieg israels<br />

„war der einzige Krieg, der jem<strong>als</strong> gegen<br />

ei ne UNO-Resolution geführt wurde“,<br />

sagte der Politologe Shlomo Avineri.<br />

der ägyptische Präsident Gamal<br />

Abdel nasser hat zweifellos auch den<br />

Sechs-Tage-Krieg von 1967 herbeigeredet.<br />

doch die Libanon-Kriege 1982<br />

und 2006 brachen eher „spontan“ aus:<br />

1982 reagierte israel mit einem Feld -<br />

zug bis Beirut auf ein Attentat auf seinen<br />

Botschafter in London, Shlomo<br />

Ar gov. der israelische militärschlag<br />

2006 war die Antwort auf die entfüh -<br />

rung von zwei Soldaten durch die<br />

Hisbollah.<br />

HTTP://VIENNA.MFA.GOV.IL<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 19


POLITIK • ISRAEL<br />

Staat veröffentlicht Dokumente über<br />

erste Regierungssitzung 1948<br />

Anlässlich des Unabhängigkeitstages<br />

hat Israels Regierung seltene Doku men te<br />

veröffentlicht, die über die erste Sit zung<br />

der ersten israelischen Regierung 1948<br />

berichten. Das Treffen fand dam<strong>als</strong> am<br />

16. <strong>Mai</strong> in Tel Aviv statt, zwei Tage nach<br />

der Staatsgründung.<br />

Laut Kabinettssekretär Zvi Hauser<br />

habe die Öffentlichkeit nun die seltene<br />

Gelegenheit, etwas über die ersten<br />

momente nach der Staatsgründung<br />

zu lernen. „Es ist aufregend, aus der<br />

Perspektive der Zeit, die seitdem vergangen<br />

ist, zu sehen, wie mit Dingen umgegangen<br />

wurde, und wie historische Ent -<br />

scheidungen getroffen wurden, die unser<br />

Leben heute noch beeinflussen“, so<br />

Hauser laut der Tageszeitung „Jediot<br />

Aharonot“.<br />

in der Sitzung ging es unter anderem<br />

um neueste Berichte von der Front<br />

so wie um die ernennung von ministern.<br />

das Treffen wurde vom damaligen<br />

Premier- und Verteidigungs mi -<br />

nis ter david Ben Gurion mit den Wor -<br />

ten eröffnet: „Wir wollen das erste<br />

Treffen unserer provisorischen Regierung<br />

eröffnen und einen Bericht von Mosche<br />

Schertok (später Scharett) hören. Ich neh -<br />

me <strong>als</strong> selbstverständlich an, dass - falls es<br />

noch keine Entscheidung bisher in dieser<br />

Angelegenheit gegeben hat - jede Dis kus -<br />

sion während dieser Treffen, ob wichtig<br />

oder nicht, zweifellos vertraulich ist und<br />

keiner die Erlaubnis hat, diese mit irgend -<br />

jemand anderem zu diskutieren, nicht<br />

ein mal mit seinen engsten Freun den oder<br />

Vertrauten, denn dies sind Dinge des<br />

Staates und nicht der Men schen, die an<br />

diesen Treffen teilnehmen.“<br />

Anschließend gab Ben Gurion die<br />

neuesten Berichte von der Front weiter:<br />

„Die Situation in Tel Aviv ist gut be -<br />

kannt - Explosionen. Ich habe keine De tails<br />

vom letzten Bombenangriff. Diesen Mor -<br />

gen wurden vier Hafenarbeiter getötet.“<br />

Auch über die Lage in Jerusalem<br />

konn te israels erster Premier keine<br />

besseren nachrichten verkünden: „Der<br />

Druck auf dem Weg nach Jerusalem und<br />

Umgebung hat nachgelassen. Wir haben<br />

Latrun eingenommen, wurden aber wieder<br />

von dort vertrieben. Die Araber ha ben<br />

einen Schatz - eine der neuen Kano nen<br />

und einige gepanzerte Fahrzeuge.“<br />

danach ging Ben Gurion zur ernen -<br />

nung der insgesamt zwölf minister<br />

über. dabei diskutierten die Regie -<br />

rungsmitglieder, ob die Bezeichnung<br />

„minister“ für israel übernommen<br />

oder ob ein neues hebräisches Wort<br />

dafür erfunden werden sollte. einige<br />

schlugen vor, stattdessen das Wort<br />

„Gouverneur“ einzusetzen. der entscheidende<br />

Vorschlag kam schließlich<br />

von Polizeiminister Bechor-Schalom<br />

Schitrit. er bezog sich auf die Bibel<br />

und plädierte für das alt-hebräische<br />

Wort „Sar“ (Fürst). Obwohl Ben-Gu -<br />

Israel zählt 7,6 Millionen Menschen<br />

In Israel leben am Vorabend des 62. Unab hän -<br />

gig keitstages rund 7,59 Mio Men schen. Die<br />

Wachstumsrate liegt damit bei jährlich 1,8%.<br />

Demnach sind 75,5% der Einwohner jü disch,<br />

das sind rund 5.726.000 Menschen. Der An -<br />

teil der Ara ber liegt bei 20,4% (etwa 1.548.000<br />

Men schen). Zudem leben etwa 313.000 Isra e lis<br />

im Land, die keiner der beiden Grup pen angehören.<br />

Seit dem Unabhängigkeitstag im vergangenen<br />

Jahr wurden 159.000 Babys geboren. 37.000<br />

Menschen starben. Etwa 16.000 Neueinwan -<br />

derer kamen nach Israel. Zudem kehrten etwa<br />

9.000 israelische Auswanderer ins Heilige Land<br />

zurück. Rund 79% der Israelis sind „Sabras“ -<br />

im Land geborene Einwohner.<br />

rion die Bezeichnung „Gouverneur“<br />

befürwortete, siegte die biblische<br />

Lösung. Sie gilt bis heute.<br />

inn<br />

20 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Grenzenlose Dummheit<br />

