Mai 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
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GEMEINDE<br />
dVR 0112305 € 2.- OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN<br />
Nr. 669 <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />
Ijar/Siwan 5770<br />
erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />
Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />
e 2.-<br />
GZ 03Z034854 W<br />
Die Die<br />
magazin
INHALT<br />
&<br />
AUS DEM BÜRO DES<br />
PRÄSIDENTEN 3<br />
IN EIGENER SACHE<br />
ALEXIA WEISS<br />
Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />
Teil 21: ESRA 6<br />
POLITIK<br />
INLAND<br />
SUSANE SCHOLL<br />
Offener Brief 9<br />
Lueger-Denkmal soll<br />
gekippt werden 10<br />
15 Jahre Nationalfonds 11<br />
AUSLAND<br />
Ungarns Bischöfe haben<br />
keine Sympathie für Jobbik 12<br />
Im Schatten der Bombe 13<br />
ANTISEMITISMUS<br />
Rechtsextremes bekämpfen 14<br />
NS-ZEIT<br />
Eichmann-Entführer<br />
erinnern sich 15<br />
Suchdienst führt jährlich<br />
50 Personen zusammen 16<br />
ISRAEL<br />
Israel wird OECD-Mitglied 17<br />
Hinrichtungen<br />
im Gazastreifen 18<br />
ULRICH W. SAHM<br />
Säbelrasseln in Nahost 19<br />
Dokumente über Israels<br />
erste Regierungssitzung 20<br />
ULRICH W. SAHM<br />
Grenzelose Dummheit 21<br />
Der Friedensprozess<br />
mit den Palästinensern 22<br />
WIRTSCHAFT<br />
Think Global! Israels Top 10<br />
Export-Marken 24<br />
REINHARD ENGEL<br />
Komplexe Software für<br />
einfaches Telefoniereen 26<br />
WISSENSCHAFT<br />
Ein-Blick 28<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Jom Jeruschalajim 29<br />
Panorama 32<br />
ALEXIA WEISS<br />
Am Anfang war das Pferd 34<br />
ALEXIA WEISS<br />
Reisen mit einem<br />
besonderen Ziel 35<br />
SPORT<br />
Mit der Kraft des Glaubens 37<br />
Fackel für Makkabispiele<br />
2011 entzündet 38<br />
KULTUR<br />
MARTA S. HALPERT<br />
Ganz schön f<strong>als</strong>ch 40<br />
ANITA POLLAK<br />
Juden, Christen und<br />
Muslime 42<br />
JAKOB KLEIN<br />
Die Kraft des Lachens 43<br />
ANITA POLLAK<br />
Meschugge kann<br />
nicht schaden 44<br />
Iran im Weltsystem 45<br />
PETER WEINBERGER<br />
Überall & Nirgendwo 45<br />
JUDENTUM<br />
RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />
Schailes & Tschuwos 46<br />
Titelbild: © Flash 90/Miriam Alster<br />
Herzls Geburtstag in Jerusalem<br />
Täglich aktualisiert!<br />
www. ikg-wien.at<br />
news events pinwand<br />
Aufgrund der Vielzahl an jüdischen<br />
und christlichen Feiertagen im <strong>Mai</strong>,<br />
erhalten sie dieses Monat das <strong>Mai</strong>magazin,<br />
ein Herzl-Dossier und den<br />
Juni-insider in einem Paket.<br />
PLENARSITZUNGEN <strong>2010</strong><br />
8. Juni • 6. Juli • 10. Au gust<br />
7. September • 5. Ok to ber<br />
11. November • 9. Dezember<br />
Gemeinsame Veranstaltung des Instituts für Österreichkunde<br />
mit dem Institut Österreichisches Biographisches Lexikon der<br />
Österr. Akademie der Wissenschaften<br />
DR. CHRISTINE KANZLER<br />
Das Schicksal der in <strong>Wien</strong> verbliebenen<br />
jüdischen Ärztinnen und Ärzte von 1938 bis 1945<br />
Gleich anderen Berufsgruppen wurde auch die jüdische<br />
Ärzteschaft unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs<br />
1938 aus dem Berufsleben verdrängt.<br />
Ärztinnen und Ärzte wurden aus ihren Positionen an der<br />
Uni versität entfernt, aus Spitälern und Kranken kassen ein -<br />
richtungen entlassen und aus ihren Ordinationen vertrieben.<br />
Eine Anzahl von ihnen war <strong>als</strong> so genannte „Kranken be -<br />
hand ler“ ausschließlich zur Behandlung von Juden berechtigt.<br />
Im Vortrag wird die Situation der in <strong>Wien</strong> ansässigen Ärztinnen<br />
und Ärzte jüdischer Herkunft im Vorfeld von Flucht<br />
und Deportation beleuchtet und am Beispiel ausgewählter<br />
Lebensläufe veranschaulicht.<br />
Einführung: Dr. Daniela Angetter,<br />
Institut Österreichisches Biographisches Lexikon<br />
Donnerstag, 24. Juni <strong>2010</strong>, 18.00 Uhr<br />
Institut für Österreichkunde<br />
1010 <strong>Wien</strong>, Hanuschgasse 3/Stiege 1/3.Stock (Lift)<br />
Eintritt frei – Gäste sind herzlich willkommen!<br />
Die JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF ist eine außer ordentlich le ben -<br />
dige, orthodox geführte Ein heits gemeinde und hat zurzeit ca. 7.400 Mit -<br />
glieder. Hier ist ab dem neuen Schul jahr <strong>2010</strong>/2011 im September <strong>2010</strong><br />
die Stelle einer/eines ausgebildeten deutschsprachigen<br />
Religionslehrerin/Religionslehrers<br />
zu besetzen.<br />
Der Einsatz der Religionslehrerin/des Religionslehrers ist für den jüdischen<br />
Religionsunterricht für alle Schul klas sen vor ge sehen.<br />
Die JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF bietet ein interessantes Ar -<br />
beits feld in einem professionellen Kollegium und freut sich auf Ihre aussagefähige<br />
Bewerbung, die Sie bitte an die<br />
JÜDISCHE GEMEINDE DÜSSELDORF<br />
Postfach 32 06 31<br />
D-40421 Düsseldorf<br />
senden.<br />
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz<br />
(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons<br />
Gemeinde<br />
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />
Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />
und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />
Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />
Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />
Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />
tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />
2 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />
Liebe Leserinnen,<br />
Alle Jahre wieder schreibt ein uninformierter, ahnungsloser israelischer Jour nalist unnötige<br />
Artikel (siehe unten), wobei dem Präsidenten der iKG nichts an deres übrig bleibt,<br />
<strong>als</strong> „fast“ Strache und die FPÖ zu verteidigen….<br />
Strache versucht nach der Rosenkranz-Pleite sich von Rechtsextremismus und neona zis -<br />
mus abzugrenzen. das ihm das niemand glaubt, liegt daran, dass ein Großteil der FPÖ-<br />
Funktionäre, wie diverse Schmissträger, Martin Graf, Barba ra Rosenkranz, die Abgeord ne ten<br />
Gerhard Kurzmann (SS-Kameradschaft iV), Su san ne Winter, Harald Stefan (Burschenschaft<br />
Olympia), Werner Königshofer (ehe m<strong>als</strong> ndP), Werner Neubauer u.v.a. mit ihren rechtsex tre -<br />
men Rülpsern regelmäßig unangenehm auffallen. es wird interessant sein zu verfolgen<br />
in wie weit Stra che nun für die <strong>Wien</strong>-Wahlen versucht eine liberale Tarnkappe anzuziehen.<br />
ihr<br />
dr. Ariel muzicant<br />
From Hungary and Austria, come to Israel!<br />
By JERUSALEM POST EDITORIAL - 27/04/<strong>2010</strong><br />
Austria has managed to avoid blame for the Holocaust by claiming it was a victim of Nazi aggression, even though the<br />
Anschluss was well-received.<br />
On Sunday, Hungarian voters transformed the anti-Semitic Jobbik Party into a political power to be reckoned with.<br />
Jobbik, or the Movement for a Better Hungary, was catapulted to 47 seats in the 386-seat legislature in the second of<br />
round of voting. In parallel, the ruling Socialist Party was dethroned, falling from 190 to just 59 seats while its coalition<br />
partner, the Liberal Party, which enjoyed strong Jewish support, lost its parliamentary presence altogether.<br />
In Austria on Monday, meanwhile, Barbara Rosenkranz, the Freedom Party candidate for presidency, who is <strong>als</strong>o known<br />
<strong>als</strong>o as the “Reich mother,” earned 13 percent of the nation’s votes. She was never expected to win the presidential<br />
race, which went to incumbent Heinz Fischer. In fact, Rosenkranz’s showing was lower than the expected 17%. Ne ver -<br />
theless, the present Austrian political climate is hardly congenial to Jews.<br />
Right-wing elements in Austria are already attempting to delegitimize Fischer, voted in on an extremely low voter turn -<br />
out of just over 50%, with the claim that he represents less than half of the voters. They hope Rosenkranz’s high profile<br />
campaign will pave the way for FP leader Heinz-Christian Strache to be voted the next mayor of Vienna later in the year.<br />
The very fact that Fischer’s only plausible rival in the race was the far-right challenger from a party repeatedly tarni shed<br />
by Nazi associations is indicative of a “terrifying shift to the right” across Europe, according to Germany’s Central<br />
Council of Jews.<br />
There is nothing new about anti-Semitism in Austria and Hungary. Austrians have managed to avoid culpability for<br />
the Holocaust by claiming they were victims of Nazi aggression, even though the 1938 Anschluss was positively<br />
received and Austrians were disproportionately represented in Nazi leadership.<br />
What has become the “founding myth” of Austria’s Second Republic has facilitated the integration of former Nazis<br />
into key positions over the years. In February 2000, after the FP, then headed by the late neo-Nazi Jorg Haider, was<br />
included in the country’s government coalition, Chaim Chesler, then-treasurer of the Jewish Agency, called on the<br />
Jews of Austria to immigrate to Israel immediately.<br />
In post-communist Hungary, anti-Semitism has been fueled primarily by claims of a Judeo-Bolshevik nexus. Histo rical -<br />
ly, Jews played key roles in the short-lived Bolshevik Revolution of 1919 led by Bela Kun and after 1945 a small clique<br />
of Hungarian “Muscovite Jews” rallied around the ultra-Stalinist Matyas Rakosi, whose rule ended with the 1956 popular<br />
uprising against Soviet rule.<br />
In 1990, after the fall of communism, the vice president of the Hungarian Democratic Forum, a popular political<br />
party at the time, openly blamed “Jewish Stalinists” for having destroyed the self-esteem of the Hungarian people.<br />
There are an estimated 50,000 to 80,000 Jews in Hungary and 9,000 to 20,000 in Austria. What’s keeping them there?<br />
As historian Matti Bunzl has pointed out, post-Holocaust Jews of Austria have throughout the years disavowed any<br />
Austrian identity. They may have Austrian citizenship, but this is rarely experienced as anything but a formal arrangement.<br />
It is safe to assume that many Hungarian Jews feel the same, which explains the high rates of aliya from both<br />
of countries until the end of the 20th century.<br />
In the last decade, though, a strong Zionism has gradually been replaced by hopes that the European Union would offer<br />
a political entity that provides affiliation regardless of ethnic belonging or nationality – similar, ironically, to what was offe -<br />
red in the 19th century by the Austro-Hungarian Hapsburg Empire.<br />
Jews might have difficulty integrating themselves in a specific European state characterized by a distinct culture, history<br />
and religion. But they would find it easier to define themselves more generically as “Europeans,” a term devoid<br />
of all the ethnically charged particularism surrounding “Austrian” or “Hungarian.”<br />
Now, perhaps the time has come for the Jews of Austria and Hungary to reassess the European reality. Between the<br />
influx of large numbers of Muslims, who are gradually becoming the main perpetrators of anti-Semitic violence in Eu -<br />
rope, and the rise of a rabidly xenophobic Right, as evidenced in the recent elections in Hungary and Austria, Europe, or<br />
at least a goodly part of it, is becoming a very unwelcoming place for Jews. www.jpost.com/LandedPages/PrintArticle.aspx?id=174105<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />
April 29: To Israel, come to Austria!<br />
By JPOST READERS - 28/04/<strong>2010</strong> 23:56<br />
To Israel, come to Austria!<br />
Sir, – Your editorial “From Hungary and Austria, come to Israel!” (April 28) has un-made my day. That’s not because<br />
of criticism toward my country, as I am always open to founded criticism, but because of the factual errors and mistakes,<br />
as well as outdated comments and distorted conclusions expressed in the article. It’s just too simple to apply<br />
incorrect stereotypes to Austria as a whole.<br />
While your readers can easily check the correct results of last Sunday’s presidential election in Austria on our<br />
embassy’s Web site (http://www.bmeia.gv.at/en/embassy/tel-aviv.html) – in fact, President Heinz Fischer was ree -<br />
lec ted by 78.49 percent, while overseas ballots are still to be counted – some of the assumptions related to Austria<br />
in the editorial are clearly to be contested.<br />
Yes, it is true that for too many years following World War II, too many Austrians have tried to blot out the past and the<br />
realities during the Nazi regime, and that it was <strong>als</strong>o an uneasy restart of political life at the birth of Austria’s Second<br />
Republic. But the republic grew strong, and since the speech of Chancellor Franz Vranitzky in 1991 before the Austri an<br />
Parliament in Vienna and in 1993 at the Hebrew University of Jerusalem, the Austrian government has clearly demonstrated<br />
its determination to address the country’s darkest years and its readiness to engage proactively in order to work<br />
for the future.<br />
Remembrance of and reflection on the Shoah, as well as restitution efforts, are today very much present in Austrian<br />
official and individual minds. Austria has, for instance, recently been lauded internationally for its successful presidency<br />
of the Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research in 2008-09. The<br />
government of Israel and Israeli institutions, such as Yad Vashem and Lohamei Hagetaot, are very much aware of this.<br />
Austria’s consequent and maintained position against denial and forgetting is <strong>als</strong>o reflected in one of the most stringent<br />
laws against Nazi and neo-Nazi ideologies and activities (Prohibition Act). The public discussions that took<br />
place during this presidential election campaign have very much focused on this fact.<br />
Today’s Austrian Jewish community’s size is painfully small, compared to what it was at the turn of the 20th century.<br />
But it is growing, flourishing and very much alive.<br />
So Israelis, check out the “Tel Aviv beach” at the heart of Vienna this summer, celebrate with us in style the 150th<br />
birthday of Theodor Herzl, or come to the European Maccabi Games Vienna 2011, and get your own picture – Austria<br />
is waiting for you!<br />
MICHAEL RENDI<br />
Ambassador of Austria to Israel, Tel Aviv<br />
To the Editor of Jerusalem Post concerning the Article of 27th of April <strong>2010</strong><br />
„From Hungary and Austria – Come to Israel!“<br />
Jews in Austria have no reasons to leave!<br />
It is very sad that from time to time Israeli journalists write articles about Austria and the situation of its Jews without<br />
proper knowledge of the situation. It is a fact, that anti-Semitism in Europe is rising from the left and from the far<br />
right and that there are plenty of incidents in almost every country in Europe. The highest increase of anti-Semitism<br />
is seen in Spain and Sweden (see reports of ADL and American Jewish Congress).<br />
In Austria we have the toughest laws against Neo-Nazism and Holocaust-denial. Dozens of Neonazis have been sent to<br />
jail for five to ten years. Anti-Semitism from the right is decreasing! In the last 20 years, the Austrian Authorities have<br />
spent tens of millions of Euros to help build a Jewish infrastructure. In 2009 the president and the chancellor opened<br />
the largest Jewish Campus of Europe in Vienna (school, nursery home and Hakoah Sport Club). The Austrian Govern -<br />
ment just decided to spend 20 million Euros to refurbish Austria’s Jewish cemeteries. In Vienna you can attend up<br />
to 300 Jewish cultural events every year. Vienna’s 15000 Jews have no reason at this point to consider leaving Austria.<br />
The Jewish Community is negotiating a program with the Austrian Government to invite Jews from other European<br />
countries to move to Austria.<br />
Concerning the election of the Austrian President, Dr. Heinz Fischer, he was elected with more than 80 percent. His wife<br />
is of Jewish descent. The conservative parties decided not to run a candidate because Dr. Heinz Fischer’s success was<br />
evident. The only candidate, Ms. Rosenkranz, a declared extreme right-wing “Kellernazi”, was attacked by almost eve ry -<br />
one in Austria and got far less votes than her own party (FPÖ). This party has a large number of right-wing functio na -<br />
ries but its voters mostly vote out of protest against the economic crises, unemployment and fear of globalization.<br />
To tally different to Jobbik in Hungary, in Austria there are no anti-Semitic slogans and no anti-Semitic propaganda.<br />
Attacks on Jews are almost non existent ( and cannot be compared to Hungary, France or Sweden). FPÖ-leader Stra che<br />
tries very hard to disassociate himself from Nazism (although nobody believes him). He has absolutely no chance to<br />
become the next Mayor of Vienna (right now he expects 15-25 % of the votes) and in Vienna no other party will make a<br />
coalition with him.<br />
It is true that Austria has taken very long to live up to its past. Only in 1991 chancellor Vranitzky in his speech before<br />
Austrian Parliament and Hebrew University declared Austria’s responsibility for the Nazi-era. Since then many steps<br />
have been taken (i.a. 2,4 billions of Euros have been paid to Nazi-victims). None of this is enough and none of this<br />
sufficient in relationship to the crimes committed against Austrian Jews. But articles such as yours make only harm,<br />
especially since Austrian Jewry has always taken strong positions against any kind of rightwing politics.<br />
Dr. Ariel Muzicant,<br />
President of the Jewish Communities of Austria<br />
4 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
IN EIGENER SACHE<br />
PRÄSENTATION DER SONDERMARKE<br />
'Simon Wiesenthal – Recht, nicht Rache'<br />
Montag, 14.06.<strong>2010</strong>, 18.30 Uhr<br />
Jüdisches Museum <strong>Wien</strong><br />
die israel Postal Company, das <strong>Wien</strong>er Wiesenthal institut, die<br />
israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>, das Jüdische museum <strong>Wien</strong><br />
und die Österreichische Post AG laden Sie zur Präsentation der<br />
neuen Sonderbriefmarke „Simon Wiesenthal - Recht, nicht<br />
eache“ – eine Gemeinschaftsausgabe von Österreich und israel –<br />
herzlich ein.<br />
Programm:<br />
Begrüßung: Direktor DI Georg Haber, Jüdisches museum <strong>Wien</strong><br />
Grußworte: Dr. Ariel Muzicant, israelitische <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong><br />
Festrede: Dr. Andreas <strong>Mai</strong>lath-Pokorny, Stadtrat für Kultur und Wissenschaft<br />
Sondermarkenpräsentation: Dr. Erich Haas, Österreichische Post AG - Philatelie<br />
Persönliche Botschaft: Racheli Kreisberg<br />
Grußadresse der Familie Wiesenthal-Kreisberg<br />
Zum Abschluss werden erfrischungen gereicht.<br />
Das Sonderpostamt im<br />
Jüdischen Museum <strong>Wien</strong><br />
steht allen Gäs ten und<br />
Interessierten in der Zeit<br />
von 13.30 bis 17.30 Uhr<br />
zur Verfügung.<br />
Eintritt frei<br />
<strong>Wien</strong>er Jüdischer Chor<br />
unter der Leitung von Roman Grinberg<br />
JAHRESKONZERT <strong>2010</strong><br />
Donnerstag, 24. Juni <strong>2010</strong>,<br />
um 19.30 Uhr<br />
MOZARTSAAL DES WIENER KONZERTHAUSES<br />
„Fargesene Lider“<br />
Karten zu € 19,00/€ 25,00/€ 32,00/€ 39,00 im <strong>Wien</strong>er Konzerthaus<br />
(Lothringerstraße 20, 1030 <strong>Wien</strong>) unter www.konzerthaus.at/programm<br />
oder bei den Chormitgliedern.<br />
Weitere informationen und musikalische eindrücke finden Sie unter: http://<br />
youtube.com/wjchor.at, www.wjchor.at, und www.myspace.com/wjchor<br />
Unsere aktuelle Cd „A bissele Glik“ können Sie auf iTunes <strong>herunterladen</strong> oder<br />
bei emi auf der Kärtnerstraße 30, 1010 <strong>Wien</strong>, im Bookshop dorothy Singer im<br />
Jüdischen museum und bei Chor-mitgliedern kaufen. Unsere Cd "Ose Shalom"<br />
können Sie im ORF-Shop (http://shop.orf.at) und bei Chor-mitgliedern beziehen!<br />
“Fargesene Lider” – das sind jiddische Lieder,<br />
die einst berühmt waren und mit ihrer Zeit<br />
untergegangen sind: Lieder, die während der<br />
Shoa im osteuropäischen Shtetl geschrieben<br />
wurden; Lie der, die nach dem Krieg neuen Mut<br />
verliehen und um die Welt gegangen sind,<br />
bevor die Erinnerung an ihre Me lodie verloschen<br />
ist; Lieder, die zusammen mit dem jiddischen<br />
Theater in Verges sen heit geraten sind.<br />
Chorleiter Roman Grinberg hat diese Lieder<br />
gesammelt und für den Chor neu arrangiert.<br />
Der <strong>Wien</strong>er Jüdische Chor stellt sie mit seiner<br />
Interpretation in ei nen aktuellen Kon text und<br />
gibt ihnen eine neue Be deutung. In einer Mi -<br />
schung mit ganz und gar un ver ges senen Lie -<br />
dern ist ein abwechslungsreiches Pro gramm<br />
entstanden.<br />
Als speziellen Höhepunkt wird Ober rabbiner<br />
Paul Chaim Eisenberg anläßlich seines 60.<br />
Ge burt stages auf der Büh ne des Kon zert hauses<br />
dem Publikum – und dem Chor – ein besonderes<br />
Ständchen darbieten.<br />
Der Chor wird begleitet von Vien na Jazz klezz,<br />
das Programm durch die Einlagen zahl rei -<br />
cher Gäste wie dem Geigervirtuosen Aliosh<br />
Biz und dem Klarinettisten Alexandr Danilov<br />
abgerundet.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 5
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
SERIE<br />
Hinter den Kulissen –<br />
Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />
Teil 21: Psychosoziales Zentrum<br />
ESRA<br />
SERVICE<br />
Erreichbarkeit von ESRA:<br />
Telefonisch: montag bis donners -<br />
tag von 08.00 Uhr - 19.00 Uhr und<br />
freitags von 08.00 Uhr - 14.00 Uhr<br />
unter 01 – 214 90 14 - 0.<br />
Per mail: office@esra.at.<br />
infor ma tionen im internet finden<br />
Sie auf www.esra.at.<br />
Hier können Sie bei interesse auch<br />
bei Bekannt gabe der mail- oder<br />
Postadresse die Veranstal tungs -<br />
hin weise anfordern, welche dann<br />
automatisch zugeschickt werden.<br />
Postanschrift: Tempelgasse 5,<br />
1020 <strong>Wien</strong>.<br />
Spenden sind jederzeit herzlich<br />
will kommen: Bank Austria<br />
00684145600, BLZ 20151<br />
„Wir orientieren<br />
uns immer am<br />
Bedarf“<br />
Seit 15 Jahren gibt es nun schon das Psy -<br />
cho soziale Zentrum ESRA (Hebräisch für<br />
Hilfe). Heute ist es aus dem Alltag in der<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong> kaum mehr wegzudenken.<br />
Das Erfolgsrezept: der Mensch wird<br />
in seiner Gesamtheit gesehen, die Hilfe<br />
interdisziplinär gestaltet. Die Angebote<br />
werden zudem ständig – bedarfsorientiert<br />
– weiterentwickelt.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
3.000 menschen werden derzeit im<br />
Jahr von eSRA betreut. Was vor 15 Jah -<br />
ren <strong>als</strong> Hilfestellung für Holocaust-<br />
Überlebende mit Traumatisierungen<br />
begann, hat sich in viele Richtungen<br />
weiterentwickelt. die oberste maxime:<br />
den Bedarf erkennen und ihm ent -<br />
sprechend begegnen. medizini sches<br />
Personal sowie Sozialarbei ter/innen<br />
arbeiten dabei Hand in Hand.<br />
David Vyssoki ist der ärztliche Leiter<br />
von eSRA und steht der Ambulanz<br />
vor. diese ist wie ein bettenloses<br />
Krankenhaus organisiert. Zunächst<br />
auf die ärztliche, psychologische und<br />
psychotherapeutische Behandlung<br />
von nS-Opfern ausgerichtet, hat sich<br />
rasch eine zweite Zielgruppe herauskristallisiert,<br />
so Vyssoki: menschen<br />
aus der jüdischen Gemeinde mit mi -<br />
grationshintergrund. Um ihnen helfen<br />
zu können musste auch dem Thema<br />
Sprachbarrieren begegnet werden.<br />
Heute gibt es bei eSRA in allen Berei -<br />
chen mitarbeiter und mitarbeiterin -<br />
nen, die neben deutsch auch Russisch<br />
oder Hebräisch sprechen.<br />
der nächste Schritt: ein spezielles An -<br />
gebot für sämtliche jüdische Schulen<br />
in <strong>Wien</strong>. eSRA-Psychologen sind nun<br />
an allen Standorten regelmäßig vor Ort<br />
und stehen dabei für eltern, Lehrer<br />
und Schüler <strong>als</strong> Ansprechpartner zur<br />
Verfügung. Wird ein Therapiebedarf<br />
festgestellt, wird das mädchen oder<br />
der Bub direkt an eSRA überwiesen.<br />
Am Jüdischen Beruflichen Bildungs -<br />
zen trum (JBBZ) stehen die eSRA-ex -<br />
perten den dortigen mitarbeitern für<br />
Supervision zur Verfügung.<br />
Sehr präsent ist eSRA zudem im mai -<br />
mo nides Zentrum. dort ist nun schon<br />
seit einigen Jahren ein Consiliar-Liaison-Team,<br />
bestehend aus zwei Fach -<br />
ärz ten für neurologie und Psychia trie<br />
und einer diplomierten Krankenschwes<br />
ter tätig. Wird von diesen ein<br />
Bedarf für Psychotherapie festgestellt,<br />
gibt es diese auf Krankenschein.<br />
Grundsätzlich sei es gelungen, mit den<br />
Krankenkassen sehr gute Verträge<br />
auszuverhandeln, freut sich Vyssoki.<br />
eSRA ist übrigens inzwischen im Be -<br />
reich Behandlung von traumatisier-<br />
6 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
ten Patienten österreichweit Vor rei ter.<br />
Für die Stadt <strong>Wien</strong> hat das Team auch<br />
ein Konzept für die einrichtung eines<br />
Traumazentrums erarbeitet. in not fäl -<br />
len und Krisensituationen, wie etwa<br />
nach dem 11. September 2001 oder<br />
nach dem verheerenden Tsuna mi<br />
wer de schon jetzt im Rahmen der<br />
Akut betreuung <strong>Wien</strong> (ABW) auf die<br />
ex pertise der eSRA-experten zurückgegriffen.<br />
nach dem 11. September<br />
mussten beispielsweise menschen be -<br />
handelt werden, die keinen Kontakt<br />
zu Angehörigen in den USA herstellen<br />
konnten.<br />
der Alltag bei eSRA hat aber auch ge -<br />
zeigt, dass menschen immer älter<br />
wer den und demenzerkrankungen<br />
auf dem Vormarsch sind. daher wur -<br />
de eine Memory Klinik eingerichtet,<br />
die einerseits diagnostik, andererseits<br />
aber auch medikamentöse Therapie<br />
und Trainings zur erhaltung des Ge -<br />
dächtnisses bietet.<br />
eine weitere einrichtung ist die<br />
Schmerz ambulanz. Traumatisierte men -<br />
schen können über ihre erlebnisse oft<br />
nicht sprechen – reagieren aber mit<br />
Schmerzen, sagt Vyssoki. ihnen wird<br />
mit Schmerztherapie geholfen. eSRA<br />
arbeitet dabei unter anderem auch<br />
mit Akupunktur.<br />
Und ein weiteres Angebot hat eSRA<br />
über die Jahre ausgearbeitet: Beglei -<br />
tung und Beratung für Patienten, die<br />
an Krebs erkrankt sind. menschen,<br />
die in der Shoah traumatisiert wurden,<br />
reagieren anders auf eine solche<br />
diag n ose <strong>als</strong> andere Betroffene, er -<br />
zählt Vyssoki. Sie werden meist sehr<br />
depressiv. eSRA kooperiert hier mit<br />
der Caritas socialis: diese übernimmt<br />
die Schmerztherapie der Patienten,<br />
eSRA die psychologische Begleitung<br />
sowohl der Betroffenen <strong>als</strong> auch der<br />
Familienangehörigen.<br />
insgesamt arbeiten an der Ambulanz<br />
acht Fachärzte für Psychiatrie und<br />
neu rologie, ein Arzt für Allgemein me -<br />
dizin, ein Kinderarzt, zwei Psy cho lo -<br />
gin nen, sieben Psychothera peu ten und<br />
–therapeutinnen sowie vier Kran ken -<br />
schwestern und -pfleger. da es im mer<br />
wieder vorkommt, dass Pati en ten<br />
zeit weilig nicht sozialversichert sind,<br />
kann der praktische Arzt auch oh ne e-<br />
card aufgesucht werden. die Ambu -<br />
lanz ist montag bis donnerstag von<br />
14.00 Uhr - 19.00 Uhr und freitags von<br />
8.00 Uhr - 14.00 Uhr geöffnet.<br />
Gerda Netopil leitet den zweiten großen<br />
Bereich von eSRA: die Soziale Arbeit.<br />
der erstkontakt erfolgt über ein Clea -<br />
ring-System – zwei Sozialarbeiter/innen<br />
führen hier ein erstgespräch, lo ten<br />
aus, wo die Probleme liegen, wer wei -<br />
terhelfen kann. entweder eine einmalige<br />
oder kurzzeitliche Beratung reicht<br />
aus oder es ist eine längere sozialarbeiterische<br />
Begleitung ratsam, welche<br />
dann das sozialarbeiterische Lang zeit-<br />
Team übernimmt. Zudem werden<br />
Betroffene bei Bedarf an die Ambu lanz<br />
weitergeleitet.<br />
Generell sind die Wartezeiten für Bera<br />
tungstermine – im Vergleich zu an -<br />
de ren sozialen einrichtungen – kurz.<br />
im Rahmen von Clearing-Zeiten ist es<br />
auch möglich, Beratung ohne Voranmel<br />
dung in Anspruch zu nehmen. die<br />
Zeiten des Clearing-Teams: montag,<br />
mittwoch, Freitag von 9.00 - bis 12.00<br />
Uhr und dienstag und donnerstag<br />
von 14.00 Uhr - 17.00 Uhr sowie ge gen<br />
telefonische Terminverein ba rung.<br />
Kompetente Beratung bietet das So -<br />
zialarbeiter/innen-Team einerseits im<br />
Bereich Fremdenrecht, wobei den Kli en -<br />
ten auch aktiv geholfen wird, bei -<br />
spielsweise um ein Aufent halts recht<br />
anzusuchen. „Wir begleiten unsere<br />
Klienten bei diesen Verfahren“, betont<br />
netopil. in <strong>Wien</strong> gebe es kaum eine<br />
andere Stelle, die hier in dieser inten -<br />
si-tät expertise anbiete. insgesamt<br />
würden migranten mit diesen Problemen<br />
ziemlich alleine gelassen.<br />
Beratung gibt es aber auch zum The ma<br />
entschädigungsrecht für nS-Über le -<br />
ben de. Hier ist man außerdem auch<br />
in deutschem Recht firm. eSRA hat<br />
zudem jüngst auch die bisherigen dies -<br />
bezüglichen Agenden der Anlaufstelle<br />
übernommen.<br />
ein wichtiges Thema ist für netopil<br />
zu dem die materielle Grundsiche -<br />
rung, wobei sie betont: eSRA selbst<br />
entscheidet nicht über die Vergabe von<br />
Gel dern. Zunächst werden Betroffene<br />
beraten, bei welchen öffentlichen Stel -<br />
len sie Ansuchen um Förderung, Zu -<br />
schüsse und Ähnliches stellen können.<br />
Bei Bedarf wird bei der Antragstel lung<br />
unterstützt und das behördliche Ver -<br />
fah ren begleitet. Über iKG-interne<br />
finanzielle Stützmittel entscheiden die<br />
Sozialkommission beziehungswei se<br />
Verlassenschaften-Ankauf,<br />
Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,<br />
Spiegelgasse 19, 1010 <strong>Wien</strong>, Österreich<br />
Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at<br />
die Stipendienkommission der iKG<br />
(fi nanzielle Unterstützung zur Be zah -<br />
lung des Schulgeldes).<br />
Bei eSRA werden übrigens vielm<strong>als</strong><br />
nicht einzelpersonen, sondern ganze<br />
Familiensysteme betreut, so netopil.<br />
Viele Probleme könnten nur so in den<br />
Griff bekommen werden.<br />
Gruppen ganz anderer Art haben sich<br />
im Rahmen von „Club SchelAnu“<br />
zusammengefunden, einer initiative<br />
für Senioren. im Rahmen von acht<br />
Aktivitätsgruppen treffen hier mit glie -<br />
der verschiedenster religiöser Grup -<br />
pie rungen und ethnien zusammen,<br />
um Bewegung zu machen, einen<br />
edV-Kurs zu absolvieren oder eine<br />
Sprache zu erlernen. Besonders ältere<br />
menschen, die aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion stammen, hätten oft das<br />
Bedürfnis, englisch zu erlernen.<br />
Und schließlich koordiniert die Sozial -<br />
arbeit den ehrenamtlichen Besuchs -<br />
dienst für alleinstehende Holocaust -<br />
überlebende, „meist Frauen, die plus<br />
mi nus alleine leben“. Freiwillige besuchen<br />
ältere, zumeist traumatisierte<br />
menschen etwa zwei Stunden in der<br />
Wo che, wobei die eSRA-Sozialar bei -<br />
ter/innen dabei darauf achten, „dass<br />
die Ehrenamtlichen nicht ihre Grenzen<br />
überschreiten“.<br />
Leider spielt auch in jüdischen Fami -<br />
li en Gewalt in der Familie eine Rolle,<br />
bedauern Vyssoki und netopil. Hier<br />
setzt nun die neue initiative „Hotline<br />
– gegen Gewalt in der Familie“ an, die<br />
vor allem Frauen dazu motivieren<br />
möchte, sich mit allfälliger häuslicher<br />
Gewalt – gegen sich oder aber die Kin -<br />
der – besser auseinanderzusetzen.<br />
An gerufen werden kann die Hotline<br />
unter der Telefonnummer 01-212 55 18<br />
jeweils montag, dienstag und don -<br />
ner stag von 10.00 Uhr - 12.00 Uhr und<br />
mittwochs von 15.00 Uhr - 17.00 Uhr.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 7
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
Zwölf Sozialarbeiter/innen sind bei<br />
eS RA im einsatz sowie, zur Unter -<br />
stüt zung, fünf Zivildiener. der Alltag<br />
ist dabei nicht immer leicht. „Die Viel -<br />
sei tigkeit ist das Schöne“, sagt netopil,<br />
„und gleichzeitig ist sie auch die He rausforderung<br />
und das Anstrengende und be -<br />
deu tet für mich auch immer wieder schlaf -<br />
lose Nächte“. Wichtig für ein ausgeglichenes<br />
Befinden der mitarbeiter:<br />
Supervision.<br />
Peter Schwarz bemüht sich <strong>als</strong> Ge -<br />
schäfts führer die Rahmen bedin gun -<br />
gen zu schaffen, damit das Angebot<br />
von eSRA immer auch den aktuellen<br />
Bedarf deckt. er versteht sich dabei<br />
„nicht <strong>als</strong> Verwalter, sondern mehr <strong>als</strong><br />
Gestalter“. die Frage laute <strong>als</strong>o nicht:<br />
ist das im Budget noch drinnen oder<br />
nicht, die Frage laute vielmehr: „Wie<br />
ermögliche ich das?“ Schwarz ist vor<br />
allem für die finanzielle Gebarung des<br />
Hauses zuständig, verhandelt mit öf -<br />
fentlichen Stellen um Unterstützun gen<br />
und Förderungen, verhandelt aber<br />
auch mit den Sozialversicherungs trä -<br />
AMBU LANZ<br />
Öffnungszeiten:<br />
Montag - Donnerstag 14.00 - 19.00 Uhr<br />
(nur nach Terminvereinbarung)<br />
Telefonische Information und Anmeldung_<br />
Montag - Donnerstag 10.00 - 19.00 Uhr<br />
Freitag<br />
10.00 - 14.00 Uhr<br />
Folgende Angebote stehen zur Verfügung:<br />
• Neurologische Behandlung und Beratung<br />
• Psychosoziale Behandlung und Beratung<br />
• Allgemein-med. Behandlung und<br />
Beratung<br />
• Betreuung & Beratung durch dipl.<br />
Pflegepersonal<br />
• Psychotherapie<br />
• Traumabehandlung<br />
• Supervision<br />
• Psychol. Begutachtung und Beratung<br />
• Palliativ-Behandlung und Beratung<br />
• Memory Clinic<br />
ELTERN-KIND-BERATUNG<br />
Sprechstunde: Montag 16.00 - 19.00<br />
KINDER- UND JUGENDBERATUNG<br />
Terminvereinbarung:<br />
Montag - Donnerstag 9.00 - 15.00 Uhr<br />
Matthias Lichtenegger Tel. 01 214 90 14 - 49<br />
HOTLINE gegen Gewalt in der Familie<br />
Tel.: 01-212 55 18<br />
Montag, Dienstag. Don ner stag<br />
10.00 Uhr - 12.00 Uhr<br />
Mittwoch 15.00 Uhr - 17.00 Uhr.<br />
gern.<br />
Und schließlich kümmert er sich auch<br />
um die Öffentlichkeitsarbeit des Hau -<br />
ses. ein Ansatzpunkt sind Kultur ver -<br />
an staltungen im Haus, wie musik -<br />
pro gramme, Filmvorführungen, Aus -<br />
tel lungen, Lesungen. So kommen<br />
men schen mit eSRA in Kontakt und<br />
können dann vielleicht auch mehr mit<br />
dem anfangen, was eSRA tut, hofft<br />
Schwarz. damit werde man in der<br />
Öffentlichkeit, aber auch bei ent schei -<br />
dungsträgern bekannter. Gleichzeitig<br />
biete sich so jüdischen Künstlern eine<br />
möglichkeit, sich und ihre Arbeit zu<br />
präsentieren.<br />
ein Problem hat Schwarz in der na hen<br />
Zukunft zu lösen: die Raumnot. eSRA<br />
platzt inzwischen aus allen nähten,<br />
die Aufgaben werden mehr statt we -<br />
niger, räumlich hat man den Plafonds<br />
erreicht. Aber auch hier wird man mit<br />
Hilfe der iKG und der Wohnheim ver -<br />
waltungsgesellschaft (WVG) Lösun -<br />
gen finden, zeigt sich Schwarz zuversichtlich.<br />
CLEARING-TEAM<br />
Montag, Mittwoch, Freitag 9.00 - 12.00 Uhr<br />
Dienstag & Donnerstag 14.00 - 17.00 Uhr<br />
sowie ge gen telefonische Terminverein ba rung.<br />
SOZIALBERATUNG<br />
Montag<br />
9.00 - 12.00 Uhr<br />
Dienstag<br />
14.00 - 17.00 Uhr<br />
Mittwoch<br />
9.00 . 12.00 Uhr<br />
Donnerstag<br />
14.00 - 17.00 Uhr<br />
Freitag<br />
9.00 - 12.00 Uhr<br />
Diese Sprechstunden sind für all jene gedacht,<br />
die zum ersten Mal mit der Sozialberatung in<br />
Kon takt treten wollen oder die keinen regelmäßigen<br />
Kontakt zu einem Sozialarbeiter oder<br />
ei ner Sozialarbeiterin haben.<br />
Beratung und Betreuung<br />
• Integrationsarbeit (Aufenthaltstitel, Aus -<br />
län derbeschäftigungsrechtliche Be willigun -<br />
gen, Staatsbürgerschaftser lan gung<br />
• Entschädigungsansprüche (Opferfür sor -<br />
ge gesetz, Entschädigungsleistun gen aus<br />
Deutsch land, Ansprüche aus dem Natio -<br />
nal fonds der Republik Ös terreich, Pen si -<br />
ons an sprüche nach dem Begünstigten ver -<br />
fah ren, Pflege geld leistungen und Wie der -<br />
erlangung der österreichischen Staats bür -<br />
ger schaft von im Ausland lebenden Überlebenden<br />
der NS-Verfolgung u.a.)<br />
• Unterstützung im Alter (Vermittlung So -<br />
zialer Dienste, Pflegegeldanträge, Ver mitt -<br />
lung der Unterbringung in Tages heim stät -<br />
te, Seniorenwohnheim, Pflege heim, Kurz -<br />
zeit pflege; Angehörigenbera tung)<br />
ZUR PERSON<br />
DSA Mag. Gerda Netopil, Leiterin<br />
Soziale Arbeit, geb. 1963 in Klos -<br />
terneuburg (nÖ), nach der matura<br />
Studium der Geschichte und Po li -<br />
tik wissenschaft an der Uni <strong>Wien</strong><br />
und Ausbildung zur diplomierten<br />
Sozialarbeiterin an der Sozialaka -<br />
de mie <strong>Wien</strong>. Von 1984 bis 1991<br />
Sekre tariat in der Gewerkschaft<br />
Öf fent li cher dienst (GÖd) und<br />
Pro jekt ar beit im sozial- und kultur -<br />
wissenschaftlichen Bereich. 1991<br />
bis 1995 Produktionsleiterin im<br />
Film kultur bereich. 1996 bis 1997<br />
mitarbei te rin der iT-Abteilung in -<br />
ternational Sales & Partnerring.<br />
Seit 1997 in eSRA <strong>als</strong> Sozialar bei -<br />
terin tätig, seit 2001 stellvertretende<br />
Leitung, seit 2007 Leitung des Be -<br />
rei ches Soziale Arbeit. Sie ist verheiratet<br />
und mut ter einer sechsjährigen<br />
Tochter.<br />
Peter Schwarz, Geschäftsführer,<br />
geb. 1958 in <strong>Wien</strong>, verbrachte seine<br />
Jugend im Hashomer Hazair, be -<br />
gann nach der matura Wirtschaft<br />
zu studieren und absolvierte eine<br />
Controller-Ausbildung. Von 1978<br />
bis 1983 neben dem Studium für el<br />
Al tätig. 1983 bis 1987 Aufbau und<br />
Leitung der Fremdenverkehrs ver -<br />
tre tung des Tourismusministe ri ums<br />
des Staates israel, anschließend im<br />
Handel tätig. Von 1996 bis 1998 Re -<br />
ferent im Parlamentsklub der Grü -<br />
nen, dabei u.a. für minderheiten -<br />
politik und Restitution zuständig.<br />
Seit 1996 Geschäftsführer von eS RA.<br />
er ist verheiratet und Vater eines<br />
Sohnes.<br />
Dr. David Vyssoki, Ärztlicher Lei -<br />
ter, geb. 1948 in Tscherno witz/<br />
UdSSR, seit 1962 in Österreich. 1967<br />
matura, 1976 Abschluss des medi -<br />
zin studiums. Seit 1985 Facharzt<br />
für Psychiatrie und neurologie,<br />
lang jährige erfahrungen <strong>als</strong> Psy -<br />
cho - und Familientherapeut. 1994<br />
mitbegründer und mitarbeiter am<br />
Konzept des psychosozialen Zen -<br />
trums eSRA/<strong>Wien</strong>, Primarius der<br />
Ambulanz. Seit 1994 ärztlicher<br />
Leiter von eSRA. er ist verheiratet<br />
und Vater zweier erwachsener<br />
Kin der. Hobbies: Geschichte, Ar -<br />
chäologie, neurobiologie, Kunst.<br />
8 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • INLAND<br />
Offener Brief an <strong>Wien</strong>, 5. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />
Herrn Bundeskanzler Werner Faymann<br />
Frau Innenministerin Maria Fekter<br />
Herrn Außenminister Michael Spindelegger<br />
Meine Großeltern konnten im Dezember 1939 gerade noch aus Nazi-Österreich nach<br />
Belgien entkommen. Willkommen waren sie dort nicht. Man forderte sie immer wieder<br />
auf, das Land zu verlassen und drohte ihnen mit Abschiebung - nach Nazi-Deutschland.<br />
Am Ende haben die Nazis sie in Belgien eingeholt - und ermordet.<br />
Ich verdanke mein Leben der Tatsache, dass England meine Eltern nicht abge scho ben<br />
hat - und nicht von den Nazis eingenommen wurde.<br />
Ich nehme mir aber nicht nur deshalb das Recht heraus an Sie, die Sie dieses Land re -<br />
gie ren, einige Fragen zu stellen. Als Österreicherin und Mensch mit Gewissen frage ich<br />
Sie:<br />
1. Wissen Sie nicht, dass die große Mehrheit jener, die heute in Österreich Zuflucht<br />
suchen, das tut, weil sie an Leib und Leben bedroht ist?<br />
2. Wissen Sie nicht, was auf die Menschen, die jetzt Tag für Tag wie Kriminelle außer<br />
Landes gebracht werden, zukommt? Welches Schicksal die meisten dort erwartet,<br />
wohin sie von Österreich aus verfrachtet werden?<br />
3. Wissen Sie nicht, wie viele jener, die jetzt plötzlich unbedingt abgeschoben werden<br />
müssen, seit Jahren hier leben und nur eben das wollen: in Ruhe und Sicherheit hier<br />
leben?<br />
4. Glauben Sie nicht, dass schnelle und faire Asylverfahren die Lage wesentlich besser<br />
entspannen würden <strong>als</strong> willkürliche Abschiebungen?<br />
5. Glauben Sie nicht, dass wirkliche Experten - <strong>als</strong>o Menschen, die die Situation tatsächlich<br />
gut kennen - die Lage in den jeweiligen Ländern, aus denen die Flüchtlinge<br />
kommen, beurteilen sollten und nicht desinteressierte überforderte Beamte?<br />
6. Glauben Sie nicht, dass eine Arbeitserlaubnis den Menschen nicht nur eine<br />
Perspektive geben würde sondern auch verhindert, was Sie Sozi<strong>als</strong>chmarotzertum<br />
nennen?<br />
7. Glauben Sie nicht, dass zutiefst traumatisierte Menschen von ausgebildeten<br />
Psychologen und nicht von überforderten Polizisten einvernommen werden sollten?<br />
8. Glauben Sie nicht, dass gerade Österreich eine besondere Verpflichtung hat,<br />
Menschen in Not zu helfen?<br />
Hochachtungsvoll<br />
Dr. Susanne Scholl<br />
POLITIK<br />
Für einen würdigen Umgang mit Menschen in Not:<br />
http://www.petitiononline.com/liaboh<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 9
POLITIK • INLAND<br />
Latente Verharmlosung des<br />
Rechtsextremismus durch<br />
die Innenministerin“<br />
„Die ÖVP hat offenbar größte Schwie rig -<br />
keiten mit der Mathematik“, stellte der<br />
Sicherheitssprecher der Grünen, Peter<br />
Pilz, angesichts der Präsentation des<br />
Verfassungsschutzberichtes fest.<br />
„Wir stehen vor einem massiven Rechts -<br />
extre mis mus-Problem in diesem Land mit<br />
na he zu 800 Anzeigen im Jahr 2009“, so<br />
Pilz. Angesichts dieser Situation von<br />
einer „Stabilisierung“ zu sprechen, fällt<br />
wohl unter grobe Verharmlosung. „Die<br />
In nen ministerin sollte sich daran messen<br />
lassen, wie sie die rechtsextremen Umtriebe<br />
im Land zurückdrängt und nicht,<br />
wie sie sie „stabilisiert“, kritisierte Pilz.<br />
im selben Atemzug einen Anstieg von<br />
64 auf 90 Anzeigen im linksextremen<br />
Bereich von einer „gewaltigen Zunah -<br />
me“ zu sprechen, ist allerdings der<br />
Gip fel: „Das ist eine glatte Irreführung<br />
der Öffentlichkeit.“ Hier werde mit<br />
Zahlen manipulation betrieben und es<br />
soll verschleiert werden, dass die in -<br />
n enministerin scheinbar aufmarschierende<br />
Rechtsextremisten und nazis<br />
<strong>als</strong> naturgesetz betrachtet.<br />
Pilz: „Seit dem Beginn der Ära der schwar -<br />
zen In nen ministerInnen ist das Innenmi -<br />
nisterium auf dem rechten Auge blind.<br />
Der Rechts extremismus-Bericht wurde<br />
unter Schwarz-Blau abgeschafft und nie<br />
wieder ein gerichtet. Das ist eine klare<br />
Vor leis tung für die nächste ÖVP-FPÖ-<br />
Koali tion. Denn: Wer im braunen Sumpf<br />
wühlt, der wird FPÖ-Funktionäre finden.<br />
Die Innen ministerin will sie offenbar gar<br />
nicht erst finden“.<br />
Lueger-Denkmal soll gekippt werden<br />
im dezember 2009 gründeten Studie -<br />
rende an der Universität für angewandte<br />
Kunst <strong>Wien</strong> und Martin Krenn<br />
(Lehrbeauftragter) einen Ar beits kreis<br />
zur „Umgestaltung des Lueger-denk -<br />
m<strong>als</strong>“, der einen „Open Call“ für<br />
einen internationalen Wettbewerb zur<br />
„Umgestaltung des Lueger-Denkm<strong>als</strong> in<br />
ein Mahnmal gegen Antisemitismus und<br />
Rassismus in Österreich“ ausschrieb.<br />
das Feedback war mit 220 internationalen<br />
einreichungen sehr positiv - die<br />
Wahrnehmung über die Grenzen Ös -<br />
terreichs hinaus bestätigt insofern<br />
auch die Relevanz der gesellschaftskritischen<br />
Stoßrichtung des Wettbe -<br />
werbs. Ca. 75% aller einreichungen<br />
stammen aus Österreich, die restli -<br />
chen 25% aus europäischen Ländern,<br />
drei Vorschläge stammen aus den USA,<br />
einer aus China. nun hat die Jury ei -<br />
nen Vorschlag ausgewählt. die entscheidung<br />
fiel auf den entwurf des<br />
<strong>Wien</strong>er Künstlers Klemens Wihlidal. er<br />
sieht vor, die Statue und einen Teil<br />
des Sockels um 3,5 Grad nach rechts<br />
zu neigen. die Jury begründet ihre<br />
ent scheidung damit, dass der ent wurf<br />
die Unsicherheit der Stadt <strong>Wien</strong> im<br />
Umgang mit Karl Lueger verdeutliche<br />
und den aktuellen Stand der diskus -<br />
sion zeige. Sowohl die Person Karl<br />
Lu egers <strong>als</strong> auch ihre Rezeption<br />
befänden sich in einer Schieflage.<br />
durch den eingriff werde der vertikale<br />
Charakter des monuments ge -<br />
brochen und der mythos Luegers <strong>als</strong><br />
Vaterfigur <strong>Wien</strong>s hinterfragt. die<br />
Schieflage verweise auf den problematischen<br />
Umgang der Stadt <strong>Wien</strong><br />
mit ihrer antisemitischen Vergan gen -<br />
heit. die Umgestaltung, so Wihlidal<br />
selbst, „führt eine Irritation bei den Be -<br />
trach terInnen herbei, das Monument ge -<br />
rät in Unruhe, es soll die Frage evoziert<br />
werden: Wie geht es jetzt mit dem Denk -<br />
mal weiter? Entgegen eines Denkmal -<br />
stur zes, wird in dem Moment, wo die<br />
Statue nur gekippt wird, das Denkmal<br />
zum Mahnmal.“ der Arbeitskreis und<br />
seine Unterstützerinnen fordern nun<br />
die Umsetzung. in den nächsten Wo -<br />
chen wird der entwurf der Stadt <strong>Wien</strong><br />
im <strong>Wien</strong>er Rathaus übergeben. der<br />
diesbezügliche Antrag im <strong>Wien</strong>er Ge -<br />
meinderat kann von den Verant wort -<br />
lichen noch vor dem Sommer eingebracht<br />
werden.<br />
Alle anderen eingereichten entwürfe<br />
werden in den kommenden Wochen<br />
in Absprache mit den Künstlerinnen<br />
für eine Präsentation auf der Website<br />
(www.luegerplatz.com) aufbereitet.<br />
Klemens Wihlidal wurde 1982 in <strong>Wien</strong><br />
geboren, studierte von 2001 bis 2002<br />
Gitarre am Konservatorium <strong>Wien</strong> und<br />
von 2003 bis <strong>2010</strong> medienübergrei -<br />
fen de Kunst an der Universität für<br />
angewandte Kunst <strong>Wien</strong>.<br />
der Jury gehörten folgende Personen<br />
an: Aleida Assmann, Literatur- und Kul -<br />
turwissenschaftlerin, Universität Kon -<br />
s tanz/Gerald Bast, Rektor der Uni ver -<br />
si tät für angewandte Kunst <strong>Wien</strong>/Eva<br />
Blimlinger, Historikerin, Univer si tät für<br />
angewandte Kunst <strong>Wien</strong>/Fe li citas Hei -<br />
mann-Jelinek, Chef-Kurato rin Jü di sches<br />
museum <strong>Wien</strong>/Johan na Kandl, Künst -<br />
le rin, Universität für Angewandte<br />
Kunst <strong>Wien</strong>/Lisl Ponger, Künstlerin/<br />
Doron Rabinovici, Schriftsteller, essa yist<br />
und Historiker/Martin Krenn und Ver -<br />
treterinnen des Arbeitskreises (ei ne<br />
Stimme).<br />
info unter: www. luegerplatz.com<br />
„Menschenschutz“<br />
Auch bei mutmaßlich Rechtsextremen sollten die Behörden hart durchgreifen<br />
56 Seiten hat die Anzeige, die Georg Zanger bei der Staatsanwaltschaft Graz eingebracht hat. 56 Verdächtige hat der Anwalt<br />
benannt. Er zeiht Frei heit li che, Teil eines rechtsextremen, über Österreichs Grenzen hinausgehenden Netz werks zu sein. Er<br />
werde es den "Nazis" zeigen, sagt der streitbare Ad vo kat. Es ist löblich, dass sich ein Jurist die Mühe gemacht hat, Verbin -<br />
dun gen zwischen FPÖ und der rechten Szene aufzuzeigen. Dass es solche gibt, ist nicht neu. Mit ar beiter von National rats -<br />
präsident Graf, einem schlagenden Bur schenschafter, hatten Nazi-Devotionalien bei einem einschlägigen Ver sand bestellt;<br />
rechtsextreme Liedermacher und Historiker sind immer wieder in Buden zu Gast.<br />
Politisch und strafrechtlich haben derlei Umtriebe selten Konsequenzen. Und so versucht Zanger, das „Spinnennetz des Rechts -<br />
extremismus“ mithilfe des „Ma fia“-Paragrafen zu zerschlagen: Bildung einer kriminellen Organisation. 13 Tier schützern wird das<br />
vorgeworfen; sie sind deswegen angeklagt. Es gab Haus durch suchungen, etliche von ihnen waren 104 Tage inhaftiert. Da vor dem<br />
Gesetz alle gleich sind, ist zu erwarten, dass die Justiz gegen po ten zielle Rechtsextreme und deren Gönner mit ebenso schwerem<br />
Ge schütz auf fährt wie gegen Menschen, die Tiere schützen wollen. KURIER-Kommentar von Karin Leitner, 19. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />
10 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
15-jähriges Jubiläum<br />
des Österreichischen<br />
Nationalfonds<br />
POLITIK • INLAND<br />
©Karl Schrammel<br />
Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums<br />
des nationalfonds der Republik Ös -<br />
ter reich für Opfer des nation<strong>als</strong>o zia -<br />
lismus lud Österreichs Botschafter in<br />
Washington, Christian Prosl, am 13. mai<br />
zu einer Gedenkveranstaltung in die<br />
Botschaft ein. Unter den zahlreichen<br />
Gästen befanden sich neben Vertre tern<br />
von Opferorganisationen und des<br />
department of State auch zahlreiche<br />
aus Österreich stammende Holo caust-<br />
Überlebende.<br />
nationalfonds-Gener<strong>als</strong>ekretärin Mag.<br />
Hannah Lessing brachte einen Rück blick<br />
auf die 15-jährige Tätigkeit des Fonds<br />
und präsentierte aktuelle Projekte<br />
und initiativen des nationalfonds: die<br />
Unterstützung älterer und bedürftiger<br />
Holocaust-Überlebender sei ein<br />
pri oritäres Anliegen des Fonds, aber<br />
auch die Verwertung von Kunstob -<br />
jek ten, die während der nS-Zeit ihren<br />
eigentümern entzogen wurden und<br />
nicht mehr an deren Rechtsnach fol -<br />
ger zurückgegeben werden können,<br />
denn diese Verwertung kommt den<br />
Opfern des nS-Regimes unmittelbar<br />
zugute. der Fonds fördert auch die er -<br />
haltung von Gedenkstätten und die<br />
Pro jekte der zeitgeschichtlichen Forschung,<br />
sowie Schulprojekte im Be -<br />
reich Holocaust education.<br />
der US Sonderbeauftragte für Holo -<br />
caust fragen des State department, Bot -<br />
schafter Christian Kennedy, würdigte die<br />
erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ös -<br />
terreich bei der Umsetzung des Wa -<br />
shing ton Agreement 2001 über offene<br />
Restitutionsfragen, den wichtigen Bei -<br />
trag zu den Arbeiten der Task Force<br />
for international Cooperation on Ho -<br />
lo caust education, insbesondere während<br />
des österreichischen Vorsitzes<br />
im Jahr 2008/2009 und den österreichischen<br />
Beitrag zur Vorbereitung<br />
der Holocaust-era Assets Conference,<br />
die im Juni 2009 in Prag stattfand.<br />
Stuart Eizenstat, der in den Jahren<br />
2000/2001 <strong>als</strong> US-Regierungsbeauf -<br />
tragter für Holocaust-Fragen die Ver -<br />
handlungen mit der österreichischen<br />
Bundesregierung über das sehr umfas<br />
sende Washington Agreement über<br />
offene Restitutions- und Vermögensfra<br />
gen geleitet hatte, hob hervor, dass<br />
sich Österreich seit Gründung des na -<br />
tionalfonds konsequent dem dunkelsten<br />
Kapitel seiner Geschichte stelle.<br />
mit zahlreichen neuen initiativen neh -<br />
me Österreich eine Vorreiterrolle un -<br />
ter den europäischen Staaten ein: die<br />
österreichische Kunstrestitutions ge -<br />
setzgebung sei weltweit einzigartig<br />
und vorbildhaft, ebenso wie die ös ter -<br />
reichischen Sozialleistungen, insbesondere<br />
die Pflegegeldleistungen, die<br />
vielen überlebenden Opfern des na ti -<br />
o n<strong>als</strong>ozialismus zugute kommen. Ge -<br />
ra de aufgrund der Bedürftigkeit vieler<br />
Holocaust-Überlebender kommen<br />
Pro grammen wie den Pflegegeld- und<br />
Pensionsleistungen heute eine zentrale<br />
Bedeutung zu.<br />
Seit seiner Gründung hat der natio -<br />
nal fonds dazu beigetragen, Brücken<br />
zu österreichischen emigranten zu<br />
schlagen, die nach den Gräueln der<br />
nS-Verfolgung in den USA eine neue<br />
Heimat gefunden haben. neben den<br />
Leistungen des nationalfonds und des<br />
Allgemeinen entschädigungs fonds<br />
erhalten die Antragsteller auch laufend<br />
informationen über österreichische<br />
Restitutions- und entschädi -<br />
gungs programme sowie über österreichische<br />
Sozial-, Pflegegeld- und Pen -<br />
si onsleistungen, die den Überlebenden<br />
in den USA zugute kommen. Zahl -<br />
reiche Antragsteller, die dem Fest akt<br />
an der Botschaft beiwohnten, drückten<br />
ihre Anerkennung für die Arbeit<br />
des nationalfonds aus und würdigten<br />
die zahlreichen österreichischen Un -<br />
ter stützungsprogramme. Am wichtigsten<br />
seien jedoch die An er kennung<br />
der Leiden der Opfer und das Gefühl,<br />
nicht vergessen worden zu sein.<br />
Österreichische Botschaft Washington<br />
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mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 11
Ungarns Bischofskonferenz hat vor<br />
dem Hintergrund von aktuellen m e -<br />
di enberichten, in denen von kirchl i -<br />
chen Sympathien für nationalistische<br />
und rechte Strömungen im Land die<br />
Rede ist, ihr Bemühen unterstrichen,<br />
Rassismus, Rechtsextremismus und<br />
neu heidentum entgegenzutreten.<br />
POLITIK • AUSLAND<br />
Ungarns Bischöfe: Keine Sympathien für nationalistischrechte<br />
Ideen<br />
die Bischofskonferenz habe diese Phä -<br />
nomene bereits in einem Schrei ben<br />
von 20. September 2009 mit aller ent -<br />
schie denheit verurteilt, heißt es in ei -<br />
nem an internationale medien gerichteten<br />
Kommunique des Sekretariats<br />
der Bischofskonferenz (magyar Ka to -<br />
li kus Püspöki Konferen cia/mKPK),<br />
wie Kathpress meldet. in der erklärung<br />
wird an die eindeutige Haltung<br />
des ungarischen Primas, Kardinal Pe -<br />
ter Erdö, erinnert. der erzbischof von<br />
esztergom-Budapest habe dafür im<br />
november 2006 einen Preis der jüdischen<br />
Gemeinschaft in Ungarn be -<br />
kommen. Auch zu Beginn der festli -<br />
chen messe bei der Stephans-Basilika<br />
zum nationalfeiertag am 20. August<br />
2009 habe er den Rassismus <strong>als</strong><br />
„schreckliche Sünde“ bezeichnet.<br />
Wörtlich heißt es in der mKPKerklärung:<br />
„Die Bischofskonferenz organisierte<br />
unter der Leitung des Heiligen<br />
Stuhls und internationaler jüdischer Or -<br />
ga nisationen im November 2008 mit dem<br />
Verband der jüdischen Gemeinden in Un -<br />
garn (Mazsihisz) ein internationales<br />
christlich-jüdisches Symposion. In einer<br />
öffentlichen Rede am Holocausttag hat<br />
Kar dinal Erdö erneut seine Stimme<br />
gegen den Rassismus erhoben.“<br />
Weiters wird auf den Vorfall im Au -<br />
gust 2007 eingegangen, <strong>als</strong> Fahnen der<br />
rechtsextremen Ungarischen Garde<br />
von Geistlichen gesegnet worden wa -<br />
ren. dies hatte international scharfe<br />
Kritik hervorgerufen. dabei habe es<br />
sich um einen Priester „ohne kirchliche<br />
eingliederung“ gehandelt, so die<br />
erklärung von msgr. Lasz lo Nemet, der<br />
2007 Sekretär der mKPK war, habe<br />
„noch am Abend eine Stellungnahme<br />
veröffentlicht, in dem die Konferenz sich<br />
von diesem Ereignis ab grenz te und es<br />
miss billigte“. die me di en hätten allerdings<br />
diese Stellung nah me „nicht<br />
wahr genommen“ und eine weiter ge for -<br />
dert. „Die Fahnenweihe der Ungari schen<br />
Garde war eine Provokation; die Kirche<br />
hatte damit aber nichts zu tun“, so das<br />
mKPK-Sekretariat. Auch zu der initia -<br />
tive der rechtsradikalen Par tei Jobbik,<br />
Kreuze im Rahmen von po litischen<br />
Ver anstaltungen an öffent li chen Orten<br />
aufzustellen, habe die mKPK bereits<br />
Stellung genommen, betont das Se kre -<br />
tariat in dem Kom mu nique. erinnert<br />
wird auch an eine parallele Situation<br />
©cc<br />
in Österreich, <strong>als</strong> im Frühjahr 2009 in<br />
<strong>Wien</strong> Kardinal Christoph Schönborn die<br />
Verwen dung des Kreuzes durch FPÖ-<br />
Chef Heinz-Christian Strache im eU-<br />
Wahlkampf öffentlich missbilligt hat te.<br />
„Die Wahlergebnisse von (der ungarischen<br />
Par lamentswahl im) April <strong>2010</strong> be zeug -<br />
ten auch, dass die Ergebnisse der rechts -<br />
radikalen Partei (Jobbik, Anm.) in Ge gen -<br />
den mit katholischer Mehrheit wesentlich<br />
schlechter sind <strong>als</strong> anderswo“, so das<br />
Sekretariat der Bischofs konferenz.<br />
Kein öffentliches Denkmal für brutal ermordete Roma in Ungarn<br />
Für den im Februar 2009 in der ungarischen<br />
Gemeinde Tatarszengyörgy<br />
bru tal ermordeten 27-jährigen Rom<br />
Robert Csorba und dessen fünfjährigen<br />
Sohn darf öffentlich kein denkmal auf -<br />
gestellt werden, entschied der Ge mein -<br />
derat. er begründet seine ent schei -<br />
dung nach Angaben der nach rich ten -<br />
agentur mTi folgendermaßen: „Das<br />
Denkmal erinnert die Menschen an die<br />
Tragödie, die umso eher vergessen werden<br />
soll.“ Robert Csorba und sein gleichnamiger<br />
Sohn waren in der nacht auf<br />
den 23.02.09 vor dem Haus der Fa mi lie<br />
er schossen worden, <strong>als</strong> sie aus dem<br />
brennenden Ge bäu de flüchten wollten.<br />
Zuvor hatten offenbar Rechts extre mis -<br />
ten das Ge bäu de mit molo tow cock -<br />
tails angegriffen. Bei der Tra gödie<br />
wur den auch zwei weitere Kin der der<br />
Familie sowie die mutter verletzt.<br />
der an einer Buda pes ter Schu le unterrichtende<br />
deutsche Künst ler Alexander<br />
Schikowski hatte das fünf meter hohe<br />
und 3,4 meter breite holzgeschnitzte<br />
denkmal „Robert und Robika“ an ge -<br />
fer tigt, um es in der Ge mein de Ta tar -<br />
szent györgy aufzustellen.<br />
die Bürgermeisterin des Ortes empfiehlt<br />
dagegen dem Künstler, sein<br />
denk mal lieber am Schauplatz der Tra -<br />
gödie, auf dem Hof des abgebrannten<br />
Hauses der Familie Csorba aufzustellen,<br />
da die Statue doch „zum Gedenken<br />
an die Opfer entstanden“ sei.<br />
Die Roma sind mit geschätzten 700.000 An ge -<br />
hörigen die größte Minderheit in Ungarn. An -<br />
gehörige der Volksgrup pe waren im vergangenen<br />
Jahr einer rassistisch motivierten Atten -<br />
tats serie ausgesetzt, bei der acht Menschen<br />
starben. Im vergangenen August verhaftete<br />
die ungarische Polizei in Debrecen mehrere<br />
Verdächtige der Anschläge.<br />
12 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • AUSLAND<br />
Im Schatten der Bombe:<br />
Der Atomwaffensperrvertrag am Prüfstand<br />
VON CHRIS MELZER/DPA<br />
eigentlich könnte auf der Konferenz<br />
zum Atomwaffensperrvertrag alles<br />
so schön sein. die USA und Russland<br />
haben gerade eine Verringerung ihres<br />
strategischen Atomarsen<strong>als</strong> vereinbart,<br />
die USA eine neue, defensivere<br />
nu klearwaffendoktrin vorgelegt, und<br />
der Washingtoner Atomgipfel fand<br />
fast weltweit Zustimmung. Wenn da<br />
nicht Sorgenkinder wären: der iran,<br />
Pakistan, nordkorea, auch indien und<br />
israel. in in new York tagt die weltweite<br />
Kon ferenz zur nichtweiter ver -<br />
brei tung von Atom waffen. dass der<br />
Sperrvertrag verlängert wird, steht<br />
kaum infrage. dass er seine Aufgabe<br />
erfüllt, dagegen schon.<br />
Seit 1968 ist der exklusive Kreis der<br />
Atommächte vertraglich festgeschrieben.<br />
nur Länder dürfen „die Bombe“<br />
haben, die sie ohnehin schon hatten.<br />
neben den erstunterzeichnern USA,<br />
Sowjetunion und Großbritannien wa -<br />
ren das noch Frankreich und China.<br />
Alle anderen verzichteten, sicherten<br />
sich mit ihrer Unterschrift dafür aber<br />
Zugang zur zivilen nutzung der<br />
Atom kraft.<br />
mit dem Vertrag sollte das Wettrüsten<br />
auf die großen Blöcke nATO und War -<br />
schauer Pakt begrenzt und eine un -<br />
kon trollierte Atomrüstung in der Welt<br />
vermieden werden. denn in den un -<br />
ruhigen 60er Jahren mit Konflikten<br />
auf praktisch allen erdteilen gierten<br />
weltweit Staaten, Parteien und despo -<br />