Wie israelische Grenzbeamte Weltgeschichte machen<br />

Vier Stunden lang soll der 81-jährige<br />

amerikanische Linguistik-Professor<br />

Noam Chomsky an der Allenby-Brü cke,<br />

an der Grenze zwischen Jordanien<br />

und israel, festgehalten, verhört und<br />

schließlich ohne Begründung zurückgewiesen<br />

worden sein. das zuständige<br />

militär habe vom innenminis te rium<br />

ein Veto gegen Chomskys einreise<br />

erhalten. der Zwischenfall machte<br />

weltweite Schlagzeilen, auch in deutschen<br />

medien.<br />

Chomsky ist freilich nicht nur Wis sen -<br />

schaftler, sondern auch einer der<br />

schärf sten Kritiker israels und in propa<br />

lästinensischen Kreisen eine „iko-<br />

ne“. er wollte gar nicht nach israel,<br />

sondern zur palästinensischen Bir Zeit<br />

Universität nahe Ramallah, um einen<br />

Vortrag zu halten. nach Angaben<br />

Chomskys sollen die israelischen<br />

Grenz beamten erklärt haben, dass is -<br />

ra el seine „Ansichten nicht mag“. er sei<br />

auch gefragt worden, warum er keinen<br />

Vortrag in Tel Aviv halten wolle.<br />

im israelischen Rundfunk kritisierte<br />

kopfschüttelnd ein Reporter, dass<br />

„Chomsky ein derart schlechter Redner“<br />

sei, dass von ihm „keine echte Gefahr<br />

für den Bestand Israels“ ausgehe.<br />

die Basler Zeitung titelte: „Israel hat<br />

Angst vor einem 81-Jährigen.“ der in -<br />

for mationsdienst heise.de stellte fest:<br />

„Israels rechte Regierung liebt Kritiker<br />

nicht, auch wenn es sich um Juden handelt.“<br />

in der tiefschürfenden Analyse<br />

dieses Vorfalls wird die israelische<br />

Zei tung Haaretz zitiert: „Israel hat den<br />

letzten Rest von Toleranz gegenüber solchen<br />

aufgegeben, die nicht einstimmen in<br />

den Chor seiner Unterstützer.“ Carlo<br />

Strenger, ein Tel Aviver Professor für<br />

Psy chologie, schrieb: „Wenn Israel<br />

meint, freie Rede nicht überleben zu können,<br />

dann ist es einen weiteren Schritt<br />

näher am Flirt mit dem Totalitarismus.“<br />

Und selbst der stellvertretende Chef -<br />

redakteur einer großen Zeitung im<br />

Süddeutschen Raum empörte sich in<br />

einem nicht veröffentlichten, aber im<br />

internet verbreiteten Briefwechsel mit<br />

einer Leserin: „Es ist wohl sehr wohl<br />

von unterschiedlichem Nachrichtenwert,<br />

ob ein zweifelhaftes Regime ein paar Ha -<br />

mas-Terroristen nicht ins Land lässt oder<br />

VON ULRICH W. SAHM, JERUSALEM<br />

ob eine anerkannte Demokratie einen<br />

weltweit bekannten Wissenschaftler jüdischen<br />

Glaubens an der Anreise hindert<br />

und dies hinterher - weil es sehr wohl<br />

Wirbel verursacht hat - zum Mis verständnis<br />

erklärt. Darüber zu berichten,<br />

hat nichts mit Israelfeindlichkeit zu tun,<br />

eher mit kritischer Solidarität.“ er em -<br />

pört sich <strong>als</strong>o darüber, dass eine „aner<br />

kannte demokratie“ (israel) ausgerechnet<br />

einen „Wissenschaftler jüdischen<br />

Glaubens“ nicht einreisen lässt. Of -<br />

fenbar unterstellt er israel antisemitische<br />

motive. die Leserin hatte kritisiert,<br />

dass jene Zeitung mit keinem<br />

Wort eine ägyptische einreiseverwei -<br />

ge rung von Hamas-Offiziellen er -<br />

wähnt habe und sogar eine deutsche<br />

einreiseverweigerung für den „Gesund<br />

heitsminister“ der de-facto Ha -<br />

mas-Regierung im Gazastreifen, Bas -<br />

sem Naim, zu einer Tagung in der<br />

evangelischen Akademie in Bad Boll<br />

unterschlagen hätte. in dem Satz mit<br />

dreimaliger Verwendung des Wortes<br />

„wohl“ bezeichnete der stellvertretende<br />

Chefredakteur auch deutsch land<br />

<strong>als</strong> „zweifelhaftes Regime“.<br />

im Rahmen ihrer „kritischen Solida ri -<br />

tät“ mit israel hätten die medien gut<br />

getan, einen anderen Fall grenzenloser<br />

dummheit israelischer Grenzbeamte<br />

aufzugreifen. der „pro-israelische“<br />

tschechische Außenminister Jan Ko hout<br />

hatte gerade israel einen offiziellen<br />

Be such absolviert und wollte nach Prag<br />

heim fliegen. im Flughafen bestand<br />

eine Grenzbeamtin darauf, alle 44<br />

Pässe der offiziellen delegation zu<br />

prüfen. in Kohouts Pass fand sie keinen<br />

einreisestempel. der minister<br />

kön ne deshalb nicht ausreisen, erklärte<br />

die junge Frau. im Laufe der ausgebrochenen<br />

diskussion redete sie (wie<br />

in israel üblich) den Staatsgast sogar<br />

mit seinem Vornamen „Jan“ an. Weil<br />

Regelmäßige Hilfslieferungen<br />

in den Gazastreifen<br />

Geschenke von Palästinensern mit<br />

Sprengstoff gefüllt sein könnten, be -<br />

standen die Beamten darauf, ein offizielles<br />

Geschenk des palästinensischen<br />

Premierministers Salam Fayad<br />

an den tschechischen Außenminister<br />

zu durchleuchten. die Tschechen be -<br />

klagten sich über die israelische Büro -<br />

kratie, die Grenzpolizei beschwerte<br />

sich über das Außenministerium und<br />

dieses war gezwungen, sich förmlich<br />

bei den Tschechen für die „diplomatischen<br />

Panne“ zu entschuldigen.<br />

einreiseverweigerungen treffen nicht<br />

nur einen 81 Jahre alten Professor „jü-<br />

dischen Glaubens“, wenn der nach<br />

isra el will. das neue deutschland<br />

schrieb in einem Artikel über eine<br />

Kunst ausstellung: „Seit 1995 (haben)<br />

bereits mehr Menschen an der europäischen<br />

Außengrenze im Mittelmeer ihr<br />

Leben verloren <strong>als</strong> zur Zeit des Kalten<br />

Krieges an der Ost-West-Grenze.“ ein<br />

ehemaliger Ostdeutscher in Jerusa lem<br />

kommentierte: „Das Neue Deutsch land<br />

scheint verwechselt zu haben, dass es da -<br />

m<strong>als</strong> um verweigerte Ausreisen ging und<br />

heute um Einreisen.“<br />

der nächste Skandal steht schon an,<br />

weil israel einer „Freundschaftsde le -<br />

gation“ des europäischen Parlaments<br />

mit dem nach eigenen Angaben „sehr<br />

pro-israelischen“ ehemaligen Parla -<br />

ments präsidenten Hans-Gert Poette ring<br />

die Ausreise in den Gazastreifen verweigert.<br />

derartige Politikerreisen<br />

nach Gaza liefern der Hamas „moralische<br />

Unterstützung“ monierte ein is -<br />

raelischer diplomat. ebenso will is ra -<br />

el ein einreise von 500 politischen Ak -<br />

tivisten auf einer Flotille von fünf voll<br />

beladenen Schiffen „um jeden Preis“<br />

verhindern. die Aktivisten wollen die<br />

israelische Blockade des Gazastrei fens<br />

durchbrechen, um den eingesperrten<br />

Palästinensern zu helfen. Gleichwohl<br />

rollen täglich hunderte Lastwagen<br />

mit Hilfsgütern in den Gazastreifen<br />

und über 700 Palästinenser wurden<br />

zur ärztlichen Behandlungen allein in<br />

der vergangenen Woche nach israel<br />

eingelassen.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 21


POLITIK • ISRAEL<br />

Der Friedensprozess m<br />

Das israelische Außenministerium hat einen<br />

aktuellen Katalog von 17 Fra gen und Antwor ten<br />

zum Frie densprozess mit den Palästinen sern<br />

zusammengestellt/Teil 4<br />

13. Verstoßen die Siedlungen gegen<br />

israelisch- palästinensische Abkommen<br />

oder internationales Recht?<br />

die Palästinenser behaupten oft, die<br />

Siedlungsaktivität sei illegal, und<br />

rufen israel zur Räumung aller Sied -<br />

lungen auf. Faktisch fordern sie, dass<br />

jeder Jude das Westjordanland verlässt,<br />

eine Art ethnischer Säuberung.<br />

im Gegensatz dazu leben in israel<br />

Araber und Juden Seite an Seite; is ra -<br />

e lische Araber stellen annähernd 20%<br />

der israelischen Bevölkerung dar und<br />

sind Bürger israels mit gleichen Rech -<br />

ten. der palästinensische Aufruf zur<br />

entfernung aller jüdischen Präsenz<br />

aus den umstrittenen Gebieten des<br />

Westjordanlands ist nicht nur diskriminierend<br />

und moralisch verwerflich;<br />

er hat auch keinerlei Grundlage in den<br />

Abkommen zwischen israel und den<br />

Palästinensern. in der Tat verstoßen<br />

die israelischen Siedlungen im West -<br />

jordanland nicht gegen bestehende is -<br />

ra elisch-palästinensische Abkom men.<br />

Gegenteilige Behauptungen sollten<br />

<strong>als</strong> Versuche angesehen werden, den<br />

Sachverhalt für politische Ziele zu<br />

verzerren. die verschiedenen Ab kom -<br />

men, die seit 1993 zwischen israel<br />

und den Palästinensern erreicht wurden,<br />

legen explizit fest, dass die Frage<br />

der Siedlungen endstatusverhand -<br />

lun gen vorbehalten ist, die in der ab -<br />

schließenden Phase von Friedensge -<br />

sprä chen geführt werden sollen. Bei -<br />

de Seiten haben ausdrücklich darin<br />

übereingestimmt, dass die Palästi nen -<br />

sische Autonomiebehörde über keinerlei<br />

rechtliche oder politische Kon trol le<br />

über die Siedlungen verfügt, bis ein<br />

permanentes endstatusabkommen ge -<br />

schlossen ist.<br />

man hat vorgebracht, dass die Be stim -<br />

mung im israelisch-palästinensischen<br />

interimsabkommen, die unilaterale<br />

Schrit te zur Veränderung des Status<br />

Quo im Westjordanland verbietet, ein<br />

Verbot der Siedlungsaktivität impliziert.<br />

diese Position ist unredlich. die<br />

Untersagung unilateraler maßnah men<br />

wurde eingeführt, um sicherzustellen,<br />

dass vor dem ergebnis von end status<br />

gesprächen keine Seite Schritte zur<br />

Änderung des rechtlichen Status’ dieses<br />

Gebiets einleiten würde (wie eine<br />

Annexion oder die einseitige Ausru -<br />

fung eines Staates). das Bauen von<br />

Wohnhäusern hat keine Auswirkung<br />

auf den endgültigen dauerstatus des<br />

Gebiets <strong>als</strong> ganzem. Würde dieses<br />

Ver bot auf Bautätigkeiten angewandt<br />

werden, würde es zu der unsinnigen<br />

interpretation führen, dass keine Sei -<br />

te Häuser, Schulen oder Gotteshäuser<br />

bauen dürfte, um die Bedürfnisse ih -<br />

rer jeweiligen Gemeinden zu befriedigen.<br />

ebenso ist vorgebracht worden, dass<br />

die Siedlungen die arabischen ein woh -<br />

ner verdrängen. Tatsächlich sollen die<br />

Siedlungen nicht zur Verdrängung<br />

ara bischer einwohner dienen und tun<br />

dies in der Praxis auch nicht. die pa -<br />

lästinensische Bevölkerung im West -<br />

jordanland wächst weiter in einer hö -<br />

heren Rate <strong>als</strong> die israelische Bevöl ke -<br />

rung. Zudem nehmen die bebauten<br />

Gebiete der Siedlungen (nicht eingeschlossen<br />

Straßen und anliegende<br />

unbewohnte Teile) gemäß unabhängiger<br />

Studien lediglich etwa 3% des<br />

Ge samtgebiets des Westjordanlands<br />

in Anspruch.<br />

man hat zu behaupten versucht, dass<br />

die Siedlungen aus zwei Gründen ge -<br />

gen das internationale Recht verstoßen<br />

– erstens, weil das Westjordanland an -<br />

geblich ‚besetztes Gebiet’ sei, und<br />

zweitens, weil es einem Staat untersagt<br />

ist, Teile seiner eigenen Zivil be -<br />

völ kerung in ein Gebiet zu verlagern,<br />

das er besetzt. diese Behauptungen<br />

sind jedoch rechtlich nicht haltbar;<br />

denn erstens ist es eine historische<br />

Tat sache, dass das umstrittene West -<br />

jordanland kein souveränes Terri to ri -<br />

um eines anderen Staates gewesen ist<br />

und damit auch nicht <strong>als</strong> ‚besetzt’ gelten<br />

kann, und zweitens sind israelische<br />

Bürger weder in die Gebiete de -<br />

por tiert oder transferiert worden,<br />

son dern haben ihren Wohnort aus<br />

frei en Stücken gewählt.<br />

da israels Anspruch auf diese Ge biete<br />

rechtsgültig ist, ist es nur legitim, dass<br />

israelis dort ihre Gemeinden errichten<br />

wie die Palästinenser die ihren.<br />

doch aufeinander folgende israelische<br />

Regierungen haben im Geiste des<br />

Kom promisses ihre Bereitschaft be -<br />

kun det, über die Frage zu verhandeln,<br />

und eine freiwillige einfrierung des<br />

Baus neuer Siedlungen <strong>als</strong> vertrauensbildende<br />

maßnahme angeordnet.<br />

Um die Palästinenser zur Rückkehr an<br />

den Verhandlungstisch zu motivieren,<br />

hat die israelische Regierung im no -<br />

vember 2009 in einem dramatischen<br />

Schritt über alle jüdischen Siedlungen<br />

im Westjordanland ein zehnmonatiges<br />

moratorium für den Bau neuer Wohn -<br />

ein heiten und entsprechende Geneh -<br />

mi gungen verhängt. Leider wurde<br />

dieser Schritt von den Palästinensern<br />

zurückgewiesen, noch bevor er offizi -<br />

ell bekannt gegeben worden war.<br />

14. Rechtfertigt die Forderung der<br />

Palästinenser nach einem totalen und<br />

permanenten Siedlungsstopp ihre<br />

Verhandlungsverweigerung?<br />

Seit April 2009 sind keine Verhand -<br />

lungen zwischen israel und den Pa läs -<br />

tinensern geführt worden, da letztere<br />

sich nach den israelischen Wahlen<br />

weigerten, an den Verhandlungstisch<br />

zurückzukehren. Trotz der Tatsache,<br />

dass seit Beginn des Friedenspro zes -<br />

ses in den 1990er Jahren keine Seite<br />

jem<strong>als</strong> Vorbedingungen für die Auf -<br />

nahmen von Gesprächen stellte, hat<br />

der Präsident der Palästinensischen<br />

Autonomiebehörde (PA), Mahmoud<br />

Abbas, unilateral bestimmt, dass keine<br />

Verhandlungen stattfinden könnten,<br />

bevor israel in eine völlige Beendi -<br />

gung der Siedlungsaktivitäten im<br />

West jordanland und jüdischer Bautä -<br />

tig keit in Ostjerusalem einwilligt.<br />

die plötzliche Auferlegung dieser<br />

Vor bedingung ist unbegründet, da in<br />

allen Abkommen, die die PA mit is ra -<br />

el unterzeichnet hat, vereinbart wur de,<br />

dass die Siedlungsfrage eine Sa che für<br />

die endstatusverhandlungen sei, nicht<br />

eine Vorbedingung für Gespräche.<br />

22 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


POLITIK • AUSLAND<br />

it den Palästinensern<br />

israel kann der Auferlegung einseitiger<br />

Vorbedingungen für ein einver -<br />

ständnis, überhaupt zu verhandeln,<br />

ohne Frage nicht zustimmen, insbesondere<br />

wenn es um seine Haupt -<br />

stadt, Jerusalem, geht. Auch israel<br />

könnte <strong>als</strong> Vorbedingung für die Wie -<br />

deraufnahme von Verhandlungen die<br />

palästinensische einwilligung bei be -<br />

stimmten Angelegenheiten fordern,<br />

die es für wichtig erachtet. Wenn es<br />

aber Fortschritt geben soll, müssen<br />

bei de Seiten die Gespräche wieder<br />

aufnehmen, ohne dem Frieden neue<br />

Steine in den Weg zu legen.<br />

Trotz der neuen Forderungen der Pa -<br />

lästinenser hat die israelische Regie -<br />

rung am 25.11.2009 entschieden, <strong>als</strong><br />

vertrauensbildende maßnah me ein<br />

10-monatiges moratorium über neue<br />

Bautätigkeiten und Bau be willigun -<br />

gen in jüdischen Siedlungen im West -<br />

jordanland zu verhängen. diese dramatische<br />

und präzedenzlose Bekun -<br />

dung von gutem Willen wurden von<br />

den Palästinensern geradeheraus zu -<br />

rückgewiesen, noch bevor sie offiziell<br />

bekannt gegeben worden war.<br />

israels Bereitschaft, sich in Zurück hal -<br />

tung zu üben, wenn es um die Sied -<br />

lun gen geht, ist nicht neu. noch vor<br />

der moratoriumsentscheidung hatte<br />

is raels langjährige Politik darin be -<br />

standen, keine neuen Siedlungen zu<br />

bauen oder weiteres Land für die be -<br />

reits gebauten zu enteignen. die Be -<br />

deu tung dieser Politik liegt darin,<br />

dass es keine Veränderung in der dis -<br />

position des Landes gab. Bautätig-kei -<br />

ten innerhalb bestehender Ge mein -<br />

den – wie der Bau von Schulen, Syna -<br />

gogen und Kliniken, die den Bewoh -<br />

nern ein normales Leben ermöglichen<br />

- verändern die Tatsachen vor Ort in<br />

keiner Weise und nehmen auch nicht<br />

vorweg, was letztlich in einem endgültigen<br />

Friedensabkommen vereinbart<br />

wird.<br />

Zu diesen erwägungen kommt noch<br />

die Tatsache, dass israel bereits Sied -<br />

lun gen geräumt hat. doch statt Fort -<br />

schritt im Friedensprozess zu sehen,<br />

musste es eine Verschlimmerung der<br />

Lage erleben. So machte israel den<br />

Pa lästinensern bspw. 2005 ein einseitiges<br />

Zugeständnis und zog sich kom -<br />

plett aus dem Gaza-Streifen zurück.<br />

Alle 21 Siedlungen im Gaza-Streifen –<br />

und weitere vier im Westjordanland –<br />

wurden in der Hoffnung auf Frieden<br />

geräumt. doch statt den Frieden zu<br />

fördern trat das Gegenteil ein. Als Ge -<br />

gengabe für sein Opfer sah sich israel<br />

mit dem Beschuss seiner südlichen<br />

Städte und Ortschaften mit tausenden<br />

palästinensischen Raketen konfrontiert.<br />

in Anbetracht der Realitäten vor Ort,<br />

zu denen auch bereits bestehende<br />

große israelische Bevölkerungszen -<br />

tren im Westjordanland gehören, ist<br />

es unrealistisch zu erwarten, dass is ra -<br />

el die palästinensischen Forderun gen<br />

in der Siedlungsfrage <strong>als</strong> Unterpfand<br />

dafür, überhaupt erst mit Verhand -<br />

lun gen zu beginnen, vollends akzeptieren<br />

wird. israel ruft die Palästi nen -<br />

ser dazu auf, an den Verhandlungs -<br />

tisch zurückzukehren, um ernsthaft<br />

und gemeinsam mit israel ein für<br />

beide Seiten akzeptables Friedensab -<br />

kom men zu erzielen.<br />

15. Was ist der Status Jerusalems? 
<br />

Jerusalem ist die heilige Stadt für die<br />

drei monotheistischen Religionen: Ju -<br />

dentum, Christentum und islam. es<br />

ist dieser einzigartige religiöse Status,<br />

der der Stadt und allem, was in ihr<br />

pas siert, solch große Bedeutung verleiht.<br />

israel anerkennt und garantiert<br />

das Recht aller Gläubigen, in der Stadt<br />

zu beten, und schützt ihre vielen heiligen<br />

Stätten dort – wie es das in der<br />

Tat im gesamten Land tut. Während<br />

Je rusalem einen speziellen Status aufgrund<br />

seiner religiösen Bedeutung hat,<br />

ist es auch die ewige Hauptstadt des<br />

Staates israel.<br />

Über die Jahrhunderte hinweg hat kei -<br />

ne nation außer dem jüdischen Volk<br />

Jerusalem zu ihrer Hauptstadt ge -<br />

macht. Wenngleich es wichtig für an -<br />

dere Glaubensrichtungen ist, steht<br />

Jerusalem doch nur im Judentum im<br />

Zentrum des Glaubens.<br />

Jerusalem ist „Herz und Seele“ der<br />

spirituellen identität und der nationalen<br />

Sehnsüchte des jüdischen Vol -<br />

kes. Als die alten Juden ein unabhängiges<br />

Volk im Land israel waren, war<br />

Jerusalem ihre Hauptstadt. Jerusalem<br />

diente <strong>als</strong> historische Hauptstadt des<br />

jüdischen Volkes, seit König david sie<br />

im Jahr 1004 v. Chr. dazu machte. Je -<br />

ru salem blieb Hauptstadt bis zu seiner<br />

Zerstörung durch die Römer und dem<br />

nachfolgenden Verlust jüdischer Un -<br />

abhängigkeit.<br />

1948 wurde mit der Gründung des<br />

Staa tes israel die jüdische Unab hän -<br />

gig keit wiederhergestellt. Kurz darauf<br />

bestimmte die Knesset (israels Parla -<br />

ment) Jerusalem zur Hauptstadt des<br />

Staates israel – trotz der Tatsache, dass<br />

einige östliche Stadtteile durch die<br />

Jor danier während des Krieges von<br />

1948 von der Stadt abgeschnitten<br />

worden waren. nach dieser entschei -<br />

dung wurden die Regierungs behör den<br />

in Jerusalem angesiedelt, einschließlich<br />

der Residenz des Präsidenten, des<br />

Amts des ministerpräsidenten, der<br />

Re gierungsministerien, der Knesset<br />

und des Obersten Gerichtshofs. im<br />

Anschluss an den Sechs-Tage-Krieg<br />

wur de die 18 Jahre währende Teilung<br />

der Stadt beendet, und 1980 erließ die<br />

Knesset das „Grundgesetz: Jerusalem,<br />

Hauptstadt Israels“, das die vereinigte<br />

Staat <strong>als</strong> Hauptstadt der nation verankerte.<br />

israels Hauptstadt ist eine vereinigte<br />

Stadt, und die israelische Regierung<br />

unterscheidet nicht zwischen Jerusa -<br />

lems verschiedenen Vierteln. Allen<br />

ein wohnern Jerusalems steht es frei,<br />

in allen Teilen der Stadt zu wohnen,<br />

unabhängig von Rasse, Religion oder<br />

ethnischer Zugehörigkeit. So wie die<br />

arabischen einwohner in vorherrschend<br />

jüdischen Stadtvierteln wohnen<br />

können, so können auch Juden<br />

frei wählen, wo in der Stadt sie gern<br />

leben würden. die in gewissen Krei -<br />

sen erhobene Forderung, Juden zu<br />

verbieten, irgendwo in der Stadt zu<br />

le ben, ist genauso bodenlos – und<br />

widerrechtlich – wie die Forderung,<br />

Juden könnten nicht in bestimmten<br />

Gegenden von London, Paris, mos kau<br />

oder new York leben.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 23


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Think Global! Israel Top 10 Export-Marken<br />

VON JESSICA STEINBERG, ISRAEL 21C/ÜBERSETZUNG: KARIN FASCHING-KUALES<br />

WIRTSCHAFT<br />

24<br />

israelis kau fen<br />

bekanntermaßen ger ne ein. Aber bei<br />

einem so kleinen markt wie dem israelischen<br />

müssen sich die Unternehmer<br />

des Landes schon et was einfallen lassen,<br />

um erfolgreich zu sein. Beson ders<br />

Überseemärkte werden hier beson ders<br />

angestrebt.<br />

Vor nicht allzu langer Zeit waren<br />

Orangen das einzige, was israel ex -<br />

portieren konnte. die Jaffa-Orange<br />

war von einer Qualität, die nirgendwo<br />

auf der Welt kopiert werden konnte.<br />

doch mit dem Wachstum des Landes<br />

nahm auch die Bandbreite der ex -<br />

port produkte zu – von Avocados und<br />

Tomaten bis hin zu Halbleiterchips<br />

und Unterwäsche.<br />

Globales denken war gefragt, noch<br />

dazu, wo die in israel hergestellten<br />

Produkte oftm<strong>als</strong> nicht auf den ersten<br />

Blick ersichtlich waren – wie die<br />

Halb leiterchips, die Intel in seine Com -<br />

puter integriert, oder die Unter wä -<br />

sche, die delta Galil für Victoria´s Se -<br />

cret, Marks & Spencer und Calvin Klein<br />

designt.<br />

Heute werden zu einem großen Teil<br />

Konzepte statt einzelprodukten ex por -<br />

tiert: Hotelketten, Trendfashion,<br />

Schmucklinien etc. stellen israels Kre -<br />

ativität und Kundenservice in aller<br />

Welt unter Beweis.<br />

Wir stellen im Folgenden die Top 10<br />

exportmarken israels vor:<br />

1. Fattal Hotels<br />

das Flaggschiff der<br />

israelischen Fat tal<br />

Hotelkette ist das<br />

Leonardo Boutique<br />

Hotel in Tel Aviv.<br />

Schon allein das is raelische Frühstück<br />

dort reißt so manchen Reisenden zu<br />

Begeisterungs stür men hin – und<br />

könnte einer der Gründe sein, weshalb<br />

David Fattal sei ne Hotelmarke<br />

auch außerhalb israels bekannt ma -<br />

chen wollte.<br />

der in Haifa geborene Fattal begann<br />

seine steile Karriere <strong>als</strong> Kellner und<br />

kletterte die erfolgsleiter bis zum di -<br />

rek torenposten der Afrika Hotelkette<br />

hoch. er gründete 1997 sein eigenes<br />

Ho telmanagement-Unternehmen und<br />

besitzt nun 32 Hotels der marke Leo -<br />

nardo in deutschland, der Schweiz<br />

und Belgien sowie 31 Hotels in israel.<br />

12 davon erwarb er erst im vergangenen<br />

Jahr, darunter sämtliche israelischen<br />

Sheraton Hotels und drei Accor<br />

Hotels. das Flaggschiff in Tel Aviv<br />

(http://www.leonardo-hotels.com/<br />

Boutique_Tel_Aviv) wurde vom israelischen<br />

Architekten Moshe Kastiel entworfen.<br />

www.fattal.co.il/IndexLtr.aspx/<br />

2. Laline<br />

die 1999 gegründete<br />

Haut pflegelinie Laline,<br />

die allein in israel 43 ih -<br />

rer schicken, schwarzweißen<br />

Vintage-Shops<br />

be treibt, ist seit 2006 auch im Ausland<br />

bekannt. So kommen auch europa<br />

und die USA in den Genuss der ex -<br />

klu siven Schönheitspflege, de ren Roh -<br />

stoffe aus der französischen Pro vence<br />

sowie aus israel selbst stam men. Viele<br />

neue Shops sind bereits ge plant, in<br />

Groß britannien werden noch in diesem<br />

Jahr sechs von insgesamt 30 eng -<br />

li schen, auf Franchise basierenden,<br />

Laline-Shops eröffnen.<br />

Popikone madonna zählt wohl zu den<br />

prominentesten Kunden von La line,<br />

das zur Hälfte den Gründer, zwei Cou -<br />

sins, und zur Hälfte Fox (siehe unten)<br />

gehört. www.laline.co.il/default_eng.asp<br />

3. Sabon<br />

Auch der israelische Sei -<br />

fen- und Ker zenpro du zent Sabon<br />

nennt, neben 20 israelischen, auch 30<br />

internationale Shops in den USA, Ka -<br />

na da, Ru mä ni en, italien, Polen und<br />

Holland sein ei gen. Sabon wurde 1974<br />

von einem jungen Pärchen ge grün det,<br />

das zu Hau se La vendelseife nach ei -<br />

nem originalen Aborigini-Re zept herstellte,<br />

welches es auf einer Austra li -<br />

en-Reise entdeckt hatte. die großen<br />

Seifenbrocken wurden dann für<br />

Freun de und Familie in Stücke ge -<br />

schnitten. das Unterneh men wuchs<br />

rasch, die ersten Geschäfte wur den er -<br />

öffnet, Cremen und Lotio nen sowie<br />

Ker zen in den Warenbe stand aufgenommen.<br />

Besondere Berühmtheit erlangte der<br />

Sabon-Shop in manhattan, <strong>als</strong> er für<br />

eine Szene der Serie „Sex and the City“<br />

verwendet wurde. http://sabonnyc.com<br />

4. Castro<br />

das einstige Familien-<br />

Atelier ist heu te eine<br />

international operierende mode mar -<br />

ke mit 164 Outlets weltweit, da von<br />

118 in israel, der Rest in deutsch land,<br />

Russland, Kasachstan, Thai land, der<br />

Schweiz, Rumänien, der Ukraine und<br />

Holland. die Trendsetter gehörten zu<br />

den ersten israelischen Ketten, die<br />

Shops in großen einkaufszentren<br />

eröffneten und zeichnen sich durch<br />

so interessante Aktionen wie die Ver -<br />

wendung von Streifen aus Carmel-<br />

Teppichen für ihre Kleidungsstücke<br />

aus.<br />

www.castro.com<br />

5. Fox<br />

das modehaus Fox,<br />

gegründet 1942 <strong>als</strong><br />

der Unter wäsche -<br />

hersteller Trico Fox,<br />

kann auf eine lan -<br />

ge Firmengeschichte zurückblicken.<br />

Aber erst 1992, <strong>als</strong> das Familienun ter -<br />

nehmen Fox-Wizel sein markenkon zept<br />

der modernen, be que men und günstigen<br />

Kleidung für die ganze Familie<br />

begründete, kam der internationale er -<br />

folg. Heute gibt es 200 Fox Geschäfte<br />

in israel und mehr <strong>als</strong> 100 in aller<br />

Welt, darunter China, Thai land, Pana -<br />

ma oder Russland, und hält 50% der<br />

marke Laline. www.fox.co.il/english/<br />

6. Aroma<br />

die Kaffeehauskette Aroma ist einer<br />

der Gründe, weshalb der US-Kaffee -<br />

gi gant Starbucks seinen Siegeszug<br />

um die Welt nicht auf das Heilige Land<br />

ausdehnen konnte. Seit 15 Jahren ver -<br />

sorgen Aromas rot-schwarze Filialen<br />

die israelis mit bestem Kaffee; nachdem<br />

das Unternehmen erst im Jahr<br />

2000 über die Grenzen Jerusalems hi -<br />

naus wuchs, zählt israel inzwischen<br />

100 Aroma-Outlets. Vor vier Jahren ka -<br />

men dann auch das kanadische To ron -<br />

24 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

to und das Soho von manhattan in den<br />

Genuss der israelischen Kaffee tra di -<br />

tion. den ersten europäischen Aro ma-<br />

Coffeeshop gab es 2009 in der Ukrai ne,<br />

es folgten Rumänien, Zy pern und Ka -<br />

sachstan unter dem mar kennamen<br />

Marrone Rosso („braun und rot“).<br />

www.aroma.co.il/Default.aspx?alias=ww<br />

w.aroma.co.il/en<br />

7. Padani<br />

Von einer Familie belgischer<br />

dia man tenhändler gegründet,<br />

eröffnete Pa da ni sein erstes Juwe lier -<br />

geschäft 1947 in Tel Aviv. inzwischen<br />

zählt israel sechs niederlassungen<br />

des auf einzigartiges design und erstklassige<br />

Uh ren und Schmuck von Pa -<br />

tek-Phil lipe, Cartier, Bulgari oder Breit -<br />

ling spe zia li sierten Juweliers. 2006<br />

expandierte Pa dani ins Ausland. im<br />

englischen Kent freut man sich über<br />

eine loyale britische Klientel.<br />

www.padani.co.il<br />

8. Max Brenner<br />

Als der Chocolatier Max<br />

Brenner sein erstes Scho -<br />

koladengeschäft eröffnete<br />

waren die menschen von<br />

seinem Kon zept einer von<br />

einem glatzköpfigen mann kreierten<br />

Gourmet-Schoko la de in drolliger Ver -<br />

packung fasziniert.<br />

Vierzehn Jahre später ist wohl be kannt,<br />

dass in Wahrheit zwei männer – Max<br />

Fichtman und Oded Brenner – hinter<br />

der erfolgreichen marke stehen und<br />

den fiktionalen Glatzkopf durch die<br />

Kombination ihrer beider namen<br />

auferstehen ließen.<br />

inzwischen gehört max Brenner der<br />

Strauss Gruppe und nennt sechs Fili a len<br />

in israel sowie 18 in Australien, zwei in<br />

Sin gapur, zwei auf den Phi lip pinen und<br />

zwei in den USA sein ei gen. Wei te re<br />

werden folgen. www.maxbrenner.com<br />

9. Super-Pharm<br />

in israel ist die Apothekenkette Su per-<br />

Pharm mit 137 niederlassungen wahr -<br />

haft allgegenwärtig. doch auch 20<br />

Apotheken in Polen und 53 in China<br />

gehören dazu. die kanadische Fami lie<br />

Koffler, denen auch Shoppers Drug Mart<br />

(ehem<strong>als</strong> Koffler´s drugs) in Kanada<br />

gehört, hält das Unternehmen. Mur ray<br />

Koffler hatte 1970 israel besucht und<br />

be schlossen, dort eine ähnliche Kette<br />

wie jene in Kanada aufzuziehen.<br />

Super-Pharm dehnten <strong>als</strong> erste ihre<br />

Öff nungszeiten auch auf den Schab bat<br />

aus und verkauften neben me di ka -<br />

men ten auch andere Produkte.<br />

www.super-pharm.co.il<br />

10. Michal Negrin<br />

man mag über ihre<br />

romantischen de signs<br />

denken was man will,<br />

aber Michal Negrin, die<br />

früher in einem Kib -<br />

buz lebte, ist ohne Zweifel einer der<br />

bekanntesten israelischen mar ken -<br />

namen für Vintage-inspirierten edel -<br />

steinschmuck, Kleidung und Acces soi -<br />

res geworden. Auf dem Kunsthand -<br />

werksmarkt nahalat Binyamin in Tel<br />

Aviv begann sie ihre Kollektionen zu<br />

verkaufen, bevor sie gemeinsam mit<br />

eheman meir ihren ersten Laden in<br />

der Sheinkin Straße eröffnete.<br />

mehr <strong>als</strong> 20 Jahre später gibt es 26 Fi li -<br />

alen von michal negrin in aller Welt<br />

und 19 in israel. www.michalnegrin.com<br />

Castro-Modeschau in Tel-Aviv<br />

Google kauft israelisches Start-Up-Unternehmen<br />

der US-amerikanische internetdienstleistungsgigant Google hat erstm<strong>als</strong><br />

ein israelisches Unternehmen erworben. dabei handelt es sich um Lab<br />

Pixies, eine Start-Up-Firma, die Widgets wie Spiele, Übersetzungsprogramme,<br />

Taschen rech ner und Kalender für personalisierte in ter net platt -<br />

for men entwickelt.<br />

die Kaufsumme wird auf umgerechnet etwa 19 mio. euro ge schätzt.<br />

„Wir glauben, dass die Hinzufügung dieses talentierten Teams es uns ermögli -<br />

chen wird, unsere Internet-Plattformen zu stärken und sie attraktiver denn je<br />

zuvor zu machen“, sagte Prof. Yossi Matias, der Leiter von Googles For -<br />

schungs- und entwicklungszentrum in Tel Aviv. „Google glaubt an israelische<br />

Innovationsfähig keit und Kreativität, und wir werden weiter die Koope ra -<br />

ti on mit örtlichen Unternehmen und Start-Ups suchen.“<br />

Seit seiner Gründung haben sich die investitionen in Lab Pixies auf<br />

lediglich umgerechnete 1.5 millionen euro belaufen.<br />

informationen zu Lab Pixies: http://www.labpixies.com/<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 25


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

©Israelimages, Noam Armonn<br />

AMDOCS<br />

Komplexe Software<br />

für einfaches Telefonieren<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

der globale israelische Softwarekon -<br />

zern Amdocs hat sich auf Telefon an -<br />

wendungen spezialisiert. Auch in Ös -<br />

terreich laufen seine Programme, oh ne<br />

dass die Kunden von Telekom Aus -<br />

tria oder T-mobile etwas davon<br />

bemerken.<br />

Ganz kann sich der Krise niemand<br />

ent ziehen. „Das Jahr 2009 wird man für<br />

eine der schlimmsten Finanzkrisen im<br />

letzten Jahrhundert in Erinnerung behalten,“<br />

schreibt Dov Baharav, „CeO and<br />

Pre sident“ des globalen israelischen<br />

Software-Unternehmens Amdocs in<br />

der einleitung zum aktuellen Ge -<br />

schäfts bericht. „Wie die meisten Unter -<br />

nehmen hat auch Amdocs die Auswir kun -<br />

gen gespürt.“ dennoch konnte sich der<br />

Konzern „stabil“ halten, wenn auch<br />

die gesamte Telekom-Branche betroffen<br />

gewesen sei.<br />

in nüchternen Zahlen drückte sich dies<br />

so aus: Amdocs musste einen Rück -<br />

gang beim Umsatz von US$ 3,2 mrd.<br />

im Jahr 2008 auf US$ 2,9 mrd. im Vor -<br />

jahr berichten, der Gewinn sank leicht<br />

von US$ 379 mio. auf 326 mio. Zahl -<br />

rei che große Kunden – Telekom-Un -<br />

ter nehmen - hatten sich bei neuen<br />

investitionen zurückgehalten. Wegen<br />

der Krise hatten deren Firmen- und<br />

Privatkunden weniger telefoniert, und<br />

ein rascher weiterer Ausbau von net -<br />

zen und Rechenzentren schien nicht<br />

ge rade dringlich. Amdocs war daher<br />

gezwungen, erst einmal im ei genen<br />

Haus zu sparen, suchte aber auch für<br />

die Auftraggeber schlanke Lösungen.<br />

Baharav: „Wir verstehen, dass unsere<br />

Kunden ihre Gürtel enger schnallen müssen.<br />

Daher haben wir un sere Entwick lung<br />

darauf konzentriert, sie dabei zu unterstützen,<br />

möglichst effizient und kostengüns tig<br />

zu arbeiten.“<br />

Schon im ersten Quartal des heurigen<br />

Jahres zeigten sich wieder deutliche<br />

An zeichen für eine erholung: der<br />

Um satz stieg im Vergleich zum gleichen<br />

Zeitraum des Vorjahres um fast<br />

fünf Prozent, die erträge legten sogar<br />

um beinahe elf Prozent zu. Und auch<br />

der Auftragspolster wurde wieder fet -<br />

ter. er liegt derzeit bei US$ 2,46 mrd.<br />

Telekom Austria und Amdocs<br />

„Wir haben wegen der Wirtschaftslage<br />

kei ne Investitionen zurückgenommen,“<br />

erzählt Slobodan Keseljevic, stellvertretender<br />

iT-Leiter bei Telekom Austria.<br />

Sein Unternehmen ist schon seit mehr<br />

<strong>als</strong> zehn Jahren Stammkunde bei Am -<br />

docs, und dabei geht es immer wieder<br />

um mächtige Softwarepakete. die<br />

Telefonkunden merken davon freilich<br />

nichts, alles läuft im Hintergrund ab,<br />

auch wenn ein Großteil dieser Pro -<br />

gramme gerade an der Schnittstelle<br />

zwischen Technik und endkunde<br />

angesiedelt ist.<br />

„Wir nutzen Amdocs in drei großen Berei<br />

chen,“ so Keseljevic. „Erstens einmal<br />

für die Abrechnung der Mobilkom, das so<br />

genannte Billing. Das klingt einfach, ist<br />

aber sehr komplex. Nicht nur müssen alle<br />

Gespräche berechnet werden, darüber hi -<br />

naus gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher<br />

Tarifmodelle, etwa mit Freimi nuten.“ die -<br />

se Abrechnung wird für die österreichischen<br />

Handy-Telefonierer durch ge -<br />

führt und darüber hinaus auch für je ne<br />

der südosteuropäischen mobil kom-<br />

Tochterfirmen in Kroatien, Bul ga rien<br />

und Slowenien.<br />

Zweitens nutzt die Festnetzsparte von<br />

Telekom Austria eine Customer Re la -<br />

tions management-Software der isra -<br />

e lis. dabei geht es um die Ver knüp -<br />

fung von Kundendaten bei An fragen,<br />

die in den Call Centern der Telekom<br />

eingehen. Auch hier müssen große<br />

da tenmengen schnell durchforstet<br />

werden, rasch Verbindungen hergestellt,<br />

denn die Kunden am an deren<br />

ende der Leitung sind ungeduldig<br />

und wollen mit ihren Be schwer den<br />

oder Bestellungen schnell be dient<br />

wer den. „Und schließlich nutzen wir<br />

Am docs Software zur Optimie rung des<br />

ge samten Netzes,“ erklärt der Techni -<br />

26 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

ker. das nennt sich inventory, dabei<br />

weiß die Software, wo momentan<br />

freie Kapazitäten verfügbar sind und<br />

lenkt die datenströme entsprechend.<br />

Telekom Austria befindet sich hier in<br />

bester Gesellschaft. in Österreich und<br />

in den nachbarländern nutzt etwa<br />

auch T-mobile Software der israelis.<br />

Vodafone und Orange zählen zu den<br />

Kunden, BT (British Telecom) und<br />

Telenor Schweden, Telefónica de es -<br />

pana und Belgacom. Außerhalb euro -<br />

pas ist Amdocs ebenfalls stark. der<br />

Kon zern liefert an US-Unternehmen<br />

wie Bell South, an Brasil Telecom in<br />

Lateinamerika oder an Asiaten wie<br />

Ja pan Telecom oder China Telecom.<br />

diese werden von insgesamt 17.000<br />

Amdocs-mitarbeitern in zahlreichen<br />

Standorten rund um den erdball<br />

betreut.<br />

dabei hatte es ganz klein begonnen.<br />

mitte der 70er Jahre graduierte Avi no -<br />

am Naor an der Universität von Tel<br />

Aviv <strong>als</strong> Computeringenieur. er interessierte<br />

sich vor allem für Tele kom mu -<br />

nikation und suchte nach ei ner ni sche,<br />

für die er neue Pro gramme schreiben<br />

konnte. er fand diese ni sche, indem<br />

er sich auf automatisierte elektronische<br />

Telefonbücher spezialisierte, die es bis<br />

dahin nicht gegeben hatte. Anfang der<br />

80er Jahre konnte er investoren dafür<br />

gewinnen, und mit Hilfe von Morris<br />

Kahn wurde Aurec gegründet. Sehr<br />

schnell fand sich mit Southwestern Bell<br />

ein großer Kunde in den USA, der<br />

ebenfalls bereit war, Geld in die Hand<br />

zu nehmen.<br />

Globaler Boommarkt<br />

Mobiltelefonie<br />

in den 80er Jahren wurden diese Tele -<br />

fonbücher weiter entwickelt, Aurec<br />

schaffte es mit seiner Spezialität zum<br />

Weltmarktführer. doch schon zeigte<br />

sich, dass die Telekom-Branche in<br />

einem anderen Bereich am schnellsten<br />

wachsen würde, nämlich bei den<br />

mobilen diensten, erst nur mit Spra -<br />

che, später dann auch mit daten. Und<br />

für diesen Boommarkt begannen die<br />

Aurec-ingenieure nun spezialisierte<br />

Soft ware zu schreiben. erst waren es<br />

vor allem Abrechnungsprogramme,<br />

dann kamen umfangreichere Kun den-<br />

Service-Pakete dazu. damit war das<br />

Un ternehmen selbst auf einen rasanten<br />

Wachstumskurs eingeschwenkt – und<br />

brauchte dafür Geld und eine neue,<br />

international ausgerichtete Struktur.<br />

1998 wagte man den Börsegang, mittlerweile<br />

war die Firmengruppe auf<br />

Am docs umbenannt worden. Steuer -<br />

rechtlich residiert sie heute auf der<br />

britischen Kanalinsel Guernsey, die<br />

Unternehmenszentrale befindet sich<br />

in den USA, in Chesterfield, missou ri.<br />

der größte entwicklungs- und For -<br />

schungsstandort blieb aber weiterhin<br />

in israel, in Ra´anana.<br />

mit dem neuen Kapital konnte Am -<br />

docs eine rasche Folge von Übernahmen<br />

anderer Software-Spezialisten<br />

finanzieren, deren Know-how zu den<br />

eigenentwicklungen passten, etwa die<br />

kanadische Solect Technology, oder das<br />

US-Unternehmen Clarify. Und schließ -<br />

lich überschritt Amdocs die alten<br />

Branchen-Grenzen: Hatte man zuvor<br />

<strong>als</strong> bloßer Technik-Lieferant gegolten,<br />

wurde man nun auch zusätzlich zum<br />

dienstleister. Seit 2002 übernimmt<br />

eine Amdocs-Abteilung die gesamte<br />

Abrechnung von Telekom-Unter neh -<br />

men, einer der ersten Outsourcing-<br />

Kunden war Verizon Communications.<br />

Heute liegt ein Schwerpunkt des<br />

Produktangebots bei kompletten Tele -<br />

kom-Softwarelösungen für neue Un -<br />

ter nehmen, die in Lateinamerika oder<br />

Asien von null weg starten wollen<br />

und sich nicht mit dem Aufbau eigener<br />

großer Technik- und entwick lungs ab -<br />

teilungen herumplagen wollen.<br />

das kommt für die alteingesessene<br />

Tele kom Austria nicht in Frage. iT-Lei -<br />

ter Keseljevic: „Man muss genau aufpassen,<br />

dass man nicht abhängig wird.<br />

Wir kaufen daher auch immer von anderen<br />

Firmen Software zu und entwickeln ge -<br />

wis se Teile selbst.“ man müsse die<br />

Oberhoheit über die großen Systeme<br />

behalten. dennoch dürfte auch bei<br />

der geplanten Zusammenführung von<br />

Telekom und mobilkom und der Su -<br />

che nach Synergien und Sparmög -<br />

lichkeiten wieder israelische Software<br />

mit zum einsatz kommen.<br />

Dov Baharav, CEO und<br />

Prä sident von Amdocs<br />

Amdocs hat über 17.000 Mitarbeiter in mehr <strong>als</strong> 60 Ländern. Der größte<br />

Entwicklungs- und For schungs standort ist aber weiterhin in Israel, in Ra´anana.<br />

©Yossi Zamir/Flash90<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 27


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

WISSENSCHAFT<br />

Ein-Blick<br />

Israelischer MP3-Player<br />

sorgt weltweit für Furore<br />

der weltweit einzige wirklich<br />

„tragbare“ mP3-Player Musi -<br />

Cap stammt aus israel. die Fir -<br />

ma Walletex hat das leichte<br />

und wasserdichte Gerät in<br />

eine Baseballkappe mitsamt<br />

Flash-Speicher integriert. das neue<br />

Pro dukt eignet sich damit sehr gut für<br />

sportliche Aktivitäten.<br />

Bei der jährlichen Verbrauchermesse<br />

in Las Vegas erwies sich das Produkt<br />

der Firma <strong>als</strong> Anziehungspunkt. Be -<br />

gonnen hatte die erfolgsgeschichte des<br />

Unternehmens Walletex 2005 mit ei -<br />

nem sehr dünnen, kreditkartengroßen<br />

USB-Stick. Seitdem wurden weitere<br />

Produkte für den militärischen und<br />

medizinischen Bereich sowie für die<br />

Unterhaltungsindustrie entwickelt.<br />

„Alle unsere Produkte haben spezielle Mi -<br />

krokomponenten, die von unserem For -<br />

schungs team in Israel entwickelt wur den“,<br />

erklärte Walletex-Geschäfts führer Avi<br />

Dahan. „Die Produkte sind wasser- und<br />

sandgeschützt und so schmal, dass sie in<br />

eine Geldbörse passen“, wirbt dahan im<br />

interview mit dem internetportal is -<br />

ra el21c. Auch seien die Produkte durch<br />

spezielle Software gegen Hacker ge -<br />

schützt.<br />

dahan hatte iBdA, die mutterfirma<br />

von Walletex, zum dritterfolgreichsten<br />

Anbieter für Bluetooth-Anwendungen<br />

gemacht. Zahlreiche der seit 2005<br />

entwickelten Produkte haben innova -<br />

tionspreise bei internationalen mes sen<br />

wie der Cebit gewonnen. Zu den nut -<br />

zern der Walletex-Produkte gehören<br />

renommierte Firmen wie iBm, micro -<br />

soft, nokia, Toyota, deutsche Bank und<br />

Ford. iBdA hat einen Jah resumsatz<br />

von US$ 7 mio.<br />

das 2005 gegründete Tochterunter -<br />

neh men hat Vertriebsstellen in den<br />

USA und Japan sowie eine Filiale in<br />

China. die entwicklung der Produkte<br />

findet weiterhin in israel statt: „Es<br />

zeigt, dass wir konkurrenzfähig bleiben<br />

können, wenn unser Unternehmen innovativ<br />

ist und diese Innovationen verkauft.<br />

Wir sind trotz der schwierigen Lage zu -<br />

ver sichtlich, dass wir auch in den kommenden<br />

Jahren am Markt bestehen können“,<br />

ergänzt dahan.<br />

inn<br />

Israelis überleben<br />

Herzinfarkte besser<br />

dieses m onat wur -<br />

den die Re sul tate<br />

einer Studie des eu ro -<br />

pean Heart Journal veröffentlicht.<br />

Unter an derem<br />

wurde aufgedeckt, dass israelis eine<br />

viel bessere Chance haben, einen<br />

schweren Herzinfarkt zu überleben,<br />

<strong>als</strong> menschen in zwanzig europäischen<br />

Staaten. Weiter wur de festgestellt,<br />

dass nur 4,2% der israelis, die nach<br />

einem Herzinfarkt in einer notauf -<br />

nah me oder intensiv sta tion behandelt<br />

werden, schlußendlich sterben. diese<br />

Zahl ist viel niedriger <strong>als</strong> die von an -<br />

deren nationen in europa mitgeteilten<br />

Zahlen. in Frank reich sterben 6,6%<br />

der Herzin farkt patienten in inten siv -<br />

behandlung, in deutschland sind es<br />

6,8% und 9% in Großbritannien. Als<br />

Grund wird an ge ge ben, dass man in<br />

israel viel schneller auf einen Herzin -<br />

farkt reagiert, in dem sofort eine<br />

Herzsonde durchgeführt wird.<br />

Neue Methode zur Erhöhung<br />

der Spermienmobilität<br />

israelische Forscher vom meir-Kran -<br />

ken haus und der Bar-ilan-Universität<br />

haben herausgefunden, dass sichtbare<br />

Lichtstrahlen die Beweglichkeit von<br />

Spermien erhöhen und dadurch die<br />

ergebnisse von in-vitro-Fertilisa tio nen<br />

verbessern könnten. ihre For schungs -<br />

ergebnisse wurden auf der Jahres kon -<br />

ferenz der israel Fertility Association<br />

präsentiert. in den letzten Jahren sind<br />

40% der Fälle von Unfruchtbarkeit<br />

unter Behandlung suchenden Paaren<br />

minderwertigen Spermien zugeschrieben<br />

worden. daher konzentrierten die<br />

Forscher ihre Bemühungen auf die<br />

Prü fung der Spermienmotilität. die<br />

Wissenschaftler setzten Sperma-Pro -<br />

ben für drei minuten einer Licht wel -<br />

lenbestrahlung aus und stellten dabei<br />

fest, dass die Strahlung, deren Wel -<br />

len länge von 400 bis 700 nanometer<br />

reichte, die Beweglichkeit der Sper -<br />

mi en verbesserte. die Lichtwellen ge -<br />

ben <strong>als</strong> Reaktive Sauerstoffspezies<br />

(ROS) bekannte Sauerstoffpartikel ab,<br />

kleine moleküle, die Sauerstoffionen<br />

und -peroxide enthalten, welche of -<br />

fen sichtlich die Spermienmobilität<br />

erhöhen. Sollten sich die Untersu -<br />

chungs ergebnisse nach weiteren Tests<br />

bestätigen, könnte dies zu verbesserten<br />

Behandlungen für Paare mit Fruchtbarkeitsproblemen<br />

führen.<br />

im Jahr 2007 wurden in israel insgesamt<br />

26.679 Runden von in-Vitro-Fer -<br />

tilisation bei Paaren vorge-
nommen.<br />

4.585 davon – <strong>als</strong>o 17% - resultierten<br />

in der Geburt eines Babys. Haaretz<br />

Künstliche<br />

Befruchtung<br />

auch für<br />

HIV-Infizierte<br />

das Rambam-<br />

Kran ken haus in Haifa eröffnet die er s -<br />

te Station zur in-vitro-Fer tilisation von<br />

HiV-infizierten Frau en mit Frucht -<br />

barkeitsproblemen, die von anderen<br />

einrichtungen abgewiesen worden<br />

waren. dem ging ein Be schluss des<br />

Obersten Gerichtshofs voraus, der dies<br />

gegen den Willen des Gesund heits -<br />

ministeriums genehmigte. die Station<br />

wird auch den Trägern anderer Viren<br />

zur Seite stehen. Zahl reiche Frauen<br />

stehen bereits auf der War te lis te.<br />

Obwohl israel zu den globalen Spit -<br />

zen reitern auf dem Feld der künstli -<br />

chen Befruchtung gehört, konn te HiVinfizierten<br />

bislang nicht mit ei ner<br />

iVF-Behandlung geholfen werden.<br />

erst kürzlich ist am Hadassah-Kran -<br />

kenhaus in Jerusalem ein Sper ma-Rei -<br />

nigungsinstitut eröffnet worden, das<br />

HiV-infizierten männern ermöglicht,<br />

mit nicht-infizierten Partnerin nen ge -<br />

sun de Kinder zu bekommen.<br />

HiV-in fizierte haben heute beinahe<br />

die gleiche Lebenserwartung wie der<br />

Rest der Bevölkerung, und bestimmte<br />

medizinische Behandlungen machen<br />

es möglich, dass sie gesunde Kinder<br />

zur Welt bringen.<br />

28 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />

Jom Jeruschalajim<br />

© Flash 90/Stas Kuzmin<br />

Aus Anlass des Jom Jerushalayim, mit dem<br />

in Israel die Wiederverei ni gung Jeru sa lems<br />

vor 43 Jahren ge fei ert wird, hat Minis ter -<br />

prä sident Benjamin Netan ya hu bei der offi -<br />

ziellen Eröffnungszeremonie eine eindringliche<br />

Rede gehalten. Darin bekräftigte er<br />

aberm<strong>als</strong> die tiefe historische Verbindung<br />

des jüdischen Volkes zur israelischen<br />

Haupt stadt.<br />

„es kann keine Gerechtigkeit geben<br />

ohne Wahrheit. Wenn die Gerechtig -<br />

keit in Bezug auf unser Volk und un -<br />

sere Stadt verzerrt wird, dann ge -<br />

schieht dies unter Verzerrung der<br />

Wahrheit. Und die Wahrheit ist, dass<br />

Jerusalem der Augapfel unseres Vol kes<br />

ist. Wir haben eine unzertrennbare<br />

Ver bindung zu ihm. Jahrtausende,<br />

dreitausend Jahre. niem<strong>als</strong>, niem<strong>als</strong><br />

haben wir die Verbindung aufgegeben.<br />

Wir haben sie nicht aufgegeben, <strong>als</strong> der<br />

Tempel zum ersten mal zerstört wur -<br />

de, wir haben sie nicht aufgeben, <strong>als</strong><br />

der Tempel zum zweiten mal zerstört<br />

wurde, auch danach haben wir diese<br />

Verbindung nicht aufgegeben. Sech zig<br />

Jahre nach der Zerstörung des zweiten<br />

Tempels stand das Volk israel auf<br />

und kämpfte erneut, und auch da -<br />

m<strong>als</strong> haben wir nicht aufgegeben.<br />

Auch nach der dritten Zerstörung, kei -<br />

ner Zerstörung des Tempels, ha ben<br />

wir nicht aufgegeben. Wir haben weiter<br />

an Jerusalem gehangen und Zion<br />

im weitesten Sinne des Wortes aufgebaut.<br />

drücken sich doch das ganze<br />

Land und das ganze Volk mit diesem<br />

Wort ‚Zion’ aus, mit diesem Begriff.<br />

Wir haben nicht aufgegeben!“<br />

„nicht ein Jahr verging, nicht ein Tag<br />

in unserem exil, an dem wir nicht sa g -<br />

ten ‚nächstes Jahr in Jerusalem’.<br />

‚nächstes Jahr in Jerusalem’. Ganz<br />

gleich, ob es im 10. Jahrhundert, im<br />

11. Jahrhundert oder im 12. Jahrhun -<br />

dert war. Und diese Sehnsucht nach<br />

Jerusalem zurückzukehren und dort<br />

zu leben und Jerusalem aufzubauen<br />

und in Jerusalem erbaut zu werden,<br />

be gleitet das Volk israel seit 2000 Jah -<br />

ren – und mitte des 19. Jahrhunderts<br />

stellten wir wieder die mehrheit in<br />

dieser Stadt, in unserer Stadt, und<br />

seitdem bauen wir.<br />

Wir vertreiben niemanden, wir räumen<br />

niemanden weg, denn der zweite<br />

Teil der Wahrheit ist, dass kein Volk<br />

die Verbindung hat, die das Volk is -<br />

rael zu Jerusalem und Zion hat. Aber<br />

es gab auch kein anderes Volk, das den<br />

anderen Religionen die Freiheit der<br />

Religionsausübung und den frei en<br />

Umgang zu den heiligen Stätten ge -<br />

währt hat außer dem Volk israel. Als<br />

wir unseren Anspruch auf alle Teile<br />

der Stadt erneuerten, erneuerten wir<br />

auch die Religionsfreiheit und er -<br />

mög lichten den Angehörigen anderer<br />

Glaubensrichtungen, unter israelischer<br />

Herrschaft zu beten und gemäß ih rem<br />

Glauben zu agieren.<br />

ich sage das alles, da versucht wird,<br />

uns <strong>als</strong> fremde eindringlinge darzustellen,<br />

<strong>als</strong> Besatzer, <strong>als</strong> Volk, das kei ne<br />

Verbindung zu diesem Ort hat; und<br />

man kann sagen: Kein anderes Volk<br />

hat solch eine Verbindung zu seiner<br />

Hauptstadt wie das jüdische Volk zu<br />

Jerusalem.“ Büro des Ministerpräsidenten<br />

Die vollständige Rede gibt es unter: http://www.<br />

pmo.gov.il/PMOEng/Communication/<br />

PMSpeaks/speechmerkaz 110510.htm<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 29


JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Der Jerusalemtag (28. Ijar/12.5.10) ist ein<br />