ten nach der kriegsentscheidenden<br />
Waffe. das Kalkül: Wer mit nur einer<br />
Bombe ganze Städte auslöschen kann,<br />
wird nicht angegriffen.<br />
Fast alle Staaten der erde unterzeichneten<br />
den Vertrag, bis auf drei: israel<br />
- wenn auch unbestätigt - sowie Pa kis -<br />
tan und indien. „Das sind immer noch<br />
die Problemfälle“, sagt der Kieler Polito<br />
loge Joachim Krause. „Hinzu kommt<br />
natürlich Nordkorea, das sich über das<br />
Vertragswerk erst einmal mit Atomtech -<br />
no logie versorgte und dann austrat.“<br />
die nordkoreaner behaupten von sich<br />
selbst, zweimal zu Testzwecken Atom -<br />
bomben gezündet zu haben. „Und<br />
dann sind da noch die Staaten, bei denen<br />
die Vertragstreue immer noch zweifelhaft<br />
ist“, sagt Krause und nennt den iran<br />
und Syrien. Gerade Teheran brüskiert<br />
die Weltgemeinschaft immer wieder<br />
und hat jetzt sogar die Partner Russ -<br />
land und China verärgert.<br />
Seit Wochen wird in new York über<br />
neue Un-Sanktionen gegen den iran<br />
verhandelt. mehr <strong>als</strong> 95 Prozent der<br />
nuklearen Gefechtsköpfe lauern zwar<br />
in amerikanischen und russischen<br />
Bun kern, aber die Handvoll in Asien<br />
bereitet den Regierungen der Welt weit<br />
mehr Kopfzerbrechen. Weder indien<br />
noch Pakistan noch nordkorea habe<br />
das Papier am Bau der Bombe gehindert<br />
und im iran könnte der nächste<br />
Sün denfall kommen. „Aber immerhin<br />
hat der Vertrag etwa 50 Länder, die Kern -<br />
waffen herstellen könnten, dazu gebracht,<br />
diese Option nicht weiter zu verfolgen“,<br />
sagt Krause. Aus seiner Sicht hat die<br />
Welt schlicht keine Wahl: „Die Alterna<br />
tiven wären, dass jeder sich Kernwaf fen<br />
beschaffen darf - oder deren vollständige<br />
und kontrollierte Abschaffung.“<br />
So wün schenswert die letztere Vari -<br />
ante wäre, so illusorisch ist sie noch.<br />
deshalb bleibt die Welt weiter geteilt<br />
in Atommächte und Atomhabe nicht se.<br />
„Der Vertrag ist zwar ungerecht, aber ge -<br />
rade das hat ihn bisher effektiv gemacht“,<br />
sagt Krause. „Die meisten der Nicht kern -<br />
waffenstaaten fühlen sich nicht be nach -<br />
teiligt, solange das ihre Sicherheit nicht<br />
negativ beeinträchtigt. Und das ist weitgehend<br />
der Fall.“ Auf der vierwöchigen<br />
Konferenz sollte Bilanz gezogen werden.<br />
dass der Vertrag ernsthaft in -<br />
frage gestellt wird, ist nicht zu erwarten.<br />
dass eine der erklärten oder un -<br />
er klärten Atommächte auf die Waffe<br />
verzichtet, auch nicht.<br />
Krauses amerikanischer Kollege Ro bert<br />
Harkavy glaubt sogar, dass einige<br />
Staaten auf die Bombe gar nicht verzichten<br />
können. „Israel hat einfach<br />
keine andere Wahl <strong>als</strong> mit Vernichtung<br />
zu drohen“, sagt der Professor von der<br />
Penn State University in Pennsyl va nia.<br />
„Und Indien könnte Pakistan überrennen,<br />
wenn die nicht die Bombe hätten.“<br />
in der Region habe die Atombombe auf<br />
beiden Seiten Kaschmirs so sogar ei ne<br />
stabilisierende Wirkung wie einst im<br />
Kalten Krieg zwischen den USA und<br />
der Sowjetunion. „Natürlich nur, so lange<br />
Pakistan weiter auf dem Weg zur De mo -<br />
kra tie ist“, räumt Har kavy ein. „Wenn<br />
sich radikale Elemente in Pakis tan durchsetzen,<br />
ist die Bombe eine enorme Ge fahr.“<br />
www.politik.uni-kiel.de/prof_krause.php<br />
Atommacht unter<br />
Atom waffen sperr ver trag<br />
(China, Frank reich,<br />
Russland, Groß -<br />
britannien, USA)<br />
Atommacht ohne<br />
Atomwaffensperrvertrag<br />
(Indien, Israel,<br />
Nordkorea, Pakistan)<br />
Vermutetes<br />
Atomwaffenprogramm<br />
(Iran, Syrien, Saudi-<br />
Arabien)<br />
Besitz bzw. Programm<br />
aufgegeben<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 13
POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />
CIVIS Online Preis <strong>2010</strong> für<br />
www.netz-gegen-nazis.de<br />
der Webauftritt „Netz gegen Nazis -<br />
mit Rat und Tat gegen Rechtsextre mis -<br />
mus“ der Amadeu Antonio Stiftung<br />
wurde in Berlin mit dem neuen eu -<br />
ropäischen CiViS Online Preis ausgezeichnet.<br />
Preisträgerin ist die für das<br />
Webangebot verantwortliche Journa -<br />
lis tin Simone Rafael. der CiViS Online<br />
Preis prämiert journalistische Weban -<br />
ge bote zum Thema integration und<br />
kulturelle Vielfalt aus, die webgerecht<br />
grafisch und multimedial aufbereitet<br />
sind. Alle gestalterischen Formen wa -<br />
ren zulässig. der Preis war mit 5.000<br />
euro dotiert.<br />
www.netz-gegen-nazis.de bietet einen<br />
umfassenden Überblick über aktuelle<br />
erscheinungsformen des Rechts extre -<br />
mis mus und vermittelt grundlegendes<br />
Wissen zum Thema. netz-gegen-na -<br />
zis demontiert rechtsextreme, rassistische<br />
und antisemitische ideologiean -<br />
sät ze sowie damit verbundene Ar gu -<br />
mentationen. das Webangebot rich tet<br />
sich an Bürgerinnen, die in ihrem Um -<br />
feld mit neonazis in Berührung kommen.<br />
ein Serviceteil mit praktischen<br />
Alltags tipps und Anbindung an soziale<br />
netzwerke ergänzen die Websei ten.<br />
diese bieten nach Ansicht der Preis -<br />
jury dem nutzer „Vernetzung und So -<br />
lidarität - sie bieten Schutz. Sachlich und<br />
in seriöser Form“.<br />
red<br />
Bandwettbewerb: „Get up -<br />
Laut gegen Rassismus!“<br />
im Rahmen ihrer Kampagne „Laut ge -<br />
gen Rassismus“ startete die Soziali sti -<br />
sche Jugend einen Bandwettbewerb<br />
ge gen Rassismus, Fremdenfeindlich -<br />
keit und Rechtsextremismus. „Rassis -<br />
mus, Ausgrenzung und Hetze gegen<br />
Minderheiten prägen unseren Alltag, das<br />
beobachten wir in der Straßenbahn genau -<br />
so wie bei rechten Parteien. Deswegen<br />
wollen wir junge Bands motivieren, sich<br />
dagegen zu engagieren!“ begründet SJ<br />
nÖ Landesvorsitzender Andreas Beer<br />
die initiative.<br />
„Immer stärker verbreiten sich rassistische<br />
und rechtsextreme Inhalte auch über<br />
Musik, wie zum Beispiel Rechtsrock,<br />
brauner Metal oder aber auch Rassismen<br />
im Hiphop. Dem wollen wir mit unseren<br />
Bandwettbewerb in der jungen Musik sze -<br />
ne entgegenwirken“, so SJ OÖ Lan des -<br />
vor sitzender Michael Lindner.<br />
„Alle jun gen Bands, die diesem Thema<br />
einen Song widmen und sich bewerben,<br />
sind eingeladen, sich am Wettbewerb zu<br />
beteiligen. Der SiegerInnenband winkt ein<br />
Auf tritt am Festival des politischen Liedes<br />
im Juni am Attersee, sowie ein Auftritt<br />
bei der After Contest Party des restart.tc<br />
Skatecontests in St. Pölten“, so Lindner<br />
und Beer abschließend.<br />
http://bandcontest.sjgmuend.at/<br />
Aktion „Gegenrede“<br />
Rassistische, diskriminierende und<br />
he rabwürdigende Sager haben be son -<br />
ders in Wahlkampfzeiten Hochsai -<br />
son. Reagiert wird darauf oft mit entsetztem<br />
Schweigen. dagegen will die<br />
Volkshochschule Brigittenau mit der<br />
Aktion „Gegenrede“ etwas unternehmen.<br />
nach dem motto „Schmähstad<br />
war gestern“ werden in Kooperation<br />
mit Kabarettistinnen, Autorinnen und<br />
musikerinnen Sprüche gegen Rassis -<br />
mus und diskriminierung gesammelt.<br />
Alle interessierten können sich<br />
beteiligen unter gegenrede@vhs-brigittenau.at.<br />
eine Sammelbox befindet<br />
sich im 2. Stock der VHS Brigittenau,<br />
Raffaelgasse 11. die besten Sprüche<br />
werden veröffentlicht.<br />
www.vhs.at/brigittenau<br />
„147 Rat auf Draht“ kooperiert<br />
mit neuer Hotline für Fragen zu<br />
Rechtsextremismus<br />
die rechtsextreme Szene wird von vie -<br />
len mit nazi-Skins in Bomber jac ken<br />
und Springerstiefeln assoziiert. doch<br />
in Wirklichkeit ist es nicht immer einfach<br />
zu erkennen, wer der rechten<br />
Szene angehört, denn die Kleidung<br />
wird „cooler“, und mit modischen Ac -<br />
cessoires und mainstream-Pro duk ten,<br />
die mit bestimmten jugendkulturellen<br />
Codes ausgestattet sind und deren Be -<br />
deutung in der Regel nur in der Szene<br />
bekannt sind, kann man sich szeneintern<br />
genauso outen wie mit Schläger-<br />
Outfits. das mauthausen Ko mitee Ös -<br />
ter reich präsentierte im Pres se club<br />
Con cordia das Buch „Rechts ex trem -<br />
Symbole, Codes, Musik, Gesetze, Organi -<br />
sa tionen“ von Christa Bauer und Willi<br />
Mernyi. Zusätzlich hat das maut hau -<br />
sen Komitee Österreich (mKÖ) - in Zu -<br />
sammenarbeit mit „147 Rat auf Draht“,<br />
der erfolgreichen ORF- deren Bezugs -<br />
per so nen - auch eine eigene Hot line<br />
initiiert, die unter 0810-500-199 für Fra -<br />
gen zum Thema Rechts ex tremismus<br />
zur Verfügung steht. Bei dieser Hot -<br />
line können sich eltern, Leh rerinnen,<br />
Betriebs rätin nen, Aus bild nerinnen,<br />
Jugendarbei ter in nen, etc. zu rechts ex -<br />
tre men Symbolen, Co des, mode mar -<br />
ken, musikrichtun gen, Bands, Webs i -<br />
tes und Organisationen informieren<br />
lassen. Wenn sich bei diesem Ge spräch<br />
herausstellt, dass ein Bezug zur rechts -<br />
extremen Szene be steht, wird in Zu -<br />
sammenarbeit mit der meist frequentierten<br />
notruf num mer Österreichs,<br />
„147“, eine individuelle Be treu ung mit<br />
Fokus auf die Fragen „Wie gehe ich jetzt<br />
weiter vor? Wie kommuniziere ich mit dem<br />
Jugend li chen?“ angeboten. Sissy Ma yer -<br />
hoffer, die Leiterin des ORF-Humani -<br />
tarian-Broad cas ting, zu dem auch „147<br />
Rat auf draht“ gehört: „Das Telefon <strong>als</strong><br />
niederschwelliges Medium bietet sich <strong>als</strong><br />
ideales Be ratungsinstrument an. Allein<br />
im vergangenen Jahr sind bei der rund<br />
um die Uhr und kostenlos aus ganz Österreich<br />
er reich baren Notrufnummer ‘147’<br />
175.000 An rufe der zumeist jugendlichen<br />
Ziel grup pe eingegangen. Darüber hinaus<br />
ver steht sich ‘Rat auf Draht’ auch <strong>als</strong><br />
Dreh scheibe zu anderen Beratungs ein rich -<br />
tungen. Auf gabe unserer Expertinnen und<br />
Experten ist es nicht, mit den An ru fern<br />
über neonazistische Symboliken zu sprechen<br />
oder eine bestimmte politische Hal -<br />
tung einzunehmen, sondern eine am Ge -<br />
setz orientierte, klare Werthaltung zu<br />
transportieren.“ Birgit Satke, Team che -<br />
fin von „147 Rat auf draht“ unterstreicht:<br />
„Ziel dieser Kooperation zwischen<br />
‘147’ und dem Mauthausen Ko mi tee<br />
Österreich soll es sein, Bezugs per so nen bei<br />
schwierigen Gesprächssitua tio nen mit den<br />
Jungendlichen zu unterstützen. Denn oft<br />
ist es für Eltern, AusbildnerInnen, Leh re -<br />
rInnen sehr schwer, eine vernünftige Kom -<br />
munikation mit dem Jugendlichen herzustellen.<br />
Das Expertenteam von ‘Rat auf<br />
Draht’ kann hilfreich sein, um herauszufinden,<br />
welche Gesprächstechniken da für<br />
angewendet werden können. Ein wei terer<br />
Focus soll darin liegen, Alter na tiven aufzuzeigen<br />
und einen Perspekti ven wechsel<br />
vorzunehmen. Die Veränderung des Blick -<br />
winkels kann zum Beispiel durch Fra gen<br />
wie ‘Was findet Ihr/e Kind/Lehr ling/Schü -<br />
lerIn dort, was es woanders nicht be -<br />
kommt?’ oder ‘Warum macht es für ihn/sie<br />
subjektiv Sinn, dort dabei zu sein?’. Dies er -<br />
möglicht die Erweiterung der eigenen Sicht<br />
und eröffnet dadurch neue Deu tungsund<br />
Handlungsmuster.“<br />
ORF<br />
http://rataufdraht.ORF.at<br />
14 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • NS-ZEIT<br />
50 JAHRE DANACH:<br />
Eichmann-Entführer erinnern sich<br />
Am 11. mai 1960 wurde der nazi-<br />
Kriegsverbrecher Adolf eichmann<br />
von israelischen Agenten in Argenti -<br />
ni en entführt und anschließend nach<br />
israel gebracht, wo er zwei Jahre später<br />
nach einem Aufsehen erregenden<br />
Gerichtsprozess hingerichtet wurde.<br />
Aus Anlass des 50. Jahrestages der<br />
entführung des SS-Obersturm bann -<br />
führers, der <strong>als</strong> Leiter des Judenrefe -<br />
rats im Reichssicherheitshauptamt<br />
für die deportation und ermordung<br />
von millionen europäischer Juden<br />
mitverantwortlich war, erinnern sich<br />
drei der vier seiner noch lebenden ent -<br />
führer – Rafi Eitan, Avraham Shalom<br />
und Yaakov Gat – in der Haa retz an<br />
ihre spektakuläre Aktion.<br />
Rafi Eitan (84), zuletzt minister für Se -<br />
niorenangelegenheiten im Kabinett<br />
Olmerts, beschreibt, wie er den frisch<br />
gefassten eichmann identifizierte:<br />
„Woran ich mich erinnere ist, dass ich<br />
bereits im Auto nach den beiden Narben<br />
suchte, von denen ich wusste, dass ich sie<br />
fühlen muss, und schnell fand ich eine<br />
un ter der Achselhöhle. Das war die Nar be<br />
seiner SS-Nummer. Dann kam die andere,<br />
auf dem Bauch, eine Blind darm nabe<br />
von einer groben Opera tion. Ich entdeckte<br />
all das in den ersten zwei Minu ten. Dann<br />
nahm ich meine Hand von Eichmanns<br />
Bauch und nahm die Hand von Zvi Mal -<br />
kin und deutete ihm mit meinem Kopf an,<br />
dass dies der Mann sei. Ich erinnere mich,<br />
wie erhoben ich mich nach dem Hände -<br />
druck mit Zvika fühlte. Stell Dir vor, sag -<br />
te ich zu mir selbst, ein jüdischer Offizier<br />
hat den Nazi in den Händen, der sechs<br />
Millionen Juden auf die Schlachtbank<br />
führte.“<br />
Zu seinem damaligen eindruck von<br />
eichmanns Persönlichkeit sagt eitan:<br />
„Meine größte Überraschung war, dass<br />
ich einen Offizier von absolut mittelmäßigem<br />
Niveau gefunden hatte, der sich<br />
vom ersten Moment, da wir ihn in den<br />
Händen hatten, völlig ergab. Es war ein<br />
Fall der Unterwerfung und Ergebenheit<br />
gegenüber seinen neuen Herren. Ich fand<br />
eine weniger <strong>als</strong> mediokre Person, und du<br />
sagst dir, es war das Schicksal des jüdischen<br />
Volkes, unter diesem Technokraten<br />
vernichtet zu werden. Als Technokrat war<br />
er offensichtlich talentiert.“<br />
die drei Agenten im Ruhestand ziehen<br />
nach 50 Jahren in unterschiedli cher<br />
Weise Schlüsse aus ihrer damaligen<br />
Operation. Shalom: „Ich bin immer<br />
mehr überzeugt davon, dass es ohne eine<br />
jüdischen Staat einen weiteren Holocaust<br />
geben würde. Hätten wir dam<strong>als</strong> einen<br />
Staat gehabt, wäre der Holocaust nicht<br />
passiert.“ Gat: „Es ist hart sich vorzustellen,<br />
was wir taten, 11.000 Kilometer weit<br />
weg von hier, ohne Kommunikations equip -<br />
ment, ohne Kontakt mit Israel. Es war ei -<br />
ne außergewöhnliche Kühnheit. In meinem<br />
fortgeschrittenen Alter kann ich sagen,<br />
dass es heute sogar noch erstaunlicher<br />
aussieht <strong>als</strong> zuvor.“ eitan: „Die Eich -<br />
mann-Entführung hat mein Leben nicht<br />
verändert.“<br />
Haaretz<br />
(li) Adolf Eichmanns Ausweis, der ihm zur Ein reise<br />
nach Argentinien diente – ausgestellt vom Ro ten Kreuz<br />
in Italien am 14. Juli 1950.<br />
(u) Original des handschriftlichen „Ro mans“ von<br />
Adolf Eichmann, den<br />
er 1961 in seiner Zel le<br />
zwischen Todes urteil<br />
und Hinrichtung verfasst.<br />
„Als ein Men -<br />
schenkind, trat ich am<br />
19. März 1906 in das<br />
Le ben“, beginnen die<br />
ma kabren „Memoi ren“<br />
des Verwalters des Mas -<br />
senmordes an sechs<br />
Millionen Juden. Er gab<br />
seinem „Werk“ den<br />
Titel „Götzen“.<br />
ADOLF EICHMANN<br />
Adolf Eichmann wird im 1906 wird in Solin g en<br />
geboren. 1914 Um zug der Familie nach Linz<br />
1919-1921- Besuch der "Höheren Bundeslehr -<br />
an stalt für Elektrotechnik, Maschinenbau und<br />
Hochbau" in Linz. Eichmann verläßt die An stalt<br />
ohne Abschluß.<br />
1927 - Beitritt zum deutsch-österreichischen<br />
Frontkämpferbund.<br />
1932 - 1. April: Mitgliedschat bei der ös terr -<br />
eichischen Nation<strong>als</strong>ozialistischen Deut schen<br />
Arbeiterpartei (NSDAP) und der Schutz staffel<br />
(SS). Aufgrund des österreichischen NSDAP-<br />
Ver bots Übersiedlung nach Deutsch land, wo er<br />
in Bayern eine 14-monatige militärische Ausbil -<br />
dung durch die SS erhält. Eich mann wird in<br />
den Sicherheits dienst (SD) aufgenommen.<br />
ab Oktober 1934 - Referententätigkeit im SD-<br />
Hauptamt Berlin, Referat II 112 ("Referat Ju den").<br />
Eichmann informiert sich über Mittel und We -<br />
ge, die erzwungene Emigration der jüdischen<br />
Bevölkerung zu forcieren. Er erwirbt ober fläch li -<br />
che Kenntnisse des Hebräischen und Jid di schen<br />
und nimmt Kontakt mit Zionis ten füh rern auf.<br />
1938 - August: Eichmann organisiert die "Zen-<br />
tral stel le für jüdische Auswanderung" in <strong>Wien</strong>,<br />
die ein zige NS-Stelle, die ermächtigt ist, österreichischen<br />
Juden Ausreisegenehmigungen zu<br />
erteilen. In weniger <strong>als</strong> eineinhalb Jahren verlassen<br />
150.000 Juden zwangsweise das Land.<br />
Oktober 1939: Er übernimmt die Leitung der<br />
von Reinhard Heydrich im Juni eingerichteten<br />
"Reichszentrale für jüdische Auswanderung" in<br />
Berlin. Eichmann ist an den Planungen zur<br />
Zwangsumsiedlung der Juden in das General -<br />
gou vernement beteiligt. Er erhält das Referat IV<br />
B 4 ("Refe rat Auswanderung und Räumung") des<br />
Reichssi cher heitshauptamts (RSHA) in Berlin,<br />
Kurfür s ten straße 115/116 im Dezember. Eich -<br />
mann wird zur zentralen Figur der Depor ta tio -<br />
nen von über 4 Mio. Juden in die Ghettos und<br />
Konzen trationslager.<br />
9. November 1941: Beförderung zum SS-Ober -<br />
sturmbannführer.<br />
1944 - März: Als Führer eines Sonderkom man -<br />
dos organisiert Eichmann in Budapest die De -<br />
portation ungarischer Juden nach Auschwitz.<br />
1945 - Nach Ende des Zweiten Weltkriegs ge lingt<br />
ihm die Flucht aus der amerikanischen In ter -<br />
nie rungshaft und lebt mit ge fälsch ten Pa pie ren<br />
in Deutschland. 1950 emigriert er über Ita lien<br />
nach Ar gentinien, wo er un ter dem Na men Ri car -<br />
do Kle ment in Buenos Ai res lebt und <strong>als</strong> Leiter<br />
ei ner Unter abteilung bei Daimler-Benz arbeitet.<br />
11. <strong>Mai</strong> 1960 - Nach monatelanger Beo bach -<br />
tung nimmt der israelische Geheimdienst Eich -<br />
mann fest. Neun Tage später wird er nach Is -<br />
ra el entführt, da zwischen Argentinien und<br />
Israel kein Auslieferungsabkommen besteht.<br />
April-Dezember 1961: Eichmann-Prozeß in Is -<br />
ra el. Er bekennt sich nicht schuldig im Sinne<br />
der Anklage und beruft sich auf Befehle von Vor -<br />
gesetzten. Eichmann wird in erster und zwei -<br />
ter Instanz zum Tode verurteilt.<br />
1962 - Am 1. Juni wird das Todesurteil im Ge -<br />
fäng nis Ramleh bei Tel Aviv an Adolf Eich -<br />
mann vollstreckt.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 15
POLITIK • NS-ZEIT<br />
Gerichtsstreit<br />
um Heesters<br />
KZ-Besuch beigelegt<br />
der 106 Jahre alte Schauspieler Jo -<br />
hannes Heesters und der Historiker<br />
Vol ker Kühn haben ihren Rechtsstreit<br />
um einen Besuch Heesters im KZ<br />
dachau 1941 beigelegt. Vor dem<br />
Berliner Kammergericht schlossen die<br />
beiden Parteien im mai einen Kom -<br />
promiss mit einer erklärung Kühns.<br />
der Historiker darf weiter seine mei -<br />
nung äußern, Heesters sei dam<strong>als</strong> im<br />
KZ auch aufgetreten. er darf den<br />
Schau spieler aber nicht <strong>als</strong> einen Lüg -<br />
ner bezeichnen, wenn dieser dies be -<br />
streitet. die Gerichtskosten muss<br />
nach dem Vergleich Heesters tragen,<br />
wie Kühns Anwalt Peter Raue sagte.<br />
der betagte Schauspieler war nicht<br />
bei der Verhandlung. Wie sein An walt<br />
Gunter Fette sagte, ging es vor allem<br />
darum, den Vorwurf der Lüge auszuräumen.<br />
dass Heesters in dachau<br />
war, habe er nie bestritten. er sei aber<br />
dort nicht vor SS-Wachmannschaften<br />
aufgetreten.<br />
An dachau erinnern könne sich Hees -<br />
ters. „Das weiß er sehr wohl“, sagte Fet te.<br />
Heesters hatte gegen den Historiker<br />
eine Unterlassungsklage wegen dessen<br />
Äußerungen in einer Zeitung eingereicht.<br />
er war damit im dezember<br />
2008 gescheitert. Heesters Anwalt er -<br />
innerte in dem Verfahren daran, dass<br />
der Schauspieler ein Leben lang be -<br />
dau ert habe, dass er zusammen mit<br />
dem ensemble des münchner Gärt -<br />
ner platz-Theaters der einladung der<br />
SS gefolgt sei - welche dam<strong>als</strong> alle <strong>als</strong><br />
Befehl verstanden hätten.<br />
der Besuch ist in einem Fotoalbum<br />
des damaligen KZ-Kommandanten<br />
dokumentiert. Auf den Bildern ist der<br />
Schauspieler in Hut und mantel bei<br />
der Besichtigung des Lagers zu se -<br />
hen, aber nicht bei einer Bühnen dar -<br />
bietung.<br />
ein mittlerweile verstorbener Zeuge,<br />
der Kühns These von einem Auftritt<br />
stützte, hatte in einer Fern seh do ku -<br />
mentation gesagt, er habe dam<strong>als</strong> für<br />
Heesters den Vorhang gezogen.<br />
Auch 65 Jahre nach dem ende der<br />
nS-Herrschaft bringt der interna tio -<br />
na le Suchdienst (iTS) in Bad Arolsen<br />
im deutschen Bundesland Hessen Fa -<br />
milienangehörige zusammen.<br />
„Zwi schen 50 und 70 Menschen finden<br />
sich mit unserer Hilfe jedes Jahr wieder“,<br />
sag te der direktor des dazugehörigen<br />
Ar chivs, Jean-Luc Blondel, in einem<br />
Ge spräch mit der deutschen Presse-<br />
Agen tur (dpa). Häufig seien es Halb -<br />
geschwister, die etwa bei der Suche<br />
nach informationen über die eltern<br />
gefunden würden. Auch heute noch<br />
wendeten sich viele menschen vor al -<br />
lem aus dem Ausland an den Such -<br />
dienst, um zu erfahren, was mit ihren<br />
Verwandten geschah. „Wir hatten<br />
allein im vergangenen Jahr 12.000 An -<br />
fragen“, sagte Blondel. der iTS verfügt<br />
über das weltweit größte Archiv von<br />
Opfern des nation<strong>als</strong>ozialismus mit<br />
mehr <strong>als</strong> 30 mio.dokumenten und 50<br />
mio. Hinweisen zum Schick sal von<br />
17,5 mio. Opfern des nS-Re gimes. das<br />
bekannteste dokument ist „Schind -<br />
lers Liste“.<br />
An Bedeutung gewinne die For schung<br />
in dem seit november 2007 der Öf -<br />
In NS-Zeit<br />
getrennt –<br />
Suchdienst<br />
führt jährlich<br />
50 Personen<br />
zusammen<br />
12.000 Anfragen im Jahr 2009 - Archiv für Erinnerungsarbeit Bad Arolsen<br />
fent lichkeit zugänglichen Archiv, sag -<br />
te Blondel. Um die Arbeit der Wissen -<br />
schafter zu ermöglichen und die Ori -<br />
gi naldokumente zu schützen, werden<br />
die Papiere derzeit digitalisiert und<br />
ka talogisiert. Je länger die nazi-Herr -<br />
schaft zurückliege, umso wichtiger<br />
werde das Archiv für die erinne rungs -<br />
arbeit. „Die Ereignisse des Zweiten Welt -<br />
krieges dürfen nicht vergessen werden“<br />
sagt Blondel. Aus diesem Grund set ze<br />
der iTS immer mehr darauf, mit Schu -<br />
len zusammenzuarbeiten. „Wir haben<br />
immer öfter Schüler hier, die das Schick sal<br />
von NS-Opfern untersuchen.“ Zudem<br />
werde ein pädagogisches Kon zept er -<br />
arbeitet, mit dem Lehrer die do ku -<br />
mente des Archivs im Unter richt <strong>als</strong><br />
Quellen einsetzen könnten.<br />
der internationale Suchdienst des<br />
Roten Kreuzes wurde im Zweiten<br />
Welt krieg gegründet, um Vermisste zu<br />
suchen. Zudem sollte er Unterlagen<br />
über in haf tierte in Arbeits- und Kon -<br />
zen tra tionslagern sammeln und auswerten.<br />
der iTS hat rund 300 mit ar -<br />
beiter. das Budget von 14 mio. euro<br />
trägt der Bund.<br />
16 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • ISRAEL<br />
die Organisation für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und entwicklung<br />
(OeCd) hat israel eingeladen, mit glied<br />
zu werden. die einstimmige entschei -<br />
dung der 31 mitgliedsstaaten anerkennt<br />
israels errungenschaften und<br />
wirtschaftliche Stärke sowie seine Fä -<br />
higkeit, zu der Organisation und der<br />
Weltwirtschaft beizutragen<br />
die Aufnahmeverhandlungen wurden<br />
vom israelischen Außenministe -<br />
rium geführt. ein zusätzliches Team<br />
für fachliche Fragen agierte unter der<br />
Leitung des Finanzministeriums.<br />
Um israels Verbindungen mit der Or -<br />
ganisation zu maximieren, stellt das<br />
Außenministerium derzeit israels<br />
OeCd-delegation zusammen. Sie<br />
wird von der Botschaft in Paris aus<br />
operieren, und israels Botschafter bei<br />
der UneSCO wird zusätzlich zu seinen<br />
anderen Pflichten noch <strong>als</strong> OeCd-<br />
Botschafter fungieren.<br />
Während des dreijährigen evaluati -<br />
ons prozesses, der israels Übereinstimmung<br />
mit den OeCd-Standards und<br />
-Richtlinien kontrollierte, prüften<br />
OeCd-experten genau die Politik und<br />
die Funktionsweise der ministerien,<br />
Regierungsbehörden und des öffentlichen<br />
Sektors; sie trafen sich auch mit<br />
Vertretern von wirtschaftlichen und<br />
sozialen Organisationen, Universi tä ten<br />
und nichtregierungsor gani sa tio nen.<br />
die mitgliedschaft in der OeCd wird<br />
wirtschaftliche Fortschritte mit sich<br />
bringen und israels image aufwerten<br />
sowie die Funktionsfähigkeit zahlreicher<br />
Sektoren der israelischen Gesell -<br />
schaft und Wirtschaft erhöhen, auch<br />
in den Bereichen von Umweltschutz<br />
und erziehungswesen und auf dem<br />
Ar beitsmarkt. die Verbesserungs- und<br />
Aufwertungsprozesse werden auch<br />
nach dem Beitritt israels zur OeCd<br />
wei tergehen, aufgrund der Ver pflich -<br />
tung der Regierung zu fortlaufender<br />
Begutachtung durch die Orga ni sation<br />
und zur Anpassung seiner Regulie -<br />
rungspolitik an die Stan dards der mit -<br />
gliedsstaaten.<br />
israels Außenminister Avigdor Lie ber -<br />
man hat die entscheidung der OeCd<br />
zur Aufnahme israels <strong>als</strong> ergebnis<br />
lang währender diplomatischer Be -<br />
mü hungen willkommen geheißen. Sie<br />
sei ein Zeugnis der Wertschätzung für<br />
die Wirtschaft des Landes und seine<br />
technologischen errungenschaften.<br />
Israel wird<br />
OECD-Mitglied<br />
Lieberman wies auch auf Versuche<br />
an tiisraelischer elemente hin, den<br />
OeCd-Beitritt israels zu verhindern.<br />
dass diese gescheitert seien, zeuge<br />
von der soliden Stellung israels in -<br />
nerhalb der internationalen Gemein -<br />
schaft.<br />
die zentralen Vorteile, die die OeCdmitgliedschaft<br />
für israel mit sich<br />
bringt, lassen sich in den folgenden<br />
Punkten zusammenfassen:<br />
• Zugehörigkeit zu einer hoch respektierten<br />
Gruppe von Staaten, was<br />
die internationale Stellung israels<br />
stärken wird<br />
• einflussmöglichkeiten auf die ent -<br />
wicklung der internationalen wirtschaftspolitischen<br />
Standards<br />
• Gesteigerte Attraktivität für ausländische<br />
investoren, die auf das „Gü -<br />
tesiegel“ vertrauen, das israel durch<br />
seinen OeCd-Beitritt verliehen wird.<br />
• Abgleich mit den Standards und<br />
nor men der fortgeschrittenen und<br />
entwickelten Staaten auf der Welt<br />
in Form des kontinuierlichen eva -<br />
lu ationsverfahrens.<br />
• Zugang zu Basiskompetenzen und<br />
hochqualitativen und vergleichenden<br />
informationen, die bei wirtschaftli -<br />
chen und gesellschaftlichen Refor men<br />
in israel nützlich sein werden.<br />
die OeCd wurde 1961 <strong>als</strong> nach fol georganisation<br />
der OeeC und des mar -<br />
shall-Plans zum Wiederaufbau euro -<br />
pas gegründet, die seit 1948 agierten.<br />
in den ersten Jahren ihres Bestehens<br />
zählte sie 18 mitglieder (15 europäische<br />
Staaten sowie die USA, Kanada<br />
und die Türkei). in den 60er Jahren<br />
traten italien, Japan und Finnland bei;<br />
in den 70er Jahren Australien und<br />
neuseeland. in der letzten erweite -<br />
rungs welle in den 90er Jahren kamen<br />
mexiko, Tschechien, Ungarn, Südko -<br />
rea, Polen und die Slowakei hinzu.<br />
Außenministerium des Staates Israel<br />
19.01.<strong>2010</strong> - Vertragsunterzeichnung in Israel: Außenminister Avigdor Lieberman und OECD<br />
Gener<strong>als</strong>ekretär Angel Gurría<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 17
POLITIK • ISRAEL<br />
@ Abed Rahim Khatib/Flash90.<br />
UN-Sommerlager für Kinder verwüstet –<br />
Militante Palästinenser legen Feuer<br />
militante Palästinenser haben ein<br />
Kin der-Sommerlager des Un-Flücht -<br />
l ingshilfswerks im Gazastreifen überfallen<br />
und in Brand gesetzt. etwa 30<br />
Bewaffnete seien in das im Aufbau be -<br />
findliche Lager am Strand der Stadt<br />
Gaza eingedrungen, teilte das Un-<br />
Hilfswerk für palästinensische Flücht -<br />
linge (UnRWA) mit. Zum Zeitpunkt<br />
des Angriffs wa ren noch keine Kinder<br />
in dem Lager, nach Un-Angaben<br />
wurde aber ein Wächter verletzt.<br />
die männer hätten an Zelten und Holz -<br />
überdachungen Feuer gelegt sowie<br />
Wächter angegriffen, hieß es. Bevor sie<br />
wieder gingen, übergaben sie den<br />
Wäch tern nach palästinensischen An -<br />
ga ben einen drohbrief mit vier Ge -<br />
wehr kugeln, der an den UnRWA-Lei -<br />
ter in Gaza, John Ging, adressiert war.<br />
Ging beschrieb den Überfall an schlies -<br />
send vor Journalisten <strong>als</strong> „Van da lis mus<br />
mit extremistischem Hinter grund und<br />
einen Angriff auf das Glück der Kinder“.<br />
Werbung im US-Fernsehen:<br />
Palästinenserführung glorifiziert Terror<br />
die israelische Organisation „Palestinian Media Watch“ (PMW) hat bei mehreren<br />
US-amerikanischen Fernsehsendern im Raum Washington eine Wer -<br />
be an zeige geschaltet. darin macht sie auf die Verherrlichung des Terrors<br />
durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) aufmerksam.<br />
der 30 Sekunden lange Spot wird während dieses monats auf Cnn, Fox<br />
news, mSnBC und Headline news ausgestrahlt. PmW weist damit darauf<br />
hin, dass der palästinensische Präsident mahmud Abbas sowie der Pre mierminister<br />
im Westjordanland, Salam Fajjad, die Verherrlichung von Terro ris -<br />
ten unterstützen. Am ende der Anzeige heißt es: „Wenn Terroristen verherrlicht<br />
werden, wie kann es dann Frieden geben?“<br />
PmW beobachtet die inhalte palästinensischer medien. in dieser Woche hat<br />
die Organisation unter der Überschrift „Von Terroristen zu Vorbildern“ einen<br />
26-seitigen Bericht und zusätzliches material veröffentlicht, das mitglie dern<br />