nationaler Feiertag in Israel. Der Tag er in nert<br />

an die israelische Befreiung der Stadt im<br />

Sechs-Tage-Krieg 1967. Nach dem die arabischen<br />

Armeen Ägyptens, Jordaniens, Syriens<br />

und des Irak an Is ra els Grenzen aufgezogen<br />

waren, hatte Israel einen Präven tiv schlag<br />

ausgeführt, um ei nem massiven An griff zu -<br />

vor zukommen.<br />

Nach dem Sechs-Tage-Krieg wurden Ost- und<br />

Westjerusalem durch Israel wiedervereinigt;<br />

Juden, Christen und Muslime erhielten freien<br />

und sicheren Zugang zu allen hei li gen Stät -<br />

ten in der historischen Altstadt.<br />

Jerusalem ist das geistige Zentrum des jü di -<br />

schen Volkes sowie die heutige Haupt stadt<br />

des modernen Staates Is rael. Israelis und Ju -<br />

den auf der ganzen Welt feierten den Jeru sa -<br />

lemtag mit Fest g’ttes diensten und kulturellen<br />

Veranstal tun gen.<br />

Jerusalem 1948-1967<br />

Nachdem sich Israel im arabischen An -<br />

griffskrieg von 1948 erfolgreich verteidigt<br />

hatte, behielt es die Kontrolle über West je -<br />

rusalem, während Jordanien Ostjeru sa lem<br />

besetzte. Dazu gehörten auch die historischen<br />

jüdischen Teile der Alt stadt. Damit<br />

fielen auch bedeutende heilige Stätten des<br />

Christentums unter jordanische Kontrolle.<br />

Jordanien gestattete we der Christen noch<br />

Juden den freien Zu gang zu diesen<br />

Stätten. Viele von ihnen wurden entweiht.<br />

19 Jahre nach der jordanischen Beset zung<br />

Ostjerusalems und der West Bank be tei -<br />

ligte sich Jordanien im Juni 1967 ge mein -<br />

sam mit Ägypten am Sechs-Ta ge-Krieg;<br />

der damalige Präsident Ägyptens, Gamal<br />

Abdel Nasser, erklärte die Zerstö rung Is ra -<br />

els zum Kriegsziel. Nach erbitterten Kämp -<br />

fen gelang es der is raeli schen Ar mee, die<br />

jordanischen Streit kräfte zu rück zudrän -<br />

gen und die Alt stadt, den Tem pel berg so -<br />

wie den Rest Ostjerusalems einzunehmen.<br />

Unter Is ra els Kontrolle wur de die Stadt <strong>als</strong><br />

Isra els Hauptstadt wie der vereinigt – <strong>als</strong><br />

ein Ort für alle Reli gi o nen.<br />

„Mosaik“ Jerusalem<br />

Heute ist Jerusalem eine gemischte Stadt<br />

mit jüdischen und arabischen Wohnge bie -<br />

ten auf beiden Seiten der Linie, die einst<br />

Israel vom jordanisch besetzten Teil ge -<br />

trennt hatte. Im Gegensatz zu dem<br />

verbrei teten Mythos, dass Juden auf der<br />

einen Seite dieser sogenannten Grünen Li -<br />

nie leben, und Araber auf der anderen,<br />

wurde die Stadt von Jerusalems ehemaligem<br />

Bürgermeister Teddy Kollek <strong>als</strong> „Mo -<br />

saik“ beschrieben, und diese Viel falt spiegelt<br />

sich bis heute in den folgenden Zah -<br />

len wider.<br />

JERUSALEM IN ZAHLEN<br />

Bevölkerung<br />

760.000: Gesamteinwohnerzahl<br />

492.000: Zahl der jüdischen Einwohner<br />

268.000: Zahl der arabischen Einwoh ner<br />

Bevölkerungswachstum<br />

3 Prozent: Zunahme der arabischen<br />

Bevölkerung 2007<br />

1 Prozent: Zunahme der jüdischen<br />

Bevölkerung 2007<br />

291 Prozent: Zunahme der arabischen<br />

Bevölkerung 1967-2008<br />

149 Prozent: Zunahme der jüdischen<br />

Bevölkerung 1967-2008<br />

Bautätigkeit in Jerusalem<br />

800: Anzahl der geplanten Wohnein hei ten<br />

für eine gemischte jüdisch-arabische<br />

Wohngegend im Südteil Je ru salems.<br />

39 Prozent: Anteil von Jerusalems jüdischer<br />

und anderer nicht-arabischer Be -<br />

völkerung in Wohngebieten, die auf<br />

Land errichtet wurden, das Je ru salem<br />

nach 1967 eingemeindet wur de.<br />

188.400: Anzahl der jüdischen und ande -<br />

rer nicht-arabischer Einwohner in Je ru -<br />

salemer Wohngebieten, die auf Land<br />

errichtet wurden, das Jeru salem nach<br />

1967 eingemeindet wur de.<br />

92.000: Erwartetes arabisches Bevöl ke -<br />

rungswachstum bis 2020.<br />

140.000: Zahl der Einwohner, für die die Je -<br />

ru salemer Stadtverwaltung Land für<br />

den Bau neuer arabischer Woh nung -<br />

en vorgemerkt hat.<br />

75.000-150.000: Erwartetes jüdisches Be -<br />

völkerungswachstum bis 2020.<br />

44 Prozent: Anteil der bis 2020 fehlenden<br />

Wohneinheiten zur Aufnahme der<br />

wachsenden jüdischen Bevöl ke rung.<br />

6.000: Anzahl der arabischen Häuser, die<br />

1998-2002 ohne Baugenehmi gung er -<br />

richtet wurden. Von diesen sind 198<br />

(3,3%) durch Verfügun gen israelischer<br />

Behörden abgerissen wo r den.<br />

US$ 30 Millionen: Höhe der Finanz mit tel,<br />

die der palästinensischen Au tono mie -<br />

behörde (PA) durch Saudi-Ara bi en in<br />

den 1990er Jahren zur Ver fü gung<br />

gestellt wurden, um 10.000 Wohn ein -<br />

heiten zu errichten, ungeachtet dessen,<br />

ob dafür eine Bauge neh migung<br />

bestand oder nicht. Die Golfstaaten,<br />

wie etwa die Verei nig ten Arabischen<br />

Emirate und Katar, haben ebenfalls Be -<br />

träge in Höhe von Millionen von US-<br />

Dollar für die arabische Bautätigkeit<br />

in Ostjeru salem zur Verfügung ge stellt.<br />

500: Zahl der arabischen Wohnein hei ten im<br />

ostjerusalemer Stadtteil Sil wan, für de -<br />

ren Errichtung im De zem ber 2009 eine<br />

Baugenehmi gung ausgestellt wur de.<br />

114: Zahl der illegal errichteten Struk tu ren,<br />

die 2009 in ganz Jerusalem ab ge ris sen<br />

wurden.<br />

51: Zahl der illegal errichteten Struk tu ren,<br />

die 2009 in Westjerusalem ab geris -<br />

sen wurden.<br />

63: Zahl der illegal errichteten Bauten, die<br />

2009 in Ostjerusalem abgerissen wur -<br />

den.<br />

Der Ostteil Jerusalems unter<br />

jordanischer Besatzung 1949-1967<br />

4,6 Prozent: Wachstum der arabischen Be -<br />

völkerung in Ostjerusalem unter jor -<br />

danischer Besatzung 1949-1967.<br />

291 Prozent: Wachstum der arabischen Be -<br />

völkerung in Ostjerusalem unter israelischer<br />

Besatzung, Stand 2009.<br />

58: Zahl der Synagogen, die im jüdischen<br />

Viertel der Jerusalemer Alt stadt nach<br />

der Einnahme durch jordanische<br />

Streit kräfte 1948 zerstört wurden.<br />

38.000: Zahl der jüdischen Grabsteine auf<br />

dem Friedhof am Ölberg (Ost jeru sa -<br />

lem), die jordanische Solda ten nach der<br />

Einnahme Ostjerusa lems 1948 zer stört<br />

hatten. Einige der Grabsteine wurden<br />

für den Bau von Mauern und Latrinen<br />

für die jor danische Armee so wie zur<br />

Pflas terung von Straßen verwendet.<br />

Terrorismus<br />

635: Zahl der Terrorüberfälle in Jerusa lem<br />

von September 2000 bis Oktober 2005<br />

30: Zahl der Selbstmordattentate in Je ru sa -<br />

lem von September 2000 bis Ok to ber<br />

2005<br />

211: Zahl der Todesopfer durch Terror at -<br />

tentate in Jerusalem von September<br />

2000 bis Oktober 2005.<br />

1.643: Zahl der Verletzten durch Ter ror at -<br />

tentate in Jerusalem von Septem ber<br />

2000 bis Oktober 2005.<br />

Tourismus<br />

66: Hotels in Jerusalem<br />

9.112: Hotelzimmer in Jerusalem<br />

1.077.900: Ausländische Touristen, die<br />

2008 in Jerusalem die Nacht ver brach -<br />

ten. 44 Prozent der Touristen aus<br />

Übersee, die Jerusalem besuchten, ka -<br />

men aus Europa. 40 Prozent ka men<br />

aus Amerika.<br />

Kultur<br />

12: Museen in Jerusalem<br />

2.044,133: Musemsbesuche 2007<br />

13: Theater, einschließlich Theater für Kin der<br />

459: Theaterproduktionen 2005, einschließlich<br />

Theater für Kinder<br />

Erziehung<br />

21.607: Zahl der 2007 an der Hebräischen<br />

Universität in Jerusalem eingeschriebenen<br />

Studenten; das sind 17,8% aller<br />

an Israels Universitäten registrierten<br />

Studenten.<br />

225.000: Zahl der an den Erziehungsein -<br />

rich tungen in Jerusalem für das Schul -<br />

jahr 2008/2009 eingeschriebenen<br />

Schüler und Schülerinnen. TIP<br />

30 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />

Volkszählung: Jerusalem<br />

hat die jüngste Bevölkerung<br />

im Jahr 2008 hatten fast 23% der is ra -<br />

elis einen Hochschulabschluss, in rd.<br />

71% der Haushalte befand sich ein<br />

Computer und die 0- bis 4-Jäh rigen<br />

stellten die größte Altersgruppe dar.<br />

das geht aus einer veröffentlichten<br />

Volkszählung aus dem Jahr 2008 des<br />

Zentralbüros für Statistik hervor.<br />

Laut der erhebung besaßen im Jahr<br />

2008 22,9% der israelis einen Hoch -<br />

schul abschluss. 1995, im Jahr der vorherigen<br />

Befragung, lag diese Zahl noch<br />

bei 14,3%. Zudem hatten rund 60%<br />

der israelis eine Arbeitsstelle, 1995 wa -<br />

ren dies 55%. die durchschnittliche<br />

Arbeitswoche für israelis über 15 Jah -<br />

ren bestand bei den männern aus 45,2<br />

Stunden, bei den Frauen aus 35,5<br />

Stun den.<br />

Vor zwei Jahren gab es in jedem Haus -<br />

halt 2,1 mobiltelefone. in 71,1% der<br />

Haushalte befand sich ein Computer,<br />

90,8% der Haushalte hatten einen in -<br />

ter netanschluss. im Jahr 1995 hatte nur<br />

27% der Haushalte einen Com pu ter.<br />

Zur Zeit der Befragung hatte israel<br />

7.409.900 einwohner. davon waren<br />

75,6% jüdisch, 16,9% muslimisch, 2%<br />

waren Christen, 1,7% drusen und 3,8%<br />

wurden anderen Gruppen zugeordnet.<br />

Jerusalem ist jüngste Stadt<br />

Von den sechs Städten mit mehr <strong>als</strong><br />

200.000 einwohnern war Jerusalem die<br />

mit der jüngsten Bevölkerung. Rund<br />

44% der Bewohner waren jünger <strong>als</strong><br />

19 Jahre. das durchschnittsalter der<br />

Gesamtbevölkerung lag bei den män -<br />

nern bei 28 Jahren und bei den Frauen<br />

bei 30 Jahren. den größten Bevölke -<br />

rungsanteil machte laut der Tagesze i-<br />

tung ‘Jerusalem Post’ die Alters grup -<br />

pe der 0- bis 4-Jährigen mit 10% aus.<br />

die kleinste Bevölkerungsgruppe war<br />

die der über 85-Jährigen. diese machten<br />

1% der männer und 1,5% der<br />

Frauen aus.<br />

Rund 71% der jüdischen Bevölkerung<br />

wurden in israel geboren. Laut dem<br />

Bericht stammten 37,4% aus Fami li en,<br />

in denen bereits die eltern im Land<br />

zur Welt gekommen waren. 29,8%<br />

stammten von eltern ab, die in eu ro -<br />

pa geboren wurden, 15,8% von eltern<br />

aus Afrika und 12,5% von el tern aus<br />

Asien. mehr <strong>als</strong> vier Prozent kamen<br />

aus Familien, deren eltern in Ozea -<br />

nien oder nord-, mittel- und Süd -<br />

amerika geboren wurden.<br />

Muslimische Familien<br />

am kinderreichsten<br />

Gemäß der Volkszählung gebar eine<br />

muslimin im durchschnitt 3 Kinder.<br />

eine drusische Frau brachte etwa 2,7<br />

Kinder auf die Welt, eine Christin 2,2<br />

Kinder und eine jüdische Frau 2,1 Kin -<br />

der. israelische Frauen heirateten im<br />

durchschnitt mit 22 Jahren, bei den<br />

männern lag das durchschnittliche<br />

Hei ratsalter bei 25 Jahren.<br />

die erhebung wurde im Jahr 2008<br />

durchgeführt. Befragt wurden 400.000<br />

Haushalte, 250.000 israelis wurden<br />

zusätzlich per Telefon befragt. Ähnliche<br />

Volkszählungen gab es in den Jah -<br />

ren 1961, 1972, 1983 und 1995. inn<br />

Erstm<strong>als</strong> gleiche Geburtenrate<br />

bei jüdischen und arabischen<br />

Frauen in Jerusalem<br />

nur 21% der jüdischen einwohner Je -<br />

rusalems beschreiben sich selbst <strong>als</strong><br />

„nichtreligiös“. das gab das Zen tral -<br />

büro für Statistik anlässlich des Jeru -<br />

salemtages bekannt. Jerusalem ist mit<br />

derzeit rund 774.000 einwohnern is -<br />

ra els bevölkerungsreichste Stadt. Laut<br />

dem Bericht sind rund 492.000 davon<br />

Juden (63%) und etwa 268.000 mus li -<br />

me (34%). Zudem leben etwa 15.000<br />

Christen (knapp 2%) und rund 10.000<br />

menschen, die keiner Religion zugeordnet<br />

wurden, in der Stadt. etwa<br />

30% der jüdischen Bewohner über 20<br />

Jahren bezeichnen sich selbst <strong>als</strong> „Ha-<br />

redim“ (ultra-orthodox).<br />

Wie die Tageszeitung ‘Jediot Aharo -<br />

not’ unter Berufung auf das Jerusa lem<br />

institut für israel Studien berichtet,<br />

sind rund 50% der jüdischen Frauen<br />

berufstätig, aber nur 47% der männer.<br />

erstm<strong>als</strong> ist zudem die Geburtenrate<br />

bei jüdischen und arabischen Frauen<br />

gleich. Beide bringen im durchschnitt<br />

vier Kinder auf die Welt. Seit dem<br />

Jahr 1998 sank die Geburtenrate bei<br />

Ara berinnen beständig, während sie<br />

bei Jüdinnen stieg.<br />

inn<br />

Jerusalemer Straßenbahn<br />

vor dem Aus<br />

die Hauptfinanzierer des Jerusale mer<br />

Straßenbahnprojekts, Bank Hapoalim<br />

und Bank Leumi, haben ihre Finan zie -<br />

rung eingestellt, da die dafür verantwortliche<br />

Firma, CityPass, die das<br />

Bahn netz baut und betreiben wird,<br />

die Rückzahlung von ausstehenden<br />

43 mio. euro nicht tätigte.<br />

Von City Pass wurde mitgeteilt, dass<br />

das Finanzministerium die Gelder<br />

nicht überwies und deshalb das Pro -<br />

jekt ab ende mai gestoppt werden<br />

würde. das Finanzministerium wie -<br />

derum behauptet. dass die Firma nicht<br />

ihre Verpflichtungen erfüllt habe und<br />

ein Angebot, dies auf anderem Wege<br />

zu lösen, abwies. die inbetriebnahme<br />

der Straßenbahn war anfänglich für<br />

Februar 2009 geplant gewesen.<br />

Jerusalem für Kinder<br />

Welche Bedeutung hat<br />

Pattloch Verlag<br />

die Kla gemau er? Was<br />

geschieht in der Knes -<br />

set? Sol che und ähnliche<br />

Fra gen beantwortet ein<br />

Kin der buch, das Jungen<br />

und mädchen die israelische Haupt -<br />

stadt nahe bringen möchte.<br />

daniel darf die Osterferien bei seiner<br />

Groß mutter in Jerusalem verbringen.<br />

Sie ist Reiseführerin. Als sie einer<br />

Tou risten gruppe die Stadt zeigen soll,<br />

nimmt sie ihren enkel mit. Bei den er -<br />

kun dun gen begleitet sie ein Lö we - er<br />

ist das Wappentier Jerusa lems.<br />

mit viel Humor und hilfreichen erklä -<br />

run gen macht die israelische Au torin<br />

Shoham Smith die Kinder mit Se hens -<br />

würdigkeiten in Jerusalem ver traut.<br />

Wissenskästen ergänzen die informa -<br />

tionen der Touristenführerin.<br />

Aya Gordon-Noy hat die Handlung mit<br />

Bildern illustriert. ein kindgerechter<br />

Stadtplan und ein Würfelspiel sind in<br />

das Bilderbuch integriert.<br />

Pattloch Verlag - für Kinder ab 6 Jahren<br />

© Israelimages / Johan Schutte<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 31


JÜDISCHE WELT<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.<br />

Designerin Giuliana Coen<br />

Camerino verstorben<br />

die modewelt trägt Trauer: die preisgekrönte<br />

designerin Giuliana Coen<br />

Camerino ist am 10. mai <strong>2010</strong> im Al ter<br />

von 90 Jahren in Venedig verstorben.<br />

Camerino war während des Zweiten<br />

Weltkriegs von Venedig aus in die<br />

Schweiz geflüchtet und später zu ei -<br />

ner der bekanntesten designerinnen<br />

italiens avanciert. nach ihrer Rück -<br />

kehr nach Venedig 1945 gründete sie<br />

das modehaus „Roberta di Camerino“,<br />

das heute für seine Handtaschen, Le -<br />

derwaren und Accessoires bekannt ist.<br />

Bei Camerinos Begräbnis auf dem<br />

Jüdischen Friedhof am Lido waren<br />

führende mitglieder der jüdischen Ge -<br />

meinde und der Bürgermeister von<br />

Venedig anwesend.<br />

Sammlermünze zum Jerusalem-Tag<br />

israel veröffentlichte anlässlich des<br />

diesjährigen Jerusalem-Tages seine<br />

er s te goldene Sammlermünze. die<br />

münze mit einem nominalwert von<br />

20 Schekel wird zu einem dem jeweiligen<br />

Goldtagespreis angepassten Be -<br />

trag erhältlich sein. Am ersten Ausga -<br />

be tag lag der Wert bei 6,393 Schekel<br />

(1,373 euro).<br />

eine Seite der münze wird vom Lö -<br />

wen des Judah verziert, auf der anderen<br />

Seite ist ein flaches Relief vom Je -<br />

rusalemer Turm des david zu se hen.<br />

Sie ist die erste münze einer Serie mit<br />

dem namen „Goldenes Jerusa lem“.<br />

Burger King schließt Israel-Filialen<br />

die marke Burger King verlässt is ra el.<br />

Alle 55 Filialen werden noch in diesem<br />

Sommer geschlossen und nach<br />

der Renovierung <strong>als</strong> Israeli Burger Ranch<br />

wiedereröffnet, die bereits 52 Filialen<br />

in israel betreibt. Somit reiht Burger<br />

King sich in die Liste jener ame rika ni -<br />

schen Franchise-marken ein, die auf<br />

dem israelischen markt gescheitert<br />

sind: Weder Starbucks, noch Wen dy´s<br />

oder dunkin´ donuts konnten Her zen<br />

und Gaumen der israelis ero bern.<br />

Burger Ranch eröffnete seine erste is -<br />

ra el-Filiale bereits in den 1970ern.<br />

mc donald´s ist erst seit 1993 in israel<br />

vertreten.<br />

Holocaust-Mahnmal in Brünn<br />

die tschechische Stadt Brünn hat eine<br />

eigens gegründete Kommission mit<br />

der errichtung eines mahnm<strong>als</strong> zum<br />

Ge denken an die Opfer des Holo caust<br />

betraut. Während der nazi-Herr schaft<br />

waren etwa 12.000 Juden und Roma,<br />

die in der Stadt gelebt hatten, in Kon -<br />

zentrationslagern ermordet worden.<br />

Bis ende September soll es die ersten<br />

entwürfe für das mahnmal geben, das<br />

am Platz des 28. Oktober errichtet<br />

wird.<br />

Kanadische Gewerkschaft verweigert<br />

Kanada-Israel Briefmarke<br />

die Kanadische Postgewerkschaft<br />

verweigert ihre Zustimmung für die<br />

erste kanadisch-israelische Partner -<br />

brief marke. diese sollte zur Feier von<br />

60 Jahren guter Zusammenarbeit zwischen<br />

Kanada und israel erscheinen.<br />

Als Begründung führt die Gewerk -<br />

schaft an: „...wir sind verwundert über<br />

die Wertegemeinschaft mit einem Land,<br />

das beständig die Entscheidungen der<br />

Ver einten Nationen und des Weltge -<br />

richts hofs hinsichtlich der anhaltenden<br />

Okku pation von Westjordanland und<br />

Gaza ignoriert... Traurigerweise gibt es in<br />

Israel immer noch mehr <strong>als</strong> 20 Gesetze,<br />

welche die palästinensische Minderheit<br />

diskriminieren...“<br />

Auch die errichtung des Sicher heits -<br />

zauns u. ä. wird <strong>als</strong> Begründung<br />

angeführt.<br />

Jüdischer Friedhof in<br />

Griechenland geschändet<br />

Auf dem jüdischen Friedhof von<br />

Thessaloniki wurde am 13. mai ein<br />

Grab stein in Brand gesetzt. Außer dem<br />

wurden verschiedene Gräber und<br />

Fried hofswände mit Hakenkreuzen<br />

und antisemitischen Graffiti be -<br />

schmiert. drei Verdächtige wurden<br />

verhaftet.<br />

im vergangenen Jahr nahmen die an -<br />

ti semitischen Vorfälle in Griechen land<br />

deutlich zu.<br />

Griechisches Holocaust-Mahnmal<br />

enthüllt<br />

Als letzte europäische Hauptstadt<br />

enthüllte nun auch Athen ein mahn -<br />

mal für die Opfer des Holocaust – ein<br />

wichtiges Zeichen angesichts der vermehrten<br />

antisemitischen Übergriffe<br />

in Griechenland in letzter Zeit. Hoch -<br />

rangige Regierungsmitglieder, Bot -<br />

schaf ter und Repräsentanten der religiösen<br />

Gruppierungen Griechen lands<br />

waren bei der Zeremonie anwesend.<br />

der israelische Knessetsprecher Ruha -<br />

ma Avraham verlas eine kurze Gruß -<br />

botschaft.<br />

die Skulptur der Künstlerin Dianna<br />

Maghania zeigt einen zerbrochenen<br />

davidstern aus marmor <strong>als</strong> Symbol<br />

für das Leid, das die Juden während<br />

des Holocaust ertragen mussten.<br />

das intakte Zentrum des Sterns weist<br />

allerdings daraufhin, dass die Basis<br />

der jüdischen Seele und des jüdischen<br />

Volkes nicht zerstört worden ist, sondern<br />

diese vielmehr gestärkt und<br />

einig bestehen.<br />

Auch der Standort des mahnm<strong>als</strong> an<br />

der Kreuzung melidoni, ermou und<br />

efvoulou Straße ist von Bedeutung:<br />

Am 24. märz 1944 wurden hier 1.000<br />

Athener Juden, ein drittel der jüdischen<br />

Gemeinde von Athen, von den<br />

deutschen gefangen genommen. in<br />

Au schwitz starben zwischen 1941<br />

und 1944 65.000 griechische Juden.<br />

Heute leben nur noch 5.000 in Grie -<br />

chen land.<br />

Schachgroßmeister<br />

Andor Lilienthal gestorben<br />

der Schachgroßmeister Andor Lilien -<br />

thal ist im Alter von 99 Jahren in<br />

Budapest nach langer Krankheit verstorben.<br />

in moskau <strong>als</strong> Sohn ungarischer<br />

Juden geboren, besiegte er viele<br />

der besten Schachspieler der Welt und<br />

war der älteste noch lebende Groß -<br />

meis ter. er war <strong>als</strong> Kind mit seinen<br />

eltern von moskau nach Budapest<br />

emi griert, kehrte jedoch 1935 in seine<br />

Geburtsstadt zurück und wurde sowje<br />

tischer Staatsbürger. erst 1976 zog<br />

er wieder nach Budapest.<br />

Jüdischer Friedhof bei Prag<br />

geschändet<br />

Auf dem jüdischen Friedhof der<br />

32 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JÜDISCHE WELT<br />

tschechischen Stadt Pristoupim nahe<br />

Prag wurden zwischen 21. und 26.<br />

April mehr <strong>als</strong> 90 Grabsteine umgestoßen,<br />

zehn davon zerbrachen.<br />

der Friedhof geht auf die zweite<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück<br />

und wurde in den 1970ern renoviert.<br />

er wurde in den vergangenen Jahren<br />

bereits zwei mal von Vandalen heimgesucht<br />

und wird inzwischen nicht<br />

mehr <strong>als</strong> Begräbnisstätte genutzt.<br />

Jüdischer Friedhof in der Ukraine<br />

beschmiert<br />

26 Grabsteine auf einem jüdischen<br />

Fried hof in der Ukraine wurden mit<br />

antisemitischen Parolen beschmiert,<br />

berichtet die Website http://jewish.kiev.<br />

ua. mehrere tausend Juden sind dort<br />

begraben, der Friedhof wird allerdings<br />

bereits seit 1940 nicht mehr für<br />

Bestattungen verwendet.<br />

Konferenz über jüdische Identität in<br />

der Knesset<br />

Kadima-Oppositionsführerin Tzipi<br />

Liv ni hat es geschafft, dass in der<br />

Knesset eine Konferenz über jüdische<br />

identität stattfinden wird, an der zum<br />

ersten mal führende Juden aus allen<br />

Schichten teilnehmen werden: ultraorthodoxe<br />

und orthodoxe Juden, religiöse<br />

Zionisten und Reformjuden. die<br />

400 Teilnehmer werden über israels<br />

notlage und die einheit von Staat und<br />

Synagoge/Religion konferieren.<br />

Israelische Firma soll Japans Taxis<br />

umrüsten<br />

die israelische Firma Better Place<br />

wurde von der japanischen Regi e -<br />

rung ausgewählt, ein Pilotprojekt<br />

durchzuführen, das dahin abziehlt,<br />

die riesige Flotte von derzeit 60.000<br />

Taxis in Tokio auf elektroantrieb um -<br />

zurüsten. insbesondere die Taxis, die<br />

das zentrale Stadtviertel Tokios, Rop -<br />

pongi Hill, befahren, sollen per Strom<br />

betrieben werden. dazu sollen in dem<br />

Stadtviertel zahlreiche Auflade sta -<br />

tionen installiert werden. Japan hofft<br />

darauf, bis zum Jahr 2020 zumindest<br />

die Hälfte der neuen Autos auf den<br />

Straßen mit Strom zu betreiben.<br />

Bet ter Place ist die Firma in israel, die<br />

die idee von elektrisch angetriebenen<br />

Fahrzeugen verwirklichen will. in den<br />

nächsten zwei Jahren will sie vom<br />

Staat subventionierte Fahrzeuge mit<br />

Stromantrieb der Autofirmen Renault<br />

und nissan auf die Straßen bringen.<br />

Israelische Schokomünzen<br />

nun auch in Wal-Mart<br />

die israelische Süßwarenfirma Carmit<br />

Candy Industries Ltd. darf sich über<br />

einen 400.000 euro schweren Auftrag<br />

der US-Kette Wal-mart freuen: Car mit<br />

Candy wird die Amerikaner zu Weih -<br />

nachten mit seinen Schokomünzen<br />

versorgen.<br />

Herzl Straße in Beverly Hills<br />

Anlässlich von Theodor Herzls 150.<br />

Ge burtstag wurde am 2. mai eine<br />

Straße im kalifornischen Beverly Hills<br />

nach dem Begründer des modernen<br />

Zionismus benannt. dort befindet<br />

sich auch die Reformsynagoge „Temp -<br />

le emanuel“. der Bürgermeister der<br />

Stadt, Jimmy Delshad, hatte den<br />

Straßennamen vorgeschlagen, mit<br />

dem auch gleich zei tig Beverly Hills´<br />

israelische Schwes terstadt Herzliya<br />

geehrt werden soll.<br />

delshad ist der einzige US-Bür ger -<br />

meis ter iranisch-jüdischer Herkunft.<br />

Unabhängigkeitstag: Konsum von<br />

Grillfleisch und Hummus gestiegen<br />

An ihrem diesjährigen Unab hängig -<br />

keitstag haben die israelis deutlich<br />

mehr Fleisch und Hummus konsu<br />

miert <strong>als</strong> vor einem Jahr. Traditionell<br />

wird an dem Feiertag in den Parks des<br />

Landes gegrillt.<br />

„Wir sahen einen Zuwachs um das Zwei -<br />

einhalbfache beim Verkauf von ge fro renen<br />

Grillprodukten“, sagte der stellvertretende<br />

Präsident für marketing der<br />

Soglowek-Gruppe, Daniel Schabtai,<br />

damit bezog er sich auf die zwei<br />

Wochen vor dem Feiertag. insgesamt<br />

sei bei dem Fleischproduzenten ein<br />

Anstieg um 10 Prozent im Vergleich<br />

zum Vorjahr zu verzeichnen.<br />

die Firma „Adom Adom“ teilte ge -<br />

genüber dem Wirtschaftsmagazin<br />

„The marker“ mit, in der Woche des<br />

Jom Ha´Atzmaut habe sie doppelt so -<br />

viel Fleisch verkauft wie sonst in ei -<br />

Die internationale jüdische<br />

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ner Woche. im Vergleich zum Unab -<br />

hä n gigkeitstag 2009 habe es eine Zu -<br />

nahme um 30 Prozent gegeben.<br />

Auch Hummus und Salate erfreuten<br />

sich großer Beliebtheit. Beim Unter -<br />

neh men „miki delicatessen“ war fettarmer<br />

Hummus besonders gefragt. ins -<br />

gesamt hatte die Firma vor dem Fei er -<br />

tag 25% mehr Umsatz <strong>als</strong> im Vor jahr.<br />

Weine aus Samaria preisgekrönt<br />

Beim jährlichen „eshkol Hasahav“-<br />

Weinwettbewerb ge wan nen dieses<br />

Jahr Kellereien in Judäa und Samaria<br />

sieben Preise. insgesamt waren 251<br />

Weinsorten bei dem Wettbewerb zur<br />

Kritik der experten eingreicht worden,<br />

die diese in einem blinden Test<br />

kosteten. die Hararei Kedem Kellerei,<br />

die bei Jitzhar in Samaria liegt, erhielt<br />

sogar zwei Goldmedaillen und eine<br />

Silbermedaille für einen merlot, einen<br />

Cabernet Sauvignon und eine mi -<br />

schung von Cabernet und merlot. die<br />

Weine sind voll organisch und der<br />

eigentümer Ariel Ben-Shitrit ist sich si -<br />

cher, dass die einhaltung des Schmit -<br />

ta-Jahres – in dem alle Felder nicht be -<br />

arbeitet werden – auch zu dem Ge -<br />

winn beitrugen.<br />

Mehr Kinder lernen in religiösen<br />

Schulen<br />

immer mehr eltern melden ihre Kin -<br />

der auf orthodoxen Schulen an. doch<br />

79% der Juden in israel fordern, dass<br />

die orthodoxen Schulen sich an das<br />

Cur riculum halten und auch eng lisch,<br />

allgemeine Wissenschaft und ma the -<br />

matik lehren. drei Viertel der Schul -<br />

zeit wird in den religiösen Schulen<br />

Bibel und Talmud gelehrt.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 33


JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />

Am Anfang war das Pferd<br />

Muss Gedenken heute inszeniert werden,<br />

um überhaupt wahrgenommen zu werden?<br />

Wann wird die Inszenierung kon -<br />

traproduktiv? Und wie sieht die Zukunft<br />

des Gedenkens aus? „Wozu erinnern?<br />

Holocaustgedenken versus Gedenk-Events<br />

und Erinnerungs-Hype“ nannte sich eine<br />

Veranstaltung im Jüdischen Museum<br />

<strong>Wien</strong> Mitte März. Schlaglichter einer<br />

Diskussion.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Claudia Kuretsidis-Haider, Historike rin<br />