des US-Kongresses vorgelegt werden soll.<br />
die Anzeige von PmW finden Sie untter<br />
http://palwatch.org/site/modules/videos/popup/video.aspx?doc_id=2068<br />
das angegriffene Lager ist eines von<br />
insgesamt 35 einrich tungen dieser<br />
Art, die das UnRWA im vierten Jahr<br />
in Folge im Rahmen von „Sommer-<br />
spie len“ einrichtet. damit soll mehr<br />
<strong>als</strong> 250.000 Kindern in dem blockierten<br />
Autonomiegebiet am mittelmeer eine<br />
Beschäftigung geboten werden. „Das<br />
UNRWA wird weiter die Unterstützung<br />
bieten, die Kinder in Gaza brauchen, weil<br />
sie körperlichem und psychologischem<br />
Stress ausgesetzt sind“, sagte Ging.<br />
Zunächst bekannte sich niemand zu<br />
der Tat. die Abteilung für die Rechte<br />
palästinensischer Flüchtlinge, die von<br />
der radikal-islamischen Hamas-Orga -<br />
ni sation geleitet wird, hatte dem Hilfs -<br />
werk jedoch vorgeworfen, „mit kulturellen<br />
Mitteln in die Seelen palästinensischer<br />
Kinder einzudringen“. Ziel sei es,<br />
„ihren Glauben zu zerstören und zu er -<br />
schüttern, mit Hilfe von Ideen wie Verge -<br />
bung, Koexistenz und dem Vergessen der<br />
Vergangenheit“.<br />
die Hamas hatte im Sommer 2007 die<br />
Kontrolle im Gazastreifen gewaltsam<br />
an sich gerissen und herrscht seitdem<br />
in dem Gebiet.<br />
APA<br />
Hinrichtung im<br />
Gazastreifen<br />
Ungeachtet der Proteste von men -<br />
schen rechtsgruppen hat die im Gaza -<br />
streifen herrschende Hamas im mai<br />
drei men schen hingerichtet. das in -<br />
nen mi nisterium der radikalislamischen<br />
Organisation teilte mit, es habe<br />
sich um überführte mörder gehandelt.<br />
Krankenhauskreisen zufolge<br />
wur den die von Kugeln durchsiebten<br />
Leichen in einer Klinik in Gaza-Stadt<br />
abgeladen.<br />
im April waren im Gaza streifen zwei<br />
Palästinenser erschossen worden, die<br />
wegen Kollaboration mit israel zum<br />
To de verurteilt worden waren. es war<br />
die erste Vollstreckung von Todes stra -<br />
fen, seit die radikalislamische Ha mas<br />
im Juni 2007 im Gazastreifen gewaltsam<br />
die macht übernommen hatte.<br />
im Westjordanland regiert die Fatah<br />
des palästinensischen Präsidenten<br />
mah moud Abbas. nach Angaben<br />
von nicht-Regierungsorganisationen<br />
wurden im Gazastreifen in den vergangenen<br />
zwei Jahren noch 15 weitere<br />
menschen wegen Kollaboration<br />
mit israel zum Tode verurteilt.<br />
18 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • ISRAEL<br />
Säbelrasseln in Nahost - Wird neuer Krieg herbeigeredet?<br />
Syrische Raketen für Hisbollah Stein des Anstoßes<br />
VON ULRICH W. SAHM/APA<br />
„Im Sommer gibt es wieder Krieg.“ das<br />
wurde in den vergangenen Wochen<br />
vor allem in Syrien wiederholt. die<br />
arabische Presse, darunter das ägyptische<br />
Regierungsblatt „Al-Ahram“,<br />
spekuliert ganz offen darüber. US-<br />
Außenministerin Hillary Clinton hat<br />
erklärt, dass der Beschluss des syrischen<br />
Präsidenten Bashar al-Assad, die<br />
schiitische Hisbollah-miliz im Liba non<br />
mit Raketen auszustatten, zu einem<br />
Krieg führen könnte. Assad wurde in<br />
einem Fernsehinterview gefragt, ob<br />
Syrien sich an einem Krieg beteiligen<br />
würde, falls israel im Sommer den Li -<br />
ba non angreifen sollte. er erwiderte,<br />
keine militärgeheimnisse verraten zu<br />
wollen, damit israel sich nicht darauf<br />
vorbereiten könne. Vom russischen<br />
Prä sidenten Dmitri Medwedew habe<br />
As sad eine Botschaft des israelischen<br />
Präsidenten Shimon Peres erhalten,<br />
wonach israel bereit wäre, sich von<br />
den besetzten Golan-Höhen zurückzuziehen,<br />
sofern Syrien seine Bezie -<br />
hun gen zum iran und der Hisbollah<br />
kappe. Aus Jerusalem kam ein<br />
promptes dementi. Peres habe keine<br />
Botschaft „über Medwedew oder andere<br />
Vermittler“ an Syrien übermitteln lassen,<br />
sagte ein israelischer Präsiden ten -<br />
sprecher. Und erneut wurde der Som -<br />
mer <strong>als</strong> Zeitpunkt eines neuen Krie -<br />
ges genannt. der französische Außen -<br />
minister Bernard Kouchner wurde<br />
überraschend in damaskus erwartet,<br />
um die bestehenden Spannungen zu<br />
entschärfen.<br />
es scheint, <strong>als</strong> werde ein Krieg regelrecht<br />
herbeigeredet. Hisbollah-Chef<br />
Has san Nasrallah protzte damit, über<br />
40.000 Raketen zu besitzen, mit de nen<br />
die Schiitenmiliz jeden Punkt in israel<br />
treffen könne. die israelis warn ten<br />
schon vor einem strategischen Un -<br />
gleichgewicht in nahost, wegen der<br />
vermeintlichen Lieferung ballistischer<br />
Scud-Raketen an die Hisbollah mit<br />
einer Reichweite von mehreren hundert<br />
Kilometern und relativ guter<br />
Treffsicherheit. die Amerikaner be stä -<br />
tigten die von israel behaupteten Ra -<br />
ke tenlieferungen, Syrien und der Li -<br />
ba non forderten „eindeutige Beweise“.<br />
Unhandliche Scud-Raketen müssen<br />
mit großen Lastwagen transportiert<br />
werden und könnten von der Luft aus<br />
fotografiert werden. Bekanntlich be -<br />
klagt sich der Libanon über regelmäßige<br />
israelische Aufklärungsflüge, die<br />
is rael wiederum mit mutmaßlichem<br />
Waffenschmuggel rechtfertigt. Beide<br />
Seiten werfen sich Verletzungen des<br />
Waffenstillstandsabkommens nach<br />
dem Libanon-Krieg vom Sommer<br />
2006, der UnO-Resolution 1701, vor.<br />
Obgleich die israelis abwiegeln und<br />
„kei nerlei Absichten“ hegen, einen<br />
neuen Krieg starten zu wollen, bereitet<br />
sich der jüdische Staat auf die<br />
schlimmsten Szenarien vor. ende mai<br />
wird es von Sonntag bis donnerstag<br />
eine landesweite Übung der sogenannten<br />
Heimfront unter dem Co de -<br />
wort „Wendepunkt 4“ geben. es<br />
werde die „umfangreichste zivile Ü bung<br />
in der Geschichte Israels“ werden. Am<br />
mittwoch um 11.00 Uhr sollen im gan -<br />
zen Land die Luftschutzsirenen heulen.<br />
„Jeder Bürger ist aufgefordert, sich in<br />
die vorbestimmten Schutzräume zu begeben“,<br />
heißt es in einer medien kam pa -<br />
gne der militärs. die Übung si mu liert<br />
einen Angriff hunderter Ra ke ten auf<br />
ganz israel. das erklärte ein Ge ne ral,<br />
ohne zu sagen, woher die Ra keten<br />
kom men könnten. Geprobt werden<br />
soll auch eine „Cyber-Attacke“ auf die<br />
elektronische infrastruktur is raels.<br />
Während der Übung wird Poli zei,<br />
militär und Hilfsdiensten verkündet,<br />
dass alle Telefonnetze, das internet<br />
und die Funkverbindungen „zu sam -<br />
mengebrochen“ seien. So soll geprobt<br />
werden, wie sie ohne moderne Kom -<br />
munikationsmittel zurecht kommen.<br />
nach Angaben der Tages zeitung „Ha-<br />
a retz“ habe es während des Gaza-<br />
Kriegs vor eineinhalb Jahren Ver su -<br />
che „feindlicher elemente“ gegeben,<br />
internetauftritte israelischer Regie -<br />
rungs stellen lahmzulegen, über die<br />
wichtige informationen an die Bevölkerung<br />
verbreitet werden. Weiter be -<br />
rich tet die Zeitung, dass es Russland<br />
vor seinem Angriff auf Georgien vor<br />
zwei Jahren gelungen war, praktisch<br />
die gesamte georgische internet-in -<br />
frastruktur zu lähmen. Wohl nicht<br />
zu fällig zeigte das israelische Fern se -<br />
hen eine lange Reportage über übende<br />
israelische Soldaten: „Sie trainieren<br />
nicht mehr den Straßenkampf, wie zu Zei -<br />
ten der Intifada, sondern die Eroberung<br />
eines libanesischen Dorfes, von dem aus<br />
Israel mit Raketen beschossen wurde“,<br />
erklärte der Reporter, während Solda -<br />
ten ein Haus stürmten. Auf dessen<br />
Treppenaufgang spielten <strong>als</strong> Zivilis ten<br />
verkleidete Soldaten die Statisten. is -<br />
ra elische Politiker, darunter der stell -<br />
vertretende Verteidigungs minis ter<br />
Matan Vilnai, verbreiteten unterdessen<br />
„beruhigende Botschaften“ vor al lem<br />
an die Adresse Syriens. die Übung<br />
„Wendepunkt 4“ sei „rein de fensiv zum<br />
Schutz der Zivilbevöl kerung.“<br />
manche Kriege in nahost waren vorherzusehen<br />
und wurden herbeigeredet.<br />
dazu gehört der angekündigte<br />
Be schluss der arabischen Staaten, die<br />
Gründung israels 1948 zu verhindern.<br />
Jener Unabhängigkeitskrieg israels<br />
„war der einzige Krieg, der jem<strong>als</strong> gegen<br />
ei ne UNO-Resolution geführt wurde“,<br />
sagte der Politologe Shlomo Avineri.<br />
der ägyptische Präsident Gamal<br />
Abdel nasser hat zweifellos auch den<br />
Sechs-Tage-Krieg von 1967 herbeigeredet.<br />
doch die Libanon-Kriege 1982<br />
und 2006 brachen eher „spontan“ aus:<br />
1982 reagierte israel mit einem Feld -<br />
zug bis Beirut auf ein Attentat auf seinen<br />
Botschafter in London, Shlomo<br />
Ar gov. der israelische militärschlag<br />
2006 war die Antwort auf die entfüh -<br />
rung von zwei Soldaten durch die<br />
Hisbollah.<br />
HTTP://VIENNA.MFA.GOV.IL<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 19
POLITIK • ISRAEL<br />
Staat veröffentlicht Dokumente über<br />
erste Regierungssitzung 1948<br />
Anlässlich des Unabhängigkeitstages<br />
hat Israels Regierung seltene Doku men te<br />
veröffentlicht, die über die erste Sit zung<br />
der ersten israelischen Regierung 1948<br />
berichten. Das Treffen fand dam<strong>als</strong> am<br />
16. <strong>Mai</strong> in Tel Aviv statt, zwei Tage nach<br />
der Staatsgründung.<br />
Laut Kabinettssekretär Zvi Hauser<br />
habe die Öffentlichkeit nun die seltene<br />
Gelegenheit, etwas über die ersten<br />
momente nach der Staatsgründung<br />
zu lernen. „Es ist aufregend, aus der<br />
Perspektive der Zeit, die seitdem vergangen<br />
ist, zu sehen, wie mit Dingen umgegangen<br />
wurde, und wie historische Ent -<br />
scheidungen getroffen wurden, die unser<br />
Leben heute noch beeinflussen“, so<br />
Hauser laut der Tageszeitung „Jediot<br />
Aharonot“.<br />
in der Sitzung ging es unter anderem<br />
um neueste Berichte von der Front<br />
so wie um die ernennung von ministern.<br />
das Treffen wurde vom damaligen<br />
Premier- und Verteidigungs mi -<br />
nis ter david Ben Gurion mit den Wor -<br />
ten eröffnet: „Wir wollen das erste<br />
Treffen unserer provisorischen Regierung<br />
eröffnen und einen Bericht von Mosche<br />
Schertok (später Scharett) hören. Ich neh -<br />
me <strong>als</strong> selbstverständlich an, dass - falls es<br />
noch keine Entscheidung bisher in dieser<br />
Angelegenheit gegeben hat - jede Dis kus -<br />
sion während dieser Treffen, ob wichtig<br />
oder nicht, zweifellos vertraulich ist und<br />
keiner die Erlaubnis hat, diese mit irgend -<br />
jemand anderem zu diskutieren, nicht<br />
ein mal mit seinen engsten Freun den oder<br />
Vertrauten, denn dies sind Dinge des<br />
Staates und nicht der Men schen, die an<br />
diesen Treffen teilnehmen.“<br />
Anschließend gab Ben Gurion die<br />
neuesten Berichte von der Front weiter:<br />
„Die Situation in Tel Aviv ist gut be -<br />
kannt - Explosionen. Ich habe keine De tails<br />
vom letzten Bombenangriff. Diesen Mor -<br />
gen wurden vier Hafenarbeiter getötet.“<br />
Auch über die Lage in Jerusalem<br />
konn te israels erster Premier keine<br />
besseren nachrichten verkünden: „Der<br />
Druck auf dem Weg nach Jerusalem und<br />
Umgebung hat nachgelassen. Wir haben<br />
Latrun eingenommen, wurden aber wieder<br />
von dort vertrieben. Die Araber ha ben<br />
einen Schatz - eine der neuen Kano nen<br />
und einige gepanzerte Fahrzeuge.“<br />
danach ging Ben Gurion zur ernen -<br />
nung der insgesamt zwölf minister<br />
über. dabei diskutierten die Regie -<br />
rungsmitglieder, ob die Bezeichnung<br />
„minister“ für israel übernommen<br />
oder ob ein neues hebräisches Wort<br />
dafür erfunden werden sollte. einige<br />
schlugen vor, stattdessen das Wort<br />
„Gouverneur“ einzusetzen. der entscheidende<br />
Vorschlag kam schließlich<br />
von Polizeiminister Bechor-Schalom<br />
Schitrit. er bezog sich auf die Bibel<br />
und plädierte für das alt-hebräische<br />
Wort „Sar“ (Fürst). Obwohl Ben-Gu -<br />
Israel zählt 7,6 Millionen Menschen<br />
In Israel leben am Vorabend des 62. Unab hän -<br />
gig keitstages rund 7,59 Mio Men schen. Die<br />
Wachstumsrate liegt damit bei jährlich 1,8%.<br />
Demnach sind 75,5% der Einwohner jü disch,<br />
das sind rund 5.726.000 Menschen. Der An -<br />
teil der Ara ber liegt bei 20,4% (etwa 1.548.000<br />
Men schen). Zudem leben etwa 313.000 Isra e lis<br />
im Land, die keiner der beiden Grup pen angehören.<br />
Seit dem Unabhängigkeitstag im vergangenen<br />
Jahr wurden 159.000 Babys geboren. 37.000<br />
Menschen starben. Etwa 16.000 Neueinwan -<br />
derer kamen nach Israel. Zudem kehrten etwa<br />
9.000 israelische Auswanderer ins Heilige Land<br />
zurück. Rund 79% der Israelis sind „Sabras“ -<br />
im Land geborene Einwohner.<br />
rion die Bezeichnung „Gouverneur“<br />
befürwortete, siegte die biblische<br />
Lösung. Sie gilt bis heute.<br />
inn<br />
20 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • ISRAEL<br />
Grenzenlose Dummheit<br />
Wie israelische Grenzbeamte Weltgeschichte machen<br />
Vier Stunden lang soll der 81-jährige<br />
amerikanische Linguistik-Professor<br />
Noam Chomsky an der Allenby-Brü cke,<br />
an der Grenze zwischen Jordanien<br />
und israel, festgehalten, verhört und<br />
schließlich ohne Begründung zurückgewiesen<br />
worden sein. das zuständige<br />
militär habe vom innenminis te rium<br />
ein Veto gegen Chomskys einreise<br />
erhalten. der Zwischenfall machte<br />
weltweite Schlagzeilen, auch in deutschen<br />
medien.<br />
Chomsky ist freilich nicht nur Wis sen -<br />
schaftler, sondern auch einer der<br />
schärf sten Kritiker israels und in propa<br />
lästinensischen Kreisen eine „iko-<br />
ne“. er wollte gar nicht nach israel,<br />
sondern zur palästinensischen Bir Zeit<br />
Universität nahe Ramallah, um einen<br />
Vortrag zu halten. nach Angaben<br />
Chomskys sollen die israelischen<br />
Grenz beamten erklärt haben, dass is -<br />
ra el seine „Ansichten nicht mag“. er sei<br />
auch gefragt worden, warum er keinen<br />
Vortrag in Tel Aviv halten wolle.<br />
im israelischen Rundfunk kritisierte<br />
kopfschüttelnd ein Reporter, dass<br />
„Chomsky ein derart schlechter Redner“<br />
sei, dass von ihm „keine echte Gefahr<br />
für den Bestand Israels“ ausgehe.<br />
die Basler Zeitung titelte: „Israel hat<br />
Angst vor einem 81-Jährigen.“ der in -<br />
for mationsdienst heise.de stellte fest:<br />
„Israels rechte Regierung liebt Kritiker<br />
nicht, auch wenn es sich um Juden handelt.“<br />
in der tiefschürfenden Analyse<br />
dieses Vorfalls wird die israelische<br />
Zei tung Haaretz zitiert: „Israel hat den<br />
letzten Rest von Toleranz gegenüber solchen<br />
aufgegeben, die nicht einstimmen in<br />
den Chor seiner Unterstützer.“ Carlo<br />
Strenger, ein Tel Aviver Professor für<br />
Psy chologie, schrieb: „Wenn Israel<br />
meint, freie Rede nicht überleben zu können,<br />
dann ist es einen weiteren Schritt<br />
näher am Flirt mit dem Totalitarismus.“<br />
Und selbst der stellvertretende Chef -<br />
redakteur einer großen Zeitung im<br />
Süddeutschen Raum empörte sich in<br />
einem nicht veröffentlichten, aber im<br />
internet verbreiteten Briefwechsel mit<br />
einer Leserin: „Es ist wohl sehr wohl<br />
von unterschiedlichem Nachrichtenwert,<br />
ob ein zweifelhaftes Regime ein paar Ha -<br />
mas-Terroristen nicht ins Land lässt oder<br />
VON ULRICH W. SAHM, JERUSALEM<br />
ob eine anerkannte Demokratie einen<br />
weltweit bekannten Wissenschaftler jüdischen<br />
Glaubens an der Anreise hindert<br />
und dies hinterher - weil es sehr wohl<br />
Wirbel verursacht hat - zum Mis verständnis<br />
erklärt. Darüber zu berichten,<br />
hat nichts mit Israelfeindlichkeit zu tun,<br />
eher mit kritischer Solidarität.“ er em -<br />
pört sich <strong>als</strong>o darüber, dass eine „aner<br />
kannte demokratie“ (israel) ausgerechnet<br />
einen „Wissenschaftler jüdischen<br />
Glaubens“ nicht einreisen lässt. Of -<br />
fenbar unterstellt er israel antisemitische<br />
motive. die Leserin hatte kritisiert,<br />
dass jene Zeitung mit keinem<br />
Wort eine ägyptische einreiseverwei -<br />
ge rung von Hamas-Offiziellen er -<br />
wähnt habe und sogar eine deutsche<br />
einreiseverweigerung für den „Gesund<br />
heitsminister“ der de-facto Ha -<br />
mas-Regierung im Gazastreifen, Bas -<br />
sem Naim, zu einer Tagung in der<br />
evangelischen Akademie in Bad Boll<br />
unterschlagen hätte. in dem Satz mit<br />
dreimaliger Verwendung des Wortes<br />
„wohl“ bezeichnete der stellvertretende<br />
Chefredakteur auch deutsch land<br />
<strong>als</strong> „zweifelhaftes Regime“.<br />
im Rahmen ihrer „kritischen Solida ri -<br />
tät“ mit israel hätten die medien gut<br />
getan, einen anderen Fall grenzenloser<br />
dummheit israelischer Grenzbeamte<br />
aufzugreifen. der „pro-israelische“<br />
tschechische Außenminister Jan Ko hout<br />
hatte gerade israel einen offiziellen<br />
Be such absolviert und wollte nach Prag<br />
heim fliegen. im Flughafen bestand<br />
eine Grenzbeamtin darauf, alle 44<br />
Pässe der offiziellen delegation zu<br />
prüfen. in Kohouts Pass fand sie keinen<br />
einreisestempel. der minister<br />
kön ne deshalb nicht ausreisen, erklärte<br />
die junge Frau. im Laufe der ausgebrochenen<br />
diskussion redete sie (wie<br />
in israel üblich) den Staatsgast sogar<br />
mit seinem Vornamen „Jan“ an. Weil<br />
Regelmäßige Hilfslieferungen<br />
in den Gazastreifen<br />
Geschenke von Palästinensern mit<br />
Sprengstoff gefüllt sein könnten, be -<br />
standen die Beamten darauf, ein offizielles<br />
Geschenk des palästinensischen<br />
Premierministers Salam Fayad<br />
an den tschechischen Außenminister<br />
zu durchleuchten. die Tschechen be -<br />
klagten sich über die israelische Büro -<br />
kratie, die Grenzpolizei beschwerte<br />
sich über das Außenministerium und<br />
dieses war gezwungen, sich förmlich<br />
bei den Tschechen für die „diplomatischen<br />
Panne“ zu entschuldigen.<br />
einreiseverweigerungen treffen nicht<br />
nur einen 81 Jahre alten Professor „jü-<br />
dischen Glaubens“, wenn der nach<br />
isra el will. das neue deutschland<br />
schrieb in einem Artikel über eine<br />
Kunst ausstellung: „Seit 1995 (haben)<br />
bereits mehr Menschen an der europäischen<br />
Außengrenze im Mittelmeer ihr<br />
Leben verloren <strong>als</strong> zur Zeit des Kalten<br />
Krieges an der Ost-West-Grenze.“ ein<br />
ehemaliger Ostdeutscher in Jerusa lem<br />
kommentierte: „Das Neue Deutsch land<br />
scheint verwechselt zu haben, dass es da -<br />
m<strong>als</strong> um verweigerte Ausreisen ging und<br />
heute um Einreisen.“<br />
der nächste Skandal steht schon an,<br />
weil israel einer „Freundschaftsde le -<br />
gation“ des europäischen Parlaments<br />
mit dem nach eigenen Angaben „sehr<br />
pro-israelischen“ ehemaligen Parla -<br />
ments präsidenten Hans-Gert Poette ring<br />
die Ausreise in den Gazastreifen verweigert.<br />
derartige Politikerreisen<br />
nach Gaza liefern der Hamas „moralische<br />
Unterstützung“ monierte ein is -<br />
raelischer diplomat. ebenso will is ra -<br />
el ein einreise von 500 politischen Ak -<br />
tivisten auf einer Flotille von fünf voll<br />
beladenen Schiffen „um jeden Preis“<br />
verhindern. die Aktivisten wollen die<br />
israelische Blockade des Gazastrei fens<br />
durchbrechen, um den eingesperrten<br />
Palästinensern zu helfen. Gleichwohl<br />
rollen täglich hunderte Lastwagen<br />
mit Hilfsgütern in den Gazastreifen<br />
und über 700 Palästinenser wurden<br />
zur ärztlichen Behandlungen allein in<br />
der vergangenen Woche nach israel<br />
eingelassen.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 21
POLITIK • ISRAEL<br />
Der Friedensprozess m<br />
Das israelische Außenministerium hat einen<br />
aktuellen Katalog von 17 Fra gen und Antwor ten<br />
zum Frie densprozess mit den Palästinen sern<br />
zusammengestellt/Teil 4<br />
13. Verstoßen die Siedlungen gegen<br />
israelisch- palästinensische Abkommen<br />
oder internationales Recht?<br />
die Palästinenser behaupten oft, die<br />
Siedlungsaktivität sei illegal, und<br />
rufen israel zur Räumung aller Sied -<br />
lungen auf. Faktisch fordern sie, dass<br />
jeder Jude das Westjordanland verlässt,<br />
eine Art ethnischer Säuberung.<br />
im Gegensatz dazu leben in israel<br />
Araber und Juden Seite an Seite; is ra -<br />
e lische Araber stellen annähernd 20%<br />
der israelischen Bevölkerung dar und<br />
sind Bürger israels mit gleichen Rech -<br />
ten. der palästinensische Aufruf zur<br />
entfernung aller jüdischen Präsenz<br />
aus den umstrittenen Gebieten des<br />
Westjordanlands ist nicht nur diskriminierend<br />
und moralisch verwerflich;<br />
er hat auch keinerlei Grundlage in den<br />
Abkommen zwischen israel und den<br />
Palästinensern. in der Tat verstoßen<br />
die israelischen Siedlungen im West -<br />
jordanland nicht gegen bestehende is -<br />
ra elisch-palästinensische Abkom men.<br />
Gegenteilige Behauptungen sollten<br />
<strong>als</strong> Versuche angesehen werden, den<br />
Sachverhalt für politische Ziele zu<br />
verzerren. die verschiedenen Ab kom -<br />
men, die seit 1993 zwischen israel<br />
und den Palästinensern erreicht wurden,<br />
legen explizit fest, dass die Frage<br />
der Siedlungen endstatusverhand -<br />
lun gen vorbehalten ist, die in der ab -<br />
schließenden Phase von Friedensge -<br />
sprä chen geführt werden sollen. Bei -<br />
de Seiten haben ausdrücklich darin<br />
übereingestimmt, dass die Palästi nen -<br />
sische Autonomiebehörde über keinerlei<br />
rechtliche oder politische Kon trol le<br />
über die Siedlungen verfügt, bis ein<br />
permanentes endstatusabkommen ge -<br />
schlossen ist.<br />
man hat vorgebracht, dass die Be stim -<br />
mung im israelisch-palästinensischen<br />
interimsabkommen, die unilaterale<br />
Schrit te zur Veränderung des Status<br />
Quo im Westjordanland verbietet, ein<br />
Verbot der Siedlungsaktivität impliziert.<br />
diese Position ist unredlich. die<br />
Untersagung unilateraler maßnah men<br />
wurde eingeführt, um sicherzustellen,<br />
dass vor dem ergebnis von end status<br />
gesprächen keine Seite Schritte zur<br />
Änderung des rechtlichen Status’ dieses<br />
Gebiets einleiten würde (wie eine<br />
Annexion oder die einseitige Ausru -<br />
fung eines Staates). das Bauen von<br />
Wohnhäusern hat keine Auswirkung<br />
auf den endgültigen dauerstatus des<br />
Gebiets <strong>als</strong> ganzem. Würde dieses<br />
Ver bot auf Bautätigkeiten angewandt<br />
werden, würde es zu der unsinnigen<br />
interpretation führen, dass keine Sei -<br />
te Häuser, Schulen oder Gotteshäuser<br />
bauen dürfte, um die Bedürfnisse ih -<br />
rer jeweiligen Gemeinden zu befriedigen.<br />
ebenso ist vorgebracht worden, dass<br />
die Siedlungen die arabischen ein woh -<br />
ner verdrängen. Tatsächlich sollen die<br />
Siedlungen nicht zur Verdrängung<br />
ara bischer einwohner dienen und tun<br />
dies in der Praxis auch nicht. die pa -<br />
lästinensische Bevölkerung im West -<br />
jordanland wächst weiter in einer hö -<br />
heren Rate <strong>als</strong> die israelische Bevöl ke -<br />
rung. Zudem nehmen die bebauten<br />
Gebiete der Siedlungen (nicht eingeschlossen<br />
Straßen und anliegende<br />
unbewohnte Teile) gemäß unabhängiger<br />
Studien lediglich etwa 3% des<br />
Ge samtgebiets des Westjordanlands<br />
in Anspruch.<br />
man hat zu behaupten versucht, dass<br />
die Siedlungen aus zwei Gründen ge -<br />
gen das internationale Recht verstoßen<br />
– erstens, weil das Westjordanland an -<br />
geblich ‚besetztes Gebiet’ sei, und<br />
zweitens, weil es einem Staat untersagt<br />
ist, Teile seiner eigenen Zivil be -<br />
völ kerung in ein Gebiet zu verlagern,<br />
das er besetzt. diese Behauptungen<br />
sind jedoch rechtlich nicht haltbar;<br />
denn erstens ist es eine historische<br />
Tat sache, dass das umstrittene West -<br />
jordanland kein souveränes Terri to ri -<br />
um eines anderen Staates gewesen ist<br />
und damit auch nicht <strong>als</strong> ‚besetzt’ gelten<br />
kann, und zweitens sind israelische<br />
Bürger weder in die Gebiete de -<br />
por tiert oder transferiert worden,<br />
son dern haben ihren Wohnort aus<br />
frei en Stücken gewählt.<br />
da israels Anspruch auf diese Ge biete<br />
rechtsgültig ist, ist es nur legitim, dass<br />
israelis dort ihre Gemeinden errichten<br />
wie die Palästinenser die ihren.<br />
doch aufeinander folgende israelische<br />
Regierungen haben im Geiste des<br />
Kom promisses ihre Bereitschaft be -<br />
kun det, über die Frage zu verhandeln,<br />
und eine freiwillige einfrierung des<br />
Baus neuer Siedlungen <strong>als</strong> vertrauensbildende<br />
maßnahme angeordnet.<br />
Um die Palästinenser zur Rückkehr an<br />
den Verhandlungstisch zu motivieren,<br />
hat die israelische Regierung im no -<br />
vember 2009 in einem dramatischen<br />
Schritt über alle jüdischen Siedlungen<br />
im Westjordanland ein zehnmonatiges<br />
moratorium für den Bau neuer Wohn -<br />
ein heiten und entsprechende Geneh -<br />
mi gungen verhängt. Leider wurde<br />
dieser Schritt von den Palästinensern<br />
zurückgewiesen, noch bevor er offizi -<br />
ell bekannt gegeben worden war.<br />
14. Rechtfertigt die Forderung der<br />
Palästinenser nach einem totalen und<br />
permanenten Siedlungsstopp ihre<br />
Verhandlungsverweigerung?<br />
Seit April 2009 sind keine Verhand -<br />
lungen zwischen israel und den Pa läs -<br />
tinensern geführt worden, da letztere<br />
sich nach den israelischen Wahlen<br />
weigerten, an den Verhandlungstisch<br />
zurückzukehren. Trotz der Tatsache,<br />
dass seit Beginn des Friedenspro zes -<br />
ses in den 1990er Jahren keine Seite<br />
jem<strong>als</strong> Vorbedingungen für die Auf -<br />
nahmen von Gesprächen stellte, hat<br />
der Präsident der Palästinensischen<br />
Autonomiebehörde (PA), Mahmoud<br />
Abbas, unilateral bestimmt, dass keine<br />
Verhandlungen stattfinden könnten,<br />
bevor israel in eine völlige Beendi -<br />
gung der Siedlungsaktivitäten im<br />
West jordanland und jüdischer Bautä -<br />
tig keit in Ostjerusalem einwilligt.<br />
die plötzliche Auferlegung dieser<br />
Vor bedingung ist unbegründet, da in<br />
allen Abkommen, die die PA mit is ra -<br />
el unterzeichnet hat, vereinbart wur de,<br />
dass die Siedlungsfrage eine Sa che für<br />
die endstatusverhandlungen sei, nicht<br />
eine Vorbedingung für Gespräche.<br />
22 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
POLITIK • AUSLAND<br />
it den Palästinensern<br />
israel kann der Auferlegung einseitiger<br />
Vorbedingungen für ein einver -<br />
ständnis, überhaupt zu verhandeln,<br />
ohne Frage nicht zustimmen, insbesondere<br />
wenn es um seine Haupt -<br />
stadt, Jerusalem, geht. Auch israel<br />
könnte <strong>als</strong> Vorbedingung für die Wie -<br />
deraufnahme von Verhandlungen die<br />
palästinensische einwilligung bei be -<br />
stimmten Angelegenheiten fordern,<br />
die es für wichtig erachtet. Wenn es<br />
aber Fortschritt geben soll, müssen<br />
bei de Seiten die Gespräche wieder<br />
aufnehmen, ohne dem Frieden neue<br />
Steine in den Weg zu legen.<br />
Trotz der neuen Forderungen der Pa -<br />
lästinenser hat die israelische Regie -<br />
rung am 25.11.2009 entschieden, <strong>als</strong><br />
vertrauensbildende maßnah me ein<br />
10-monatiges moratorium über neue<br />
Bautätigkeiten und Bau be willigun -<br />
gen in jüdischen Siedlungen im West -<br />
jordanland zu verhängen. diese dramatische<br />
und präzedenzlose Bekun -<br />
dung von gutem Willen wurden von<br />
den Palästinensern geradeheraus zu -<br />
rückgewiesen, noch bevor sie offiziell<br />
bekannt gegeben worden war.<br />
israels Bereitschaft, sich in Zurück hal -<br />
tung zu üben, wenn es um die Sied -<br />
lun gen geht, ist nicht neu. noch vor<br />
der moratoriumsentscheidung hatte<br />
is raels langjährige Politik darin be -<br />
standen, keine neuen Siedlungen zu<br />
bauen oder weiteres Land für die be -<br />
reits gebauten zu enteignen. die Be -<br />
deu tung dieser Politik liegt darin,<br />
dass es keine Veränderung in der dis -<br />
position des Landes gab. Bautätig-kei -<br />
ten innerhalb bestehender Ge mein -<br />
den – wie der Bau von Schulen, Syna -<br />
gogen und Kliniken, die den Bewoh -<br />
nern ein normales Leben ermöglichen<br />
- verändern die Tatsachen vor Ort in<br />
keiner Weise und nehmen auch nicht<br />
vorweg, was letztlich in einem endgültigen<br />
Friedensabkommen vereinbart<br />
wird.<br />
Zu diesen erwägungen kommt noch<br />
die Tatsache, dass israel bereits Sied -<br />
lun gen geräumt hat. doch statt Fort -<br />
schritt im Friedensprozess zu sehen,<br />
musste es eine Verschlimmerung der<br />
Lage erleben. So machte israel den<br />
Pa lästinensern bspw. 2005 ein einseitiges<br />
Zugeständnis und zog sich kom -<br />
plett aus dem Gaza-Streifen zurück.<br />
Alle 21 Siedlungen im Gaza-Streifen –<br />
und weitere vier im Westjordanland –<br />
wurden in der Hoffnung auf Frieden<br />
geräumt. doch statt den Frieden zu<br />
fördern trat das Gegenteil ein. Als Ge -<br />
gengabe für sein Opfer sah sich israel<br />
mit dem Beschuss seiner südlichen<br />
Städte und Ortschaften mit tausenden<br />
palästinensischen Raketen konfrontiert.<br />
in Anbetracht der Realitäten vor Ort,<br />
zu denen auch bereits bestehende<br />
große israelische Bevölkerungszen -<br />
tren im Westjordanland gehören, ist<br />
es unrealistisch zu erwarten, dass is ra -<br />
el die palästinensischen Forderun gen<br />
in der Siedlungsfrage <strong>als</strong> Unterpfand<br />
dafür, überhaupt erst mit Verhand -<br />
lun gen zu beginnen, vollends akzeptieren<br />
wird. israel ruft die Palästi nen -<br />
ser dazu auf, an den Verhandlungs -<br />
tisch zurückzukehren, um ernsthaft<br />
und gemeinsam mit israel ein für<br />
beide Seiten akzeptables Friedensab -<br />
kom men zu erzielen.<br />
15. Was ist der Status Jerusalems? <br />
Jerusalem ist die heilige Stadt für die<br />
drei monotheistischen Religionen: Ju -<br />
dentum, Christentum und islam. es<br />
ist dieser einzigartige religiöse Status,<br />
der der Stadt und allem, was in ihr<br />
pas siert, solch große Bedeutung verleiht.<br />
israel anerkennt und garantiert<br />
das Recht aller Gläubigen, in der Stadt<br />
zu beten, und schützt ihre vielen heiligen<br />
Stätten dort – wie es das in der<br />
Tat im gesamten Land tut. Während<br />
Je rusalem einen speziellen Status aufgrund<br />
seiner religiösen Bedeutung hat,<br />
ist es auch die ewige Hauptstadt des<br />
Staates israel.<br />
Über die Jahrhunderte hinweg hat kei -<br />
ne nation außer dem jüdischen Volk<br />
Jerusalem zu ihrer Hauptstadt ge -<br />
macht. Wenngleich es wichtig für an -<br />
dere Glaubensrichtungen ist, steht<br />
Jerusalem doch nur im Judentum im<br />
Zentrum des Glaubens.<br />
Jerusalem ist „Herz und Seele“ der<br />
spirituellen identität und der nationalen<br />
Sehnsüchte des jüdischen Vol -<br />
kes. Als die alten Juden ein unabhängiges<br />
Volk im Land israel waren, war<br />
Jerusalem ihre Hauptstadt. Jerusalem<br />
diente <strong>als</strong> historische Hauptstadt des<br />
jüdischen Volkes, seit König david sie<br />
im Jahr 1004 v. Chr. dazu machte. Je -<br />
ru salem blieb Hauptstadt bis zu seiner<br />
Zerstörung durch die Römer und dem<br />
nachfolgenden Verlust jüdischer Un -<br />
abhängigkeit.<br />
1948 wurde mit der Gründung des<br />
Staa tes israel die jüdische Unab hän -<br />
gig keit wiederhergestellt. Kurz darauf<br />
bestimmte die Knesset (israels Parla -<br />
ment) Jerusalem zur Hauptstadt des<br />
Staates israel – trotz der Tatsache, dass<br />
einige östliche Stadtteile durch die<br />
Jor danier während des Krieges von<br />
1948 von der Stadt abgeschnitten<br />
worden waren. nach dieser entschei -<br />
dung wurden die Regierungs behör den<br />
in Jerusalem angesiedelt, einschließlich<br />
der Residenz des Präsidenten, des<br />
Amts des ministerpräsidenten, der<br />
Re gierungsministerien, der Knesset<br />
und des Obersten Gerichtshofs. im<br />
Anschluss an den Sechs-Tage-Krieg<br />
wur de die 18 Jahre währende Teilung<br />
der Stadt beendet, und 1980 erließ die<br />
Knesset das „Grundgesetz: Jerusalem,<br />
Hauptstadt Israels“, das die vereinigte<br />
Staat <strong>als</strong> Hauptstadt der nation verankerte.<br />
israels Hauptstadt ist eine vereinigte<br />
Stadt, und die israelische Regierung<br />
unterscheidet nicht zwischen Jerusa -<br />
lems verschiedenen Vierteln. Allen<br />
ein wohnern Jerusalems steht es frei,<br />
in allen Teilen der Stadt zu wohnen,<br />
unabhängig von Rasse, Religion oder<br />
ethnischer Zugehörigkeit. So wie die<br />
arabischen einwohner in vorherrschend<br />
jüdischen Stadtvierteln wohnen<br />
können, so können auch Juden<br />
frei wählen, wo in der Stadt sie gern<br />
leben würden. die in gewissen Krei -<br />
sen erhobene Forderung, Juden zu<br />
verbieten, irgendwo in der Stadt zu<br />
le ben, ist genauso bodenlos – und<br />
widerrechtlich – wie die Forderung,<br />
Juden könnten nicht in bestimmten<br />
Gegenden von London, Paris, mos kau<br />
oder new York leben.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 23
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
Think Global! Israel Top 10 Export-Marken<br />
VON JESSICA STEINBERG, ISRAEL 21C/ÜBERSETZUNG: KARIN FASCHING-KUALES<br />
WIRTSCHAFT<br />
24<br />
israelis kau fen<br />
bekanntermaßen ger ne ein. Aber bei<br />
einem so kleinen markt wie dem israelischen<br />
müssen sich die Unternehmer<br />
des Landes schon et was einfallen lassen,<br />
um erfolgreich zu sein. Beson ders<br />
Überseemärkte werden hier beson ders<br />
angestrebt.<br />
Vor nicht allzu langer Zeit waren<br />
Orangen das einzige, was israel ex -<br />
portieren konnte. die Jaffa-Orange<br />
war von einer Qualität, die nirgendwo<br />
auf der Welt kopiert werden konnte.<br />
doch mit dem Wachstum des Landes<br />
nahm auch die Bandbreite der ex -<br />
port produkte zu – von Avocados und<br />
Tomaten bis hin zu Halbleiterchips<br />
und Unterwäsche.<br />
Globales denken war gefragt, noch<br />
dazu, wo die in israel hergestellten<br />
Produkte oftm<strong>als</strong> nicht auf den ersten<br />
Blick ersichtlich waren – wie die<br />
Halb leiterchips, die Intel in seine Com -<br />
puter integriert, oder die Unter wä -<br />
sche, die delta Galil für Victoria´s Se -<br />
cret, Marks & Spencer und Calvin Klein<br />
designt.<br />
Heute werden zu einem großen Teil<br />
Konzepte statt einzelprodukten ex por -<br />
tiert: Hotelketten, Trendfashion,<br />
Schmucklinien etc. stellen israels Kre -<br />
ativität und Kundenservice in aller<br />
Welt unter Beweis.<br />
Wir stellen im Folgenden die Top 10<br />
exportmarken israels vor:<br />
1. Fattal Hotels<br />
das Flaggschiff der<br />
israelischen Fat tal<br />
Hotelkette ist das<br />
Leonardo Boutique<br />
Hotel in Tel Aviv.<br />
Schon allein das is raelische Frühstück<br />
dort reißt so manchen Reisenden zu<br />
Begeisterungs stür men hin – und<br />
könnte einer der Gründe sein, weshalb<br />
David Fattal sei ne Hotelmarke<br />
auch außerhalb israels bekannt ma -<br />
chen wollte.<br />
der in Haifa geborene Fattal begann<br />
seine steile Karriere <strong>als</strong> Kellner und<br />
kletterte die erfolgsleiter bis zum di -<br />
rek torenposten der Afrika Hotelkette<br />
hoch. er gründete 1997 sein eigenes<br />
Ho telmanagement-Unternehmen und<br />
besitzt nun 32 Hotels der marke Leo -<br />
nardo in deutschland, der Schweiz<br />
und Belgien sowie 31 Hotels in israel.<br />
12 davon erwarb er erst im vergangenen<br />
Jahr, darunter sämtliche israelischen<br />
Sheraton Hotels und drei Accor<br />
Hotels. das Flaggschiff in Tel Aviv<br />
(http://www.leonardo-hotels.com/<br />
Boutique_Tel_Aviv) wurde vom israelischen<br />
Architekten Moshe Kastiel entworfen.<br />
www.fattal.co.il/IndexLtr.aspx/<br />
2. Laline<br />
die 1999 gegründete<br />
Haut pflegelinie Laline,<br />
die allein in israel 43 ih -<br />
rer schicken, schwarzweißen<br />
Vintage-Shops<br />
be treibt, ist seit 2006 auch im Ausland<br />
bekannt. So kommen auch europa<br />
und die USA in den Genuss der ex -<br />
klu siven Schönheitspflege, de ren Roh -<br />
stoffe aus der französischen Pro vence<br />
sowie aus israel selbst stam men. Viele<br />
neue Shops sind bereits ge plant, in<br />
Groß britannien werden noch in diesem<br />
Jahr sechs von insgesamt 30 eng -<br />
li schen, auf Franchise basierenden,<br />
Laline-Shops eröffnen.<br />
Popikone madonna zählt wohl zu den<br />
prominentesten Kunden von La line,<br />
das zur Hälfte den Gründer, zwei Cou -<br />
sins, und zur Hälfte Fox (siehe unten)<br />
gehört. www.laline.co.il/default_eng.asp<br />
3. Sabon<br />
Auch der israelische Sei -<br />
fen- und Ker zenpro du zent Sabon<br />
nennt, neben 20 israelischen, auch 30<br />
internationale Shops in den USA, Ka -<br />
na da, Ru mä ni en, italien, Polen und<br />
Holland sein ei gen. Sabon wurde 1974<br />
von einem jungen Pärchen ge grün det,<br />
das zu Hau se La vendelseife nach ei -<br />
nem originalen Aborigini-Re zept herstellte,<br />
welches es auf einer Austra li -<br />
en-Reise entdeckt hatte. die großen<br />
Seifenbrocken wurden dann für<br />
Freun de und Familie in Stücke ge -<br />
schnitten. das Unterneh men wuchs<br />
rasch, die ersten Geschäfte wur den er -<br />
öffnet, Cremen und Lotio nen sowie<br />
Ker zen in den Warenbe stand aufgenommen.<br />
Besondere Berühmtheit erlangte der<br />
Sabon-Shop in manhattan, <strong>als</strong> er für<br />
eine Szene der Serie „Sex and the City“<br />
verwendet wurde. http://sabonnyc.com<br />
4. Castro<br />
das einstige Familien-<br />
Atelier ist heu te eine<br />
international operierende mode mar -<br />
ke mit 164 Outlets weltweit, da von<br />
118 in israel, der Rest in deutsch land,<br />
Russland, Kasachstan, Thai land, der<br />
Schweiz, Rumänien, der Ukraine und<br />
Holland. die Trendsetter gehörten zu<br />
den ersten israelischen Ketten, die<br />
Shops in großen einkaufszentren<br />
eröffneten und zeichnen sich durch<br />
so interessante Aktionen wie die Ver -<br />
wendung von Streifen aus Carmel-<br />
Teppichen für ihre Kleidungsstücke<br />
aus.<br />
www.castro.com<br />
5. Fox<br />
das modehaus Fox,<br />
gegründet 1942 <strong>als</strong><br />
der Unter wäsche -<br />
hersteller Trico Fox,<br />
kann auf eine lan -<br />
ge Firmengeschichte zurückblicken.<br />
Aber erst 1992, <strong>als</strong> das Familienun ter -<br />
nehmen Fox-Wizel sein markenkon zept<br />
der modernen, be que men und günstigen<br />
Kleidung für die ganze Familie<br />
begründete, kam der internationale er -<br />
folg. Heute gibt es 200 Fox Geschäfte<br />
in israel und mehr <strong>als</strong> 100 in aller<br />
Welt, darunter China, Thai land, Pana -<br />
ma oder Russland, und hält 50% der<br />
marke Laline. www.fox.co.il/english/<br />
6. Aroma<br />
die Kaffeehauskette Aroma ist einer<br />
der Gründe, weshalb der US-Kaffee -<br />
gi gant Starbucks seinen Siegeszug<br />
um die Welt nicht auf das Heilige Land<br />
ausdehnen konnte. Seit 15 Jahren ver -<br />
sorgen Aromas rot-schwarze Filialen<br />
die israelis mit bestem Kaffee; nachdem<br />
das Unternehmen erst im Jahr<br />
2000 über die Grenzen Jerusalems hi -<br />
naus wuchs, zählt israel inzwischen<br />
100 Aroma-Outlets. Vor vier Jahren ka -<br />
men dann auch das kanadische To ron -<br />
24 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
to und das Soho von manhattan in den<br />
Genuss der israelischen Kaffee tra di -<br />
tion. den ersten europäischen Aro ma-<br />
Coffeeshop gab es 2009 in der Ukrai ne,<br />
es folgten Rumänien, Zy pern und Ka -<br />
sachstan unter dem mar kennamen<br />
Marrone Rosso („braun und rot“).<br />
www.aroma.co.il/Default.aspx?alias=ww<br />
w.aroma.co.il/en<br />
7. Padani<br />
Von einer Familie belgischer<br />
dia man tenhändler gegründet,<br />
eröffnete Pa da ni sein erstes Juwe lier -<br />
geschäft 1947 in Tel Aviv. inzwischen<br />
zählt israel sechs niederlassungen<br />
des auf einzigartiges design und erstklassige<br />
Uh ren und Schmuck von Pa -<br />
tek-Phil lipe, Cartier, Bulgari oder Breit -<br />
ling spe zia li sierten Juweliers. 2006<br />
expandierte Pa dani ins Ausland. im<br />
englischen Kent freut man sich über<br />
eine loyale britische Klientel.<br />
www.padani.co.il<br />
8. Max Brenner<br />
Als der Chocolatier Max<br />
Brenner sein erstes Scho -<br />
koladengeschäft eröffnete<br />
waren die menschen von<br />
seinem Kon zept einer von<br />
einem glatzköpfigen mann kreierten<br />
Gourmet-Schoko la de in drolliger Ver -<br />
packung fasziniert.<br />
Vierzehn Jahre später ist wohl be kannt,<br />
dass in Wahrheit zwei männer – Max<br />
Fichtman und Oded Brenner – hinter<br />
der erfolgreichen marke stehen und<br />
den fiktionalen Glatzkopf durch die<br />
Kombination ihrer beider namen<br />
auferstehen ließen.<br />
inzwischen gehört max Brenner der<br />
Strauss Gruppe und nennt sechs Fili a len<br />
in israel sowie 18 in Australien, zwei in<br />
Sin gapur, zwei auf den Phi lip pinen und<br />
zwei in den USA sein ei gen. Wei te re<br />
werden folgen. www.maxbrenner.com<br />
9. Super-Pharm<br />
in israel ist die Apothekenkette Su per-<br />
Pharm mit 137 niederlassungen wahr -<br />
haft allgegenwärtig. doch auch 20<br />
Apotheken in Polen und 53 in China<br />
gehören dazu. die kanadische Fami lie<br />
Koffler, denen auch Shoppers Drug Mart<br />
(ehem<strong>als</strong> Koffler´s drugs) in Kanada<br />
gehört, hält das Unternehmen. Mur ray<br />
Koffler hatte 1970 israel besucht und<br />
be schlossen, dort eine ähnliche Kette<br />
wie jene in Kanada aufzuziehen.<br />
Super-Pharm dehnten <strong>als</strong> erste ihre<br />
Öff nungszeiten auch auf den Schab bat<br />
aus und verkauften neben me di ka -<br />
men ten auch andere Produkte.<br />
www.super-pharm.co.il<br />
10. Michal Negrin<br />
man mag über ihre<br />
romantischen de signs<br />
denken was man will,<br />
aber Michal Negrin, die<br />
früher in einem Kib -<br />
buz lebte, ist ohne Zweifel einer der<br />
bekanntesten israelischen mar ken -<br />
namen für Vintage-inspirierten edel -<br />
steinschmuck, Kleidung und Acces soi -<br />
res geworden. Auf dem Kunsthand -<br />
werksmarkt nahalat Binyamin in Tel<br />
Aviv begann sie ihre Kollektionen zu<br />
verkaufen, bevor sie gemeinsam mit<br />
eheman meir ihren ersten Laden in<br />
der Sheinkin Straße eröffnete.<br />
mehr <strong>als</strong> 20 Jahre später gibt es 26 Fi li -<br />
alen von michal negrin in aller Welt<br />
und 19 in israel. www.michalnegrin.com<br />
Castro-Modeschau in Tel-Aviv<br />
Google kauft israelisches Start-Up-Unternehmen<br />
der US-amerikanische internetdienstleistungsgigant Google hat erstm<strong>als</strong><br />
ein israelisches Unternehmen erworben. dabei handelt es sich um Lab<br />
Pixies, eine Start-Up-Firma, die Widgets wie Spiele, Übersetzungsprogramme,<br />
Taschen rech ner und Kalender für personalisierte in ter net platt -<br />
for men entwickelt.<br />
die Kaufsumme wird auf umgerechnet etwa 19 mio. euro ge schätzt.<br />
„Wir glauben, dass die Hinzufügung dieses talentierten Teams es uns ermögli -<br />
chen wird, unsere Internet-Plattformen zu stärken und sie attraktiver denn je<br />
zuvor zu machen“, sagte Prof. Yossi Matias, der Leiter von Googles For -<br />
schungs- und entwicklungszentrum in Tel Aviv. „Google glaubt an israelische<br />
Innovationsfähig keit und Kreativität, und wir werden weiter die Koope ra -<br />
ti on mit örtlichen Unternehmen und Start-Ups suchen.“<br />
Seit seiner Gründung haben sich die investitionen in Lab Pixies auf<br />
lediglich umgerechnete 1.5 millionen euro belaufen.<br />
informationen zu Lab Pixies: http://www.labpixies.com/<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 25
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
©Israelimages, Noam Armonn<br />
AMDOCS<br />
Komplexe Software<br />
für einfaches Telefonieren<br />
VON REINHARD ENGEL<br />
der globale israelische Softwarekon -<br />
zern Amdocs hat sich auf Telefon an -<br />
wendungen spezialisiert. Auch in Ös -<br />
terreich laufen seine Programme, oh ne<br />
dass die Kunden von Telekom Aus -<br />
tria oder T-mobile etwas davon<br />
bemerken.<br />
Ganz kann sich der Krise niemand<br />
ent ziehen. „Das Jahr 2009 wird man für<br />
eine der schlimmsten Finanzkrisen im<br />
letzten Jahrhundert in Erinnerung behalten,“<br />
schreibt Dov Baharav, „CeO and<br />
Pre sident“ des globalen israelischen<br />
Software-Unternehmens Amdocs in<br />
der einleitung zum aktuellen Ge -<br />
schäfts bericht. „Wie die meisten Unter -<br />
nehmen hat auch Amdocs die Auswir kun -<br />
gen gespürt.“ dennoch konnte sich der<br />
Konzern „stabil“ halten, wenn auch<br />
die gesamte Telekom-Branche betroffen<br />
gewesen sei.<br />
in nüchternen Zahlen drückte sich dies<br />
so aus: Amdocs musste einen Rück -<br />
gang beim Umsatz von US$ 3,2 mrd.<br />
im Jahr 2008 auf US$ 2,9 mrd. im Vor -<br />
jahr berichten, der Gewinn sank leicht<br />
von US$ 379 mio. auf 326 mio. Zahl -<br />
rei che große Kunden – Telekom-Un -<br />
ter nehmen - hatten sich bei neuen<br />
investitionen zurückgehalten. Wegen<br />
der Krise hatten deren Firmen- und<br />
Privatkunden weniger telefoniert, und<br />
ein rascher weiterer Ausbau von net -<br />
zen und Rechenzentren schien nicht<br />
ge rade dringlich. Amdocs war daher<br />
gezwungen, erst einmal im ei genen<br />
Haus zu sparen, suchte aber auch für<br />
die Auftraggeber schlanke Lösungen.<br />
Baharav: „Wir verstehen, dass unsere<br />
Kunden ihre Gürtel enger schnallen müssen.<br />
Daher haben wir un sere Entwick lung<br />
darauf konzentriert, sie dabei zu unterstützen,<br />
möglichst effizient und kostengüns tig<br />
zu arbeiten.“<br />
Schon im ersten Quartal des heurigen<br />
Jahres zeigten sich wieder deutliche<br />
An zeichen für eine erholung: der<br />
Um satz stieg im Vergleich zum gleichen<br />
Zeitraum des Vorjahres um fast<br />
fünf Prozent, die erträge legten sogar<br />
um beinahe elf Prozent zu. Und auch<br />
der Auftragspolster wurde wieder fet -<br />
ter. er liegt derzeit bei US$ 2,46 mrd.<br />
Telekom Austria und Amdocs<br />
„Wir haben wegen der Wirtschaftslage<br />
kei ne Investitionen zurückgenommen,“<br />
erzählt Slobodan Keseljevic, stellvertretender<br />
iT-Leiter bei Telekom Austria.<br />
Sein Unternehmen ist schon seit mehr<br />
<strong>als</strong> zehn Jahren Stammkunde bei Am -<br />
docs, und dabei geht es immer wieder<br />
um mächtige Softwarepakete. die<br />
Telefonkunden merken davon freilich<br />
nichts, alles läuft im Hintergrund ab,<br />
auch wenn ein Großteil dieser Pro -<br />
gramme gerade an der Schnittstelle<br />
zwischen Technik und endkunde<br />
angesiedelt ist.<br />
„Wir nutzen Amdocs in drei großen Berei<br />
chen,“ so Keseljevic. „Erstens einmal<br />
für die Abrechnung der Mobilkom, das so<br />
genannte Billing. Das klingt einfach, ist<br />
aber sehr komplex. Nicht nur müssen alle<br />
Gespräche berechnet werden, darüber hi -<br />
naus gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Tarifmodelle, etwa mit Freimi nuten.“ die -<br />
se Abrechnung wird für die österreichischen<br />
Handy-Telefonierer durch ge -<br />
führt und darüber hinaus auch für je ne<br />
der südosteuropäischen mobil kom-<br />
Tochterfirmen in Kroatien, Bul ga rien<br />
und Slowenien.<br />
Zweitens nutzt die Festnetzsparte von<br />
Telekom Austria eine Customer Re la -<br />
tions management-Software der isra -<br />
e lis. dabei geht es um die Ver knüp -<br />
fung von Kundendaten bei An fragen,<br />
die in den Call Centern der Telekom<br />
eingehen. Auch hier müssen große<br />
da tenmengen schnell durchforstet<br />
werden, rasch Verbindungen hergestellt,<br />
denn die Kunden am an deren<br />
ende der Leitung sind ungeduldig<br />
und wollen mit ihren Be schwer den<br />
oder Bestellungen schnell be dient<br />
wer den. „Und schließlich nutzen wir<br />
Am docs Software zur Optimie rung des<br />
ge samten Netzes,“ erklärt der Techni -<br />
26 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
ker. das nennt sich inventory, dabei<br />
weiß die Software, wo momentan<br />
freie Kapazitäten verfügbar sind und<br />
lenkt die datenströme entsprechend.<br />
Telekom Austria befindet sich hier in<br />
bester Gesellschaft. in Österreich und<br />
in den nachbarländern nutzt etwa<br />
auch T-mobile Software der israelis.<br />
Vodafone und Orange zählen zu den<br />
Kunden, BT (British Telecom) und<br />
Telenor Schweden, Telefónica de es -<br />
pana und Belgacom. Außerhalb euro -<br />
pas ist Amdocs ebenfalls stark. der<br />
Kon zern liefert an US-Unternehmen<br />
wie Bell South, an Brasil Telecom in<br />
Lateinamerika oder an Asiaten wie<br />
Ja pan Telecom oder China Telecom.<br />
diese werden von insgesamt 17.000<br />
Amdocs-mitarbeitern in zahlreichen<br />
Standorten rund um den erdball<br />
betreut.<br />
dabei hatte es ganz klein begonnen.<br />
mitte der 70er Jahre graduierte Avi no -<br />
am Naor an der Universität von Tel<br />
Aviv <strong>als</strong> Computeringenieur. er interessierte<br />
sich vor allem für Tele kom mu -<br />
nikation und suchte nach ei ner ni sche,<br />
für die er neue Pro gramme schreiben<br />
konnte. er fand diese ni sche, indem<br />
er sich auf automatisierte elektronische<br />
Telefonbücher spezialisierte, die es bis<br />
dahin nicht gegeben hatte. Anfang der<br />
80er Jahre konnte er investoren dafür<br />
gewinnen, und mit Hilfe von Morris<br />
Kahn wurde Aurec gegründet. Sehr<br />
schnell fand sich mit Southwestern Bell<br />
ein großer Kunde in den USA, der<br />
ebenfalls bereit war, Geld in die Hand<br />
zu nehmen.<br />
Globaler Boommarkt<br />
Mobiltelefonie<br />
in den 80er Jahren wurden diese Tele -<br />
fonbücher weiter entwickelt, Aurec<br />
schaffte es mit seiner Spezialität zum<br />
Weltmarktführer. doch schon zeigte<br />
sich, dass die Telekom-Branche in<br />
einem anderen Bereich am schnellsten<br />
wachsen würde, nämlich bei den<br />
mobilen diensten, erst nur mit Spra -<br />
che, später dann auch mit daten. Und<br />
für diesen Boommarkt begannen die<br />
Aurec-ingenieure nun spezialisierte<br />
Soft ware zu schreiben. erst waren es<br />
vor allem Abrechnungsprogramme,<br />
dann kamen umfangreichere Kun den-<br />
Service-Pakete dazu. damit war das<br />
Un ternehmen selbst auf einen rasanten<br />
Wachstumskurs eingeschwenkt – und<br />
brauchte dafür Geld und eine neue,<br />
international ausgerichtete Struktur.<br />
1998 wagte man den Börsegang, mittlerweile<br />
war die Firmengruppe auf<br />
Am docs umbenannt worden. Steuer -<br />
rechtlich residiert sie heute auf der<br />
britischen Kanalinsel Guernsey, die<br />
Unternehmenszentrale befindet sich<br />
in den USA, in Chesterfield, missou ri.<br />
der größte entwicklungs- und For -<br />
schungsstandort blieb aber weiterhin<br />
in israel, in Ra´anana.<br />
mit dem neuen Kapital konnte Am -<br />
docs eine rasche Folge von Übernahmen<br />
anderer Software-Spezialisten<br />
finanzieren, deren Know-how zu den<br />
eigenentwicklungen passten, etwa die<br />
kanadische Solect Technology, oder das<br />
US-Unternehmen Clarify. Und schließ -<br />
lich überschritt Amdocs die alten<br />
Branchen-Grenzen: Hatte man zuvor<br />
<strong>als</strong> bloßer Technik-Lieferant gegolten,<br />
wurde man nun auch zusätzlich zum<br />
dienstleister. Seit 2002 übernimmt<br />
eine Amdocs-Abteilung die gesamte<br />
Abrechnung von Telekom-Unter neh -<br />
men, einer der ersten Outsourcing-<br />
Kunden war Verizon Communications.<br />
Heute liegt ein Schwerpunkt des<br />
Produktangebots bei kompletten Tele -<br />
kom-Softwarelösungen für neue Un -<br />
ter nehmen, die in Lateinamerika oder<br />
Asien von null weg starten wollen<br />
und sich nicht mit dem Aufbau eigener<br />
großer Technik- und entwick lungs ab -<br />
teilungen herumplagen wollen.<br />
das kommt für die alteingesessene<br />
Tele kom Austria nicht in Frage. iT-Lei -<br />
ter Keseljevic: „Man muss genau aufpassen,<br />
dass man nicht abhängig wird.<br />
Wir kaufen daher auch immer von anderen<br />
Firmen Software zu und entwickeln ge -<br />
wis se Teile selbst.“ man müsse die<br />
Oberhoheit über die großen Systeme<br />
behalten. dennoch dürfte auch bei<br />
der geplanten Zusammenführung von<br />
Telekom und mobilkom und der Su -<br />
che nach Synergien und Sparmög -<br />
lichkeiten wieder israelische Software<br />
mit zum einsatz kommen.<br />
Dov Baharav, CEO und<br />
Prä sident von Amdocs<br />
Amdocs hat über 17.000 Mitarbeiter in mehr <strong>als</strong> 60 Ländern. Der größte<br />
Entwicklungs- und For schungs standort ist aber weiterhin in Israel, in Ra´anana.<br />
©Yossi Zamir/Flash90<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 27
WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />
WISSENSCHAFT<br />
Ein-Blick<br />
Israelischer MP3-Player<br />
sorgt weltweit für Furore<br />
der weltweit einzige wirklich<br />
„tragbare“ mP3-Player Musi -<br />
Cap stammt aus israel. die Fir -<br />
ma Walletex hat das leichte<br />
und wasserdichte Gerät in<br />
eine Baseballkappe mitsamt<br />
Flash-Speicher integriert. das neue<br />
Pro dukt eignet sich damit sehr gut für<br />
sportliche Aktivitäten.<br />
Bei der jährlichen Verbrauchermesse<br />
in Las Vegas erwies sich das Produkt<br />
der Firma <strong>als</strong> Anziehungspunkt. Be -<br />
gonnen hatte die erfolgsgeschichte des<br />
Unternehmens Walletex 2005 mit ei -<br />
nem sehr dünnen, kreditkartengroßen<br />
USB-Stick. Seitdem wurden weitere<br />
Produkte für den militärischen und<br />
medizinischen Bereich sowie für die<br />
Unterhaltungsindustrie entwickelt.<br />
„Alle unsere Produkte haben spezielle Mi -<br />
krokomponenten, die von unserem For -<br />
schungs team in Israel entwickelt wur den“,<br />
erklärte Walletex-Geschäfts führer Avi<br />
Dahan. „Die Produkte sind wasser- und<br />
sandgeschützt und so schmal, dass sie in<br />
eine Geldbörse passen“, wirbt dahan im<br />
interview mit dem internetportal is -<br />
ra el21c. Auch seien die Produkte durch<br />
spezielle Software gegen Hacker ge -<br />
schützt.<br />
dahan hatte iBdA, die mutterfirma<br />
von Walletex, zum dritterfolgreichsten<br />
Anbieter für Bluetooth-Anwendungen<br />
gemacht. Zahlreiche der seit 2005<br />
entwickelten Produkte haben innova -<br />
tionspreise bei internationalen mes sen<br />
wie der Cebit gewonnen. Zu den nut -<br />
zern der Walletex-Produkte gehören<br />
renommierte Firmen wie iBm, micro -<br />
soft, nokia, Toyota, deutsche Bank und<br />
Ford. iBdA hat einen Jah resumsatz<br />
von US$ 7 mio.<br />
das 2005 gegründete Tochterunter -<br />
neh men hat Vertriebsstellen in den<br />
USA und Japan sowie eine Filiale in<br />
China. die entwicklung der Produkte<br />
findet weiterhin in israel statt: „Es<br />
zeigt, dass wir konkurrenzfähig bleiben<br />
können, wenn unser Unternehmen innovativ<br />
ist und diese Innovationen verkauft.<br />
Wir sind trotz der schwierigen Lage zu -<br />
ver sichtlich, dass wir auch in den kommenden<br />
Jahren am Markt bestehen können“,<br />
ergänzt dahan.<br />
inn<br />
Israelis überleben<br />
Herzinfarkte besser<br />
dieses m onat wur -<br />
den die Re sul tate<br />
einer Studie des eu ro -<br />
pean Heart Journal veröffentlicht.<br />
Unter an derem<br />
wurde aufgedeckt, dass israelis eine<br />
viel bessere Chance haben, einen<br />
schweren Herzinfarkt zu überleben,<br />
<strong>als</strong> menschen in zwanzig europäischen<br />
Staaten. Weiter wur de festgestellt,<br />
dass nur 4,2% der israelis, die nach<br />
einem Herzinfarkt in einer notauf -<br />
nah me oder intensiv sta tion behandelt<br />
werden, schlußendlich sterben. diese<br />
Zahl ist viel niedriger <strong>als</strong> die von an -<br />
deren nationen in europa mitgeteilten<br />
Zahlen. in Frank reich sterben 6,6%<br />
der Herzin farkt patienten in inten siv -<br />
behandlung, in deutschland sind es<br />
6,8% und 9% in Großbritannien. Als<br />
Grund wird an ge ge ben, dass man in<br />
israel viel schneller auf einen Herzin -<br />
farkt reagiert, in dem sofort eine<br />
Herzsonde durchgeführt wird.<br />
Neue Methode zur Erhöhung<br />
der Spermienmobilität<br />
israelische Forscher vom meir-Kran -<br />
ken haus und der Bar-ilan-Universität<br />
haben herausgefunden, dass sichtbare<br />
Lichtstrahlen die Beweglichkeit von<br />
Spermien erhöhen und dadurch die<br />
ergebnisse von in-vitro-Fertilisa tio nen<br />
verbessern könnten. ihre For schungs -<br />
ergebnisse wurden auf der Jahres kon -<br />
ferenz der israel Fertility Association<br />
präsentiert. in den letzten Jahren sind<br />
40% der Fälle von Unfruchtbarkeit<br />
unter Behandlung suchenden Paaren<br />
minderwertigen Spermien zugeschrieben<br />
worden. daher konzentrierten die<br />
Forscher ihre Bemühungen auf die<br />
Prü fung der Spermienmotilität. die<br />
Wissenschaftler setzten Sperma-Pro -<br />
ben für drei minuten einer Licht wel -<br />
lenbestrahlung aus und stellten dabei<br />
fest, dass die Strahlung, deren Wel -<br />
len länge von 400 bis 700 nanometer<br />
reichte, die Beweglichkeit der Sper -<br />
mi en verbesserte. die Lichtwellen ge -<br />
ben <strong>als</strong> Reaktive Sauerstoffspezies<br />
(ROS) bekannte Sauerstoffpartikel ab,<br />
kleine moleküle, die Sauerstoffionen<br />
und -peroxide enthalten, welche of -<br />
fen sichtlich die Spermienmobilität<br />
erhöhen. Sollten sich die Untersu -<br />
chungs ergebnisse nach weiteren Tests<br />
bestätigen, könnte dies zu verbesserten<br />
Behandlungen für Paare mit Fruchtbarkeitsproblemen<br />
führen.<br />
im Jahr 2007 wurden in israel insgesamt<br />
26.679 Runden von in-Vitro-Fer -<br />
tilisation bei Paaren vorge- nommen.<br />
4.585 davon – <strong>als</strong>o 17% - resultierten<br />
in der Geburt eines Babys. Haaretz<br />
Künstliche<br />
Befruchtung<br />
auch für<br />
HIV-Infizierte<br />
das Rambam-<br />
Kran ken haus in Haifa eröffnet die er s -<br />
te Station zur in-vitro-Fer tilisation von<br />
HiV-infizierten Frau en mit Frucht -<br />
barkeitsproblemen, die von anderen<br />
einrichtungen abgewiesen worden<br />
waren. dem ging ein Be schluss des<br />
Obersten Gerichtshofs voraus, der dies<br />
gegen den Willen des Gesund heits -<br />
ministeriums genehmigte. die Station<br />
wird auch den Trägern anderer Viren<br />
zur Seite stehen. Zahl reiche Frauen<br />
stehen bereits auf der War te lis te.<br />
Obwohl israel zu den globalen Spit -<br />
zen reitern auf dem Feld der künstli -<br />
chen Befruchtung gehört, konn te HiVinfizierten<br />
bislang nicht mit ei ner<br />
iVF-Behandlung geholfen werden.<br />
erst kürzlich ist am Hadassah-Kran -<br />
kenhaus in Jerusalem ein Sper ma-Rei -<br />
nigungsinstitut eröffnet worden, das<br />
HiV-infizierten männern ermöglicht,<br />
mit nicht-infizierten Partnerin nen ge -<br />
sun de Kinder zu bekommen.<br />
HiV-in fizierte haben heute beinahe<br />
die gleiche Lebenserwartung wie der<br />
Rest der Bevölkerung, und bestimmte<br />
medizinische Behandlungen machen<br />
es möglich, dass sie gesunde Kinder<br />
zur Welt bringen.<br />
28 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />
Jom Jeruschalajim<br />
© Flash 90/Stas Kuzmin<br />
Aus Anlass des Jom Jerushalayim, mit dem<br />
in Israel die Wiederverei ni gung Jeru sa lems<br />
vor 43 Jahren ge fei ert wird, hat Minis ter -<br />
prä sident Benjamin Netan ya hu bei der offi -<br />
ziellen Eröffnungszeremonie eine eindringliche<br />
Rede gehalten. Darin bekräftigte er<br />
aberm<strong>als</strong> die tiefe historische Verbindung<br />
des jüdischen Volkes zur israelischen<br />
Haupt stadt.<br />
„es kann keine Gerechtigkeit geben<br />
ohne Wahrheit. Wenn die Gerechtig -<br />
keit in Bezug auf unser Volk und un -<br />
sere Stadt verzerrt wird, dann ge -<br />
schieht dies unter Verzerrung der<br />
Wahrheit. Und die Wahrheit ist, dass<br />
Jerusalem der Augapfel unseres Vol kes<br />
ist. Wir haben eine unzertrennbare<br />
Ver bindung zu ihm. Jahrtausende,<br />
dreitausend Jahre. niem<strong>als</strong>, niem<strong>als</strong><br />
haben wir die Verbindung aufgegeben.<br />
Wir haben sie nicht aufgegeben, <strong>als</strong> der<br />
Tempel zum ersten mal zerstört wur -<br />
de, wir haben sie nicht aufgeben, <strong>als</strong><br />
der Tempel zum zweiten mal zerstört<br />
wurde, auch danach haben wir diese<br />
Verbindung nicht aufgegeben. Sech zig<br />
Jahre nach der Zerstörung des zweiten<br />