an der Zentralen österreichischen<br />

Forschungsstelle für nachkriegsjustiz,<br />

organisiert seit zehn Jahren eine Ge -<br />

denk fahrt nach engerau, heute Petr -<br />

zalka genannt und ein Stadtteil von<br />

Bratislava. in der nS-Zeit wurden auf<br />

diesem Gebiet große Rüstungs be trie -<br />

be er-, ende 1944 ein Lager für jüdische<br />

Zwangsarbeiter eingerichtet. Von den<br />

dort 2.000 inhaftierten starben mehrere<br />

hundert an erschöpfung oder Hun -<br />

ger oder wurden von den nazis getötet.<br />

ende märz 1945 wurde das Lager<br />

evakuiert, die insassen wurden zu Fuß<br />

nach Bad deutsch-Altenburg (nÖ)<br />

getrieben. dabei starben mehr <strong>als</strong> 100<br />

ungarische Juden. die Überlebenden<br />

wurden schließlich auf Schiffen do nau -<br />

aufwärts in das Konzentrations la ger<br />

mauthausen (OÖ) gebracht.<br />

Zwischen 1945 und 1954 wurden in<br />

ins gesamt sechs „engerau-Prozes sen“<br />

neun österreichische SA-männer be -<br />

ziehungsweise für das Lager zuständige<br />

politische Leiter von einem ös ter -<br />

reichischen Volksgericht zum Tod ver -<br />

ur teilt und schließlich hingerichtet.<br />

Bei der jährlichen Gedenkfahrt lässt<br />

Kuretsidis-Haider Opfer und Täter von<br />

dam<strong>als</strong> selbst zu Wort kommen, in dem<br />

Teilnehmer der Veranstaltung aus den<br />

Gerichtsprotokollen vorlesen. eine<br />

inszenierung, aber nicht spektakulär,<br />

meint Kuretsidis-Haider und beklagt<br />

ein wenig, dass diese Veranstaltung<br />

zwar immer viele Teilnehmer habe,<br />

aber kaum mediales echo hervorrufe.<br />

„Muss man Gedenken inszenieren?“,<br />

fragte sie daher Podium und Publi -<br />

kum. „Muss man Luftballons steigen lassen?<br />

Oder reicht eine Gedenktafel auch?“<br />

die Luftballons zogen sich wie ein ro ter<br />

Faden durch den Abend. die Ak ti on<br />

im Rahmen von „Letter to the Stars“<br />

wurde von den anwesenden ex per -<br />

ten durch die Bank kritisiert. Eva Blim -<br />

linger, Historikerin und For schungs -<br />

ko ordinatorin der Histori ker kom mission<br />

der Republik, etwa meinte, die<br />

inszenierung, um mit inhalten durchzudringen,<br />

sei ein allgemeines Phä -<br />

no men und nicht nur auf den Be reich<br />

des Gedenkens beschränkt. „Und dagegen<br />

wäre ja noch nichts einzuwenden.“<br />

Bedenklich werde es allerdings, wenn<br />

das marketing das Übergewicht be -<br />

komme und die inhalte in den Hin -<br />

tergrund treten. Und genau das sei<br />

bei dem Luftballon-Projekt passiert.<br />

Heidemarie Uhl, Historikerin an der<br />

Ös terreichischen Akademie der Wis -<br />

sen schaften, sprach sogar von einer<br />

„grundsätzlichen Krise des Gedenkens“.<br />

Allerdings: diese sei „das Ergebnis des<br />

Erfolgs“. die erinnerung an die Opfer<br />

der Shoah sei aus der Geschichts debatte<br />

in den achtziger Jahren hervorgegangen,<br />

ausgelöst durch die dis -<br />

kussion um die Kriegsvergangenheit<br />

des ehemaligen Bundespräsidenten<br />

Kurt Waldheim.<br />

ein weiteres ergebnis: der Holocaust<br />

stehe heute im Zentrum der Ge -<br />

schichte des 20. Jahrhunderts. Brau che<br />

die erinnerung aber nun neue For -<br />

men? Und welche Formen sprechen<br />

junge menschen an? Sie berichtete von<br />

einem Projekt, bei dem im Herbst<br />

Kro kus-Zwiebeln eingesetzt werden,<br />

im Frühjahr gehe dann die Saat auf,<br />

die Blumen blühen.<br />

„Wenn ich von diesem Krokus-Projekt<br />

hö re, kriege ich Magenweh“, warf Blimlinger<br />

ein. Gute Projekte seien solche,<br />

die auf Wissen basieren. „Und es gibt<br />

auch Gegenprojekte zu Krokussen“, so<br />

die Historikerin. in der Schule Kandl -<br />

gasse in <strong>Wien</strong>-neubau haben die<br />

Schüler recherchiert, was aus den 1938<br />

vertriebenen Schülern wurde. die<br />

„Ökonomie der Aufmerksamkeit“ werde<br />

mit einer Gedenktafel, einer Veran -<br />

stal tung im Bezirksmuseum und der<br />

Präsentation des daraus entstandenen<br />

Buches bedient.<br />

im Grunde habe ja die inszenierung<br />

1986 begonnen, fügte sie dann hinzu,<br />

denn die Waldheim-diskussion war<br />

zwar voll mit inhalten, „aber ohne das<br />

Pferd vom Hrdlicka wäre das nur die hal be<br />

Sache gewesen“. Auch heute werde das<br />

Pferd noch <strong>als</strong> Zeichen für die Wald -<br />

heim-Jahre zitiert. das weiße Ro sen-<br />

Projekt von „Letter to the Stars“, bei<br />

dem Blumen vor Häuser gelegt wurden,<br />

aus denen in der nS-Zeit men -<br />

schen deportiert wurden, lobte Blim -<br />

linger übrigens. „Das war ein viel differenzierteres<br />

Projekt“, hier sei die Um -<br />

set zung von inhalten „weitestgehend<br />

ge lungen“. Aber: je mehr sich die ini -<br />

tiative weiter gedreht hab, das nächste<br />

event immer das vorangegangene top -<br />

pen sollte, desto mehr sei es ab zu leh -<br />

nen gewesen. das sei eben auch die<br />

Falle der eventkultur.<br />

„Bei Krokussen und Luftballons kriege ich<br />

auch die Krise“, sagte Kuretsidis-Hai -<br />

der. Und meinte: „Nicht alles, was alt<br />

ist, ist schlecht“. Zu „Letter to he Stars“<br />

merkte sie an, dam<strong>als</strong> seien die el tern<br />

von Kindern im dokumen ta ti ons ar -<br />

chiv des Österreichischen Wi der stands<br />

(dÖW) „eingefallen, und ha ben begonnen<br />

wie wild zu recherchieren. Die Kin der<br />

waren total überfordert.“ Und dann sei<br />

das dÖW nicht einmal <strong>als</strong> Quelle an -<br />

ge geben worden.<br />

Sie habe aber auch ein Problem mit<br />

den „Stolpersteinen“. moderator Pe ter<br />

Huemer fügte hier hinzu: es gebe ein<br />

Für und Wider, mit den Steinen und<br />

den darauf geschriebenen namen wür -<br />

den diese Verstorbenen „wieder Teil un -<br />

seres Lebens“. Und wenn man den Text<br />

lesen wolle, müsse man sich nach vor -<br />

ne neigen, das sei auch „eine Form der<br />

Verneigung“. Kritiker würden be män -<br />

geln, dass man hier die Toten einmal<br />

mehr mit Füßen trete, Hunde da rauf<br />

ihr Geschäft verrichten, so Blimlinger.<br />

elisabeth Ben David-Hindler, initiato -<br />

rin der „Steine der erinnerung“ er -<br />

griff aus dem Publikum das Wort. „Es<br />

kann nicht um eine Konkurrenz der Erin -<br />

ne rungsprojekte gehen“, meinte sie,<br />

„alles ist eine Leistung zur Erinnerung“.<br />

die Steine würden oftm<strong>als</strong> auf Wunsch<br />

der Angehörigen gesetzt, und das Pro -<br />

jekt habe „eine irrsinnige Wirkung im<br />

zweiten Bezirk“, wo es bereits 105 Sta -<br />

ti onen gibt. „Wir haben hier innerhalb<br />

von fünf Jahren auf lokaler Ebene ein Be -<br />

wusstsein geschaffen.“<br />

nein, hielt Blimlinger entgegen, nicht<br />

alles, was es an Gedenken gebe, sei<br />

auch gelungen, wobei sie sich hier<br />

nicht auf die „Steine der erinnerung“<br />

bezog, sondern auf die Forderung,<br />

alles, was an Gedenken passiere,<br />

grund sätzlich gutzuheißen. Und: „Kri-<br />

tik an Gedenkprojekten muss zulässig sein<br />

so wie bei allen anderen Projekten auch“.<br />

34 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


Reisen mit einem<br />

besonderen Ziel<br />

JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />

Mit Schülern im<br />

Rahmen einer<br />

mehrtägigen Reise<br />

eine KZ-Gedenkstätte<br />

wie etwa Auschwitz<br />

zu besuchen, ist ein<br />

wichtiges, aber auch<br />

heikles Unternehmen.<br />

Durch spezielle Anbieter<br />

werden Lehrer dabei<br />

tatkräftig unterstützt.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Peter Larndorfer hat <strong>als</strong> Gedenkdiener<br />

seinen Zivildienst an der KZ Gedenk -<br />

stätte Auschwitz besucht. Für den<br />

Verein Gedenkdienst begleitet er nun<br />

Schulklassen bei so genannten Stu di -<br />

enfahrten nach Polen, die vom Verein<br />

angeboten werden. die Reaktionen<br />

der Jugendlichen vor Ort ist dabei<br />

nicht immer vorhersehbar. So meinte<br />

eine Schülerin in Birkenau: „Und ich<br />

werd‘ trotzdem Strache wählen“, erzählte<br />

Larndorfer im Februar bei einer Ver -<br />

anstaltung im Rahmen der Reihe<br />

„Über den Holocaust sprechen“, durch -<br />

geführt vom Jüdischem museum <strong>Wien</strong><br />

und der Holocaust education-Platt -<br />

form erinnern.at.<br />

Seine Reaktion darauf? „Ich war sehr<br />

perplex. Und es ist in dieser Situation si -<br />

cher nicht sinnvoll zu sagen, wie kannst<br />

du nur. Aber es hat mich sehr nachdenklich<br />

gestimmt. Grundsätzlich bietet es<br />

sich hier an, ruhig zu sagen, sprechen wir<br />

bitte nachher darüber. Das Gelände von<br />

Birkenau ist sicher nicht der geeignete<br />

Ort. Aber abends, da könnte man dann fragen:<br />

Wo siehst du den Zusammen hang?“<br />

damit hat Larndorfer ein Prinzip dieser<br />

Studienfahrten skizziert: jeder Tag<br />

wird mit einer Gesprächsrunde be -<br />

schlossen, in der die Jugendlichen die<br />

eindrücke ihres Tages Revue passieren<br />

lassen, aber auch Fragen stellen<br />

können. Und in dieser Reflexions run -<br />

de müsse auch Platz sein für Aussa -<br />

gen, die in einem anderen Kontext <strong>als</strong><br />

provokant empfunden werden würden.<br />

die Jugendlichen müssen hier<br />

die möglichkeit haben, wirklich alles<br />

zu fragen und zu sagen, was ihnen<br />

durch den Kopf geht.<br />

die Begleitpersonen der Studien fahr -<br />

ten versuchen dann, solche Aussagen<br />

in einen Kontext zu stellen. eine<br />

Schülerin mit rechtsextremem Hintergrund<br />

beispielsweise habe bei einer<br />

Fahrt gesagt, „aber haben nicht Juden<br />

andere Juden im Ghetto geschlagen?“ da -<br />

zu Larndorfer: „Ich habe das aufgenommen<br />

und sie gefragt, ‚wie haben diese Ju den<br />

geheißen?‘ und ‚wer hat sie eingesetzt?‘“<br />

Grundsätzlich hält Larndofer fest: den<br />

Jugendlichen zu vermitteln, nun habt<br />

ihr euch eine KZ-Gedenkstätte angeschaut<br />

und jetzt dürft ihr nicht mehr<br />

Strache wählen, das wäre der f<strong>als</strong>che<br />

Weg. Schüler zu kritischem denken<br />

zu ermutigen, sei das eine. Aber: „Kri-<br />

tisches Denken kann man nicht verordnen.“<br />

Und: es sei auch ein „altes Kon -<br />

zept, mit Rechtsextremen zu Gedenk stätten<br />

zu fahren“. Von einem Besuch an<br />

einer KZ-Gedenkstätte sei kein Wun -<br />

der zu erwarten. das oberste Prinzip<br />

müsse heißen: Freiwilligkeit. das<br />

gelte auch für Schüler.<br />

das betont auch Berta Pixner, sie ist<br />

für die pädagogische und psychologische<br />

Leitung von MoRaH (Verein<br />

March of Remembrance and Hope –<br />

Austria) zuständig. im Rahmen dieses<br />

Projekts nehmen jedes Jahr im Früh -<br />

jahr mehrere Schulklassen gemeinsam<br />

an einer Reise teil, die nach Polen<br />

führt und <strong>als</strong> Höhepunkt einen<br />

Schwei gemarsch von Jugendlichen<br />

und erwachsenen aus aller Welt von<br />

Birkenau nach Auschwitz vorsieht.<br />

ein gebettet ist diese Fahrt in eine vorund<br />

nachbereitende Auseinan derset -<br />

zung mit dem Thema Holocaust, so<br />

die Sprecherin von moRaH, Olivia<br />

Pixner-Dirnberger.<br />

im vergangenen Jahr sah sich moRaH<br />

mit einer besonders heiklen Situation<br />

konfrontiert: eine Schülergruppe aus<br />

der <strong>Wien</strong>er AHS Albertgasse provozierte<br />

bei der insgesamt viertägigen<br />

Reise „in unakzeptabler Art und Weise“,<br />

erzählt Pixner-dirnberger. die mitfahrenden<br />

Lehrer, die nicht am Vor be -<br />

reitungsprogramm teilnahmen, bekamen<br />

die Situation nicht in den Griff.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 35


JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />

die gesamte Klasse musste schließlich<br />

am Abend vor der eigentlich für<br />

den nächsten Tag angesetzten Abreise<br />

zurück nach <strong>Wien</strong> aufbrechen, damit<br />

es nicht zu weiteren Zwischenfällen<br />

kommen konnte. die Vorkommnisse<br />

wurden in den darauf folgenden Wo -<br />

chen medial breitgetreten.<br />

Pixner-dirnberger versucht dieser er -<br />

fahrung heute Positives abzugewinnen.<br />

„Mit diesen Jugendlichen kann jetzt<br />

einiges aufgearbeitet werden. Außer dem<br />

konnten wir darauf hinweisen, dass<br />

Antisemitismus kein Thema von Rand -<br />

grup pen ist.“ moRaH hat nun zudem<br />

im Projektablauf einiges verändert,<br />

damit sich eine solche Situation nicht<br />

mehr wiederholt.<br />

der jeweils im Januar stattfindende<br />

Vor bereitungsworkshop für die mitfahrenden<br />

Pädagogen wurde von ei -<br />

nem auf zwei Tage erweitert und ist ab<br />

diesem Jahr verpflichtend. Hier werden<br />

die Lehrer nicht nur mit dem Ab -<br />

lauf der Reise vertraut gemacht, sondern<br />

sie bekommen auch Anregun gen,<br />

wie sie den mehrmonatigen Vorbe reitungsunterricht<br />

gestalten können. Sie<br />

setzen sich mit dem eigenen Zugang<br />

zum Thema Holocaust auseinander<br />

und werden auf mögliche Reaktionen<br />

der Jugendlichen vorbereitet.<br />

die unmittelbare Konfrontation mit<br />

den Gräueln der nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Vernichtungsmaschinerie im<br />

Zug der Gedenkreise kann unterschiedlichste<br />

emotionale Reaktionen<br />

auslösen, so Berta Pixner. „Von Trauer<br />

über die Geschehnisse über Angst bis hin<br />

zu unermesslicher Wut auf das, was die<br />

Generation der Großeltern und/oder Ur -<br />

groß eltern anderen Menschen angetan hat -<br />

te. Auch ein Gefühl der Gleich gül tig keit,<br />

kann auftreten, was ein Zeichen massiver<br />

Abwehr einer kaum zu verarbeitenden<br />

emotionalen Wucht darstellt.“ ein be -<br />

sonderer Aspekt: welchen Zugang ha -<br />

ben Jugendliche mit migra tions hin -<br />

tergrund zur Shoah?<br />

Während der Vorbereitungszeit nimmt<br />

Pixner dann nochm<strong>als</strong> Kontakt mit<br />

den begleitenden Pädagogen auf, um<br />

sich auszutauschen, wie der Vorberei<br />

tungsunterricht läuft. So lässt sich<br />

unter anderem abschätzen, ob es mit<br />

dem einen oder anderen Schüler<br />

eventuell während der Reise zu<br />

schwie rigen Situationen kommen<br />

könnte, die dann auf der Fahrt – in<br />

Ko o peration mit den Lehrern – vom<br />

vierköpfigen psychosozialen Team<br />

von moRaH bewältigt werden können.<br />

nach der Reise arbeiten alle Schul -<br />

klassen ihre erlebnisse während der<br />

Fahrt in Projekten auf, die dann ge -<br />

meinsam im Rahmen einer Veran stal -<br />

tung im Parlament präsentiert werden.<br />

Auch der Verein Gedenkdienst hält<br />

die verpflichtende Vorbereitung auf<br />

solch eine Reise übrigens für unabdingbar.<br />

Während moRaH einmal im<br />

Jahr mit einer großen Gruppe – heuer<br />

waren es 322 Jugendliche und 46 Pä -<br />

da gogen – nach Auschwitz aufbricht,<br />

setzt der Verein Gedenkdienst allerdings<br />

auf kleine Gruppen, so der Lei -<br />

ter des Projekts Studienfahrten, Till<br />

Hilmar. Vor der Reise steht ein vorbereitender<br />

Workshop auf dem Programm,<br />

den die Vertreter des Gedenk -<br />

diensts an der Schule durchführen.<br />

Grundsätzlich hält Hilmar fest: der<br />

Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte<br />

wie Auschwitz ist nicht nur für Ju -<br />

gendliche anstrengend und schwierig.<br />

“Die massive Konfrontation mit einer<br />

traurigen und unbegreiflichen Geschichte<br />

wirft bei fast allen Fragen und Emotio nen<br />

auf, die ernst genommen und reflektiert<br />

werden müssen.“ dabei spiele sowohl<br />

auf Schüler- <strong>als</strong> auch auf Lehrerseite<br />

der biografische Hintergrund immer<br />

mit hinein. Und auch die Begleiter<br />

vom Verein Gedenkdienst würden<br />

ihre eigene Geschichte mitbringen.<br />

Gedenkstättenpädagogik sei daher<br />

nie m<strong>als</strong> etwas Statisches, laufe nie<br />

nach vorgegebenen Regeln. das<br />

wichtigste ist vielmehr: dass sich die<br />

begleitenden Personen immer rasch<br />

auf eine neue Situation einstellen und<br />

allen Teilnehmern die Hilfestellung<br />

beim er- und Aufarbeiten dieses<br />

schwierigen Themas geben, die sie<br />

brauchen.<br />

einig sind sich experten auch: dem<br />

The ma unter dem Titel „Kollek tivschuld“<br />

zu begegnen ist schwierig. in<br />

der gesamten Holocaust education<br />

hat sich daher das „Prinzip der kollektiven<br />

Verantwortung“ durchgesetzt.<br />

Wichtig ist zu begreifen, dass<br />

Auschwitz nur der endpunkt einer<br />

lan gen entwicklung war, so Larn dor -<br />

fer. Und wichtig ist auch zu verstehen,<br />

wie dam<strong>als</strong> mit minoritäten oder<br />

„den anderen“ umgegangen wurde<br />

und in der Folge den Zusammenhang<br />

mit dem Umgang mit anderen heute<br />

zu verstehen, so Berta Pixner, die zu -<br />

dem betont: „Bei der absoluten Mehr heit<br />

der Jugendlichen kommt diese Botschaft<br />

sehr gut an. Wir erleben sie <strong>als</strong> interessiert,<br />

sensibilisiert und am Ende des Projekts<br />

sehr beeindruckt von dem, was sie erlebt<br />

haben.“<br />

Aber, siehe eingangs: Antifaschismus<br />

kann nicht mit einer Reise, nicht mit<br />

einer Veranstaltung in die Köpfe der<br />

Jugendlichen eingepflanzt werden.<br />

Und, wie Larndorfer in Anlehnung<br />

an ein Zitat von Günter morsch,<br />

Gedenkstättendirektor in Sach sen hau -<br />

sen, bei der Veranstaltung im Jüdischen<br />

museum festhielt: KZ-Ge denk -<br />

stätten sind eben „keine antifaschistischen<br />

Durchlauferhitzer“.<br />

36 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JÜDISCHE WELT • SPORT<br />

Studienfahrten des Vereins<br />

Gedenkdienst<br />

Der Verein Gedenkdienst fährt mit Schul -<br />

klassen oder anderen Gruppen für drei<br />

bis 14 Tage u.a. zu Gedenk or ten nach Po -<br />

len, Tschechien oder Italien. Die Pro gram -<br />

me werden von den Vertretern des<br />

Vereins, die allesamt über eine entsprechende<br />

Ausbi l dung verfügen, im mer in -<br />

dividuell auf die Gruppe abgestimmt,<br />

Vor- und Nachberei tung gehören dazu.<br />

Wäh rend der Reise ist ein Mitarbeiter des<br />

Gedenkdiensts für maximal 15 Ju gend li -<br />

che zuständig, wobei auch Klas sen leh rer<br />

die Gruppe auf der Reise be treuen und<br />

emotional auffangen, wenn dies nötig ist.<br />

Während der Reise gibt es abends Re fle -<br />

xi onsrunden. Am Ende der Reise steht<br />

auch der Besuch einer Stadt auf dem Pro -<br />

gramm, die das heutige Le ben in dem<br />

jeweiligen Land zeigt (zum Beispiel ein<br />

Besuch Kra kaus nach einem Besuch der<br />

KZ-Ge denk stätte Au schwitz).<br />

Pro Teilnehmer ist bei einer dreitägigen<br />

Reise mit Kosten von 250 bis 300 Euro zu<br />

rechnen.<br />

www.studienfahrten.at<br />

March of Remembrance and Hope –<br />

Austria (MoRaH)<br />

Im Rahmen des Projekts MoRaH un ternehmen<br />

mehrere Schulklassen gleich zei -<br />

tig eine mehrtägige Ge schichts-, Ge denkund<br />

Begegnungs rei se nach Po len. Auf die -<br />

ser Reise werden die einzelnen Grup pen<br />

von Tourguides, psychosozialen Be treu ern,<br />

organisatorischen Reise bus lei tern und<br />

Zeitzeugen begleitet. Die Ju gend li chen<br />

kom men an unterschiedli chen Or ten zum<br />

Nachdenken und nehmen schließlich an<br />

der Gedenkveran stal tung „March oft he<br />

Living“ teil, die im ehemaligen Konzen tra -<br />

tionslager Au schwitz-Birkenau stattfindet.<br />

Außer dem haben sie die Möglichkeit, bei<br />

einer von MoRaH organisierten Begeg -<br />

nungs veranstaltung Jugendli che aus der<br />

ganzen Welt kennenzulernen.<br />

Im Vorfeld der Reise findet ein Work shop<br />

statt, der die Lehrer emotional und thematisch<br />

vorbereitet und An stöße für<br />

weiterführende Projekte gibt. Bei einer<br />

Ab schlussveran staltung präsentieren die<br />

Tei lnehmer dann ihre Projekte und be -<br />

richten über ihre Erfahrungen im Rah men<br />

des Projekts MoRaH.<br />

Jeder Schüler bezahlt 240 Euro, darüber<br />

hi naus anfallende Kosten werden mit tels<br />

Förderungen abgedeckt.<br />

www.morah.at<br />

Mit der Kraft des Glaubens<br />

Österreichs einziger jüdischer<br />

Eishockeycrack<br />

Unermüdlich fegt er übers eis, von<br />

der Verteidigungszone ins Angriffs -<br />

drit tel und wieder retour. er jagt je -<br />

dem Puck nach, checkt alles nieder,<br />

was ihm in die Quere kommt und ein<br />

gegnerisches Trikot trägt. Für nichts<br />

ist sich die 1,74 meter kleine Kampf -<br />

gelse zu schade. deshalb lieben sie<br />

ihn auf der Osttribüne, die hartgesottenen<br />

Fans der Vienna Capit<strong>als</strong>. er ist<br />

einer von ihnen – und doch ein Uni -<br />

kat. denn Rafael Rotter ist Österreichs<br />

einziger eishockeycrack jüdischen<br />

Glaubens.<br />

Letzter Mohikaner<br />

„Mein Opa war sehr dahinter, dass ich<br />

jüdisch erzogen werde“, sagt der im 2.<br />

Bezirk, dem einstigen Zentrum des<br />

<strong>Wien</strong>er Judentums, aufgewachsene<br />

Sohn eines aus der katholischen Kir -<br />

che ausgetretenen Journalisten und<br />

einer jüdischen Stewardess. „Jetzt bin<br />

ich das einzige männliche Familienmit -<br />

glied, das noch jüdisch ist.“<br />

in die Synagoge geht der 21-Jährige<br />

re- gelmäßig, doch nicht nur aus<br />

Glau bensgründen, wie er gesteht. es<br />

geht ihm auch um die soziale An -<br />

knüp fung an seine Wurzeln, darauf<br />

legt er großen Wert. Sein Umfeld war<br />

schließlich von frühester Kind heit an<br />

jüdisch geprägt. der Großva ter führte<br />

in der Großen Pfarrgasse eine koschere<br />

Flei schhauerei, für die Bar mizwa<br />

büffelte er jahrelang Hebräisch, dem<br />

Fußball jagte er bei maccabi <strong>Wien</strong><br />

nach. der art erfolgreich, dass selbst<br />

die Aus tria, ein Verein mit langer jü -<br />

discher Tra dition, um den jungen<br />

Knipser warb. Zu diesem Zeitpunkt<br />

hatte er sein Herz aber längst an<br />

Hart gummi und Kufen verloren.<br />

Rotters Volksschule war allerdings ka -<br />

tholisch orientiert. in der Grin zin ger<br />

neulandschule wurde er auch erstm<strong>als</strong><br />

mit Antisemitismus konfrontiert.<br />

„Kinder wissen oft nicht, was sie<br />

sagen, wollen dich nur irgendwie verletzen.“<br />

Zunächst setzte das Kraftpaket<br />

auf diplomatie, bei Unbelehrbaren<br />

half aber oft nur noch der Bodycheck<br />

- eine entschlossenheit, die ihn auch<br />

später im Berufsleben begleiten sollte.<br />

Kanadische Härte<br />

denn seine außergewöhnlichen Fä -<br />

hig keiten auf gefrorenem nass führten<br />

den Leopoldstädter vor vier Jah -<br />

ren nach Kanada, wo er schnell lernen<br />

musste, sich gegen körperlich überlegene<br />

Spieler durchzusetzen und je den<br />

Check voll durchzuziehen. „In Norda -<br />

me rika träumen hunderttausende Jugend -<br />

liche von einer Profikarriere. Hast du nicht<br />

den unbedingten Willen, besser zu sein<br />

und härter zu arbeiten <strong>als</strong> die anderen,<br />

bleibst du über. Da wurde mir erst be wusst,<br />

welch Privileg es ist, Eishockeyspieler zu<br />

sein. Deshalb genieße ich jetzt jede Mi -<br />

nute - auch im Training.“<br />

dass er überhaupt eine Laufbahn auf<br />

eis einschlagen konnte, hat er Patrick<br />

Smejda zu verdanken. Kaum konnte<br />

sich Klein-Raffi auf den Beinen halten,<br />

wurde er schon von seinem um fünf<br />

Jahre älteren Kindheitsfreund aufs<br />

Glatteis geführt. in jeder freien mi -<br />

nute schoben sie sich die Scheibe zu.<br />

Umso tiefer saß der Schock, <strong>als</strong> das<br />

damalige Supertalent des Ce <strong>Wien</strong> bei<br />

der Seilbahnkatastrophe von Kaprun<br />

im Jahr 2000 ums Leben kam. Seither<br />

verlangt Rotter zum Saison start stets<br />

Smejdas Rückennummer 23. „In <strong>Wien</strong><br />

war sie leider schon vergriffen.“ Statt -<br />

des sen spielt Rotter mit der nummer<br />

sechs und bildet mit Center Raimund<br />

divis und Left Winger Christian<br />

dolezal die einzig echte <strong>Wien</strong>er<br />

Angriffslinie der Caps.<br />

Glaubensgenossen traf er übrigens we -<br />

der in der erste Bank eishockey li ga<br />

noch während seiner drei Saisonen<br />

bei Guelph Storm in der Ontario Hockey<br />

League. Zumindest nicht be -<br />

wusst. „Aber in Kanada redet man auch<br />

nicht groß über seinen Glauben.“<br />

Starker Zusammenhalt<br />

„Die verschiedenen Kulturen mischen sich<br />

im Alltag einfach viel mehr durch <strong>als</strong> bei<br />

uns, es ist <strong>als</strong>o überhaupt kein Thema.“<br />

in <strong>Wien</strong>, so Rotter, verspüre die kleine,<br />

rund 7.000 Juden umfassende Ge mein -<br />

de ein wesentlich größeres Zu sam -<br />

mengehörigkeitsgefühl. Sein jü di scher<br />

Freundeskreis verkehrt haupt säch lich<br />

unter seinesgleichen: ehen et wa würden<br />

fast ausschließlich innerhalb der<br />

Glaubensgemeinschaft ge schlossen.<br />

er selbst sieht sich da <strong>als</strong> Ausnahme.<br />

„Allein durch das Eishockey sind 90<br />

Prozent meiner Freunde keine Juden.“<br />

Heiratskriterium sei die Religion für<br />

Rotter keine. Auf einen Punkt will er<br />

dennoch beharren: „Meine Kinder sollen<br />

unbedingt jüdisch erzogen werden.“<br />

Fehlt nur noch die dazugehörige Frau.<br />

Ersterscheinung:"Falter" Nr. 11/09,<br />

Tobias Wimpissinger<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 37


JÜDISCHE WELT • SPORT<br />

Fackel für die Europäischen Makkabispiele 2011 entzündet<br />

Bei den Gräbern der makkabäer wur -<br />

de am 1. April in modi’in (is rael) in<br />

einer feierlichen Zere monie die Fackel<br />

für die 13. europäischen makkabi -<br />

spie le (emG) entzündet, die im Som -<br />

mer 2011 in <strong>Wien</strong> stattfinden. Eyal<br />

Tiberger, Generaldirektor der maccabi<br />

World Union, zollte dabei dem ge -<br />

schichtsträchtigen Ort Respekt: in mo -<br />

di’in fand der Aufstand der mak ka -<br />

bä er statt. „Dieser Ort, die Fackel und<br />

diese Spiele sind Symbole des unzerstörbaren<br />

Geistes von Maccabi“.<br />

Über 100 Gäste fanden sich zu dem<br />

Fest akt ein: iKG-Präsident Ariel Mu -<br />

zicant nahm am entzünden der emG-<br />

Flamme ebenso teil wie iKG-Vize prä -<br />

sident Oskar Deutsch, er ist auch Vor -<br />

sitzender des Organisationskomitees<br />

der Spiele, Zvika Warshaviak, Vorsit -<br />

zen der des israelischen Olympischen<br />

Komitees sowie von maccabi israel,<br />

Gabriela Feigl, Kulturbeauftragte der<br />

Ös terreichischen Botschaft in israel,<br />

Gideon Eckhaus, Präsident der Österreichischen<br />

Pensionisten in israel, sowie<br />

Orit Lerer, direktor des Bereichs in ter -<br />

national Banking der Bank Hapoa lim<br />

und Sponsor der emG 2011 in <strong>Wien</strong>.<br />

Warshaviak hob die enge Verbindung<br />

zwischen der maccabi Bewegung in<br />

israel und der maccabi Bewegung in<br />

europa hervor. eckhaus betonte, wie<br />

wichtig die Aliyah nach israel sei, wies<br />

aber zugleich auf die jüdischen Ak ti -<br />

vitäten in <strong>Wien</strong> hin. Auch Tiberger<br />

schlug die Brücke nach Österreich: er<br />

würdigte die besonderen Leistungen<br />

legendärer Hakoah-Sportler, unter<br />

ihnen u.a. miki Hirschl, Gerda Gott -<br />

lieb, erich Feuer und Judith deutsch.<br />

Oskar deutsch, sichtlich von dem ge -<br />

schichtsbeladenen Ort ergriffen, erin -<br />

nerte in seiner Rede an den Begrün der<br />

des Zionismus, Theodor Herzl, und<br />

Teddy Kollek, langjähriger Bürger -<br />

meis ter von Jerusalem. „Beide Per sön -<br />

lichkeiten symbolisieren die Verbindung<br />

zwischen Israel und Österreich.“ er<br />

hoffe, dass die Flamme der emG 2011<br />

ihr endgültiges Ziel vor dem <strong>Wien</strong>er<br />

Rathaus im Juli 2011 zur feierlichen<br />

eröffnung der Spiele erreichen wer -<br />

de, betonte deutsch, und dadurch die<br />

Verbindung zwischen den beiden<br />

Staaten noch gestärkt werde.<br />

er kündigte zudem an, dass die Teil -<br />

nehmer in <strong>Wien</strong> neben den sportli -<br />

chen Wettkämpfen auch ein Kultur -<br />

pro gramm erwarte. dadurch solle<br />

einerseits der Holocaust nicht ins<br />

Vergessen geraten, andererseits die<br />

jüdische Gegenwart gezeigt werden.<br />

dass 60 Jahre nach der Shoa ein derartiges<br />

jüdisches Großereignis in <strong>Wien</strong><br />

stattfinden kann, dafür sei vor allem<br />

<strong>Wien</strong>s Bürgermeister Michael Häupl<br />

zu danken, betonte deutsch.<br />

die frisch entzündete Fackel nahm <strong>als</strong><br />

erste Elisheva Schmidt-Susz in emp fang.<br />

die gebürtige <strong>Wien</strong>erin hatte bereits<br />

an der 2. makkabiade 1935 teilgenommen.<br />

Kurz nach ihrer Rückkehr nach<br />

Österreich hatte sie sich einst zum<br />

Auswandern nach Palästina entschlossen,<br />

obwohl ihre eltern alles<br />

andere <strong>als</strong> begeistert gewesen waren.<br />

das Schicksal sollte die eltern eines<br />

besseren belehren: von israel aus<br />

konnte Schmidt-Susz das Leben ihrer<br />

mutter und ihres Vaters retten, indem<br />

sie für die beiden einen illegalen Ha -<br />

ko ah-Transport nach Palästina organisierte.<br />

in die Schar der illustren Fackelträger<br />

reihten sich zudem Alusch Berger und<br />

Peter Teichner, beide mitglieder des<br />

emG-Organisationskomitees, Paul<br />

Ha ber, amtierender Präsident der Ha -<br />

koah <strong>Wien</strong>, bei den emG 2011 für die<br />

38 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JÜDISCHE WELT • SPORT<br />

me dizinische Versorgung zuständig<br />

(der Sportmediziner betreute bereits<br />

zwei mal die österreichische olympische<br />

delegation) und früherer österreichischer<br />

Schwimmmeister, dessen<br />

Vater, Karl Haber, nach 1945 half, die<br />

Hakoah wiederaufzubauen, sowie<br />

Benni Haspel, Sohn von Judith<br />

deutsch-Haspel, eine der bekanntesten<br />

Schwim merinnen der Hakoah <strong>Wien</strong>.<br />

Sie sorgte für Aufsehen, <strong>als</strong> sie sich<br />

trotz einer nominierung weigerte,<br />

1936 an der Olympiade in Berlin teilzunehmen.<br />

die Konsequenzen waren<br />

hart: es wurden ihr alle nationalen<br />

Titel aberkannt. Haspel wanderte<br />

nach israel aus. erst 1995 entschuldigte<br />

sich das österreichische<br />

Parlament bei der Sportlerin und ließ<br />

ihre erfolge wieder in die Annalen<br />

eintragen. doch ihr mut wurde von<br />

anderer Seite auch geehrt: <strong>als</strong> eine der<br />

Athleten, die die Olympischen Spiele<br />

1936 in Berlin boy kottiert hatten,<br />

wurde sie in die in ter national Jewish<br />

Sport Hall of Fame aufgenommen.<br />

Als Oskar deutsch die Fackel übernahm,<br />

erklärte er feierlich: „Hiermit<br />

über nehme ich die Flamme der Makkabi<br />

Fackel der Europäischen Makkabi Spiele<br />

2011 in <strong>Wien</strong>.“ Paul Haber startete<br />

dann in Begleitung von Burschen<br />

und mädchen von Maccabi Tzair die<br />

erste Staffel des Fackellaufs. Beendet<br />

wur de die Zeremonie mit dem<br />

gemeinsamen Singen der Hatikvah –<br />

der erste Vorgeschmack auf die<br />

Spiele kommenden Sommer in <strong>Wien</strong>.<br />

möge die Fackel dann sicher in <strong>Wien</strong><br />

eingetroffen sein.<br />

„Lo mir alle klatschen in die Händ …“<br />

Vom 2. bis 5. mai fand in israel der 26.<br />

maccabi World Union Congress statt.<br />

diese alljährlich stattfindende Ver an -<br />

staltung, an der diesmal rund 200 Per -<br />

sonen teilnahmen, versammelt Re prä -<br />

sentanten der Länder der einzelnen<br />

maccabi Organisationen zur Re ka pi tu -<br />

lation der ereignisse und Akti vitäten<br />

des vergangenen Jahres (diesmal war<br />

ein ganzer Tag der manöverkritik der<br />

letzten maccabiah in israel gewidmet,<br />

sowie erfolgte der Startschuss zur Pla -<br />

nung der nächsten maccabiah), gegebenenfalls<br />

zur Wahl der Organe einer<br />

der weltweit größten jüdischen Orga -<br />

ni sation, aber auch einfach nur zur<br />

neuaufnahme- bzw. Vertiefung be ste -<br />

hender Kontakte. Parallel finden Ar -<br />

beitssitzungen zu relevanten Themen<br />

wie Richtlinien der education-Pro -<br />

gram me während makkabi Spielen,<br />

Vergaberichtlinien für Regionale Spie -<br />

le und ähnliches sowie Sitzungen der<br />

kontinentalen Organisationen (Ame-<br />

ri ka und Südamerika, Australien, eu -<br />

ropa) statt. Unter Anwesenheit der is -<br />

raelischen Sportministerin Limor Liv -<br />

nat schieden Jeanne Futeran, Süd afri -<br />

ka, in den letzten 8 Jahren Präsi den tin<br />

der Bewegung, sowie der Vor sitzende<br />

Igal Carmi, israel, von ihren Posten.<br />

Als neuer Präsident wurde Gui ora Es -<br />

ru bilsky, mexiko, gewählt, der neue<br />

Vorsitzende für die nächsten 4 Jahre<br />

ist Yair Hamburger, israel.<br />

die neuen europäischen Organe werden<br />

übrigens auf dem Kongress, der<br />

im Vorfeld der europäischen makka bi<br />

Spiele ebenfalls im november <strong>2010</strong> in<br />

<strong>Wien</strong> stattfindet, gewählt.<br />

Alusch Berger, Jair Zel manovics, Oskar<br />

Deutsch und ich selbst (3.v.li) waren<br />

vor Ort und nutzten die Gelegenheit<br />

zu bilateralen Gesprächen im Vorfeld<br />

der Spie le mit Vertretern fast jeden<br />

Lan des. Vor allen Teilnehmern fanden<br />

Präsen ta tio nen zum derzeitigen Stand<br />

der Or ganisation der Regionalen<br />

Spie le statt. Unsere Freunde aus<br />

Australien, wo die 2. maccabi Austra -<br />

lia interna tio nal Games vom 26.12.<br />

<strong>2010</strong> bis 2.01.2011 stattfinden, beeindruckten<br />

mit einem sehr professionellen<br />

Film der Lust auf den Jahres wech -<br />

sel in Sydney machte.<br />

im Anschluss begrüßte Dr. Ariel<br />

Muzicant per Videobotschaft im na -<br />

men der israelitischen Kultusge mein -<br />

de alle Kongressteilnehmer und lud<br />

sie zum Besuch in <strong>Wien</strong> im Juli 2011<br />

ein. Anschließend informierte Oskar<br />

deutsch in einer kurzen Rede über<br />

den aktuellen Status der Organisation<br />

der 13. europäischen makkabispiele<br />

in <strong>Wien</strong> –wir sind übrigens sehr gut<br />

in der Zeit – und dann kam der Knal ler.<br />

André Wanne hatte für uns einen Film<br />

zu den Sportstätten und Hotels vorbereitet.<br />

die beeindruckenden Bilder<br />

zogen die bereits ziemlich übermüdeten<br />

delegierten (es war mittlerweile<br />

18 Uhr und 8 Stunden Kongress lagen<br />

hinter ihnen) in ihren Bann. doch das<br />

ihre tat die unterlegte musik – Ra -<br />

detz kymarsch und Co, österreichische<br />

Klänge par excellence – ließen den<br />

gan zen Raum im Takt zum Film mitklatschen<br />

und die für sich allein<br />

schon wunderbaren Bilder noch besser<br />

zur Geltung kommen. Ganz be -<br />

son ders das bisher unvergleichbar ho -<br />

he niveau der Hotels hinterließ einen<br />

bleibenden eindruck. Auch die T-Shirts<br />

mit dem Aufruf „European Maccabi<br />

Games 2011 Vienna – Be part of it!“, die<br />

an jeden delegierten verteilt wurden<br />

trugen zur bleibenden erinnerung bei.<br />

nicht zuletzt entschloss sich Kanada<br />

aufgrund dieser Bilder und Klänge,<br />

ebenfalls eine delegation nach <strong>Wien</strong><br />

zu schicken.<br />

das Ziel der Teilnahme am Kongress,<br />

information über den Stand der Spie -<br />

le zu vermitteln, marketing dafür zu<br />

betreiben und so viele europäische<br />

Län der (und auch ein paar nicht-eu ro -<br />

päische Gäste) wie möglich zur Teil -<br />

nahme zu gewinnen, war somit mehr<br />

<strong>als</strong> erreicht und die österreichische<br />

de legation konnte mit detaillierteren<br />

informationen zu den teilnehmenden<br />

Ländern wieder nach <strong>Wien</strong> zurück<br />

kehren.<br />

Mag. Julius Dem<br />

Gener<strong>als</strong>ekretär der europäischen<br />

makkabispiele 2011 in <strong>Wien</strong><br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 39


KULTUR • INLAND<br />

„Ganz schön f<strong>als</strong>ch“<br />

klangen die Stimmen bei der Restitution von geraubten<br />

Kunstwerken befindet Otto Hans Ressler, Direktor der <strong>Wien</strong>er<br />

Kunstauktionen im Palais Kinsky, im Gespräch mit<br />

MARTA S. HALPERT<br />

KULTUR<br />

Gemeinde: Sie nennen Ihr neuestes Buch<br />

„Das Mädchen mit dem Hut“ im Un ter -<br />

titel „Die wahre Geschichte eines fiktiven<br />

Bildes“. Dabei steht sowohl das Leben<br />

Egon Schieles <strong>als</strong> auch das vertriebene und<br />

vernichtete jüdische Mäzenatentum im<br />

Zentrum des Geschehens. Warum ha ben<br />

Sie dieses Buch geschrieben?<br />

Ressler: ich schreibe ununterbrochen,<br />

ein Großteil meines Berufes besteht<br />

aus Schreiben. doch bevor ich Sach -<br />

bücher über Kunstthemen verfasste,<br />

veröffentlichte ich auch Belletristik.<br />

nach meinen Büchern über den<br />

Kunst markt, lag mir diese Geschichte<br />

einfach am Herzen.<br />

Was meinen Sie damit konkret?<br />

Besonders in den letzten Jahren, seit<br />

ich Geschäftsführer des <strong>Wien</strong>er Auk -<br />

ti onshauses „im Kinsky“ bin, habe<br />

ich eine menge erlebt und gesehen.<br />

Vor allem die erfahrungen, die ich mit<br />

den Betroffenen - <strong>als</strong>o den beraubten<br />

und vertriebenen jüdischen men schen<br />

– durch zahlreiche Gespräche ge -<br />

macht habe, fließen in das Buch ein.<br />

Es klingt nach einer sehr engagierten Ab -<br />

rech nung mit dem österreichisch-bürokratischen<br />

Umgang mit dem Thema der<br />

so genannten Arisierung – <strong>als</strong>o des brutalen<br />

Raubes jüdischen Eigentums – der<br />

zögerlichen Rückgabegesetzgebung und<br />

der Kunstrestitution der letzten 15 Jahre.<br />

Es muss Ihnen sehr viel bei diesem Kom -<br />

plex unangenehm aufgestoßen sein?<br />

Ja, das stimmt. ende der 80er hat Jah re<br />

Ronald Lauder vom Bundesdenk mal -<br />

amt die erlaubnis bekommen, einige<br />

Werke von Gustav Klimt und egon<br />

Schiele auszuführen. das verursachte<br />

einen Riesenaufschrei. ich ha be mir<br />

die Stimmen genau angehört, und da<br />

klangen einige ganz schön f<strong>als</strong>ch.<br />

denn in Wirklichkeit müsste jeder<br />

vernünftig denkende und demokratische<br />

mensch es eigentlich begrüßen,<br />

wenn österreichische Kunst nicht nur<br />

in Österreich, sondern auch im Aus land<br />

vertreten ist. es ist ja vielmehr das Pro -<br />

blem, dass österreichische Kunst im<br />

Ausland unterrepräsentiert ist. Und<br />

zwar wegen eines Gesetzes, das ziemlich<br />

dumm ist, nämlich das Ausfuhr ver -<br />

botsgesetz für Kunst- und Kul tur gut.<br />

das war für mich auch der Anlass zu<br />

überlegen, warum klingen da einige<br />

Stimmen so schrill. es war dann relativ<br />

nahe liegend, dass nicht das Weg -<br />

schleppen österreichischer Kultur die<br />

Aufregung verursacht hatte, sondern<br />

nur der Umstand, dass dies durch ei -<br />

nen Juden geschah. diesen Quellen<br />

zufolge wurden Werke von „Österreichern<br />

ausverkauft“.<br />

Wurden Sie erst durch diese antisemitischen<br />

Töne auf die Thematik aufmerksam?<br />

Ja, das war für mich schon der An -<br />

lass, da besser hinzuschauen. denn in<br />

den Folgejahren, <strong>als</strong>o bis etwa 1997-<br />

98, waren auch wir im <strong>Wien</strong>er doro -<br />

the um mit beträchtlicher Blindheit<br />

geschlagen. die Problematik war uns<br />

gar nicht bewusst, wir waren einfach<br />

blöd. Wir haben voller Stolz im Kata -<br />

log bei diversen Porzellanobjekten aus<br />

der „Sammlung Rothschild“ an ge -<br />

geben. erst 1998 ist die Problematik<br />

nachvollziehbar geworden. Seither<br />

ge hen wir ganz anders damit um.<br />

Meinen Sie nur das Dorotheum oder Ihr<br />

privates Auktionshaus „Im Kinsky“?<br />

Soviel ich weiß, hat das dorotheum<br />

auch alle Unterlagen durchforstet und<br />

ist in Zweifelsfällen sehr vorsichtig ge -<br />

worden. ich habe mit meinen Part nern<br />

1992 die Kunst Auktionen GmbH im<br />

Palais Kinsky gegründet. da wird je -<br />

des Werk akribisch überprüft und so -<br />

fort von einer Auktion zurückgezogen,<br />

wenn der leiseste Verdacht auf nS-<br />

Raubgut auftaucht.<br />

Warum, glauben Sie, hat es so lange<br />

gedauert, bis sich die Erben gemeldet<br />

haben?<br />

es hat sehr viele Fälle seither gegeben,<br />

wo sich die erben von Beraubten - zu -<br />

meist ermordeten - an uns gewendet<br />

haben. Am Anfang konnte ich auch<br />

nicht verstehen, warum es so lange<br />

ge dauert hat. Aber in der Zwi schen -<br />

zeit weiß ich es: die erste Generation<br />

konnte es nicht sein, denn die ist tot.<br />

die zweite war zu traumatisiert, da -<br />

her wurde erst die dritte Generation<br />

aktiv.<br />

Herrscht das Ressentiment noch vor, dass<br />

die zurückgegebenen Gegenstände von<br />

den Erben nicht behalten, sondern ge -<br />

winnbringend zu Geld gemacht werden?<br />

die Stimmungslage ist etwas besser<br />

ge worden, weil die menschen auch<br />

langsam verstehen, dass das Geld sehr<br />

selten eine Rolle spielt. Ausschließen<br />

kann man es natürlich nie. Aber in<br />

den Gesprächen mit den Familien<br />

spürt man, wie sehr sie auf der Suche<br />

nach ihren Wurzeln, nach Spuren<br />

ihrer Vergangenheit sind. manchmal<br />

stößt man auf so unglaubliche Ge -<br />

schich ten.<br />

40 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


KULTUR • INLAND<br />

Sie haben davon einige in Ihrem Buch<br />

verewigt.<br />

Ja, ich habe die namen geändert, aber<br />

die Fälle hat es alle gegeben. Auch die<br />

bösen Tricks der Ariseure habe ich<br />

beschrieben. Zum Beispiel, jenen mit<br />

der f<strong>als</strong>chen Kontonummer: das versprochene<br />

Geld für die Familie eines<br />

Postkartenverlegers wurde mit Wis sen<br />

der Bank auf eine nummer gutgeschrieben,<br />

die nicht existierte. So hat -<br />

te der Ariseur zwar eine Zahlungsbe<br />

stätigung, das Geld konnte aber nie<br />

ankommen. Und die menschen, die<br />

auf das Geld gewartet haben, um sich<br />

freizukaufen, um überleben zu können,<br />

haben das Geld nie gesehen.<br />

Wofür hätte der Postkartenverleger das<br />

Geld bekommen sollen?<br />

der Postkartenverleger war gar kein<br />

Sammler im herkömmlichen Sinn. die<br />

Kunstwerke dienten vornehmlich <strong>als</strong><br />

Arbeitsmaterial, das waren Vorlagen<br />

für die Postkarten. Bei uns im Kinsky<br />

ist das erste von 1000 Werken aufgetaucht,<br />

ein Blumenbild von Olga Wi -<br />

sin ger-Florian. Und da frage ich mich,<br />

wo sind die anderen 999?<br />

das ist schon niederschmetternd. die<br />

Familie Kohn hat in der Zwischenzeit<br />

alle noch vorhandenen Unterlagen zu -<br />

sammengetragen. Alles ist weg, alles<br />

wurde gestohlen, aber eben nicht von<br />

den nazis selbst, sondern von einem<br />

einzigen nazi allein, der sich alles un -<br />

ter den nagle gerissen hat und mit al -<br />

len Objekten verschwunden war, be -<br />

vor die nS-Behörden irgendetwas be -<br />

schlagnahmen konnten. dieser nazi<br />

ist mit 1000 Bildern verschwunden.<br />

Was ist mit dem Bild von Wisinger-Flo ri an<br />

geschehen?<br />

Zehn Jahr bevor es bei uns in die Auk -<br />

tion kam, war es in einem englischen<br />

Auktionshaus gewesen. die einbrin -<br />

ger und die erben haben miteinander<br />

verhandelt und beide waren am er geb -<br />

nis beteiligt. Oft ist eine Auktion der<br />

einzige Weg, um eine zurückgegebenes<br />

Kunstwerk gerecht „aufzuteilen“.<br />

Sie schreiben im Kapitel „Restitu tion“:<br />

....auch die IKG in <strong>Wien</strong> unterließ es, nach<br />

den tatsächlichen Eigentümern zu forschen.“<br />

Was meinen Sie damit konkret?<br />

Seit 1996 steht ja fest, dass die bei der<br />

mauerbach-Auktion versteigerten Ge -<br />

genstände großteils nicht „herrenlos“<br />

waren, sondern deren Besitzer aufgrund<br />

von Aufschriften und Aufkle -<br />

bern auf der Rückseite der Gemälde in<br />

vielen Fällen eruierbar gewesen wä ren<br />

und sind. da hat man doch etwas zu<br />

wenig unternommen.<br />

Wie reagieren die Besitzer von geraubten<br />

Kunstwerken, wenn sie die problematische<br />

Vorgeschichte erfahren?<br />

mit den Privaten, die in Anführungs -<br />

zei chen „völlig unschuldig“ in den<br />

Be sitz eines gestohlenen Bildes ge kom -<br />

men sind, kann man zumeist reden,<br />

verhandeln. denn auch wenn dieser<br />

Personenkreis von der österreichischen<br />

Gesetzgebung nicht im min des ten<br />

bedroht ist, das diebsgut wieder herausgeben<br />

zu müssen, tun es viele für<br />

ihre Seelenruhe. „Teilen wir doch“,<br />

sagen manche und dann suchen wir<br />

einen Schlüssel für die Aufteilung.<br />

eine Frau sagte mir unlängst: „Ich weiß,<br />

ich darf es behalten, niemand kann mich<br />

daran hindern. Aber seit ich die Ge schichte<br />

des Bildes kenne, fühle ich mich damit<br />

nicht mehr wohl. Jedes Mal, wenn ich es<br />

ansehe, kommt mir alles hoch.“<br />

Das scheint auf Professor Rudolf Leopold<br />

nicht zuzutreffen. Der sieht das ganz an -<br />

ders, oder?<br />

Professor Leopold ist da eine Spezial-<br />

Angelegenheit. er ist ja der großzü -<br />

gig ste und sozi<strong>als</strong>te mensch, den ich<br />

ken ne.<br />

In welcher Hinsicht meinen Sie das?<br />

Professor Leopold nimmt sich für je -<br />

der mann alle Zeit der Welt, um Kunst<br />

zu erklären. ich konnte das bei La ger -<br />

ar beitern, bei kleinen Schreibkräften<br />

beobachten. ich habe auch erlebt, wie<br />

er einige male nach oben getreten hat:<br />

erhard Busek schimpfte er einen idio -<br />

ten, weil die Beleuchtung eines Bildes<br />

nicht gepasst hat. Aber nie hat er auf<br />

jemanden hingetreten, der in der so -<br />

zialen Hierarchie unter ihm stand.<br />

Als er das erste mal mit mir zusam -<br />

mengekracht ist, dachte ich mir, jetzt<br />

nimmt er mich ernst. Professor Leo -<br />

pold ist in seiner Sammlerleide n schaft,<br />

die sein ganzes Leben dominiert,<br />

nicht in der Lage, einen Schritt zu -<br />

rück zutreten und das in einer etwas<br />

objektiveren Weise zu sehen. ich glau -<br />

be allerdings, dass es letztendlich zu<br />

Rückgaben oder zumindest zu finanziellen<br />

entschädigungen kommen<br />

wird.<br />

Was bestärkt Sie darin?<br />

da spielen mehrere dinge zusammen.<br />

er geht davon aus, dass er der einzige<br />

legitime Sammler dieser Arbeiten ist,<br />

und wenn sie jemand anderer in die<br />

Hände bekommt, hat das schon et -<br />

was Anrüchiges. er ist ein Sammler,<br />

wie es wahrscheinlich nur wenige gibt,<br />

und er wird in einem Ausmaß davon<br />

dominiert, dass man ihm einiges<br />

nachsehen muss.<br />

Professor Dr. Hans Weinprecht alias Ru -<br />

dolf Leopold ist in ihrer Erzählung un -<br />

schwer zu erkennen. Glauben Sie, dass er<br />

sich im Zusammenhang mit der Ausei n an -<br />

dersetzung um die 1998 beschlagnahmte<br />

„Bildnis Wally“ und „Tote Stadt III“<br />

richtig verhalten hat und verhält?<br />

er ist sich schon im Klaren, dass er in<br />

so manchen interviews gewisse din ge<br />

besser nicht gesagt hätte. es gehen bei<br />

ihm in kürzester Zeit die nerven durch<br />

und er sieht nur mehr Räuber, die ihm<br />

sein eigentum wegnehmen wollen.<br />

Wird es in der Zukunft noch spektakuläre<br />

Restitutionsfälle geben?<br />

Vielleicht nicht ganz so spektakuläre<br />

wie in den letzten Jahren, die museen<br />

haben schon vieles aufgearbeitet. Aber<br />

das Thema wird uns noch lange be -<br />

glei ten. denken Sie nur daran, dass<br />

etwa 60.000 Wohnungen jüdischer<br />

mit bürger ausgeraubt worden sind.<br />

es handelt sich hier um zigtausende,<br />

vielleicht sogar hunderttausende<br />

Kunst objekte, die gestohlen worden<br />

sind – und beileibe nicht nur von den<br />

nazis, sondern auch von freundli -<br />

chen nachbarn.<br />

Biographie:<br />

Otto Hans Ressler, geboren 1948 in Knit tel -<br />

feld, Steiermark, war von 1978 bis 1986 Di -<br />

rek tor des Grazer Dorotheums, danach bis<br />

1992 Direktor der Kunstab tei lung des Wie -<br />

ner Dorotheums. Seit 1993 ist er ge -<br />

schäftsführender Gesell schaf ter der im Kin -<br />

sky Kunst Auktionen GmbH.<br />

Bücher:<br />

„Der Markt der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2001<br />

„Die Preise der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2004<br />

„Der Wert der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2007<br />

„Das Mädchen mit dem Hut“- Die wahre<br />

Geschichte eines fiktiven Bildes“,<br />

Böhlau <strong>Wien</strong> 2009<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 41