Tempels stand das Volk israel auf<br />
und kämpfte erneut, und auch da -<br />
m<strong>als</strong> haben wir nicht aufgegeben.<br />
Auch nach der dritten Zerstörung, kei -<br />
ner Zerstörung des Tempels, ha ben<br />
wir nicht aufgegeben. Wir haben weiter<br />
an Jerusalem gehangen und Zion<br />
im weitesten Sinne des Wortes aufgebaut.<br />
drücken sich doch das ganze<br />
Land und das ganze Volk mit diesem<br />
Wort ‚Zion’ aus, mit diesem Begriff.<br />
Wir haben nicht aufgegeben!“<br />
„nicht ein Jahr verging, nicht ein Tag<br />
in unserem exil, an dem wir nicht sa g -<br />
ten ‚nächstes Jahr in Jerusalem’.<br />
‚nächstes Jahr in Jerusalem’. Ganz<br />
gleich, ob es im 10. Jahrhundert, im<br />
11. Jahrhundert oder im 12. Jahrhun -<br />
dert war. Und diese Sehnsucht nach<br />
Jerusalem zurückzukehren und dort<br />
zu leben und Jerusalem aufzubauen<br />
und in Jerusalem erbaut zu werden,<br />
be gleitet das Volk israel seit 2000 Jah -<br />
ren – und mitte des 19. Jahrhunderts<br />
stellten wir wieder die mehrheit in<br />
dieser Stadt, in unserer Stadt, und<br />
seitdem bauen wir.<br />
Wir vertreiben niemanden, wir räumen<br />
niemanden weg, denn der zweite<br />
Teil der Wahrheit ist, dass kein Volk<br />
die Verbindung hat, die das Volk is -<br />
rael zu Jerusalem und Zion hat. Aber<br />
es gab auch kein anderes Volk, das den<br />
anderen Religionen die Freiheit der<br />
Religionsausübung und den frei en<br />
Umgang zu den heiligen Stätten ge -<br />
währt hat außer dem Volk israel. Als<br />
wir unseren Anspruch auf alle Teile<br />
der Stadt erneuerten, erneuerten wir<br />
auch die Religionsfreiheit und er -<br />
mög lichten den Angehörigen anderer<br />
Glaubensrichtungen, unter israelischer<br />
Herrschaft zu beten und gemäß ih rem<br />
Glauben zu agieren.<br />
ich sage das alles, da versucht wird,<br />
uns <strong>als</strong> fremde eindringlinge darzustellen,<br />
<strong>als</strong> Besatzer, <strong>als</strong> Volk, das kei ne<br />
Verbindung zu diesem Ort hat; und<br />
man kann sagen: Kein anderes Volk<br />
hat solch eine Verbindung zu seiner<br />
Hauptstadt wie das jüdische Volk zu<br />
Jerusalem.“ Büro des Ministerpräsidenten<br />
Die vollständige Rede gibt es unter: http://www.<br />
pmo.gov.il/PMOEng/Communication/<br />
PMSpeaks/speechmerkaz 110510.htm<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 29
JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Der Jerusalemtag (28. Ijar/12.5.10) ist ein<br />
nationaler Feiertag in Israel. Der Tag er in nert<br />
an die israelische Befreiung der Stadt im<br />
Sechs-Tage-Krieg 1967. Nach dem die arabischen<br />
Armeen Ägyptens, Jordaniens, Syriens<br />
und des Irak an Is ra els Grenzen aufgezogen<br />
waren, hatte Israel einen Präven tiv schlag<br />
ausgeführt, um ei nem massiven An griff zu -<br />
vor zukommen.<br />
Nach dem Sechs-Tage-Krieg wurden Ost- und<br />
Westjerusalem durch Israel wiedervereinigt;<br />
Juden, Christen und Muslime erhielten freien<br />
und sicheren Zugang zu allen hei li gen Stät -<br />
ten in der historischen Altstadt.<br />
Jerusalem ist das geistige Zentrum des jü di -<br />
schen Volkes sowie die heutige Haupt stadt<br />
des modernen Staates Is rael. Israelis und Ju -<br />
den auf der ganzen Welt feierten den Jeru sa -<br />
lemtag mit Fest g’ttes diensten und kulturellen<br />
Veranstal tun gen.<br />
Jerusalem 1948-1967<br />
Nachdem sich Israel im arabischen An -<br />
griffskrieg von 1948 erfolgreich verteidigt<br />
hatte, behielt es die Kontrolle über West je -<br />
rusalem, während Jordanien Ostjeru sa lem<br />
besetzte. Dazu gehörten auch die historischen<br />
jüdischen Teile der Alt stadt. Damit<br />
fielen auch bedeutende heilige Stätten des<br />
Christentums unter jordanische Kontrolle.<br />
Jordanien gestattete we der Christen noch<br />
Juden den freien Zu gang zu diesen<br />
Stätten. Viele von ihnen wurden entweiht.<br />
19 Jahre nach der jordanischen Beset zung<br />
Ostjerusalems und der West Bank be tei -<br />
ligte sich Jordanien im Juni 1967 ge mein -<br />
sam mit Ägypten am Sechs-Ta ge-Krieg;<br />
der damalige Präsident Ägyptens, Gamal<br />
Abdel Nasser, erklärte die Zerstö rung Is ra -<br />
els zum Kriegsziel. Nach erbitterten Kämp -<br />
fen gelang es der is raeli schen Ar mee, die<br />
jordanischen Streit kräfte zu rück zudrän -<br />
gen und die Alt stadt, den Tem pel berg so -<br />
wie den Rest Ostjerusalems einzunehmen.<br />
Unter Is ra els Kontrolle wur de die Stadt <strong>als</strong><br />
Isra els Hauptstadt wie der vereinigt – <strong>als</strong><br />
ein Ort für alle Reli gi o nen.<br />
„Mosaik“ Jerusalem<br />
Heute ist Jerusalem eine gemischte Stadt<br />
mit jüdischen und arabischen Wohnge bie -<br />
ten auf beiden Seiten der Linie, die einst<br />
Israel vom jordanisch besetzten Teil ge -<br />
trennt hatte. Im Gegensatz zu dem<br />
verbrei teten Mythos, dass Juden auf der<br />
einen Seite dieser sogenannten Grünen Li -<br />
nie leben, und Araber auf der anderen,<br />
wurde die Stadt von Jerusalems ehemaligem<br />
Bürgermeister Teddy Kollek <strong>als</strong> „Mo -<br />
saik“ beschrieben, und diese Viel falt spiegelt<br />
sich bis heute in den folgenden Zah -<br />
len wider.<br />
JERUSALEM IN ZAHLEN<br />
Bevölkerung<br />
760.000: Gesamteinwohnerzahl<br />
492.000: Zahl der jüdischen Einwohner<br />
268.000: Zahl der arabischen Einwoh ner<br />
Bevölkerungswachstum<br />
3 Prozent: Zunahme der arabischen<br />
Bevölkerung 2007<br />
1 Prozent: Zunahme der jüdischen<br />
Bevölkerung 2007<br />
291 Prozent: Zunahme der arabischen<br />
Bevölkerung 1967-2008<br />
149 Prozent: Zunahme der jüdischen<br />
Bevölkerung 1967-2008<br />
Bautätigkeit in Jerusalem<br />
800: Anzahl der geplanten Wohnein hei ten<br />
für eine gemischte jüdisch-arabische<br />
Wohngegend im Südteil Je ru salems.<br />
39 Prozent: Anteil von Jerusalems jüdischer<br />
und anderer nicht-arabischer Be -<br />
völkerung in Wohngebieten, die auf<br />
Land errichtet wurden, das Je ru salem<br />
nach 1967 eingemeindet wur de.<br />
188.400: Anzahl der jüdischen und ande -<br />
rer nicht-arabischer Einwohner in Je ru -<br />
salemer Wohngebieten, die auf Land<br />
errichtet wurden, das Jeru salem nach<br />
1967 eingemeindet wur de.<br />
92.000: Erwartetes arabisches Bevöl ke -<br />
rungswachstum bis 2020.<br />
140.000: Zahl der Einwohner, für die die Je -<br />
ru salemer Stadtverwaltung Land für<br />
den Bau neuer arabischer Woh nung -<br />
en vorgemerkt hat.<br />
75.000-150.000: Erwartetes jüdisches Be -<br />
völkerungswachstum bis 2020.<br />
44 Prozent: Anteil der bis 2020 fehlenden<br />
Wohneinheiten zur Aufnahme der<br />
wachsenden jüdischen Bevöl ke rung.<br />
6.000: Anzahl der arabischen Häuser, die<br />
1998-2002 ohne Baugenehmi gung er -<br />
richtet wurden. Von diesen sind 198<br />
(3,3%) durch Verfügun gen israelischer<br />
Behörden abgerissen wo r den.<br />
US$ 30 Millionen: Höhe der Finanz mit tel,<br />
die der palästinensischen Au tono mie -<br />
behörde (PA) durch Saudi-Ara bi en in<br />
den 1990er Jahren zur Ver fü gung<br />
gestellt wurden, um 10.000 Wohn ein -<br />
heiten zu errichten, ungeachtet dessen,<br />
ob dafür eine Bauge neh migung<br />
bestand oder nicht. Die Golfstaaten,<br />
wie etwa die Verei nig ten Arabischen<br />
Emirate und Katar, haben ebenfalls Be -<br />
träge in Höhe von Millionen von US-<br />
Dollar für die arabische Bautätigkeit<br />
in Ostjeru salem zur Verfügung ge stellt.<br />
500: Zahl der arabischen Wohnein hei ten im<br />
ostjerusalemer Stadtteil Sil wan, für de -<br />
ren Errichtung im De zem ber 2009 eine<br />
Baugenehmi gung ausgestellt wur de.<br />
114: Zahl der illegal errichteten Struk tu ren,<br />
die 2009 in ganz Jerusalem ab ge ris sen<br />
wurden.<br />
51: Zahl der illegal errichteten Struk tu ren,<br />
die 2009 in Westjerusalem ab geris -<br />
sen wurden.<br />
63: Zahl der illegal errichteten Bauten, die<br />
2009 in Ostjerusalem abgerissen wur -<br />
den.<br />
Der Ostteil Jerusalems unter<br />
jordanischer Besatzung 1949-1967<br />
4,6 Prozent: Wachstum der arabischen Be -<br />
völkerung in Ostjerusalem unter jor -<br />
danischer Besatzung 1949-1967.<br />
291 Prozent: Wachstum der arabischen Be -<br />
völkerung in Ostjerusalem unter israelischer<br />
Besatzung, Stand 2009.<br />
58: Zahl der Synagogen, die im jüdischen<br />
Viertel der Jerusalemer Alt stadt nach<br />
der Einnahme durch jordanische<br />
Streit kräfte 1948 zerstört wurden.<br />
38.000: Zahl der jüdischen Grabsteine auf<br />
dem Friedhof am Ölberg (Ost jeru sa -<br />
lem), die jordanische Solda ten nach der<br />
Einnahme Ostjerusa lems 1948 zer stört<br />
hatten. Einige der Grabsteine wurden<br />
für den Bau von Mauern und Latrinen<br />
für die jor danische Armee so wie zur<br />
Pflas terung von Straßen verwendet.<br />
Terrorismus<br />
635: Zahl der Terrorüberfälle in Jerusa lem<br />
von September 2000 bis Oktober 2005<br />
30: Zahl der Selbstmordattentate in Je ru sa -<br />
lem von September 2000 bis Ok to ber<br />
2005<br />
211: Zahl der Todesopfer durch Terror at -<br />
tentate in Jerusalem von September<br />
2000 bis Oktober 2005.<br />
1.643: Zahl der Verletzten durch Ter ror at -<br />
tentate in Jerusalem von Septem ber<br />
2000 bis Oktober 2005.<br />
Tourismus<br />
66: Hotels in Jerusalem<br />
9.112: Hotelzimmer in Jerusalem<br />
1.077.900: Ausländische Touristen, die<br />
2008 in Jerusalem die Nacht ver brach -<br />
ten. 44 Prozent der Touristen aus<br />
Übersee, die Jerusalem besuchten, ka -<br />
men aus Europa. 40 Prozent ka men<br />
aus Amerika.<br />
Kultur<br />
12: Museen in Jerusalem<br />
2.044,133: Musemsbesuche 2007<br />
13: Theater, einschließlich Theater für Kin der<br />
459: Theaterproduktionen 2005, einschließlich<br />
Theater für Kinder<br />
Erziehung<br />
21.607: Zahl der 2007 an der Hebräischen<br />
Universität in Jerusalem eingeschriebenen<br />
Studenten; das sind 17,8% aller<br />
an Israels Universitäten registrierten<br />
Studenten.<br />
225.000: Zahl der an den Erziehungsein -<br />
rich tungen in Jerusalem für das Schul -<br />
jahr 2008/2009 eingeschriebenen<br />
Schüler und Schülerinnen. TIP<br />
30 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JÜDISCHE WELT • JERUSALEM<br />
Volkszählung: Jerusalem<br />
hat die jüngste Bevölkerung<br />
im Jahr 2008 hatten fast 23% der is ra -<br />
elis einen Hochschulabschluss, in rd.<br />
71% der Haushalte befand sich ein<br />
Computer und die 0- bis 4-Jäh rigen<br />
stellten die größte Altersgruppe dar.<br />
das geht aus einer veröffentlichten<br />
Volkszählung aus dem Jahr 2008 des<br />
Zentralbüros für Statistik hervor.<br />
Laut der erhebung besaßen im Jahr<br />
2008 22,9% der israelis einen Hoch -<br />
schul abschluss. 1995, im Jahr der vorherigen<br />
Befragung, lag diese Zahl noch<br />
bei 14,3%. Zudem hatten rund 60%<br />
der israelis eine Arbeitsstelle, 1995 wa -<br />
ren dies 55%. die durchschnittliche<br />
Arbeitswoche für israelis über 15 Jah -<br />
ren bestand bei den männern aus 45,2<br />
Stunden, bei den Frauen aus 35,5<br />
Stun den.<br />
Vor zwei Jahren gab es in jedem Haus -<br />
halt 2,1 mobiltelefone. in 71,1% der<br />
Haushalte befand sich ein Computer,<br />
90,8% der Haushalte hatten einen in -<br />
ter netanschluss. im Jahr 1995 hatte nur<br />
27% der Haushalte einen Com pu ter.<br />
Zur Zeit der Befragung hatte israel<br />
7.409.900 einwohner. davon waren<br />
75,6% jüdisch, 16,9% muslimisch, 2%<br />
waren Christen, 1,7% drusen und 3,8%<br />
wurden anderen Gruppen zugeordnet.<br />
Jerusalem ist jüngste Stadt<br />
Von den sechs Städten mit mehr <strong>als</strong><br />
200.000 einwohnern war Jerusalem die<br />
mit der jüngsten Bevölkerung. Rund<br />
44% der Bewohner waren jünger <strong>als</strong><br />
19 Jahre. das durchschnittsalter der<br />
Gesamtbevölkerung lag bei den män -<br />
nern bei 28 Jahren und bei den Frauen<br />
bei 30 Jahren. den größten Bevölke -<br />
rungsanteil machte laut der Tagesze i-<br />
tung ‘Jerusalem Post’ die Alters grup -<br />
pe der 0- bis 4-Jährigen mit 10% aus.<br />
die kleinste Bevölkerungsgruppe war<br />
die der über 85-Jährigen. diese machten<br />
1% der männer und 1,5% der<br />
Frauen aus.<br />
Rund 71% der jüdischen Bevölkerung<br />
wurden in israel geboren. Laut dem<br />
Bericht stammten 37,4% aus Fami li en,<br />
in denen bereits die eltern im Land<br />
zur Welt gekommen waren. 29,8%<br />
stammten von eltern ab, die in eu ro -<br />
pa geboren wurden, 15,8% von eltern<br />
aus Afrika und 12,5% von el tern aus<br />
Asien. mehr <strong>als</strong> vier Prozent kamen<br />
aus Familien, deren eltern in Ozea -<br />
nien oder nord-, mittel- und Süd -<br />
amerika geboren wurden.<br />
Muslimische Familien<br />
am kinderreichsten<br />
Gemäß der Volkszählung gebar eine<br />
muslimin im durchschnitt 3 Kinder.<br />
eine drusische Frau brachte etwa 2,7<br />
Kinder auf die Welt, eine Christin 2,2<br />
Kinder und eine jüdische Frau 2,1 Kin -<br />
der. israelische Frauen heirateten im<br />
durchschnitt mit 22 Jahren, bei den<br />
männern lag das durchschnittliche<br />
Hei ratsalter bei 25 Jahren.<br />
die erhebung wurde im Jahr 2008<br />
durchgeführt. Befragt wurden 400.000<br />
Haushalte, 250.000 israelis wurden<br />
zusätzlich per Telefon befragt. Ähnliche<br />
Volkszählungen gab es in den Jah -<br />
ren 1961, 1972, 1983 und 1995. inn<br />
Erstm<strong>als</strong> gleiche Geburtenrate<br />
bei jüdischen und arabischen<br />
Frauen in Jerusalem<br />
nur 21% der jüdischen einwohner Je -<br />
rusalems beschreiben sich selbst <strong>als</strong><br />
„nichtreligiös“. das gab das Zen tral -<br />
büro für Statistik anlässlich des Jeru -<br />
salemtages bekannt. Jerusalem ist mit<br />
derzeit rund 774.000 einwohnern is -<br />
ra els bevölkerungsreichste Stadt. Laut<br />
dem Bericht sind rund 492.000 davon<br />
Juden (63%) und etwa 268.000 mus li -<br />
me (34%). Zudem leben etwa 15.000<br />
Christen (knapp 2%) und rund 10.000<br />
menschen, die keiner Religion zugeordnet<br />
wurden, in der Stadt. etwa<br />
30% der jüdischen Bewohner über 20<br />
Jahren bezeichnen sich selbst <strong>als</strong> „Ha-<br />
redim“ (ultra-orthodox).<br />
Wie die Tageszeitung ‘Jediot Aharo -<br />
not’ unter Berufung auf das Jerusa lem<br />
institut für israel Studien berichtet,<br />
sind rund 50% der jüdischen Frauen<br />
berufstätig, aber nur 47% der männer.<br />
erstm<strong>als</strong> ist zudem die Geburtenrate<br />
bei jüdischen und arabischen Frauen<br />
gleich. Beide bringen im durchschnitt<br />
vier Kinder auf die Welt. Seit dem<br />
Jahr 1998 sank die Geburtenrate bei<br />
Ara berinnen beständig, während sie<br />
bei Jüdinnen stieg.<br />
inn<br />
Jerusalemer Straßenbahn<br />
vor dem Aus<br />
die Hauptfinanzierer des Jerusale mer<br />
Straßenbahnprojekts, Bank Hapoalim<br />
und Bank Leumi, haben ihre Finan zie -<br />
rung eingestellt, da die dafür verantwortliche<br />
Firma, CityPass, die das<br />
Bahn netz baut und betreiben wird,<br />
die Rückzahlung von ausstehenden<br />
43 mio. euro nicht tätigte.<br />
Von City Pass wurde mitgeteilt, dass<br />
das Finanzministerium die Gelder<br />
nicht überwies und deshalb das Pro -<br />
jekt ab ende mai gestoppt werden<br />
würde. das Finanzministerium wie -<br />
derum behauptet. dass die Firma nicht<br />
ihre Verpflichtungen erfüllt habe und<br />
ein Angebot, dies auf anderem Wege<br />
zu lösen, abwies. die inbetriebnahme<br />
der Straßenbahn war anfänglich für<br />
Februar 2009 geplant gewesen.<br />
Jerusalem für Kinder<br />
Welche Bedeutung hat<br />
Pattloch Verlag<br />
die Kla gemau er? Was<br />
geschieht in der Knes -<br />
set? Sol che und ähnliche<br />
Fra gen beantwortet ein<br />
Kin der buch, das Jungen<br />
und mädchen die israelische Haupt -<br />
stadt nahe bringen möchte.<br />
daniel darf die Osterferien bei seiner<br />
Groß mutter in Jerusalem verbringen.<br />
Sie ist Reiseführerin. Als sie einer<br />
Tou risten gruppe die Stadt zeigen soll,<br />
nimmt sie ihren enkel mit. Bei den er -<br />
kun dun gen begleitet sie ein Lö we - er<br />
ist das Wappentier Jerusa lems.<br />
mit viel Humor und hilfreichen erklä -<br />
run gen macht die israelische Au torin<br />
Shoham Smith die Kinder mit Se hens -<br />
würdigkeiten in Jerusalem ver traut.<br />
Wissenskästen ergänzen die informa -<br />
tionen der Touristenführerin.<br />
Aya Gordon-Noy hat die Handlung mit<br />
Bildern illustriert. ein kindgerechter<br />
Stadtplan und ein Würfelspiel sind in<br />
das Bilderbuch integriert.<br />
Pattloch Verlag - für Kinder ab 6 Jahren<br />
© Israelimages / Johan Schutte<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 31
JÜDISCHE WELT<br />
Panorama<br />
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />
Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.<br />
Designerin Giuliana Coen<br />
Camerino verstorben<br />
die modewelt trägt Trauer: die preisgekrönte<br />
designerin Giuliana Coen<br />
Camerino ist am 10. mai <strong>2010</strong> im Al ter<br />
von 90 Jahren in Venedig verstorben.<br />
Camerino war während des Zweiten<br />
Weltkriegs von Venedig aus in die<br />
Schweiz geflüchtet und später zu ei -<br />
ner der bekanntesten designerinnen<br />
italiens avanciert. nach ihrer Rück -<br />
kehr nach Venedig 1945 gründete sie<br />
das modehaus „Roberta di Camerino“,<br />
das heute für seine Handtaschen, Le -<br />
derwaren und Accessoires bekannt ist.<br />
Bei Camerinos Begräbnis auf dem<br />
Jüdischen Friedhof am Lido waren<br />
führende mitglieder der jüdischen Ge -<br />
meinde und der Bürgermeister von<br />
Venedig anwesend.<br />
Sammlermünze zum Jerusalem-Tag<br />
israel veröffentlichte anlässlich des<br />
diesjährigen Jerusalem-Tages seine<br />
er s te goldene Sammlermünze. die<br />
münze mit einem nominalwert von<br />
20 Schekel wird zu einem dem jeweiligen<br />
Goldtagespreis angepassten Be -<br />
trag erhältlich sein. Am ersten Ausga -<br />
be tag lag der Wert bei 6,393 Schekel<br />
(1,373 euro).<br />
eine Seite der münze wird vom Lö -<br />
wen des Judah verziert, auf der anderen<br />
Seite ist ein flaches Relief vom Je -<br />
rusalemer Turm des david zu se hen.<br />
Sie ist die erste münze einer Serie mit<br />
dem namen „Goldenes Jerusa lem“.<br />
Burger King schließt Israel-Filialen<br />
die marke Burger King verlässt is ra el.<br />
Alle 55 Filialen werden noch in diesem<br />
Sommer geschlossen und nach<br />
der Renovierung <strong>als</strong> Israeli Burger Ranch<br />
wiedereröffnet, die bereits 52 Filialen<br />
in israel betreibt. Somit reiht Burger<br />
King sich in die Liste jener ame rika ni -<br />
schen Franchise-marken ein, die auf<br />
dem israelischen markt gescheitert<br />
sind: Weder Starbucks, noch Wen dy´s<br />
oder dunkin´ donuts konnten Her zen<br />
und Gaumen der israelis ero bern.<br />
Burger Ranch eröffnete seine erste is -<br />
ra el-Filiale bereits in den 1970ern.<br />
mc donald´s ist erst seit 1993 in israel<br />
vertreten.<br />
Holocaust-Mahnmal in Brünn<br />
die tschechische Stadt Brünn hat eine<br />
eigens gegründete Kommission mit<br />
der errichtung eines mahnm<strong>als</strong> zum<br />
Ge denken an die Opfer des Holo caust<br />
betraut. Während der nazi-Herr schaft<br />
waren etwa 12.000 Juden und Roma,<br />
die in der Stadt gelebt hatten, in Kon -<br />
zentrationslagern ermordet worden.<br />
Bis ende September soll es die ersten<br />
entwürfe für das mahnmal geben, das<br />
am Platz des 28. Oktober errichtet<br />
wird.<br />
Kanadische Gewerkschaft verweigert<br />
Kanada-Israel Briefmarke<br />
die Kanadische Postgewerkschaft<br />
verweigert ihre Zustimmung für die<br />
erste kanadisch-israelische Partner -<br />
brief marke. diese sollte zur Feier von<br />
60 Jahren guter Zusammenarbeit zwischen<br />
Kanada und israel erscheinen.<br />
Als Begründung führt die Gewerk -<br />
schaft an: „...wir sind verwundert über<br />
die Wertegemeinschaft mit einem Land,<br />
das beständig die Entscheidungen der<br />
Ver einten Nationen und des Weltge -<br />
richts hofs hinsichtlich der anhaltenden<br />
Okku pation von Westjordanland und<br />
Gaza ignoriert... Traurigerweise gibt es in<br />
Israel immer noch mehr <strong>als</strong> 20 Gesetze,<br />
welche die palästinensische Minderheit<br />
diskriminieren...“<br />
Auch die errichtung des Sicher heits -<br />
zauns u. ä. wird <strong>als</strong> Begründung<br />
angeführt.<br />
Jüdischer Friedhof in<br />
Griechenland geschändet<br />
Auf dem jüdischen Friedhof von<br />
Thessaloniki wurde am 13. mai ein<br />
Grab stein in Brand gesetzt. Außer dem<br />
wurden verschiedene Gräber und<br />
Fried hofswände mit Hakenkreuzen<br />
und antisemitischen Graffiti be -<br />
schmiert. drei Verdächtige wurden<br />
verhaftet.<br />
im vergangenen Jahr nahmen die an -<br />
ti semitischen Vorfälle in Griechen land<br />
deutlich zu.<br />
Griechisches Holocaust-Mahnmal<br />
enthüllt<br />
Als letzte europäische Hauptstadt<br />
enthüllte nun auch Athen ein mahn -<br />
mal für die Opfer des Holocaust – ein<br />
wichtiges Zeichen angesichts der vermehrten<br />
antisemitischen Übergriffe<br />
in Griechenland in letzter Zeit. Hoch -<br />
rangige Regierungsmitglieder, Bot -<br />
schaf ter und Repräsentanten der religiösen<br />
Gruppierungen Griechen lands<br />
waren bei der Zeremonie anwesend.<br />
der israelische Knessetsprecher Ruha -<br />
ma Avraham verlas eine kurze Gruß -<br />
botschaft.<br />
die Skulptur der Künstlerin Dianna<br />
Maghania zeigt einen zerbrochenen<br />
davidstern aus marmor <strong>als</strong> Symbol<br />
für das Leid, das die Juden während<br />
des Holocaust ertragen mussten.<br />
das intakte Zentrum des Sterns weist<br />
allerdings daraufhin, dass die Basis<br />
der jüdischen Seele und des jüdischen<br />
Volkes nicht zerstört worden ist, sondern<br />
diese vielmehr gestärkt und<br />
einig bestehen.<br />
Auch der Standort des mahnm<strong>als</strong> an<br />
der Kreuzung melidoni, ermou und<br />
efvoulou Straße ist von Bedeutung:<br />
Am 24. märz 1944 wurden hier 1.000<br />
Athener Juden, ein drittel der jüdischen<br />
Gemeinde von Athen, von den<br />
deutschen gefangen genommen. in<br />
Au schwitz starben zwischen 1941<br />
und 1944 65.000 griechische Juden.<br />
Heute leben nur noch 5.000 in Grie -<br />
chen land.<br />
Schachgroßmeister<br />
Andor Lilienthal gestorben<br />
der Schachgroßmeister Andor Lilien -<br />
thal ist im Alter von 99 Jahren in<br />
Budapest nach langer Krankheit verstorben.<br />
in moskau <strong>als</strong> Sohn ungarischer<br />
Juden geboren, besiegte er viele<br />
der besten Schachspieler der Welt und<br />
war der älteste noch lebende Groß -<br />
meis ter. er war <strong>als</strong> Kind mit seinen<br />
eltern von moskau nach Budapest<br />
emi griert, kehrte jedoch 1935 in seine<br />
Geburtsstadt zurück und wurde sowje<br />
tischer Staatsbürger. erst 1976 zog<br />
er wieder nach Budapest.<br />
Jüdischer Friedhof bei Prag<br />
geschändet<br />
Auf dem jüdischen Friedhof der<br />
32 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JÜDISCHE WELT<br />
tschechischen Stadt Pristoupim nahe<br />
Prag wurden zwischen 21. und 26.<br />
April mehr <strong>als</strong> 90 Grabsteine umgestoßen,<br />
zehn davon zerbrachen.<br />
der Friedhof geht auf die zweite<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück<br />
und wurde in den 1970ern renoviert.<br />
er wurde in den vergangenen Jahren<br />
bereits zwei mal von Vandalen heimgesucht<br />
und wird inzwischen nicht<br />
mehr <strong>als</strong> Begräbnisstätte genutzt.<br />
Jüdischer Friedhof in der Ukraine<br />
beschmiert<br />
26 Grabsteine auf einem jüdischen<br />
Fried hof in der Ukraine wurden mit<br />
antisemitischen Parolen beschmiert,<br />
berichtet die Website http://jewish.kiev.<br />
ua. mehrere tausend Juden sind dort<br />
begraben, der Friedhof wird allerdings<br />
bereits seit 1940 nicht mehr für<br />
Bestattungen verwendet.<br />
Konferenz über jüdische Identität in<br />
der Knesset<br />
Kadima-Oppositionsführerin Tzipi<br />
Liv ni hat es geschafft, dass in der<br />
Knesset eine Konferenz über jüdische<br />
identität stattfinden wird, an der zum<br />
ersten mal führende Juden aus allen<br />
Schichten teilnehmen werden: ultraorthodoxe<br />
und orthodoxe Juden, religiöse<br />
Zionisten und Reformjuden. die<br />
400 Teilnehmer werden über israels<br />
notlage und die einheit von Staat und<br />
Synagoge/Religion konferieren.<br />
Israelische Firma soll Japans Taxis<br />
umrüsten<br />
die israelische Firma Better Place<br />
wurde von der japanischen Regi e -<br />
rung ausgewählt, ein Pilotprojekt<br />
durchzuführen, das dahin abziehlt,<br />
die riesige Flotte von derzeit 60.000<br />
Taxis in Tokio auf elektroantrieb um -<br />
zurüsten. insbesondere die Taxis, die<br />
das zentrale Stadtviertel Tokios, Rop -<br />
pongi Hill, befahren, sollen per Strom<br />
betrieben werden. dazu sollen in dem<br />
Stadtviertel zahlreiche Auflade sta -<br />
tionen installiert werden. Japan hofft<br />
darauf, bis zum Jahr 2020 zumindest<br />
die Hälfte der neuen Autos auf den<br />
Straßen mit Strom zu betreiben.<br />
Bet ter Place ist die Firma in israel, die<br />
die idee von elektrisch angetriebenen<br />
Fahrzeugen verwirklichen will. in den<br />
nächsten zwei Jahren will sie vom<br />
Staat subventionierte Fahrzeuge mit<br />
Stromantrieb der Autofirmen Renault<br />
und nissan auf die Straßen bringen.<br />
Israelische Schokomünzen<br />
nun auch in Wal-Mart<br />
die israelische Süßwarenfirma Carmit<br />
Candy Industries Ltd. darf sich über<br />
einen 400.000 euro schweren Auftrag<br />
der US-Kette Wal-mart freuen: Car mit<br />
Candy wird die Amerikaner zu Weih -<br />
nachten mit seinen Schokomünzen<br />
versorgen.<br />
Herzl Straße in Beverly Hills<br />
Anlässlich von Theodor Herzls 150.<br />
Ge burtstag wurde am 2. mai eine<br />
Straße im kalifornischen Beverly Hills<br />
nach dem Begründer des modernen<br />
Zionismus benannt. dort befindet<br />
sich auch die Reformsynagoge „Temp -<br />
le emanuel“. der Bürgermeister der<br />
Stadt, Jimmy Delshad, hatte den<br />
Straßennamen vorgeschlagen, mit<br />
dem auch gleich zei tig Beverly Hills´<br />
israelische Schwes terstadt Herzliya<br />
geehrt werden soll.<br />
delshad ist der einzige US-Bür ger -<br />
meis ter iranisch-jüdischer Herkunft.<br />
Unabhängigkeitstag: Konsum von<br />
Grillfleisch und Hummus gestiegen<br />
An ihrem diesjährigen Unab hängig -<br />
keitstag haben die israelis deutlich<br />
mehr Fleisch und Hummus konsu<br />
miert <strong>als</strong> vor einem Jahr. Traditionell<br />
wird an dem Feiertag in den Parks des<br />
Landes gegrillt.<br />
„Wir sahen einen Zuwachs um das Zwei -<br />
einhalbfache beim Verkauf von ge fro renen<br />
Grillprodukten“, sagte der stellvertretende<br />
Präsident für marketing der<br />
Soglowek-Gruppe, Daniel Schabtai,<br />
damit bezog er sich auf die zwei<br />
Wochen vor dem Feiertag. insgesamt<br />
sei bei dem Fleischproduzenten ein<br />
Anstieg um 10 Prozent im Vergleich<br />
zum Vorjahr zu verzeichnen.<br />
die Firma „Adom Adom“ teilte ge -<br />
genüber dem Wirtschaftsmagazin<br />
„The marker“ mit, in der Woche des<br />
Jom Ha´Atzmaut habe sie doppelt so -<br />
viel Fleisch verkauft wie sonst in ei -<br />
Die internationale jüdische<br />
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ner Woche. im Vergleich zum Unab -<br />
hä n gigkeitstag 2009 habe es eine Zu -<br />
nahme um 30 Prozent gegeben.<br />
Auch Hummus und Salate erfreuten<br />
sich großer Beliebtheit. Beim Unter -<br />
neh men „miki delicatessen“ war fettarmer<br />
Hummus besonders gefragt. ins -<br />
gesamt hatte die Firma vor dem Fei er -<br />
tag 25% mehr Umsatz <strong>als</strong> im Vor jahr.<br />
Weine aus Samaria preisgekrönt<br />
Beim jährlichen „eshkol Hasahav“-<br />
Weinwettbewerb ge wan nen dieses<br />
Jahr Kellereien in Judäa und Samaria<br />
sieben Preise. insgesamt waren 251<br />
Weinsorten bei dem Wettbewerb zur<br />
Kritik der experten eingreicht worden,<br />
die diese in einem blinden Test<br />
kosteten. die Hararei Kedem Kellerei,<br />
die bei Jitzhar in Samaria liegt, erhielt<br />
sogar zwei Goldmedaillen und eine<br />
Silbermedaille für einen merlot, einen<br />
Cabernet Sauvignon und eine mi -<br />
schung von Cabernet und merlot. die<br />
Weine sind voll organisch und der<br />
eigentümer Ariel Ben-Shitrit ist sich si -<br />
cher, dass die einhaltung des Schmit -<br />
ta-Jahres – in dem alle Felder nicht be -<br />
arbeitet werden – auch zu dem Ge -<br />
winn beitrugen.<br />
Mehr Kinder lernen in religiösen<br />
Schulen<br />
immer mehr eltern melden ihre Kin -<br />
der auf orthodoxen Schulen an. doch<br />
79% der Juden in israel fordern, dass<br />
die orthodoxen Schulen sich an das<br />
Cur riculum halten und auch eng lisch,<br />
allgemeine Wissenschaft und ma the -<br />
matik lehren. drei Viertel der Schul -<br />
zeit wird in den religiösen Schulen<br />
Bibel und Talmud gelehrt.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 33
JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />
Am Anfang war das Pferd<br />
Muss Gedenken heute inszeniert werden,<br />
um überhaupt wahrgenommen zu werden?<br />
Wann wird die Inszenierung kon -<br />
traproduktiv? Und wie sieht die Zukunft<br />
des Gedenkens aus? „Wozu erinnern?<br />
Holocaustgedenken versus Gedenk-Events<br />
und Erinnerungs-Hype“ nannte sich eine<br />
Veranstaltung im Jüdischen Museum<br />
<strong>Wien</strong> Mitte März. Schlaglichter einer<br />
Diskussion.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Claudia Kuretsidis-Haider, Historike rin<br />
an der Zentralen österreichischen<br />
Forschungsstelle für nachkriegsjustiz,<br />
organisiert seit zehn Jahren eine Ge -<br />
denk fahrt nach engerau, heute Petr -<br />
zalka genannt und ein Stadtteil von<br />
Bratislava. in der nS-Zeit wurden auf<br />
diesem Gebiet große Rüstungs be trie -<br />
be er-, ende 1944 ein Lager für jüdische<br />
Zwangsarbeiter eingerichtet. Von den<br />
dort 2.000 inhaftierten starben mehrere<br />
hundert an erschöpfung oder Hun -<br />
ger oder wurden von den nazis getötet.<br />
ende märz 1945 wurde das Lager<br />
evakuiert, die insassen wurden zu Fuß<br />
nach Bad deutsch-Altenburg (nÖ)<br />
getrieben. dabei starben mehr <strong>als</strong> 100<br />