„JUDEN, CHRISTEN<br />

UND MUSLIME“<br />

Eine Ausstellung in der<br />

Nationalbibliothek dokumentiert<br />

den Kulturtransfer in<br />

alten Schriften<br />

VON ANITA POLLAK<br />

das mittelalter war gar nicht so fins -<br />

ter, wenn wir unsere Gegenwart be -<br />

trachten.<br />

ein Schluss, der sich beim Besuch e i -<br />

ner Ausstellung ziehen lässt, die derzeit<br />

im Prunksaal der Österreichischen<br />

nationalbibliothek zu sehen<br />

ist. Aus den unzähligen Kostbar kei -<br />

ten der Bestände werden diejenigen<br />

ausgestellt, die das gewählte Thema –<br />

„Interkultureller Dialog in alten Schrif -<br />

ten“ - nicht nur aufs Prachtvollste<br />

illustrieren, sondern in ihrer Ge samt -<br />

heit auch eindrucksvoll beweisen.<br />

Bereits vor über tausend Jahren gab<br />

es einen regen Austausch von Wissen<br />

zwischen den Kulturen und den Re li -<br />

gionen. Juden, Christen und muslime<br />

standen in einem intensiven dialog<br />

miteinander, vor allem was ihre er -<br />

kenntnisse auf den Gebieten medizin,<br />

Astronomie und Astrologie betraf<br />

und sie verstanden einander, auch weil<br />

sie versuchten, sprachliche Barrieren<br />

zu überwinden. Und überall dort, wo<br />

diese Kommunikation gelang, war sie<br />

nicht nur zum Vorteil aller Beteilig ten,<br />

sondern führte geradewegs in eine<br />

kulturelle Hochblüte.<br />

KULTUR • INLAND<br />

dokumente aus den vier großen<br />

Schrift kulturen, der griechischen, lateinischen,<br />

arabischen und hebräischen,<br />

bezeugen bis heute, dass die<br />

geistige Landschaft europas nicht<br />

durch nationale oder religiöse Gren -<br />

zen eingeengt war. Vielmehr scheint<br />

ein Klima der gegenseitigen Toleranz<br />

und Achtung einen Kulturtransfer<br />

ermöglicht zu haben, der „den Aus -<br />

gangspunkt der neuzeitlichen Wissen -<br />

schaften in Europa“ bildete, wie Gene -<br />

ral direktorin Johanna Rachinger betonte.<br />

dass mit dem gestellten Thema auch<br />

ein denkanstoß in Richtung „unserer<br />

gegenwärtigen gesellschaftspolitischen<br />

Situation“ intendiert war, wurde bei<br />

der feierlichen eröffnung der Schau<br />

deutlich.<br />

So spannte die designierte Leiterin<br />

des Jüdischen museums, Danielle<br />

Spera, in ihrer Festrede den Bogen vom<br />

„Goldenen Zeitalter“ im Andalusien<br />

des frühen mittelalters bis zum fins -<br />

teren „Abendland in Christenhand“.<br />

der große jüdische Arzt und Philo -<br />

soph moses maimonides (1135-1204),<br />

den sie <strong>als</strong> Beispiel hervorhob, verkörperte<br />

in seinem Leben und Wirken<br />

die Toleranz jener Zeit, ja er wurde<br />

geradezu eine Symbolfigur für diese<br />

fruchtbare Symbiose der Kulturen. So<br />

verfasste er z.B. die Sanhedrin-misch -<br />

na in arabischer Sprache, aber mit he -<br />

bräischen Buchstaben. in seinen späten<br />

Jahren war er nicht nur der Arzt des<br />

legendären Sultan Saladin, sondern<br />

gleichzeitig auch der Vorsteher der<br />

jüdischen Gemeinde in Kairo.<br />

Ob das viel gepriesene friedliche Zu -<br />

sam menleben von Juden, Christen<br />

und muslimen im Schmelztiegel von<br />

Cordorda, dem Geburtsort des maimonides,<br />

heute nicht vielleicht ge -<br />

nau so ein mythos ist, wie das tolerante<br />

miteinander der Religionen im Habs -<br />

burgerreich und im <strong>Wien</strong> des Fin-de-<br />

Siècle, diese Fragen stellte Spera un -<br />

ter vielen anderen zur diskussion.<br />

die Fremden, die einwanderer, nicht<br />

<strong>als</strong> eindringlinge, sondern <strong>als</strong> Berei -<br />

che rung zu betrachten, dazu forderte<br />

auch Bildungsministerin Claudia<br />

Schmied in ihrer eröffnungsrede auf.<br />

die Hälfte aller österreichischen Schul -<br />

kinder kommen, wie sie feststellte,<br />

aus einem nicht deutschsprachigen<br />

elternhaus, was nicht <strong>als</strong> Bedrohung,<br />

vielmehr <strong>als</strong> Chance zu sehen sei.<br />

Um die Bedeutung der Sprachen zum<br />

Verstehen der Kulturen wusste man<br />

schon im mittelalter. Frühe Übersetzungen<br />

aus den Schriftsprachen und<br />

etwa ein Buch zum Lernen des hebräischen<br />

Alphabets mit lateinischer<br />

Schrift werden <strong>als</strong> Beispiele gezeigt.<br />

den bedeutenden jüdischen Anteil an<br />

den vor allem in Spanien, italien und<br />

Frankreich ausgeführten Übersetzungen<br />

betont der Ausstellungskurator<br />

Andreas Fingernagel im reich bebilderten<br />

Katalog.<br />

es gab <strong>als</strong>o offenbar kaum Berüh -<br />

rungs ängste zwischen den Religio nen,<br />

zumindest nicht unter den damaligen<br />

intellektuellen, wofür die Schau<br />

pracht volle Beweisstücke in alten<br />

Hand schriften und frühen drucken<br />

liefert, die ebenso den Reichtum des<br />

damaligen Wissens spiegeln. ein<br />

absolutes Highlight, der so genannte<br />

„<strong>Wien</strong>er dioskurides“, ein mindestens<br />

1500 Jahre altes, reich illustriertes<br />

Pflanzenbuch, wird nur kurz im Ori -<br />

gi nal zu sehen sein. derartig empfindliche<br />

Zimelien, wertvollste jahrhundertealte<br />

Schätze, müssen noch für<br />

spätere Generationen erhalten und<br />

geschützt werden.<br />

Wieweit wir es in der Begegnung der<br />

großen Religionen in den letzten<br />

Jahrhunderten gebracht haben, darüber<br />

lässt sich bei einem Rundgang im<br />

Prunksaal beschaulich nachdenken.<br />

„Juden, Christen und Muslime“<br />

Bis 7. November <strong>2010</strong>.<br />

ÖNB. Josefsplatz 1, 1010 <strong>Wien</strong><br />

Tel. 534 10 464 • www.onb.ac.at<br />

Der Katalog ist bei Kremayr & Scheriau<br />

erschienen und kostet € 29.90<br />

42 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


KULTUR • INLAND<br />

Die Kraft des Lachens, der Zauber des Lächelns<br />

Mit mehr Humor und Freude Leben - Positive Psychologie<br />

Wenn ich aus meinen Workshops und<br />

Seminaren, die ich in den letzten 30<br />

Jah ren <strong>als</strong> Psychologe geleitet ha be,<br />

das eine Wort herausgreife, das die<br />

Klienten am häufigsten erwähnen, <strong>als</strong><br />

ihren Wunsch, <strong>als</strong> das, wonach sie sich<br />

sehnen, ist es – Lebensfreude. in allen<br />

Formen und Variationen: Leichtig keit,<br />

Heiterkeit, Lebenslust, die Fähigkeit,<br />

die kleinen dinge im Leben zu genießen,<br />

zu lächeln... Freude, einfach Freude.<br />

VON JACOB KLEIN<br />

Optimist: ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind. (Karl Valentin)<br />

lernen und entwickeln. mit spezi el len<br />

Strategien und Übungen, mit viel Um -<br />

denken und „Reframing“ (- eine<br />

Tech nik, eine gegebene Realität an ders<br />

„umrahmen“); mit der Bereitschaft,<br />

das Leben anders zu sehen.<br />

Humor ist nicht unbedingt ein „Ta -<br />

lent“, eine Charlie-Chaplin-Gabe. es<br />

ist eine Einstellung, eine Lebenshal -<br />

tung. ein Sinn für einfühlsame Ko -<br />

mik im Alltag.<br />

ich möchte in meinen Workshops<br />

men schen an ihre Lebensfreude, an<br />

ihr Lächeln und an ihren Humor erinnern;<br />

sie unterstützen, mehr Gelas sen -<br />

heit und Freude im Alltag zu erleben,<br />

ihr inneres Kind ein bisschen wiederzufinden;<br />

mit Konflikten und Lebens -<br />

si tuationen mehr spielerisch und hu -<br />

morvoll umzugehen; sich selbst nicht<br />

zu ernst zu nehmen (die Anderen tun<br />

es sowieso nicht!...); und andere men -<br />

schen und sich selbst humorvoll und<br />

würdevoll zu behandeln.<br />

Also – wie die Autorin Ute Lauterbach<br />

so schön sagt: Sei dein eigener<br />

Glücks pilot!<br />

nein, nicht alles im Leben ist immer<br />

positiv. nicht alles ist leicht und ein<br />

Witz und ständige Freude; Leben mit<br />

Humor bedeutet nicht, dass wir nicht<br />

traurig sein können, Schmerzen und<br />

Trauer empfinden. Humor bedeutet<br />

nicht, die Realität und ihre Schwie rig -<br />

keiten zu ignorieren, sondern unsere<br />

Schwierigkeiten in einem anderen<br />

Licht zu sehen, und leichter zu nehmen;<br />

und uns selbst mehr zu akzeptieren,<br />

mit einem lächelnden, versöhnlicheren<br />

Blick. die Realität können wir<br />

nicht immer ändern. Aber wir kön nen<br />

lernen, unsere Reaktion darauf zu än -<br />

dern. Humor ist, wenn man trotzdem<br />

lacht.<br />

Optimismus und positives denken<br />

sind nicht das Gegenteil von Realis -<br />

mus! Und Humor ist nicht das Ge gen -<br />

teil vom ernst-Sein. Humor ist einfach<br />

eine komische Art ernst zu sein.<br />

Und die guten Nachrichten sind –<br />

Humor kann man lernen. ent wickeln.<br />

Üben. es ist nicht leicht: auf die Op -<br />

ferrolle zu verzichten, aus aggressiven,<br />

verbissenen, langjährigen mus -<br />

tern auszubrechen, aber man kann es<br />

Ein Jude liegt blutend am Gehsteig, in<br />

seinen Rippen steckt ein Messer.<br />

Kommt ein Mann vorbei, schaut ihn<br />

an und fragt: „Tut es weh?“<br />

„Nein“, antwortet der Jude, „nur<br />

wenn ich lache“...<br />

Ja, diese seltene Fähigkeit, über uns<br />

selbst, über unsere Probleme, Schmer -<br />

zen, Schwä chen, unsere „lächerli chen“<br />

Seiten zu lachen, ist der Kern des Hu -<br />

mors. Mit diesem Abstand zu uns<br />

selbst beginnt der gesunde Hu mor:<br />

Mich selbst ernst, aber nicht zu ernst<br />

zu nehmen. Ab stand – aber Mit ge -<br />

fühl. Mit-lachen, nicht aus-la chen.<br />

Wir haben irgendwann auf dem Weg<br />

das Lachen und das Lächeln verloren.<br />

Wann ist es passiert? Wenn wir das<br />

erste mal einen lieben menschen<br />

durch Tod oder Trennung verloren<br />

haben? Wenn wir unsere Stütze, un -<br />

ser einkommen, unseren Ar beits-platz<br />

verloren haben? Uns selbst? Unsere<br />

„Peckalech“, unsere alten Geschich ten<br />

sind uns zu schwer geworden? egal<br />

was – wir können dieses unser Lä heln<br />

wieder finden.<br />

Wir machen keine Fehler. Niem<strong>als</strong>!<br />

Wir machen Erfahrungen!<br />

Jüdischer Humor<br />

Stoßdämpfer des Lebens<br />

WORKSHOPS MIT JACOB KLEIN<br />

Jedes Ding hat zwei Seiten -<br />

eine positive, eine negative ...<br />

und eine komische<br />

Jammern tut gut und kann befreiend sein.<br />

Aber nicht auf Dauer... Kann man mit<br />

Kon flikten, Mischpoche, Zores & Co. an -<br />

ders um ge hen? Wie kann jüdischer Hu -<br />

mor zu unserem Immunsystem beitragen?<br />

In Kleins Humor- und neuerdings auch<br />

Jam mer-Seminaren können Sie eigene<br />

humorvolle „Schätze“ heben. Er gibt An re -<br />

gungen, Strategien, einen „Werkzeug kas -<br />

ten“ & lustige Übungen… und die Teil neh -<br />

merInnen graben nach diesen Schät zen...<br />

Die nächste Möglichkeit<br />

kommt sicher schon sehr bald!<br />

Mag. Jacob Klein<br />

Psychologe, Coach, Organisationsberater<br />

(Israel & Österreich),<br />

Kommunikationstrainer, Fachbuch-Autor<br />

Die Barmherzigen Brüder suchen Zeitzeugen!<br />

Das <strong>Wien</strong>er Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, gegründet 1614, ist das älteste und eines der<br />

modernsten Spitäler in <strong>Wien</strong>. Seit Anfang an sind wir ein wichtiger Teil der Leopoldstadt und mit der<br />

Entwicklung dieses Bezirkes auf das Engste verbunden.<br />

Für die Erstellung unserer Festschrift im Rahmen unserer 400-Jahr- Feierlichkeiten 2014 sind wir auf der Suche<br />

nach Zeitzeugen: Kennen Sie unser Krankenhaus schon seit langem, haben Sie Anekdoten zu unserem Spital zu<br />

erzählen oder können Sie sich noch erinnern, wie die Barmherzigen Brüder immer für die Mitmenschen da waren und<br />

sich keinem Regime gebeugt haben? Dann lassen uns an Ihren Erinnerungen teilhaben. Mit Ihrer persönlichen<br />

Geschichte helfen Sie mit, ein Stückchen unserer Geschichte für die folgenden Generationen zu bewahren.<br />

Kontakt & Ansprechpartner: Mag. Johannes Reinprecht Telefon: +43 1 211 21 1066<br />

<strong>Mai</strong>ladresse: johannes.reinprecht@bbwien.at<br />

Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und Ihre Bemühungen!<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 43