ungarische Juden. die Überlebenden<br />
wurden schließlich auf Schiffen do nau -<br />
aufwärts in das Konzentrations la ger<br />
mauthausen (OÖ) gebracht.<br />
Zwischen 1945 und 1954 wurden in<br />
ins gesamt sechs „engerau-Prozes sen“<br />
neun österreichische SA-männer be -<br />
ziehungsweise für das Lager zuständige<br />
politische Leiter von einem ös ter -<br />
reichischen Volksgericht zum Tod ver -<br />
ur teilt und schließlich hingerichtet.<br />
Bei der jährlichen Gedenkfahrt lässt<br />
Kuretsidis-Haider Opfer und Täter von<br />
dam<strong>als</strong> selbst zu Wort kommen, in dem<br />
Teilnehmer der Veranstaltung aus den<br />
Gerichtsprotokollen vorlesen. eine<br />
inszenierung, aber nicht spektakulär,<br />
meint Kuretsidis-Haider und beklagt<br />
ein wenig, dass diese Veranstaltung<br />
zwar immer viele Teilnehmer habe,<br />
aber kaum mediales echo hervorrufe.<br />
„Muss man Gedenken inszenieren?“,<br />
fragte sie daher Podium und Publi -<br />
kum. „Muss man Luftballons steigen lassen?<br />
Oder reicht eine Gedenktafel auch?“<br />
die Luftballons zogen sich wie ein ro ter<br />
Faden durch den Abend. die Ak ti on<br />
im Rahmen von „Letter to the Stars“<br />
wurde von den anwesenden ex per -<br />
ten durch die Bank kritisiert. Eva Blim -<br />
linger, Historikerin und For schungs -<br />
ko ordinatorin der Histori ker kom mission<br />
der Republik, etwa meinte, die<br />
inszenierung, um mit inhalten durchzudringen,<br />
sei ein allgemeines Phä -<br />
no men und nicht nur auf den Be reich<br />
des Gedenkens beschränkt. „Und dagegen<br />
wäre ja noch nichts einzuwenden.“<br />
Bedenklich werde es allerdings, wenn<br />
das marketing das Übergewicht be -<br />
komme und die inhalte in den Hin -<br />
tergrund treten. Und genau das sei<br />
bei dem Luftballon-Projekt passiert.<br />
Heidemarie Uhl, Historikerin an der<br />
Ös terreichischen Akademie der Wis -<br />
sen schaften, sprach sogar von einer<br />
„grundsätzlichen Krise des Gedenkens“.<br />
Allerdings: diese sei „das Ergebnis des<br />
Erfolgs“. die erinnerung an die Opfer<br />
der Shoah sei aus der Geschichts debatte<br />
in den achtziger Jahren hervorgegangen,<br />
ausgelöst durch die dis -<br />
kussion um die Kriegsvergangenheit<br />
des ehemaligen Bundespräsidenten<br />
Kurt Waldheim.<br />
ein weiteres ergebnis: der Holocaust<br />
stehe heute im Zentrum der Ge -<br />
schichte des 20. Jahrhunderts. Brau che<br />
die erinnerung aber nun neue For -<br />
men? Und welche Formen sprechen<br />
junge menschen an? Sie berichtete von<br />
einem Projekt, bei dem im Herbst<br />
Kro kus-Zwiebeln eingesetzt werden,<br />
im Frühjahr gehe dann die Saat auf,<br />
die Blumen blühen.<br />
„Wenn ich von diesem Krokus-Projekt<br />
hö re, kriege ich Magenweh“, warf Blimlinger<br />
ein. Gute Projekte seien solche,<br />
die auf Wissen basieren. „Und es gibt<br />
auch Gegenprojekte zu Krokussen“, so<br />
die Historikerin. in der Schule Kandl -<br />
gasse in <strong>Wien</strong>-neubau haben die<br />
Schüler recherchiert, was aus den 1938<br />
vertriebenen Schülern wurde. die<br />
„Ökonomie der Aufmerksamkeit“ werde<br />
mit einer Gedenktafel, einer Veran -<br />
stal tung im Bezirksmuseum und der<br />
Präsentation des daraus entstandenen<br />
Buches bedient.<br />
im Grunde habe ja die inszenierung<br />
1986 begonnen, fügte sie dann hinzu,<br />
denn die Waldheim-diskussion war<br />
zwar voll mit inhalten, „aber ohne das<br />
Pferd vom Hrdlicka wäre das nur die hal be<br />
Sache gewesen“. Auch heute werde das<br />
Pferd noch <strong>als</strong> Zeichen für die Wald -<br />
heim-Jahre zitiert. das weiße Ro sen-<br />
Projekt von „Letter to the Stars“, bei<br />
dem Blumen vor Häuser gelegt wurden,<br />
aus denen in der nS-Zeit men -<br />
schen deportiert wurden, lobte Blim -<br />
linger übrigens. „Das war ein viel differenzierteres<br />
Projekt“, hier sei die Um -<br />
set zung von inhalten „weitestgehend<br />
ge lungen“. Aber: je mehr sich die ini -<br />
tiative weiter gedreht hab, das nächste<br />
event immer das vorangegangene top -<br />
pen sollte, desto mehr sei es ab zu leh -<br />
nen gewesen. das sei eben auch die<br />
Falle der eventkultur.<br />
„Bei Krokussen und Luftballons kriege ich<br />
auch die Krise“, sagte Kuretsidis-Hai -<br />
der. Und meinte: „Nicht alles, was alt<br />
ist, ist schlecht“. Zu „Letter to he Stars“<br />
merkte sie an, dam<strong>als</strong> seien die el tern<br />
von Kindern im dokumen ta ti ons ar -<br />
chiv des Österreichischen Wi der stands<br />
(dÖW) „eingefallen, und ha ben begonnen<br />
wie wild zu recherchieren. Die Kin der<br />
waren total überfordert.“ Und dann sei<br />
das dÖW nicht einmal <strong>als</strong> Quelle an -<br />
ge geben worden.<br />
Sie habe aber auch ein Problem mit<br />
den „Stolpersteinen“. moderator Pe ter<br />
Huemer fügte hier hinzu: es gebe ein<br />
Für und Wider, mit den Steinen und<br />
den darauf geschriebenen namen wür -<br />
den diese Verstorbenen „wieder Teil un -<br />
seres Lebens“. Und wenn man den Text<br />
lesen wolle, müsse man sich nach vor -<br />
ne neigen, das sei auch „eine Form der<br />
Verneigung“. Kritiker würden be män -<br />
geln, dass man hier die Toten einmal<br />
mehr mit Füßen trete, Hunde da rauf<br />
ihr Geschäft verrichten, so Blimlinger.<br />
elisabeth Ben David-Hindler, initiato -<br />
rin der „Steine der erinnerung“ er -<br />
griff aus dem Publikum das Wort. „Es<br />
kann nicht um eine Konkurrenz der Erin -<br />
ne rungsprojekte gehen“, meinte sie,<br />
„alles ist eine Leistung zur Erinnerung“.<br />
die Steine würden oftm<strong>als</strong> auf Wunsch<br />
der Angehörigen gesetzt, und das Pro -<br />
jekt habe „eine irrsinnige Wirkung im<br />
zweiten Bezirk“, wo es bereits 105 Sta -<br />
ti onen gibt. „Wir haben hier innerhalb<br />
von fünf Jahren auf lokaler Ebene ein Be -<br />
wusstsein geschaffen.“<br />
nein, hielt Blimlinger entgegen, nicht<br />
alles, was es an Gedenken gebe, sei<br />
auch gelungen, wobei sie sich hier<br />
nicht auf die „Steine der erinnerung“<br />
bezog, sondern auf die Forderung,<br />
alles, was an Gedenken passiere,<br />
grund sätzlich gutzuheißen. Und: „Kri-<br />
tik an Gedenkprojekten muss zulässig sein<br />
so wie bei allen anderen Projekten auch“.<br />
34 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
Reisen mit einem<br />
besonderen Ziel<br />
JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />
Mit Schülern im<br />
Rahmen einer<br />
mehrtägigen Reise<br />
eine KZ-Gedenkstätte<br />
wie etwa Auschwitz<br />
zu besuchen, ist ein<br />
wichtiges, aber auch<br />
heikles Unternehmen.<br />
Durch spezielle Anbieter<br />
werden Lehrer dabei<br />
tatkräftig unterstützt.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Peter Larndorfer hat <strong>als</strong> Gedenkdiener<br />
seinen Zivildienst an der KZ Gedenk -<br />
stätte Auschwitz besucht. Für den<br />
Verein Gedenkdienst begleitet er nun<br />
Schulklassen bei so genannten Stu di -<br />
enfahrten nach Polen, die vom Verein<br />
angeboten werden. die Reaktionen<br />
der Jugendlichen vor Ort ist dabei<br />
nicht immer vorhersehbar. So meinte<br />
eine Schülerin in Birkenau: „Und ich<br />
werd‘ trotzdem Strache wählen“, erzählte<br />
Larndorfer im Februar bei einer Ver -<br />
anstaltung im Rahmen der Reihe<br />
„Über den Holocaust sprechen“, durch -<br />
geführt vom Jüdischem museum <strong>Wien</strong><br />
und der Holocaust education-Platt -<br />
form erinnern.at.<br />
Seine Reaktion darauf? „Ich war sehr<br />
perplex. Und es ist in dieser Situation si -<br />
cher nicht sinnvoll zu sagen, wie kannst<br />
du nur. Aber es hat mich sehr nachdenklich<br />
gestimmt. Grundsätzlich bietet es<br />
sich hier an, ruhig zu sagen, sprechen wir<br />
bitte nachher darüber. Das Gelände von<br />
Birkenau ist sicher nicht der geeignete<br />
Ort. Aber abends, da könnte man dann fragen:<br />
Wo siehst du den Zusammen hang?“<br />
damit hat Larndorfer ein Prinzip dieser<br />
Studienfahrten skizziert: jeder Tag<br />
wird mit einer Gesprächsrunde be -<br />
schlossen, in der die Jugendlichen die<br />
eindrücke ihres Tages Revue passieren<br />
lassen, aber auch Fragen stellen<br />
können. Und in dieser Reflexions run -<br />
de müsse auch Platz sein für Aussa -<br />
gen, die in einem anderen Kontext <strong>als</strong><br />
provokant empfunden werden würden.<br />
die Jugendlichen müssen hier<br />
die möglichkeit haben, wirklich alles<br />
zu fragen und zu sagen, was ihnen<br />
durch den Kopf geht.<br />
die Begleitpersonen der Studien fahr -<br />
ten versuchen dann, solche Aussagen<br />
in einen Kontext zu stellen. eine<br />
Schülerin mit rechtsextremem Hintergrund<br />
beispielsweise habe bei einer<br />
Fahrt gesagt, „aber haben nicht Juden<br />
andere Juden im Ghetto geschlagen?“ da -<br />
zu Larndorfer: „Ich habe das aufgenommen<br />
und sie gefragt, ‚wie haben diese Ju den<br />
geheißen?‘ und ‚wer hat sie eingesetzt?‘“<br />
Grundsätzlich hält Larndofer fest: den<br />
Jugendlichen zu vermitteln, nun habt<br />
ihr euch eine KZ-Gedenkstätte angeschaut<br />
und jetzt dürft ihr nicht mehr<br />
Strache wählen, das wäre der f<strong>als</strong>che<br />
Weg. Schüler zu kritischem denken<br />
zu ermutigen, sei das eine. Aber: „Kri-<br />
tisches Denken kann man nicht verordnen.“<br />
Und: es sei auch ein „altes Kon -<br />
zept, mit Rechtsextremen zu Gedenk stätten<br />
zu fahren“. Von einem Besuch an<br />
einer KZ-Gedenkstätte sei kein Wun -<br />
der zu erwarten. das oberste Prinzip<br />
müsse heißen: Freiwilligkeit. das<br />
gelte auch für Schüler.<br />
das betont auch Berta Pixner, sie ist<br />
für die pädagogische und psychologische<br />
Leitung von MoRaH (Verein<br />
March of Remembrance and Hope –<br />
Austria) zuständig. im Rahmen dieses<br />
Projekts nehmen jedes Jahr im Früh -<br />
jahr mehrere Schulklassen gemeinsam<br />
an einer Reise teil, die nach Polen<br />
führt und <strong>als</strong> Höhepunkt einen<br />
Schwei gemarsch von Jugendlichen<br />
und erwachsenen aus aller Welt von<br />
Birkenau nach Auschwitz vorsieht.<br />
ein gebettet ist diese Fahrt in eine vorund<br />
nachbereitende Auseinan derset -<br />
zung mit dem Thema Holocaust, so<br />
die Sprecherin von moRaH, Olivia<br />
Pixner-Dirnberger.<br />
im vergangenen Jahr sah sich moRaH<br />
mit einer besonders heiklen Situation<br />
konfrontiert: eine Schülergruppe aus<br />
der <strong>Wien</strong>er AHS Albertgasse provozierte<br />
bei der insgesamt viertägigen<br />
Reise „in unakzeptabler Art und Weise“,<br />
erzählt Pixner-dirnberger. die mitfahrenden<br />
Lehrer, die nicht am Vor be -<br />
reitungsprogramm teilnahmen, bekamen<br />
die Situation nicht in den Griff.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 35
JÜDISCHE WELT • GEDENKEN<br />
die gesamte Klasse musste schließlich<br />
am Abend vor der eigentlich für<br />
den nächsten Tag angesetzten Abreise<br />
zurück nach <strong>Wien</strong> aufbrechen, damit<br />
es nicht zu weiteren Zwischenfällen<br />
kommen konnte. die Vorkommnisse<br />
wurden in den darauf folgenden Wo -<br />
chen medial breitgetreten.<br />
Pixner-dirnberger versucht dieser er -<br />
fahrung heute Positives abzugewinnen.<br />
„Mit diesen Jugendlichen kann jetzt<br />
einiges aufgearbeitet werden. Außer dem<br />
konnten wir darauf hinweisen, dass<br />
Antisemitismus kein Thema von Rand -<br />
grup pen ist.“ moRaH hat nun zudem<br />
im Projektablauf einiges verändert,<br />
damit sich eine solche Situation nicht<br />
mehr wiederholt.<br />
der jeweils im Januar stattfindende<br />
Vor bereitungsworkshop für die mitfahrenden<br />
Pädagogen wurde von ei -<br />
nem auf zwei Tage erweitert und ist ab<br />
diesem Jahr verpflichtend. Hier werden<br />
die Lehrer nicht nur mit dem Ab -<br />
lauf der Reise vertraut gemacht, sondern<br />
sie bekommen auch Anregun gen,<br />
wie sie den mehrmonatigen Vorbe reitungsunterricht<br />
gestalten können. Sie<br />
setzen sich mit dem eigenen Zugang<br />
zum Thema Holocaust auseinander<br />
und werden auf mögliche Reaktionen<br />
der Jugendlichen vorbereitet.<br />
die unmittelbare Konfrontation mit<br />
den Gräueln der nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />
Vernichtungsmaschinerie im<br />
Zug der Gedenkreise kann unterschiedlichste<br />
emotionale Reaktionen<br />
auslösen, so Berta Pixner. „Von Trauer<br />
über die Geschehnisse über Angst bis hin<br />
zu unermesslicher Wut auf das, was die<br />
Generation der Großeltern und/oder Ur -<br />
groß eltern anderen Menschen angetan hat -<br />
te. Auch ein Gefühl der Gleich gül tig keit,<br />
kann auftreten, was ein Zeichen massiver<br />
Abwehr einer kaum zu verarbeitenden<br />
emotionalen Wucht darstellt.“ ein be -<br />
sonderer Aspekt: welchen Zugang ha -<br />
ben Jugendliche mit migra tions hin -<br />
tergrund zur Shoah?<br />
Während der Vorbereitungszeit nimmt<br />
Pixner dann nochm<strong>als</strong> Kontakt mit<br />
den begleitenden Pädagogen auf, um<br />
sich auszutauschen, wie der Vorberei<br />
tungsunterricht läuft. So lässt sich<br />
unter anderem abschätzen, ob es mit<br />
dem einen oder anderen Schüler<br />
eventuell während der Reise zu<br />
schwie rigen Situationen kommen<br />
könnte, die dann auf der Fahrt – in<br />
Ko o peration mit den Lehrern – vom<br />
vierköpfigen psychosozialen Team<br />
von moRaH bewältigt werden können.<br />
nach der Reise arbeiten alle Schul -<br />
klassen ihre erlebnisse während der<br />
Fahrt in Projekten auf, die dann ge -<br />
meinsam im Rahmen einer Veran stal -<br />
tung im Parlament präsentiert werden.<br />
Auch der Verein Gedenkdienst hält<br />
die verpflichtende Vorbereitung auf<br />
solch eine Reise übrigens für unabdingbar.<br />
Während moRaH einmal im<br />
Jahr mit einer großen Gruppe – heuer<br />
waren es 322 Jugendliche und 46 Pä -<br />
da gogen – nach Auschwitz aufbricht,<br />
setzt der Verein Gedenkdienst allerdings<br />
auf kleine Gruppen, so der Lei -<br />
ter des Projekts Studienfahrten, Till<br />
Hilmar. Vor der Reise steht ein vorbereitender<br />
Workshop auf dem Programm,<br />
den die Vertreter des Gedenk -<br />
diensts an der Schule durchführen.<br />
Grundsätzlich hält Hilmar fest: der<br />
Besuch einer Holocaust-Gedenkstätte<br />
wie Auschwitz ist nicht nur für Ju -<br />
gendliche anstrengend und schwierig.<br />
“Die massive Konfrontation mit einer<br />
traurigen und unbegreiflichen Geschichte<br />
wirft bei fast allen Fragen und Emotio nen<br />
auf, die ernst genommen und reflektiert<br />
werden müssen.“ dabei spiele sowohl<br />
auf Schüler- <strong>als</strong> auch auf Lehrerseite<br />
der biografische Hintergrund immer<br />
mit hinein. Und auch die Begleiter<br />
vom Verein Gedenkdienst würden<br />
ihre eigene Geschichte mitbringen.<br />
Gedenkstättenpädagogik sei daher<br />
nie m<strong>als</strong> etwas Statisches, laufe nie<br />
nach vorgegebenen Regeln. das<br />
wichtigste ist vielmehr: dass sich die<br />
begleitenden Personen immer rasch<br />
auf eine neue Situation einstellen und<br />
allen Teilnehmern die Hilfestellung<br />
beim er- und Aufarbeiten dieses<br />
schwierigen Themas geben, die sie<br />
brauchen.<br />
einig sind sich experten auch: dem<br />
The ma unter dem Titel „Kollek tivschuld“<br />
zu begegnen ist schwierig. in<br />
der gesamten Holocaust education<br />
hat sich daher das „Prinzip der kollektiven<br />
Verantwortung“ durchgesetzt.<br />
Wichtig ist zu begreifen, dass<br />
Auschwitz nur der endpunkt einer<br />
lan gen entwicklung war, so Larn dor -<br />
fer. Und wichtig ist auch zu verstehen,<br />
wie dam<strong>als</strong> mit minoritäten oder<br />
„den anderen“ umgegangen wurde<br />
und in der Folge den Zusammenhang<br />
mit dem Umgang mit anderen heute<br />
zu verstehen, so Berta Pixner, die zu -<br />
dem betont: „Bei der absoluten Mehr heit<br />
der Jugendlichen kommt diese Botschaft<br />
sehr gut an. Wir erleben sie <strong>als</strong> interessiert,<br />
sensibilisiert und am Ende des Projekts<br />
sehr beeindruckt von dem, was sie erlebt<br />
haben.“<br />
Aber, siehe eingangs: Antifaschismus<br />
kann nicht mit einer Reise, nicht mit<br />
einer Veranstaltung in die Köpfe der<br />
Jugendlichen eingepflanzt werden.<br />
Und, wie Larndorfer in Anlehnung<br />
an ein Zitat von Günter morsch,<br />
Gedenkstättendirektor in Sach sen hau -<br />
sen, bei der Veranstaltung im Jüdischen<br />
museum festhielt: KZ-Ge denk -<br />
stätten sind eben „keine antifaschistischen<br />
Durchlauferhitzer“.<br />
36 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JÜDISCHE WELT • SPORT<br />
Studienfahrten des Vereins<br />
Gedenkdienst<br />
Der Verein Gedenkdienst fährt mit Schul -<br />
klassen oder anderen Gruppen für drei<br />
bis 14 Tage u.a. zu Gedenk or ten nach Po -<br />
len, Tschechien oder Italien. Die Pro gram -<br />
me werden von den Vertretern des<br />
Vereins, die allesamt über eine entsprechende<br />
Ausbi l dung verfügen, im mer in -<br />
dividuell auf die Gruppe abgestimmt,<br />
Vor- und Nachberei tung gehören dazu.<br />
Wäh rend der Reise ist ein Mitarbeiter des<br />
Gedenkdiensts für maximal 15 Ju gend li -<br />
che zuständig, wobei auch Klas sen leh rer<br />
die Gruppe auf der Reise be treuen und<br />
emotional auffangen, wenn dies nötig ist.<br />
Während der Reise gibt es abends Re fle -<br />
xi onsrunden. Am Ende der Reise steht<br />
auch der Besuch einer Stadt auf dem Pro -<br />
gramm, die das heutige Le ben in dem<br />
jeweiligen Land zeigt (zum Beispiel ein<br />
Besuch Kra kaus nach einem Besuch der<br />
KZ-Ge denk stätte Au schwitz).<br />
Pro Teilnehmer ist bei einer dreitägigen<br />
Reise mit Kosten von 250 bis 300 Euro zu<br />
rechnen.<br />
www.studienfahrten.at<br />
March of Remembrance and Hope –<br />
Austria (MoRaH)<br />
Im Rahmen des Projekts MoRaH un ternehmen<br />
mehrere Schulklassen gleich zei -<br />
tig eine mehrtägige Ge schichts-, Ge denkund<br />
Begegnungs rei se nach Po len. Auf die -<br />
ser Reise werden die einzelnen Grup pen<br />
von Tourguides, psychosozialen Be treu ern,<br />
organisatorischen Reise bus lei tern und<br />
Zeitzeugen begleitet. Die Ju gend li chen<br />
kom men an unterschiedli chen Or ten zum<br />
Nachdenken und nehmen schließlich an<br />
der Gedenkveran stal tung „March oft he<br />
Living“ teil, die im ehemaligen Konzen tra -<br />
tionslager Au schwitz-Birkenau stattfindet.<br />
Außer dem haben sie die Möglichkeit, bei<br />
einer von MoRaH organisierten Begeg -<br />
nungs veranstaltung Jugendli che aus der<br />
ganzen Welt kennenzulernen.<br />
Im Vorfeld der Reise findet ein Work shop<br />
statt, der die Lehrer emotional und thematisch<br />
vorbereitet und An stöße für<br />
weiterführende Projekte gibt. Bei einer<br />
Ab schlussveran staltung präsentieren die<br />
Tei lnehmer dann ihre Projekte und be -<br />
richten über ihre Erfahrungen im Rah men<br />
des Projekts MoRaH.<br />
Jeder Schüler bezahlt 240 Euro, darüber<br />
hi naus anfallende Kosten werden mit tels<br />
Förderungen abgedeckt.<br />
www.morah.at<br />
Mit der Kraft des Glaubens<br />
Österreichs einziger jüdischer<br />
Eishockeycrack<br />
Unermüdlich fegt er übers eis, von<br />
der Verteidigungszone ins Angriffs -<br />
drit tel und wieder retour. er jagt je -<br />
dem Puck nach, checkt alles nieder,<br />
was ihm in die Quere kommt und ein<br />
gegnerisches Trikot trägt. Für nichts<br />
ist sich die 1,74 meter kleine Kampf -<br />
gelse zu schade. deshalb lieben sie<br />
ihn auf der Osttribüne, die hartgesottenen<br />
Fans der Vienna Capit<strong>als</strong>. er ist<br />
einer von ihnen – und doch ein Uni -<br />
kat. denn Rafael Rotter ist Österreichs<br />
einziger eishockeycrack jüdischen<br />
Glaubens.<br />
Letzter Mohikaner<br />
„Mein Opa war sehr dahinter, dass ich<br />
jüdisch erzogen werde“, sagt der im 2.<br />
Bezirk, dem einstigen Zentrum des<br />
<strong>Wien</strong>er Judentums, aufgewachsene<br />
Sohn eines aus der katholischen Kir -<br />
che ausgetretenen Journalisten und<br />
einer jüdischen Stewardess. „Jetzt bin<br />
ich das einzige männliche Familienmit -<br />
glied, das noch jüdisch ist.“<br />
in die Synagoge geht der 21-Jährige<br />
re- gelmäßig, doch nicht nur aus<br />
Glau bensgründen, wie er gesteht. es<br />
geht ihm auch um die soziale An -<br />
knüp fung an seine Wurzeln, darauf<br />
legt er großen Wert. Sein Umfeld war<br />
schließlich von frühester Kind heit an<br />
jüdisch geprägt. der Großva ter führte<br />
in der Großen Pfarrgasse eine koschere<br />
Flei schhauerei, für die Bar mizwa<br />
büffelte er jahrelang Hebräisch, dem<br />
Fußball jagte er bei maccabi <strong>Wien</strong><br />
nach. der art erfolgreich, dass selbst<br />
die Aus tria, ein Verein mit langer jü -<br />
discher Tra dition, um den jungen<br />
Knipser warb. Zu diesem Zeitpunkt<br />
hatte er sein Herz aber längst an<br />
Hart gummi und Kufen verloren.<br />
Rotters Volksschule war allerdings ka -<br />
tholisch orientiert. in der Grin zin ger<br />
neulandschule wurde er auch erstm<strong>als</strong><br />
mit Antisemitismus konfrontiert.<br />
„Kinder wissen oft nicht, was sie<br />
sagen, wollen dich nur irgendwie verletzen.“<br />
Zunächst setzte das Kraftpaket<br />
auf diplomatie, bei Unbelehrbaren<br />
half aber oft nur noch der Bodycheck<br />
- eine entschlossenheit, die ihn auch<br />
später im Berufsleben begleiten sollte.<br />
Kanadische Härte<br />
denn seine außergewöhnlichen Fä -<br />
hig keiten auf gefrorenem nass führten<br />
den Leopoldstädter vor vier Jah -<br />
ren nach Kanada, wo er schnell lernen<br />
musste, sich gegen körperlich überlegene<br />
Spieler durchzusetzen und je den<br />
Check voll durchzuziehen. „In Norda -<br />
me rika träumen hunderttausende Jugend -<br />
liche von einer Profikarriere. Hast du nicht<br />
den unbedingten Willen, besser zu sein<br />
und härter zu arbeiten <strong>als</strong> die anderen,<br />
bleibst du über. Da wurde mir erst be wusst,<br />
welch Privileg es ist, Eishockeyspieler zu<br />
sein. Deshalb genieße ich jetzt jede Mi -<br />
nute - auch im Training.“<br />
dass er überhaupt eine Laufbahn auf<br />
eis einschlagen konnte, hat er Patrick<br />
Smejda zu verdanken. Kaum konnte<br />
sich Klein-Raffi auf den Beinen halten,<br />
wurde er schon von seinem um fünf<br />
Jahre älteren Kindheitsfreund aufs<br />
Glatteis geführt. in jeder freien mi -<br />
nute schoben sie sich die Scheibe zu.<br />
Umso tiefer saß der Schock, <strong>als</strong> das<br />
damalige Supertalent des Ce <strong>Wien</strong> bei<br />
der Seilbahnkatastrophe von Kaprun<br />
im Jahr 2000 ums Leben kam. Seither<br />
verlangt Rotter zum Saison start stets<br />
Smejdas Rückennummer 23. „In <strong>Wien</strong><br />
war sie leider schon vergriffen.“ Statt -<br />
des sen spielt Rotter mit der nummer<br />
sechs und bildet mit Center Raimund<br />
divis und Left Winger Christian<br />
dolezal die einzig echte <strong>Wien</strong>er<br />
Angriffslinie der Caps.<br />
Glaubensgenossen traf er übrigens we -<br />
der in der erste Bank eishockey li ga<br />
noch während seiner drei Saisonen<br />
bei Guelph Storm in der Ontario Hockey<br />
League. Zumindest nicht be -<br />
wusst. „Aber in Kanada redet man auch<br />
nicht groß über seinen Glauben.“<br />
Starker Zusammenhalt<br />
„Die verschiedenen Kulturen mischen sich<br />
im Alltag einfach viel mehr durch <strong>als</strong> bei<br />
uns, es ist <strong>als</strong>o überhaupt kein Thema.“<br />
in <strong>Wien</strong>, so Rotter, verspüre die kleine,<br />
rund 7.000 Juden umfassende Ge mein -<br />
de ein wesentlich größeres Zu sam -<br />
mengehörigkeitsgefühl. Sein jü di scher<br />
Freundeskreis verkehrt haupt säch lich<br />
unter seinesgleichen: ehen et wa würden<br />
fast ausschließlich innerhalb der<br />
Glaubensgemeinschaft ge schlossen.<br />
er selbst sieht sich da <strong>als</strong> Ausnahme.<br />
„Allein durch das Eishockey sind 90<br />
Prozent meiner Freunde keine Juden.“<br />
Heiratskriterium sei die Religion für<br />
Rotter keine. Auf einen Punkt will er<br />
dennoch beharren: „Meine Kinder sollen<br />
unbedingt jüdisch erzogen werden.“<br />
Fehlt nur noch die dazugehörige Frau.<br />
Ersterscheinung:"Falter" Nr. 11/09,<br />
Tobias Wimpissinger<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 37
JÜDISCHE WELT • SPORT<br />
Fackel für die Europäischen Makkabispiele 2011 entzündet<br />
Bei den Gräbern der makkabäer wur -<br />
de am 1. April in modi’in (is rael) in<br />
einer feierlichen Zere monie die Fackel<br />
für die 13. europäischen makkabi -<br />
spie le (emG) entzündet, die im Som -<br />
mer 2011 in <strong>Wien</strong> stattfinden. Eyal<br />
Tiberger, Generaldirektor der maccabi<br />
World Union, zollte dabei dem ge -<br />
schichtsträchtigen Ort Respekt: in mo -<br />
di’in fand der Aufstand der mak ka -<br />
bä er statt. „Dieser Ort, die Fackel und<br />
diese Spiele sind Symbole des unzerstörbaren<br />
Geistes von Maccabi“.<br />
Über 100 Gäste fanden sich zu dem<br />
Fest akt ein: iKG-Präsident Ariel Mu -<br />
zicant nahm am entzünden der emG-<br />
Flamme ebenso teil wie iKG-Vize prä -<br />
sident Oskar Deutsch, er ist auch Vor -<br />
sitzender des Organisationskomitees<br />
der Spiele, Zvika Warshaviak, Vorsit -<br />
zen der des israelischen Olympischen<br />
Komitees sowie von maccabi israel,<br />
Gabriela Feigl, Kulturbeauftragte der<br />
Ös terreichischen Botschaft in israel,<br />
Gideon Eckhaus, Präsident der Österreichischen<br />
Pensionisten in israel, sowie<br />
Orit Lerer, direktor des Bereichs in ter -<br />
national Banking der Bank Hapoa lim<br />
und Sponsor der emG 2011 in <strong>Wien</strong>.<br />
Warshaviak hob die enge Verbindung<br />
zwischen der maccabi Bewegung in<br />
israel und der maccabi Bewegung in<br />
europa hervor. eckhaus betonte, wie<br />
wichtig die Aliyah nach israel sei, wies<br />
aber zugleich auf die jüdischen Ak ti -<br />
vitäten in <strong>Wien</strong> hin. Auch Tiberger<br />
schlug die Brücke nach Österreich: er<br />
würdigte die besonderen Leistungen<br />
legendärer Hakoah-Sportler, unter<br />
ihnen u.a. miki Hirschl, Gerda Gott -<br />
lieb, erich Feuer und Judith deutsch.<br />
Oskar deutsch, sichtlich von dem ge -<br />
schichtsbeladenen Ort ergriffen, erin -<br />
nerte in seiner Rede an den Begrün der<br />
des Zionismus, Theodor Herzl, und<br />
Teddy Kollek, langjähriger Bürger -<br />
meis ter von Jerusalem. „Beide Per sön -<br />
lichkeiten symbolisieren die Verbindung<br />
zwischen Israel und Österreich.“ er<br />
hoffe, dass die Flamme der emG 2011<br />
ihr endgültiges Ziel vor dem <strong>Wien</strong>er<br />
Rathaus im Juli 2011 zur feierlichen<br />
eröffnung der Spiele erreichen wer -<br />
de, betonte deutsch, und dadurch die<br />
Verbindung zwischen den beiden<br />
Staaten noch gestärkt werde.<br />
er kündigte zudem an, dass die Teil -<br />
nehmer in <strong>Wien</strong> neben den sportli -<br />
chen Wettkämpfen auch ein Kultur -<br />
pro gramm erwarte. dadurch solle<br />
einerseits der Holocaust nicht ins<br />
Vergessen geraten, andererseits die<br />
jüdische Gegenwart gezeigt werden.<br />
dass 60 Jahre nach der Shoa ein derartiges<br />
jüdisches Großereignis in <strong>Wien</strong><br />
stattfinden kann, dafür sei vor allem<br />
<strong>Wien</strong>s Bürgermeister Michael Häupl<br />
zu danken, betonte deutsch.<br />
die frisch entzündete Fackel nahm <strong>als</strong><br />
erste Elisheva Schmidt-Susz in emp fang.<br />
die gebürtige <strong>Wien</strong>erin hatte bereits<br />
an der 2. makkabiade 1935 teilgenommen.<br />
Kurz nach ihrer Rückkehr nach<br />
Österreich hatte sie sich einst zum<br />
Auswandern nach Palästina entschlossen,<br />
obwohl ihre eltern alles<br />
andere <strong>als</strong> begeistert gewesen waren.<br />
das Schicksal sollte die eltern eines<br />
besseren belehren: von israel aus<br />
konnte Schmidt-Susz das Leben ihrer<br />
mutter und ihres Vaters retten, indem<br />
sie für die beiden einen illegalen Ha -<br />
ko ah-Transport nach Palästina organisierte.<br />
in die Schar der illustren Fackelträger<br />
reihten sich zudem Alusch Berger und<br />
Peter Teichner, beide mitglieder des<br />
emG-Organisationskomitees, Paul<br />
Ha ber, amtierender Präsident der Ha -<br />
koah <strong>Wien</strong>, bei den emG 2011 für die<br />
38 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JÜDISCHE WELT • SPORT<br />
me dizinische Versorgung zuständig<br />
(der Sportmediziner betreute bereits<br />
zwei mal die österreichische olympische<br />
delegation) und früherer österreichischer<br />
Schwimmmeister, dessen<br />
Vater, Karl Haber, nach 1945 half, die<br />
Hakoah wiederaufzubauen, sowie<br />
Benni Haspel, Sohn von Judith<br />
deutsch-Haspel, eine der bekanntesten<br />
Schwim merinnen der Hakoah <strong>Wien</strong>.<br />
Sie sorgte für Aufsehen, <strong>als</strong> sie sich<br />
trotz einer nominierung weigerte,<br />
1936 an der Olympiade in Berlin teilzunehmen.<br />
die Konsequenzen waren<br />
hart: es wurden ihr alle nationalen<br />
Titel aberkannt. Haspel wanderte<br />
nach israel aus. erst 1995 entschuldigte<br />
sich das österreichische<br />
Parlament bei der Sportlerin und ließ<br />
ihre erfolge wieder in die Annalen<br />
eintragen. doch ihr mut wurde von<br />
anderer Seite auch geehrt: <strong>als</strong> eine der<br />
Athleten, die die Olympischen Spiele<br />
1936 in Berlin boy kottiert hatten,<br />
wurde sie in die in ter national Jewish<br />
Sport Hall of Fame aufgenommen.<br />
Als Oskar deutsch die Fackel übernahm,<br />
erklärte er feierlich: „Hiermit<br />
über nehme ich die Flamme der Makkabi<br />
Fackel der Europäischen Makkabi Spiele<br />
2011 in <strong>Wien</strong>.“ Paul Haber startete<br />
dann in Begleitung von Burschen<br />
und mädchen von Maccabi Tzair die<br />
erste Staffel des Fackellaufs. Beendet<br />
wur de die Zeremonie mit dem<br />
gemeinsamen Singen der Hatikvah –<br />
der erste Vorgeschmack auf die<br />
Spiele kommenden Sommer in <strong>Wien</strong>.<br />
möge die Fackel dann sicher in <strong>Wien</strong><br />
eingetroffen sein.<br />
„Lo mir alle klatschen in die Händ …“<br />
Vom 2. bis 5. mai fand in israel der 26.<br />
maccabi World Union Congress statt.<br />
diese alljährlich stattfindende Ver an -<br />
staltung, an der diesmal rund 200 Per -<br />
sonen teilnahmen, versammelt Re prä -<br />