KULTUR • LITERATUR<br />

Meschugge kann<br />

nicht schaden<br />

Michel Bergmanns Roman porträtiert<br />

„Die Teilacher“<br />

VON ANITA POLLAK<br />

nie kamen aus Shanghai, aus Afrika<br />

oder - direkt aus Auschwitz. Sie hatten<br />

einmal davon geträumt Anwälte<br />

zu werden, Ärzte, Künstler. Sie wurden<br />

Überlebenskünstler, Lebens künst -<br />

ler und - „Teilacher“.<br />

Teilacher, das waren bessere Hau sie -<br />

rer bzw. jüdische Handelsvertreter,<br />

wenn man´s vornehmer ausdrücken<br />

wollte. der bei uns unübliche Begriff<br />

setzt sich aus den Wörtern „Teil“ und<br />

dem aus hebräischen „Laachod“ für<br />

einzelhandel, zusammen, <strong>als</strong>o eigentlich<br />

Teileinzelhandel, viel kleiner<br />

geht´s kaum. im berlinerisch-jiddischen<br />

Jargon soll „teilachen“ für „ab -<br />

hauen“ stehen, belehrt uns der Klap -<br />

pentext des debüt-Romans von Mi -<br />

chel Bergmann. der deutsche Re gis -<br />

seur und drehbuchautor ist 1945 in<br />

einem Schweizer internierungslager<br />

zur Welt gekommen und mit seinen<br />

jüdischen eltern von dort nach Paris<br />

und dann nach Frankfurt gezogen.<br />

Allein diese biografischen eckdaten<br />

weisen darauf hin, dass sich der Au -<br />

tor mit seinem späten Romanerstling<br />

einiges an selbst erinnertem und er -<br />

lebtem von der Seele geschrieben hat.<br />

ins Jahr 1972 blendet er zurück, in die<br />

Jugend seines Helden Alfred Klee -<br />

feld. doch der eigentliche Held der<br />

Geschichte ist da schon tot und Al fred<br />

muss ihn begraben, david Bermann,<br />

zu dem Alfred lebenslang „Onkel“<br />

ge sagt hat. Beim Begräbnis in Frank -<br />

furt treffen sie noch einmal zusammen,<br />

die alten Freunde und Kollegen<br />

Bermanns, den sie respektvoll den<br />

ein stein unter den Teilachern nannten.<br />

ihr Beruf hat sich überlebt wie sie<br />

selbst, keiner kauft mehr Wäschepa -<br />

kete an der Haustüre, keiner braucht<br />

sie mehr, sie und ihre Ware, die sie<br />

noch auf gut jiddisch schojre nennen.<br />

es ist die große Zeit der Quelle-Ka ta -<br />

loge, die nun ja bereits ebenso passé<br />

ist.<br />

Bergmann (von seinem Protagonisten<br />

trennt ihn nur ein g) stimmt es an, das<br />

Hohelied der Teilacher, in einem vielstimmigen<br />

Chor, der im wesentlichen<br />

die Lebensgeschichten von vier män -<br />

nern erzählt, die das Schicksal nach<br />

dem Krieg aus verschiedensten Win -<br />

keln der Welt in Frankfurt zusam -<br />

men treffen lässt. entwurzelt, ohne<br />

Familie, „displaced Persons“ im<br />

wahr sten Wortsinn, versuchen sie im<br />

Land der Täter ihren Lebensunterhalt<br />

zu verdienen. Bleiben wollen sie ja<br />

nicht, weiter ziehen wollen sie und<br />

bleiben dann doch mit dem gepackten<br />

Koffer in deutschland hängen, bis<br />

zum Lebensende. Als Teilacher ge lingt<br />

ihnen eine Art jüdisches Wirt schafts -<br />

wunder im Wirtschaftswunderland.<br />

max Holzmann, einer von ihnen, wird<br />

ihr Chef und <strong>als</strong> solcher steinreich,<br />

david Bermann, sein kreativs tes Ver -<br />

kaufsgenie, wird es trotzdem nie.<br />

man muss nicht meschugge sein, um<br />

Teilacher zu werden, aber es kann<br />

nicht schaden. So hat Bermann seinen<br />

Weg begründet, der ihn einst unabhängig<br />

machen sollte von seinen Brü -<br />

dern, die vor dem Krieg in deutsch -<br />

land ein großes Textilwarenhaus führ -<br />

ten. Und Verkäufer sein, das blieb sei -<br />

ne Passion, seine Obsession. noch aus<br />

dem Altersheim bricht er auf bzw.<br />

aus mit seinem alten Auto, um alten<br />

Kunden zu besuchen, die längst nichts<br />

mehr von ihm wissen wollen. er stirbt<br />

quasi mit dem Auftragsblock in der<br />

Hand.<br />

Keineswegs nebenbei hatte der vielseitige<br />

Schöngeist und „Luftmensch“<br />

aber noch andere Leidenschaften. er<br />

liebte die Frauen und besonders Al -<br />

freds schöne mutter, seine Lebens lie -<br />

be, mit der ihn das Schicksal immer<br />

wieder zusammenführt.<br />

eine Liebesgeschichte, deren Pointe<br />

man bald ahnt, ja das auch. Vielmehr<br />

aber eine Liebeserklärung eines man -<br />

nes an sein idol und an eine zähe<br />

Grün dergeneration, die es geschafft<br />

hat in der nachkriegszeit. eine schwe -<br />

re Zeit, aber auch eine Zeit des Auf -<br />

bruchs, in der noch alles möglich<br />

schien. Auf beinah jeder Seite wird<br />

diese Liebe spürbar und lässt manche<br />

Schwächen verzeihen. die Witze, die<br />

die Alten einander erzählen, sind gut,<br />

aber noch älter <strong>als</strong> sie selbst. Schmun -<br />

zeln wird man trotzdem und die At -<br />

mosphäre genießen, die Bergmann so<br />

milieusicher und stimmig bis ins<br />

kleinste detail heraufbeschwört. Au -<br />

thentisch ist auch die jiddisch-deutsche<br />

Umgangssprache der Teilacher,<br />

denen man beim Reden fast zuhören<br />

kann. (ein Glossar für jiddische<br />

Ausdrücke wäre für nicht-insider<br />

hilfreich, der Verlag liefert es im in -<br />

ter net nach). Wenn man halbwegs mit<br />

dieser untergegangenen Lebenswelt<br />

vertraut ist, die im <strong>Wien</strong> der nach -<br />

kriegs jahre kaum viel anders war, sind<br />

jede menge köstlicher dejà vu - erleb -<br />

nisse garantiert.<br />

Keine große Literatur, aber tragikomische<br />

Unterhaltung im besten Sinn.<br />

Michel Bergmann<br />

„Die Teilacher“<br />

Arche-Verlag. € 20.50<br />

ZUM AUTOR<br />

1945 wird Michel Bergmann <strong>als</strong> Kind jü -<br />

discher Eltern in einem Schweizer In ter -<br />

nie rungslager geboren. Die Familie lässt<br />

sich nach einigen Jahren in Paris in Frank -<br />

furt nieder, wo Bergmann zunächst Jour -<br />

nalist wird. Später arbeitet er <strong>als</strong> Dreh -<br />

buchautor, Regisseur und Produ zent für<br />

Film und Fernsehen. „Die Teila cher“ ist<br />

sein erster Roman.<br />

Silbernes Ehrenzeichen für ORF-<br />

Korrespondenten Dr. Ben Segenreich<br />

Dr. Ben Segenreich, langjähriger ORF-<br />

Korrespondent und Journa list für "Der<br />

Standard" in Israel wurde für seine<br />

Ver dienste mit dem Silbernen Ehren -<br />

zei chen für Ver dien s te der Republik<br />

Österreich ausgezeichnet. Die Überreichung<br />

erfolgte durch den österreichischen<br />

Bot schaf ter in Israel, Mag.<br />

Michael Rendi, im Beisein der Familie<br />

Segenreich und zahlreichen weiteren<br />

Ehren gäst en wie auch Freunden des<br />

Korrespondenten in der Österreichischen<br />

Residenz in Herzliya Pituach<br />

nahe Tel Aviv.<br />

„Dr. Ben Segenreich ist heute für viele<br />

Österreicher zum bekanntesten österreichischen<br />

Gesicht und zur vertrautesten<br />

österreichischen Stimme in Israel ge -<br />

worden", so der Botschafter, "zu e i nem<br />

Anker für aktuelle, ausgewogene Infor -<br />

mationen aus einem Land, das stets im<br />

Brennpunkt der internationalen Me di -<br />

en berichterstattung steht". „Zudem ha -<br />

be sich Ben Segenreich in seiner Be richt -<br />

erstattung auch immer wieder dem<br />

The ma der österreichischen historischen<br />

Verantwortung, dem Umgang Österreichs<br />

mit der Vergangenheit und dem<br />

Gedenken an die Shoah kompetent und<br />

engagiert angenommen.“<br />

44 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


KULTUR • LITERATUR<br />

Iran im Weltsystem<br />

Bündnisse des Regimes und Perspektiven<br />

der Freiheitsbewegung<br />

Buchpräsentation mit den Heraus ge bern<br />

Stephan Grigat und Simone Dinah Hart mann<br />

sowie den Autoren Prof. Jeff rey Herf, Florian<br />

Markl und Heribert Schiedel<br />

Moderation: Prof. Mitchell Ash<br />

Mittwoch, 2. Juni <strong>2010</strong>, 18.30 Uhr<br />

Jüdisches Museum<br />

Dorotheergasse 11, 1010 <strong>Wien</strong><br />

Hätte das iranische Regime nicht 30<br />

Jahre lang Unterstützung aus europa,<br />

Russland und einer Reihe semiperipherer<br />

dritte-Welt-Staaten erhalten,<br />

und hätten seine Gegner nicht über<br />

de kaden versucht, mit ihm zu verhandeln<br />

und es zu beschwichtigen,<br />

würde es heute nicht mehr existieren.<br />

Als eines der maßgeblichen Schwel len -<br />

länder und eine regionale Großmacht<br />

war die „islamische Republik iran“ in<br />

den letzten 30 Jahren ein wichtiger<br />

Be standteil der globalen macht struk -<br />

tur, dem von zentralen Akteuren der<br />

Weltpolitik mal mit Appea sement po -<br />

litik, mal mit offener Kollaboration<br />

begegnet wurde.<br />

das Buch „Iran im Weltsystem“ analysiert<br />

neben Perspektiven der neu konstituierten<br />

iranischen Freiheitsbe we -<br />

gung und dem aktuellen Stand des<br />

nu klearprogramms die globale Bünd -<br />

nispolitik des iranischen Regimes.<br />

die Beiträge beschreiben die europäische,<br />

russische und US-amerikanische<br />

iran-Politik, skizzieren die aktuellen<br />

Wirtschaftsbeziehungen Österreichs,<br />

deutschlands und der Schweiz zum<br />

iran und beleuchten die Bündnis po -<br />

litik des Regimes in Asien, Afrika und<br />

Lateinamerika. die Begeisterung von<br />

neonazis für das iranische Regime<br />

wird ebenso unter die Lupe genommen<br />

wie die Bewunderung für das<br />

iranische Kino.<br />

Mitchell Ash, Professor für Ge schichte der Neu zeit<br />

an der Univer sität <strong>Wien</strong>.<br />

Stephan Grigat, Lehrbeauftragter für Po l i tikwis sen -<br />

schaft an der Universität <strong>Wien</strong> und wissenschaftli -<br />

cher Mitarbeiter des Bünd nis ses STOP THE BOMB.<br />

Simone Dinah Hartmann, Sprecherin des Bünd -<br />

nisses STOP THE BOMB in Österreich.<br />

Jeffrey Herf, Professor für Moderne eu ro pä i sche<br />

und deutsche Geschichte an der Uni ver sität Ma -<br />

ry land, College Park, USA und der zeit <strong>als</strong> Gast des<br />

Direktors am In ter na tio nalen Forschungszentrum<br />

Kul tur wissen schaf ten in <strong>Wien</strong>.<br />

Florian Markl, promoviert an der Berliner Hum boldt<br />

Universität über palästinensische Terroran schläge<br />

in Österreich.<br />

Heribert Schiedel, lang jähriger Mit ar bei ter im DÖW.<br />

Stephan Grigat/Simone<br />

Dinah Hartmann (Hg.):<br />

Iran im Weltsystem<br />

Bündnisse des Regimes<br />

und Perspektiven der<br />

Freiheitsbewegung.<br />

Innsbruck – <strong>Wien</strong> – Bozen:<br />

Studienverlag <strong>2010</strong>,<br />

Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hrsg.)<br />

Iran im<br />

Weltsystem<br />

Bündnisse des Regimes<br />

und Perspektiven der Freiheitsbewegung<br />

180 Seiten; €19,90<br />

StudienVerlag<br />

Überall & Nirgendwo<br />

P. Weinberger<br />

noch immer dient für in new York bereits Ansässige<br />

gelegentlich (im Bus, in einem Restaurant) die Frage „Von<br />

wo kommen Sie eigentlich?“ <strong>als</strong> einladung zu einem Ge -<br />

spräch. erwartet wird dann – nicht sofort, aber doch bald<br />

- sehr oft die Gegenfrage „Und Ihre Eltern, von wo kamen<br />

die?“ Und schon ist man inmitten eines dialogs, in dem<br />

einem mit unter ein an sich sinnloses Abwägen der Vor -<br />

teile der USA gegenüber europa aufgedrängt wird. Oder<br />

man wird sofort in die gesamte Familiengeschichte des<br />

freundlichen mitfahrers eingeweiht. dabei ist - jenseits<br />

von Klischees - die Frage „Von wo kommen Sie“, eigentlich<br />

äußerst interessant. Unmittelbar, weil sie zeigt, dass man<br />

sich in den USA nach wie vor <strong>als</strong> einwanderungsland<br />

fühlt, das, so zumindest die gängige Vorstellung, unbegrenzte<br />

Anziehung für den Rest der Welt ausübt. dieser<br />

Aspekt verfügt über einen zugleich positiven <strong>als</strong> auch ei -<br />

nen negativen Unterton. Positiv, da die in Österreich so<br />

sorgsam gepflegte Angst vor einwanderern offensichtlich<br />

nicht besteht, negativ, weil damit auch ein wenig eine<br />

Art von Superioritätsgefühl verbunden ist.<br />

die Frage „Von wo kommen Sie“ ist interessant, weil sie im<br />

Grunde genommen gar nicht so leicht zu beantworten<br />

ist. nur ein Land oder eine Stadt zu nennen, löst bestenfalls<br />

ein belangloses „Aha“ aus und reduziert die Frage<br />

gewaltsam auf einen örtlichen ist-Zustand. Aber ist da -<br />

mit wirklich schon alles gesagt? Selbst wenn man hinzufügen<br />

würde, die eltern oder Großeltern sind allerdings<br />

aus Ungarn, aus Polen, oder aus der Ukraine gekommen,<br />

bewegt man sich noch immer lediglich am Rande einer<br />

erschöpfenden Antwort. müsste man nicht sagen, man<br />

komme aus einer bestimmten Gesellschaft, ausgezeichnet<br />

durch ganz bestimmte soziale und kulturelle Rand -<br />

be dingungen, aus einer Gesellschaft, in der (zur Zeit)<br />

hauptsächlich diese oder jene Sprache gesprochen wird?<br />

Wäre nicht bereits ein, zumindest kleiner Hinweis auf<br />

den kulturellen Background, den jeder mehr oder weniger<br />

bewusst mit sich schleppt, eine wesentlich bessere Ant -<br />

wort?<br />

Und damit ist auch schon aus einer rein örtlichen Bestim -<br />

mung der Antwort zur bewussten Frage eine zeitliche<br />

geworden. Allerdings, selbst wenn unsere Blickrichtung<br />

vorwiegend in die Zukunft gerichtet ist, wie viel schleppen<br />

wir denn eigentlich mit aus frühen Perioden der<br />

mensch heitsgeschichte? die nach wie vor zutreffende<br />

männ liche dominanz unserer Gesellschaft <strong>als</strong> Relikt aus<br />

der frühen Bronzezeit? die sumerische Zeiteinteilung ei -<br />

nes Tages in 24 Stunden? ein Alphabet, das vermutlich<br />

aus altsinaitischen Piktogrammen entstanden ist? es ge -<br />

nügt einfach nicht, sich ausschließlich hinter einer lüc ken -<br />

losen Geschichtsschreibung seit der französischen Revo -<br />

lu tion zu verstecken, um „Aufklärung“ <strong>als</strong> Rückgrat<br />

unseres kulturellen Backgrounds zu bezeichnen. Um die<br />

Frage „Von wo kommen Sie denn“, wenigstens ansatzwei se<br />

zu beantworten. Um uns selbst gerecht zu werden.<br />

So, und was sage ich nun wirklich jenem netten, älteren<br />

mann, der mich neugierig im Bus in new York an spricht?<br />

Vielleicht am besten doch, ich komme aus <strong>Wien</strong>, auch<br />

wenn ich dafür riskiere, in der Folge nur Klischees zu hö -<br />

ren. eigentlich sollte ich sagen, von nirgendwo und von<br />

Überall, so wie diese Kolumne heißt, das wäre zumindest<br />

ehrlich, aber vermutlich viel zu schwer zu erklären,<br />

egal welche Sprache ich auch benützen würde.<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 45


JUDENTUM<br />

1. Siwan (14. <strong>Mai</strong>)<br />

• Am 150. Tag nach Beginn der Sintflut, vor 4115<br />

Jah ren, hörte es auf zu regnen und der Wasser -<br />

pegel be gann sich zu senken - dem Kommentar<br />

von Ra schi zu Folge alle 4 Tage eine Amoh, das<br />

heisst (ent sprechend der unterschiedlichen Mei -<br />

nungen be züg lich der exakten Länge dieser halachischen<br />

Län geneinheit in Zentimetern) zwischen<br />

12 und 14,4 cm pro Tag.<br />

• Die sich in eine Burg geflüchteten Juden der Stadt<br />

Worms wurden an diesem Tag vor 914 Jahren<br />

wäh rend des Morgengebets von Kreuzfahrern<br />

niedergemetzelt.<br />

6. Siwan (19. <strong>Mai</strong>)<br />

• Am 50. Tag nach Pessach findet der erste Tag des<br />

Wochenfestes (Schawuot) statt. An diesem Jom -<br />

Tow feiern wir die Offenbarung der Torah am Berg<br />

Sinai - 7 Wochen nach dem Auszug aus Ägypten.<br />

Um die Anforderung zu erfüllen wirklich 49 volle<br />

Ta ge seit Pessach zu zählen, betet man das<br />

Abendgebet an diesem Feiertag (im Gegensatz<br />

zu Schabbat und allen anderen Feiertagen) erst<br />

wenn es tatsächlich Nacht geworden ist (in <strong>Wien</strong><br />

21:29h) und kann früher auch nicht Kiddusch<br />

ma chen. Es ist Tradition an diesem Feiertag (wieder<br />

im Gegensatz zu Schabbat und allen anderen<br />

Feiertagen) mindestens eine milchige Mahlzeit<br />

einzunehmen. Ausserdem befolgen viele den<br />

Brauch die erste Nacht von Schawuot nicht zu<br />

schlafen, sondern die ganze Nacht bis zum Mor -<br />

gengebet mit Torah Lernen zu verbringen. (Auch<br />

bei uns ging es die ganze Nacht rund, und jeder der<br />

Interesse hatte an den Schiurim und dem gemeinsamen<br />

Lernen war herzlich willkommen - für ausreichend<br />

Topfentorte und Kaffee war gesorgt.)<br />

• Jahrzeit von Rabbi Jisroel ben Elieser besser<br />

bekannt <strong>als</strong> der Baal Schem Tow (oder BeSch“T),<br />

der vor 250 Jahren verstarb. Der BeSch“T wurde<br />

im Jahre 1698 in dem (heute) ukrainischen Dorf<br />

Okopy geboren. Mit dem Titel Baal Schem - „Meis -<br />

ter des Namen (G’ttes)“ - wurden früher einige<br />

be sonders in der Mystik herausragende Rabbi ner<br />

bezeichnet, wie Rabbi Elijohu von Chelm, Rabbi<br />

Elijohu von Worms, Rabbi Seckel Löb Mattes Worm -<br />

ser von Michelstadt, Rabbi Joel von Ropschitz<br />

undRabbi Chaim Schmuel Jakow Falk von London.<br />

Der Baal Schem Tow gilt <strong>als</strong> Gründer eines spezifisch<br />

ost-europäischen Chassidismus – dessen<br />

An hänger man heute allgemein <strong>als</strong> „Chassidim“<br />

bezeichnet. (Nicht zu verwechseln mit den deutschen<br />

Chassidej Aschkenas des 12. und 13. Jahr -<br />

hunderts um Rabbi Jehudo HaChossid aus Re gens -<br />

burg, Rabbi Jitzchok (der „Or Sorua“) aus <strong>Wien</strong><br />

und Rabbi Elosor (der „Rokeach“) aus Worms,<br />

de ren Anhänger und Nachkommen sich nicht<br />

Chassidim sondern Benei Aschkenas nennen, und<br />

von ost-europäischen Juden seit dem späten 19.<br />

Jhd., in Anspielung auf ihre modernen kurzen<br />

Siwan 5770<br />

(13. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong>)<br />

Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />

Der Monat Siwan ist der dritte Monat des religiösen jüdischen Jahres (bzw. der neunte Monat<br />

des zivilen jüdischen Kalenders, der mit Rosch HaSchannah beginnt) hat immer 30 Tage.<br />

Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />

Jac kets – während die polnischen und russischen<br />

Juden lange Röcke und Kaftane trugen – bis heu -<br />

te Jeckes genannt werden. Der ost-europäische<br />

Chas sidismus unterschied sich ur sprüng lich von<br />

allen anderen Frömmigkeits bewe gun gen seiner<br />

Zeit vor allem durch das Ideal des fröhlichen<br />

und frommen, wenn auch einfachen und nicht<br />

unbedingt gelehrten Juden, in dessen Leben der<br />

Rebbe (der einer Dynastie entstammt und nicht<br />

unbedingt ein Rabbiner ist), <strong>als</strong> spiri tu eller Füh -<br />

rer eine zentrale Rolle spielt. Insbeson dere die<br />

vorsätzliche Vernachlässigung des bis dahin allgemein<br />

<strong>als</strong> höch stes jüdisches Ideal betrachtete<br />

Limud HaTorah (Gelehrsamkeit in Talmud und<br />

Torah) rief eine laut starke Gegner schaft unter<br />

den polnischen Rab binern hervor, unter anderen<br />

Rabbi Elijohu, dem berühmten Gaon von Vilna,<br />

deren Anhänger daher, bis heu te, Misnagdim<br />

(„Geg ner“) genannt werden. Heut zutage hat die -<br />

se „Gegnerschaft“ ihre Brisanz weitgehend verloren,<br />

da mittlerweile auch in den chassidischen<br />

Gemeinden das Lernen von Tal mud und Torah<br />

wieder eine herausragende Be deu tung geniesst.<br />

7. Siwan (20. <strong>Mai</strong>)<br />

• Zweiter Tag von Schawuot, beginnend am Abend<br />

des 19. <strong>Mai</strong>. Abendgebet und Kiddusch kann (in<br />

<strong>Wien</strong>) ab 21:30h gesagt werden.<br />

13. Siwan (26. <strong>Mai</strong>)<br />

• An diesem Tag vor 362 Jahren fanden die be -<br />

rüch tigten Chmelnytsky Massaker statt, <strong>als</strong> im<br />

Zu ge des Aufstands der Kossaken und der Tar -<br />

ta ren, unter der Führung von Hetman Bohdan<br />

Chmelnytsky, der in der Unabhänigkeit der Ukra -<br />

ine vom Polnisch-Lithauischen Reich endete,<br />

große Teile der jüdischen Bevölkerung der Re -<br />

gion getötet wurden. Die Angaben bezüglich der<br />

zu beklagenden Opfer variieren je nach Schät -<br />

zung der jüdischen Gesamtbevölkerung zwischen<br />

50.000-100.000 Toten. In jedem Fall wa -<br />

ren die Verluste beträchtlich, und daher wird dieser<br />

Tag in der Tradition vieler polnischer Juden <strong>als</strong><br />

Tanis Tsibbur („allgemeiner Fasttag“) begangen.<br />

17. Siwan (30. <strong>Mai</strong>)<br />

• 17 Tage nachdem der Regen der Sintflut aufgehört<br />

hatte und die Wassermassen täglich zurückgingen,<br />

lief die Arche Noachs auf Grund – am Gipf -<br />

el des 5137 Meter hohen Berges Ararat, in Ost -<br />

ana tolien in der heutigen Türkei (siehe 1. Siwan).<br />

20. Siwan (2. Juni)<br />

• An diesem Tag vor 839 Jahren wurden 40 jüdische<br />

Frauen und Männer der Gemeinde in Blois<br />

(Frankreich) aufgrund einer Ritualmordlüge<br />

zum Tode verurteilt und bei lebendigem Leibe<br />

ver brannt. In der west-aschkenasischen Tradi ti -<br />

on wird dieser Tag <strong>als</strong> Tanis Tsibbur („allgemeiner<br />

Fast tag“) begangen. (siehe Schailos & Tschuwos)<br />

Schailos &Tschuwos<br />

ausgewählte halachische<br />

Fragen, beantwortet<br />

von Gemeinderabbiner<br />

Schlomo Hofmeister<br />

AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />

FRAGe:<br />

Was genau ist eine Ritualmord Beschul -<br />

digung?<br />

AnTWORT:<br />

Ritualmord Beschuldigungen dienten<br />

vor allem seit dem mittelalter immer<br />

wieder zum Vorwand Pogrome und<br />

Judenverfolgungen zu rechtfertigen.<br />

die letzte Ritualmord Anklage in<br />

europa fand im Jahre 1911 statt. da es<br />

selbstverständlich im Judentum so et -<br />

was wie Ritualmord nicht gibt, ist es<br />

richtiger von Ritualmord Lüge zu<br />

spre chen. die Anschuldigung, Juden<br />

benutzten das Blut von christlichen<br />

Kindern um mazzot für Pessach zu<br />

backen, gehört zu den wohl noto risch -<br />

sten Ausformungen des theologischen<br />

Antisemitismus, der im europäischen<br />

mittelalter zur Tötung, Plünderung<br />

und Vertreibung unzähliger jüdischer<br />

Gemeinden führte und auch heute<br />

noch in ähnlicher Weise in den arabi -<br />

schen medien, vor allem in syrischen<br />

und ägyptischen Tageszeitungen, um<br />

die Pessach-Zeit, zu Propaganda<br />

Zwecken verbreitet wird, um „vor<br />

Kontakt mit israelis zu warnen“.<br />

die erste derartige Anschuldigung<br />

wurde 1144 im englischen norwich<br />

vorgebracht und in den folgenden<br />

Jah ren in anderen englischen Städten<br />

wiederholt. im Jahre 1171 kam es zur<br />

ersten französischen Ritualmord Lü -<br />

ge in der Stadt Blois, in der nähe von<br />

Orleans, in deren Folge die 40 Juden<br />

der Stadt, darunter männer, Frauen<br />

und Kinder, auf brutale Art und Wei -<br />

se getötet wurden. die details dieser<br />

Vorgänge sind uns durch die Schrif ten<br />

des Talmud Gelehrten Rabbi Ephraim<br />

ben Jakow von Bonn bekannt, der zu<br />

den Tosafisten zählt, deren Kommen -<br />

ta re (genannt Tosfos) eingang in die<br />

Standard Ausgabe des Babylonischen<br />

Talmuds gefunden haben. Rabbi<br />

ephraim wurde 1132 geboren und war<br />

zu seinen Lebzeiten auch Augen zeu -<br />

ge der Plünderungen und massaker<br />

der Kreuzfahrer, bei denen tausende<br />

46 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770


JUDENTUM<br />

unschuldige Juden getötet wurden.<br />

er schrieb sowohl liturgische Gedich -<br />

te (Pijutim und Kinos) <strong>als</strong> auch er eig -<br />

nisberichte über die von ihm be zeug -<br />

ten Tragödien. das Folgende ist ein<br />

Auszug aus seinem historischen Werk,<br />

in welchem er von den Ge scheh nis sen<br />

in Blois erzählt:<br />

„es geschah im Jahr 4931 (der jüdischen<br />

Zeitrechnung). dam<strong>als</strong> lebten<br />

in Blois ungefähr 40 Juden. einer von<br />

ih nen, Jitzchok ben elieser, ritt eines<br />

don nerstags Abend, kurz vor Pessach,<br />

zum Fluss (die Loire), <strong>als</strong> zur gleichen<br />

Zeit ein Stallknecht ebenfalls zum<br />

Wasser kam um das Pferd seines Herrn<br />

zu tränken. (...) das Pferd erschreckte<br />

sich vor etwas und scheute, und verweigerte<br />

sich dem Wasser zu nähern.<br />

daraufhin eilte der christliche Knecht,<br />

der ein einfacher Bauer war, und oft<br />

vom Priester in der Kirche gehört hat -<br />

te, dass Juden das Blut von Christen<br />

für ihre Pessach mazzot und Wein be -<br />

nützten, zurück zu seinem Herrn und<br />

sagte: Höret, mein Herr, was dieser Jude<br />

getan hat: Ich ritt hinter ihm her zum Fluss<br />

um Euer Pferd zu tränken. Da sah ich wie<br />

der Jude ein kleines christliches Kind, das<br />

er getötet hatte, ins Wasser warf. Als ich<br />

dies sah bekam ich schreckliche Angst er<br />

könnte auch mich töten und eilte zurück<br />

zu Euch. Sogar das Pferd erschreckte sich<br />

so sehr vom Spritzen des Wassers, <strong>als</strong> er<br />

das Kind hinein warf, dass es sich wei gerte<br />

zu trinken! der Knecht wusste, dass<br />

sich sein Herr, der einen persönlichen<br />

Konflikt mit einer bestimmten, einflussreichen<br />

Jüdin der Stadt hatte,<br />

über jedes Unglück der Juden freuen<br />

würde. er hatte sich nicht geirrt, denn<br />

sein Herr sagte: Endlich bekomme ich<br />

meine Rache gegen diese Frau und die<br />

an deren Juden. Am nächsten morgen<br />

ritt der Herr zum Fürsten der Stadt,<br />

Theobald, dem Sohn von Theobald,<br />

dem Grafen von Blois. (...) er war über<br />

diese Anschuldigung derart erzürnt,<br />

dass er alle Juden von Blois verhaften<br />

und in Ketten gelegt ins Gefängnis<br />

werfen liess – (ironischer Weise) mit<br />

Ausnahme gerade jener einflussrei -<br />

chen jüdischen Frau, da sie der Graf<br />

wegen ihrer Weisheit und Schönheit<br />

verehrte. Sie hatte sich bei ihm in der<br />

Vergangenheit des Öfteren für die Ju -<br />

den von Blois eingesetzt. Aber jetzt gab<br />

die Frau des Grafen (die Tochter des<br />

französischen Königs Ludwig Vii.)<br />

den Bediensteten die strikte Anwei -<br />

sung ihr keinen Zugang zu ihrem ehe -<br />

mann zu geben um mit ihm zu spre -<br />

chen, aus Angst sie könnte seine mei -<br />

nung bezüglich der Juden ändern. Bis<br />

auf die Aussagen des Stallknechtes,<br />

gab es keinerlei Beweise gegen die<br />

Juden und der Graf war bereit über<br />

de ren Freilassung für ein hohes<br />

Lösegeld zu verhandeln. er sandte<br />

einen Juden in die benachbarten jü -<br />

dischen Gemeinden um sich zu er -<br />

kun digen, wie viel diese bereit wären<br />

für die Freilassung ihrer Glaubens -<br />

brü der zu zahlen. Vertreter der um lie -<br />

genden Gemeinden kamen, um sich<br />

mit den Gefangenen zu beraten, die<br />

sie bedrängten, keinesfalls mehr <strong>als</strong><br />

100 Pfund Lösegeld (...) für ihr Leben<br />

zu zahlen, damit die Christen nicht,<br />

in Aussicht auf Lösegeld, mehr Juden<br />

in Geiselhaft nehmen. Jedoch führten<br />

diese Verhandlungen zu keinem er -<br />

geb nis, da sich der Bischof einmischte<br />

und darauf bestand, dass die Juden<br />

hin gerichtet werden müssten (...) und<br />

die Juden wurden verurteilt bei le ben -<br />

digem Leibe verbrannt zu werden.<br />

Auf Befehl des bösen Fürsten wurden<br />

sie in ein Holzhaus gebracht, um welches<br />

Reisig und Brennholz aufgehäuft<br />

worden war. Bevor sie dort eingesperrt<br />

wurden, bat man ihnen an:<br />

Ihr könnt Euer Leben retten wenn Ihr<br />

Eure Religion verlasst und unsere an -<br />

nehmt! die Juden weigerten sich (...)<br />

und sprachen sich gegenseitig mut zu,<br />

standhaft zu bleiben und Al Kiddusch<br />

HaSchem (den märtyrertod wegen<br />

ihres Judentums) zu sterben.“<br />

dieses schreckliche ereignis fand an<br />

einem mittwoch, den 20. Siwan, im<br />

Jahre 4931 (26. mai 1171) statt. Unter<br />

den Opfern dieser Ritualmord Lüge<br />

waren auch die beiden frommen To -<br />

rah Gelehrten Rabbi Jechiel und Rab -<br />

bi Jekutiel, Schüler von Rabbeinu Ja kow<br />

©Israelimages, Israel Talby<br />

Tam, dem enkelsohn von Raschi, und<br />

an erkannt größten rabbinischen Ge -<br />

lehr ten seiner Zeit, durch den die ein -<br />

zelheiten dieses tragischen Vorfalls<br />

be kannt gemacht wurden. in seinem<br />

Brief wird auch davon berichtet, dass<br />

die in dem brennenden Holzhaus ein -<br />

ge sperrten Juden, zur Verwunderung<br />

ihrer christlichen Peiniger und mör der,<br />

ein Lied sangen. es ist uns bekannt: sie<br />

sangen das Gebet Oleinu Leschabeach<br />

in dem alten aschkenasischen Nigun<br />

(melodie), in seiner unzensierten Ori -<br />

ginalversion: „An uns ist es, den<br />

Herrn des Alls zu preisen, zu huldigen<br />

den Schöpfer des Anbeginns, dass<br />

er uns nicht erschaffen hat gleich den<br />

anderen Völkern der Länder, uns<br />

nicht hat werden lassen wie die Völ -<br />

ker familien der erde, (...) denn diese<br />

verbeugen sich vor heißer Luft und<br />

Lee re und beten zu einem Gott, der ih -<br />

nen keine erlösung bringen kann. (...) “<br />

Lange Zeit durften die verbrannten<br />

Überreste dieser 40 Juden von niemandem<br />

bestattet werden, und blieben<br />

am Fusse des Hügels liegen, dort<br />

wo sie in den Flammen umgekommen<br />

waren.<br />

Wie von Rabbeinu Tam in Briefen an<br />

die jüdischen Gemeinden in Frank -<br />

reich, england und deutschland be -<br />

stätigt wird, wurde dieses ereignis<br />

zum Anlass genommen, den 20. Si wan<br />

<strong>als</strong> Fasttag festzulegen, der bis heute<br />

von traditionellen Benei Aschkenas<br />

(siehe oben: 6. Siwan) beachtet wird,<br />

um dieser und ähnlicher Greueltaten<br />

an unseren Vorfahren zu gedenken.<br />

(Rabbenu Tam starb weniger <strong>als</strong> drei<br />

Wochen nach dem martyrium der<br />

Juden von Blois.)<br />

Schawuot<br />

mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 47

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