sentanten der Länder der einzelnen<br />
maccabi Organisationen zur Re ka pi tu -<br />
lation der ereignisse und Akti vitäten<br />
des vergangenen Jahres (diesmal war<br />
ein ganzer Tag der manöverkritik der<br />
letzten maccabiah in israel gewidmet,<br />
sowie erfolgte der Startschuss zur Pla -<br />
nung der nächsten maccabiah), gegebenenfalls<br />
zur Wahl der Organe einer<br />
der weltweit größten jüdischen Orga -<br />
ni sation, aber auch einfach nur zur<br />
neuaufnahme- bzw. Vertiefung be ste -<br />
hender Kontakte. Parallel finden Ar -<br />
beitssitzungen zu relevanten Themen<br />
wie Richtlinien der education-Pro -<br />
gram me während makkabi Spielen,<br />
Vergaberichtlinien für Regionale Spie -<br />
le und ähnliches sowie Sitzungen der<br />
kontinentalen Organisationen (Ame-<br />
ri ka und Südamerika, Australien, eu -<br />
ropa) statt. Unter Anwesenheit der is -<br />
raelischen Sportministerin Limor Liv -<br />
nat schieden Jeanne Futeran, Süd afri -<br />
ka, in den letzten 8 Jahren Präsi den tin<br />
der Bewegung, sowie der Vor sitzende<br />
Igal Carmi, israel, von ihren Posten.<br />
Als neuer Präsident wurde Gui ora Es -<br />
ru bilsky, mexiko, gewählt, der neue<br />
Vorsitzende für die nächsten 4 Jahre<br />
ist Yair Hamburger, israel.<br />
die neuen europäischen Organe werden<br />
übrigens auf dem Kongress, der<br />
im Vorfeld der europäischen makka bi<br />
Spiele ebenfalls im november <strong>2010</strong> in<br />
<strong>Wien</strong> stattfindet, gewählt.<br />
Alusch Berger, Jair Zel manovics, Oskar<br />
Deutsch und ich selbst (3.v.li) waren<br />
vor Ort und nutzten die Gelegenheit<br />
zu bilateralen Gesprächen im Vorfeld<br />
der Spie le mit Vertretern fast jeden<br />
Lan des. Vor allen Teilnehmern fanden<br />
Präsen ta tio nen zum derzeitigen Stand<br />
der Or ganisation der Regionalen<br />
Spie le statt. Unsere Freunde aus<br />
Australien, wo die 2. maccabi Austra -<br />
lia interna tio nal Games vom 26.12.<br />
<strong>2010</strong> bis 2.01.2011 stattfinden, beeindruckten<br />
mit einem sehr professionellen<br />
Film der Lust auf den Jahres wech -<br />
sel in Sydney machte.<br />
im Anschluss begrüßte Dr. Ariel<br />
Muzicant per Videobotschaft im na -<br />
men der israelitischen Kultusge mein -<br />
de alle Kongressteilnehmer und lud<br />
sie zum Besuch in <strong>Wien</strong> im Juli 2011<br />
ein. Anschließend informierte Oskar<br />
deutsch in einer kurzen Rede über<br />
den aktuellen Status der Organisation<br />
der 13. europäischen makkabispiele<br />
in <strong>Wien</strong> –wir sind übrigens sehr gut<br />
in der Zeit – und dann kam der Knal ler.<br />
André Wanne hatte für uns einen Film<br />
zu den Sportstätten und Hotels vorbereitet.<br />
die beeindruckenden Bilder<br />
zogen die bereits ziemlich übermüdeten<br />
delegierten (es war mittlerweile<br />
18 Uhr und 8 Stunden Kongress lagen<br />
hinter ihnen) in ihren Bann. doch das<br />
ihre tat die unterlegte musik – Ra -<br />
detz kymarsch und Co, österreichische<br />
Klänge par excellence – ließen den<br />
gan zen Raum im Takt zum Film mitklatschen<br />
und die für sich allein<br />
schon wunderbaren Bilder noch besser<br />
zur Geltung kommen. Ganz be -<br />
son ders das bisher unvergleichbar ho -<br />
he niveau der Hotels hinterließ einen<br />
bleibenden eindruck. Auch die T-Shirts<br />
mit dem Aufruf „European Maccabi<br />
Games 2011 Vienna – Be part of it!“, die<br />
an jeden delegierten verteilt wurden<br />
trugen zur bleibenden erinnerung bei.<br />
nicht zuletzt entschloss sich Kanada<br />
aufgrund dieser Bilder und Klänge,<br />
ebenfalls eine delegation nach <strong>Wien</strong><br />
zu schicken.<br />
das Ziel der Teilnahme am Kongress,<br />
information über den Stand der Spie -<br />
le zu vermitteln, marketing dafür zu<br />
betreiben und so viele europäische<br />
Län der (und auch ein paar nicht-eu ro -<br />
päische Gäste) wie möglich zur Teil -<br />
nahme zu gewinnen, war somit mehr<br />
<strong>als</strong> erreicht und die österreichische<br />
de legation konnte mit detaillierteren<br />
informationen zu den teilnehmenden<br />
Ländern wieder nach <strong>Wien</strong> zurück<br />
kehren.<br />
Mag. Julius Dem<br />
Gener<strong>als</strong>ekretär der europäischen<br />
makkabispiele 2011 in <strong>Wien</strong><br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 39
KULTUR • INLAND<br />
„Ganz schön f<strong>als</strong>ch“<br />
klangen die Stimmen bei der Restitution von geraubten<br />
Kunstwerken befindet Otto Hans Ressler, Direktor der <strong>Wien</strong>er<br />
Kunstauktionen im Palais Kinsky, im Gespräch mit<br />
MARTA S. HALPERT<br />
KULTUR<br />
Gemeinde: Sie nennen Ihr neuestes Buch<br />
„Das Mädchen mit dem Hut“ im Un ter -<br />
titel „Die wahre Geschichte eines fiktiven<br />
Bildes“. Dabei steht sowohl das Leben<br />
Egon Schieles <strong>als</strong> auch das vertriebene und<br />
vernichtete jüdische Mäzenatentum im<br />
Zentrum des Geschehens. Warum ha ben<br />
Sie dieses Buch geschrieben?<br />
Ressler: ich schreibe ununterbrochen,<br />
ein Großteil meines Berufes besteht<br />
aus Schreiben. doch bevor ich Sach -<br />
bücher über Kunstthemen verfasste,<br />
veröffentlichte ich auch Belletristik.<br />
nach meinen Büchern über den<br />
Kunst markt, lag mir diese Geschichte<br />
einfach am Herzen.<br />
Was meinen Sie damit konkret?<br />
Besonders in den letzten Jahren, seit<br />
ich Geschäftsführer des <strong>Wien</strong>er Auk -<br />
ti onshauses „im Kinsky“ bin, habe<br />
ich eine menge erlebt und gesehen.<br />
Vor allem die erfahrungen, die ich mit<br />
den Betroffenen - <strong>als</strong>o den beraubten<br />
und vertriebenen jüdischen men schen<br />
– durch zahlreiche Gespräche ge -<br />
macht habe, fließen in das Buch ein.<br />
Es klingt nach einer sehr engagierten Ab -<br />
rech nung mit dem österreichisch-bürokratischen<br />
Umgang mit dem Thema der<br />
so genannten Arisierung – <strong>als</strong>o des brutalen<br />
Raubes jüdischen Eigentums – der<br />
zögerlichen Rückgabegesetzgebung und<br />
der Kunstrestitution der letzten 15 Jahre.<br />
Es muss Ihnen sehr viel bei diesem Kom -<br />
plex unangenehm aufgestoßen sein?<br />
Ja, das stimmt. ende der 80er hat Jah re<br />
Ronald Lauder vom Bundesdenk mal -<br />
amt die erlaubnis bekommen, einige<br />
Werke von Gustav Klimt und egon<br />
Schiele auszuführen. das verursachte<br />
einen Riesenaufschrei. ich ha be mir<br />
die Stimmen genau angehört, und da<br />
klangen einige ganz schön f<strong>als</strong>ch.<br />
denn in Wirklichkeit müsste jeder<br />
vernünftig denkende und demokratische<br />
mensch es eigentlich begrüßen,<br />
wenn österreichische Kunst nicht nur<br />
in Österreich, sondern auch im Aus land<br />
vertreten ist. es ist ja vielmehr das Pro -<br />
blem, dass österreichische Kunst im<br />
Ausland unterrepräsentiert ist. Und<br />
zwar wegen eines Gesetzes, das ziemlich<br />
dumm ist, nämlich das Ausfuhr ver -<br />
botsgesetz für Kunst- und Kul tur gut.<br />
das war für mich auch der Anlass zu<br />
überlegen, warum klingen da einige<br />
Stimmen so schrill. es war dann relativ<br />
nahe liegend, dass nicht das Weg -<br />
schleppen österreichischer Kultur die<br />
Aufregung verursacht hatte, sondern<br />
nur der Umstand, dass dies durch ei -<br />
nen Juden geschah. diesen Quellen<br />
zufolge wurden Werke von „Österreichern<br />
ausverkauft“.<br />
Wurden Sie erst durch diese antisemitischen<br />
Töne auf die Thematik aufmerksam?<br />
Ja, das war für mich schon der An -<br />
lass, da besser hinzuschauen. denn in<br />
den Folgejahren, <strong>als</strong>o bis etwa 1997-<br />
98, waren auch wir im <strong>Wien</strong>er doro -<br />
the um mit beträchtlicher Blindheit<br />
geschlagen. die Problematik war uns<br />
gar nicht bewusst, wir waren einfach<br />
blöd. Wir haben voller Stolz im Kata -<br />
log bei diversen Porzellanobjekten aus<br />
der „Sammlung Rothschild“ an ge -<br />
geben. erst 1998 ist die Problematik<br />
nachvollziehbar geworden. Seither<br />
ge hen wir ganz anders damit um.<br />
Meinen Sie nur das Dorotheum oder Ihr<br />
privates Auktionshaus „Im Kinsky“?<br />
Soviel ich weiß, hat das dorotheum<br />
auch alle Unterlagen durchforstet und<br />
ist in Zweifelsfällen sehr vorsichtig ge -<br />
worden. ich habe mit meinen Part nern<br />
1992 die Kunst Auktionen GmbH im<br />
Palais Kinsky gegründet. da wird je -<br />
des Werk akribisch überprüft und so -<br />
fort von einer Auktion zurückgezogen,<br />
wenn der leiseste Verdacht auf nS-<br />
Raubgut auftaucht.<br />
Warum, glauben Sie, hat es so lange<br />
gedauert, bis sich die Erben gemeldet<br />
haben?<br />
es hat sehr viele Fälle seither gegeben,<br />
wo sich die erben von Beraubten - zu -<br />
meist ermordeten - an uns gewendet<br />
haben. Am Anfang konnte ich auch<br />
nicht verstehen, warum es so lange<br />
ge dauert hat. Aber in der Zwi schen -<br />
zeit weiß ich es: die erste Generation<br />
konnte es nicht sein, denn die ist tot.<br />
die zweite war zu traumatisiert, da -<br />
her wurde erst die dritte Generation<br />
aktiv.<br />
Herrscht das Ressentiment noch vor, dass<br />
die zurückgegebenen Gegenstände von<br />
den Erben nicht behalten, sondern ge -<br />
winnbringend zu Geld gemacht werden?<br />
die Stimmungslage ist etwas besser<br />
ge worden, weil die menschen auch<br />
langsam verstehen, dass das Geld sehr<br />
selten eine Rolle spielt. Ausschließen<br />
kann man es natürlich nie. Aber in<br />
den Gesprächen mit den Familien<br />
spürt man, wie sehr sie auf der Suche<br />
nach ihren Wurzeln, nach Spuren<br />
ihrer Vergangenheit sind. manchmal<br />
stößt man auf so unglaubliche Ge -<br />
schich ten.<br />
40 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
KULTUR • INLAND<br />
Sie haben davon einige in Ihrem Buch<br />
verewigt.<br />
Ja, ich habe die namen geändert, aber<br />
die Fälle hat es alle gegeben. Auch die<br />
bösen Tricks der Ariseure habe ich<br />
beschrieben. Zum Beispiel, jenen mit<br />
der f<strong>als</strong>chen Kontonummer: das versprochene<br />
Geld für die Familie eines<br />
Postkartenverlegers wurde mit Wis sen<br />
der Bank auf eine nummer gutgeschrieben,<br />
die nicht existierte. So hat -<br />
te der Ariseur zwar eine Zahlungsbe<br />
stätigung, das Geld konnte aber nie<br />
ankommen. Und die menschen, die<br />
auf das Geld gewartet haben, um sich<br />
freizukaufen, um überleben zu können,<br />
haben das Geld nie gesehen.<br />
Wofür hätte der Postkartenverleger das<br />
Geld bekommen sollen?<br />
der Postkartenverleger war gar kein<br />
Sammler im herkömmlichen Sinn. die<br />
Kunstwerke dienten vornehmlich <strong>als</strong><br />
Arbeitsmaterial, das waren Vorlagen<br />
für die Postkarten. Bei uns im Kinsky<br />
ist das erste von 1000 Werken aufgetaucht,<br />
ein Blumenbild von Olga Wi -<br />
sin ger-Florian. Und da frage ich mich,<br />
wo sind die anderen 999?<br />
das ist schon niederschmetternd. die<br />
Familie Kohn hat in der Zwischenzeit<br />
alle noch vorhandenen Unterlagen zu -<br />
sammengetragen. Alles ist weg, alles<br />
wurde gestohlen, aber eben nicht von<br />
den nazis selbst, sondern von einem<br />
einzigen nazi allein, der sich alles un -<br />
ter den nagle gerissen hat und mit al -<br />
len Objekten verschwunden war, be -<br />
vor die nS-Behörden irgendetwas be -<br />
schlagnahmen konnten. dieser nazi<br />
ist mit 1000 Bildern verschwunden.<br />
Was ist mit dem Bild von Wisinger-Flo ri an<br />
geschehen?<br />
Zehn Jahr bevor es bei uns in die Auk -<br />
tion kam, war es in einem englischen<br />
Auktionshaus gewesen. die einbrin -<br />
ger und die erben haben miteinander<br />
verhandelt und beide waren am er geb -<br />
nis beteiligt. Oft ist eine Auktion der<br />
einzige Weg, um eine zurückgegebenes<br />
Kunstwerk gerecht „aufzuteilen“.<br />
Sie schreiben im Kapitel „Restitu tion“:<br />
....auch die IKG in <strong>Wien</strong> unterließ es, nach<br />
den tatsächlichen Eigentümern zu forschen.“<br />
Was meinen Sie damit konkret?<br />
Seit 1996 steht ja fest, dass die bei der<br />
mauerbach-Auktion versteigerten Ge -<br />
genstände großteils nicht „herrenlos“<br />
waren, sondern deren Besitzer aufgrund<br />
von Aufschriften und Aufkle -<br />
bern auf der Rückseite der Gemälde in<br />
vielen Fällen eruierbar gewesen wä ren<br />
und sind. da hat man doch etwas zu<br />
wenig unternommen.<br />
Wie reagieren die Besitzer von geraubten<br />
Kunstwerken, wenn sie die problematische<br />
Vorgeschichte erfahren?<br />
mit den Privaten, die in Anführungs -<br />
zei chen „völlig unschuldig“ in den<br />
Be sitz eines gestohlenen Bildes ge kom -<br />
men sind, kann man zumeist reden,<br />
verhandeln. denn auch wenn dieser<br />
Personenkreis von der österreichischen<br />
Gesetzgebung nicht im min des ten<br />
bedroht ist, das diebsgut wieder herausgeben<br />
zu müssen, tun es viele für<br />
ihre Seelenruhe. „Teilen wir doch“,<br />
sagen manche und dann suchen wir<br />
einen Schlüssel für die Aufteilung.<br />
eine Frau sagte mir unlängst: „Ich weiß,<br />
ich darf es behalten, niemand kann mich<br />
daran hindern. Aber seit ich die Ge schichte<br />
des Bildes kenne, fühle ich mich damit<br />
nicht mehr wohl. Jedes Mal, wenn ich es<br />
ansehe, kommt mir alles hoch.“<br />
Das scheint auf Professor Rudolf Leopold<br />
nicht zuzutreffen. Der sieht das ganz an -<br />
ders, oder?<br />
Professor Leopold ist da eine Spezial-<br />
Angelegenheit. er ist ja der großzü -<br />
gig ste und sozi<strong>als</strong>te mensch, den ich<br />
ken ne.<br />
In welcher Hinsicht meinen Sie das?<br />
Professor Leopold nimmt sich für je -<br />
der mann alle Zeit der Welt, um Kunst<br />
zu erklären. ich konnte das bei La ger -<br />
ar beitern, bei kleinen Schreibkräften<br />
beobachten. ich habe auch erlebt, wie<br />
er einige male nach oben getreten hat:<br />
erhard Busek schimpfte er einen idio -<br />
ten, weil die Beleuchtung eines Bildes<br />
nicht gepasst hat. Aber nie hat er auf<br />
jemanden hingetreten, der in der so -<br />
zialen Hierarchie unter ihm stand.<br />
Als er das erste mal mit mir zusam -<br />
mengekracht ist, dachte ich mir, jetzt<br />
nimmt er mich ernst. Professor Leo -<br />
pold ist in seiner Sammlerleide n schaft,<br />
die sein ganzes Leben dominiert,<br />
nicht in der Lage, einen Schritt zu -<br />
rück zutreten und das in einer etwas<br />
objektiveren Weise zu sehen. ich glau -<br />
be allerdings, dass es letztendlich zu<br />
Rückgaben oder zumindest zu finanziellen<br />
entschädigungen kommen<br />
wird.<br />
Was bestärkt Sie darin?<br />
da spielen mehrere dinge zusammen.<br />
er geht davon aus, dass er der einzige<br />
legitime Sammler dieser Arbeiten ist,<br />
und wenn sie jemand anderer in die<br />
Hände bekommt, hat das schon et -<br />
was Anrüchiges. er ist ein Sammler,<br />
wie es wahrscheinlich nur wenige gibt,<br />
und er wird in einem Ausmaß davon<br />
dominiert, dass man ihm einiges<br />
nachsehen muss.<br />
Professor Dr. Hans Weinprecht alias Ru -<br />
dolf Leopold ist in ihrer Erzählung un -<br />
schwer zu erkennen. Glauben Sie, dass er<br />
sich im Zusammenhang mit der Ausei n an -<br />
dersetzung um die 1998 beschlagnahmte<br />
„Bildnis Wally“ und „Tote Stadt III“<br />
richtig verhalten hat und verhält?<br />
er ist sich schon im Klaren, dass er in<br />
so manchen interviews gewisse din ge<br />
besser nicht gesagt hätte. es gehen bei<br />
ihm in kürzester Zeit die nerven durch<br />
und er sieht nur mehr Räuber, die ihm<br />
sein eigentum wegnehmen wollen.<br />
Wird es in der Zukunft noch spektakuläre<br />
Restitutionsfälle geben?<br />
Vielleicht nicht ganz so spektakuläre<br />
wie in den letzten Jahren, die museen<br />
haben schon vieles aufgearbeitet. Aber<br />
das Thema wird uns noch lange be -<br />
glei ten. denken Sie nur daran, dass<br />
etwa 60.000 Wohnungen jüdischer<br />
mit bürger ausgeraubt worden sind.<br />
es handelt sich hier um zigtausende,<br />
vielleicht sogar hunderttausende<br />
Kunst objekte, die gestohlen worden<br />
sind – und beileibe nicht nur von den<br />
nazis, sondern auch von freundli -<br />
chen nachbarn.<br />
Biographie:<br />
Otto Hans Ressler, geboren 1948 in Knit tel -<br />
feld, Steiermark, war von 1978 bis 1986 Di -<br />
rek tor des Grazer Dorotheums, danach bis<br />
1992 Direktor der Kunstab tei lung des Wie -<br />
ner Dorotheums. Seit 1993 ist er ge -<br />
schäftsführender Gesell schaf ter der im Kin -<br />
sky Kunst Auktionen GmbH.<br />
Bücher:<br />
„Der Markt der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2001<br />
„Die Preise der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2004<br />
„Der Wert der Kunst“, Böhlau <strong>Wien</strong>, 2007<br />
„Das Mädchen mit dem Hut“- Die wahre<br />
Geschichte eines fiktiven Bildes“,<br />
Böhlau <strong>Wien</strong> 2009<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 41
„JUDEN, CHRISTEN<br />
UND MUSLIME“<br />
Eine Ausstellung in der<br />
Nationalbibliothek dokumentiert<br />
den Kulturtransfer in<br />
alten Schriften<br />
VON ANITA POLLAK<br />
das mittelalter war gar nicht so fins -<br />
ter, wenn wir unsere Gegenwart be -<br />
trachten.<br />
ein Schluss, der sich beim Besuch e i -<br />
ner Ausstellung ziehen lässt, die derzeit<br />
im Prunksaal der Österreichischen<br />
nationalbibliothek zu sehen<br />
ist. Aus den unzähligen Kostbar kei -<br />
ten der Bestände werden diejenigen<br />
ausgestellt, die das gewählte Thema –<br />
„Interkultureller Dialog in alten Schrif -<br />
ten“ - nicht nur aufs Prachtvollste<br />
illustrieren, sondern in ihrer Ge samt -<br />
heit auch eindrucksvoll beweisen.<br />
Bereits vor über tausend Jahren gab<br />
es einen regen Austausch von Wissen<br />
zwischen den Kulturen und den Re li -<br />
gionen. Juden, Christen und muslime<br />
standen in einem intensiven dialog<br />
miteinander, vor allem was ihre er -<br />
kenntnisse auf den Gebieten medizin,<br />
Astronomie und Astrologie betraf<br />
und sie verstanden einander, auch weil<br />
sie versuchten, sprachliche Barrieren<br />
zu überwinden. Und überall dort, wo<br />
diese Kommunikation gelang, war sie<br />
nicht nur zum Vorteil aller Beteilig ten,<br />
sondern führte geradewegs in eine<br />
kulturelle Hochblüte.<br />
KULTUR • INLAND<br />
dokumente aus den vier großen<br />
Schrift kulturen, der griechischen, lateinischen,<br />
arabischen und hebräischen,<br />
bezeugen bis heute, dass die<br />
geistige Landschaft europas nicht<br />
durch nationale oder religiöse Gren -<br />
zen eingeengt war. Vielmehr scheint<br />
ein Klima der gegenseitigen Toleranz<br />
und Achtung einen Kulturtransfer<br />
ermöglicht zu haben, der „den Aus -<br />
gangspunkt der neuzeitlichen Wissen -<br />
schaften in Europa“ bildete, wie Gene -<br />
ral direktorin Johanna Rachinger betonte.<br />
dass mit dem gestellten Thema auch<br />
ein denkanstoß in Richtung „unserer<br />
gegenwärtigen gesellschaftspolitischen<br />
Situation“ intendiert war, wurde bei<br />
der feierlichen eröffnung der Schau<br />
deutlich.<br />
So spannte die designierte Leiterin<br />
des Jüdischen museums, Danielle<br />
Spera, in ihrer Festrede den Bogen vom<br />
„Goldenen Zeitalter“ im Andalusien<br />
des frühen mittelalters bis zum fins -<br />
teren „Abendland in Christenhand“.<br />
der große jüdische Arzt und Philo -<br />
soph moses maimonides (1135-1204),<br />
den sie <strong>als</strong> Beispiel hervorhob, verkörperte<br />
in seinem Leben und Wirken<br />
die Toleranz jener Zeit, ja er wurde<br />
geradezu eine Symbolfigur für diese<br />
fruchtbare Symbiose der Kulturen. So<br />
verfasste er z.B. die Sanhedrin-misch -<br />
na in arabischer Sprache, aber mit he -<br />
bräischen Buchstaben. in seinen späten<br />
Jahren war er nicht nur der Arzt des<br />
legendären Sultan Saladin, sondern<br />
gleichzeitig auch der Vorsteher der<br />
jüdischen Gemeinde in Kairo.<br />
Ob das viel gepriesene friedliche Zu -<br />
sam menleben von Juden, Christen<br />
und muslimen im Schmelztiegel von<br />
Cordorda, dem Geburtsort des maimonides,<br />
heute nicht vielleicht ge -<br />
nau so ein mythos ist, wie das tolerante<br />
miteinander der Religionen im Habs -<br />
burgerreich und im <strong>Wien</strong> des Fin-de-<br />
Siècle, diese Fragen stellte Spera un -<br />
ter vielen anderen zur diskussion.<br />
die Fremden, die einwanderer, nicht<br />
<strong>als</strong> eindringlinge, sondern <strong>als</strong> Berei -<br />
che rung zu betrachten, dazu forderte<br />
auch Bildungsministerin Claudia<br />
Schmied in ihrer eröffnungsrede auf.<br />
die Hälfte aller österreichischen Schul -<br />
kinder kommen, wie sie feststellte,<br />
aus einem nicht deutschsprachigen<br />
elternhaus, was nicht <strong>als</strong> Bedrohung,<br />
vielmehr <strong>als</strong> Chance zu sehen sei.<br />
Um die Bedeutung der Sprachen zum<br />
Verstehen der Kulturen wusste man<br />
schon im mittelalter. Frühe Übersetzungen<br />
aus den Schriftsprachen und<br />
etwa ein Buch zum Lernen des hebräischen<br />
Alphabets mit lateinischer<br />
Schrift werden <strong>als</strong> Beispiele gezeigt.<br />
den bedeutenden jüdischen Anteil an<br />
den vor allem in Spanien, italien und<br />
Frankreich ausgeführten Übersetzungen<br />
betont der Ausstellungskurator<br />
Andreas Fingernagel im reich bebilderten<br />
Katalog.<br />
es gab <strong>als</strong>o offenbar kaum Berüh -<br />
rungs ängste zwischen den Religio nen,<br />
zumindest nicht unter den damaligen<br />
intellektuellen, wofür die Schau<br />
pracht volle Beweisstücke in alten<br />
Hand schriften und frühen drucken<br />
liefert, die ebenso den Reichtum des<br />
damaligen Wissens spiegeln. ein<br />
absolutes Highlight, der so genannte<br />
„<strong>Wien</strong>er dioskurides“, ein mindestens<br />
1500 Jahre altes, reich illustriertes<br />
Pflanzenbuch, wird nur kurz im Ori -<br />
gi nal zu sehen sein. derartig empfindliche<br />
Zimelien, wertvollste jahrhundertealte<br />
Schätze, müssen noch für<br />
spätere Generationen erhalten und<br />
geschützt werden.<br />
Wieweit wir es in der Begegnung der<br />
großen Religionen in den letzten<br />
Jahrhunderten gebracht haben, darüber<br />
lässt sich bei einem Rundgang im<br />
Prunksaal beschaulich nachdenken.<br />
„Juden, Christen und Muslime“<br />
Bis 7. November <strong>2010</strong>.<br />
ÖNB. Josefsplatz 1, 1010 <strong>Wien</strong><br />
Tel. 534 10 464 • www.onb.ac.at<br />
Der Katalog ist bei Kremayr & Scheriau<br />
erschienen und kostet € 29.90<br />
42 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
KULTUR • INLAND<br />
Die Kraft des Lachens, der Zauber des Lächelns<br />
Mit mehr Humor und Freude Leben - Positive Psychologie<br />
Wenn ich aus meinen Workshops und<br />
Seminaren, die ich in den letzten 30<br />
Jah ren <strong>als</strong> Psychologe geleitet ha be,<br />
das eine Wort herausgreife, das die<br />
Klienten am häufigsten erwähnen, <strong>als</strong><br />
ihren Wunsch, <strong>als</strong> das, wonach sie sich<br />
sehnen, ist es – Lebensfreude. in allen<br />
Formen und Variationen: Leichtig keit,<br />
Heiterkeit, Lebenslust, die Fähigkeit,<br />
die kleinen dinge im Leben zu genießen,<br />
zu lächeln... Freude, einfach Freude.<br />
VON JACOB KLEIN<br />
Optimist: ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt, wie sie sind. (Karl Valentin)<br />
lernen und entwickeln. mit spezi el len<br />
Strategien und Übungen, mit viel Um -<br />
denken und „Reframing“ (- eine<br />
Tech nik, eine gegebene Realität an ders<br />
„umrahmen“); mit der Bereitschaft,<br />
das Leben anders zu sehen.<br />
Humor ist nicht unbedingt ein „Ta -<br />
lent“, eine Charlie-Chaplin-Gabe. es<br />
ist eine Einstellung, eine Lebenshal -<br />
tung. ein Sinn für einfühlsame Ko -<br />
mik im Alltag.<br />
ich möchte in meinen Workshops<br />
men schen an ihre Lebensfreude, an<br />
ihr Lächeln und an ihren Humor erinnern;<br />
sie unterstützen, mehr Gelas sen -<br />
heit und Freude im Alltag zu erleben,<br />
ihr inneres Kind ein bisschen wiederzufinden;<br />
mit Konflikten und Lebens -<br />
si tuationen mehr spielerisch und hu -<br />
morvoll umzugehen; sich selbst nicht<br />
zu ernst zu nehmen (die Anderen tun<br />
es sowieso nicht!...); und andere men -<br />
schen und sich selbst humorvoll und<br />
würdevoll zu behandeln.<br />
Also – wie die Autorin Ute Lauterbach<br />
so schön sagt: Sei dein eigener<br />
Glücks pilot!<br />
nein, nicht alles im Leben ist immer<br />
positiv. nicht alles ist leicht und ein<br />
Witz und ständige Freude; Leben mit<br />
Humor bedeutet nicht, dass wir nicht<br />
traurig sein können, Schmerzen und<br />
Trauer empfinden. Humor bedeutet<br />
nicht, die Realität und ihre Schwie rig -<br />
keiten zu ignorieren, sondern unsere<br />
Schwierigkeiten in einem anderen<br />
Licht zu sehen, und leichter zu nehmen;<br />
und uns selbst mehr zu akzeptieren,<br />
mit einem lächelnden, versöhnlicheren<br />
Blick. die Realität können wir<br />
nicht immer ändern. Aber wir kön nen<br />
lernen, unsere Reaktion darauf zu än -<br />
dern. Humor ist, wenn man trotzdem<br />
lacht.<br />
Optimismus und positives denken<br />
sind nicht das Gegenteil von Realis -<br />
mus! Und Humor ist nicht das Ge gen -<br />
teil vom ernst-Sein. Humor ist einfach<br />
eine komische Art ernst zu sein.<br />
Und die guten Nachrichten sind –<br />
Humor kann man lernen. ent wickeln.<br />
Üben. es ist nicht leicht: auf die Op -<br />
ferrolle zu verzichten, aus aggressiven,<br />
verbissenen, langjährigen mus -<br />
tern auszubrechen, aber man kann es<br />
Ein Jude liegt blutend am Gehsteig, in<br />
seinen Rippen steckt ein Messer.<br />
Kommt ein Mann vorbei, schaut ihn<br />
an und fragt: „Tut es weh?“<br />
„Nein“, antwortet der Jude, „nur<br />
wenn ich lache“...<br />
Ja, diese seltene Fähigkeit, über uns<br />
selbst, über unsere Probleme, Schmer -<br />
zen, Schwä chen, unsere „lächerli chen“<br />
Seiten zu lachen, ist der Kern des Hu -<br />
mors. Mit diesem Abstand zu uns<br />
selbst beginnt der gesunde Hu mor:<br />
Mich selbst ernst, aber nicht zu ernst<br />
zu nehmen. Ab stand – aber Mit ge -<br />
fühl. Mit-lachen, nicht aus-la chen.<br />
Wir haben irgendwann auf dem Weg<br />
das Lachen und das Lächeln verloren.<br />
Wann ist es passiert? Wenn wir das<br />
erste mal einen lieben menschen<br />
durch Tod oder Trennung verloren<br />
haben? Wenn wir unsere Stütze, un -<br />
ser einkommen, unseren Ar beits-platz<br />
verloren haben? Uns selbst? Unsere<br />
„Peckalech“, unsere alten Geschich ten<br />
sind uns zu schwer geworden? egal<br />
was – wir können dieses unser Lä heln<br />
wieder finden.<br />
Wir machen keine Fehler. Niem<strong>als</strong>!<br />
Wir machen Erfahrungen!<br />
Jüdischer Humor<br />
Stoßdämpfer des Lebens<br />
WORKSHOPS MIT JACOB KLEIN<br />
Jedes Ding hat zwei Seiten -<br />
eine positive, eine negative ...<br />
und eine komische<br />
Jammern tut gut und kann befreiend sein.<br />
Aber nicht auf Dauer... Kann man mit<br />
Kon flikten, Mischpoche, Zores & Co. an -<br />
ders um ge hen? Wie kann jüdischer Hu -<br />
mor zu unserem Immunsystem beitragen?<br />
In Kleins Humor- und neuerdings auch<br />
Jam mer-Seminaren können Sie eigene<br />
humorvolle „Schätze“ heben. Er gibt An re -<br />
gungen, Strategien, einen „Werkzeug kas -<br />
ten“ & lustige Übungen… und die Teil neh -<br />
merInnen graben nach diesen Schät zen...<br />
Die nächste Möglichkeit<br />
kommt sicher schon sehr bald!<br />
Mag. Jacob Klein<br />
Psychologe, Coach, Organisationsberater<br />
(Israel & Österreich),<br />
Kommunikationstrainer, Fachbuch-Autor<br />
Die Barmherzigen Brüder suchen Zeitzeugen!<br />
Das <strong>Wien</strong>er Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, gegründet 1614, ist das älteste und eines der<br />
modernsten Spitäler in <strong>Wien</strong>. Seit Anfang an sind wir ein wichtiger Teil der Leopoldstadt und mit der<br />
Entwicklung dieses Bezirkes auf das Engste verbunden.<br />
Für die Erstellung unserer Festschrift im Rahmen unserer 400-Jahr- Feierlichkeiten 2014 sind wir auf der Suche<br />
nach Zeitzeugen: Kennen Sie unser Krankenhaus schon seit langem, haben Sie Anekdoten zu unserem Spital zu<br />
erzählen oder können Sie sich noch erinnern, wie die Barmherzigen Brüder immer für die Mitmenschen da waren und<br />
sich keinem Regime gebeugt haben? Dann lassen uns an Ihren Erinnerungen teilhaben. Mit Ihrer persönlichen<br />
Geschichte helfen Sie mit, ein Stückchen unserer Geschichte für die folgenden Generationen zu bewahren.<br />
Kontakt & Ansprechpartner: Mag. Johannes Reinprecht Telefon: +43 1 211 21 1066<br />
<strong>Mai</strong>ladresse: johannes.reinprecht@bbwien.at<br />
Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und Ihre Bemühungen!<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 43
KULTUR • LITERATUR<br />
Meschugge kann<br />
nicht schaden<br />
Michel Bergmanns Roman porträtiert<br />
„Die Teilacher“<br />
VON ANITA POLLAK<br />
nie kamen aus Shanghai, aus Afrika<br />
oder - direkt aus Auschwitz. Sie hatten<br />
einmal davon geträumt Anwälte<br />
zu werden, Ärzte, Künstler. Sie wurden<br />
Überlebenskünstler, Lebens künst -<br />
ler und - „Teilacher“.<br />
Teilacher, das waren bessere Hau sie -<br />
rer bzw. jüdische Handelsvertreter,<br />
wenn man´s vornehmer ausdrücken<br />
wollte. der bei uns unübliche Begriff<br />
setzt sich aus den Wörtern „Teil“ und<br />
dem aus hebräischen „Laachod“ für<br />
einzelhandel, zusammen, <strong>als</strong>o eigentlich<br />
Teileinzelhandel, viel kleiner<br />
geht´s kaum. im berlinerisch-jiddischen<br />
Jargon soll „teilachen“ für „ab -<br />
hauen“ stehen, belehrt uns der Klap -<br />
pentext des debüt-Romans von Mi -<br />
chel Bergmann. der deutsche Re gis -<br />
seur und drehbuchautor ist 1945 in<br />
einem Schweizer internierungslager<br />
zur Welt gekommen und mit seinen<br />
jüdischen eltern von dort nach Paris<br />
und dann nach Frankfurt gezogen.<br />
Allein diese biografischen eckdaten<br />
weisen darauf hin, dass sich der Au -<br />
tor mit seinem späten Romanerstling<br />
einiges an selbst erinnertem und er -<br />
lebtem von der Seele geschrieben hat.<br />
ins Jahr 1972 blendet er zurück, in die<br />
Jugend seines Helden Alfred Klee -<br />
feld. doch der eigentliche Held der<br />
Geschichte ist da schon tot und Al fred<br />
muss ihn begraben, david Bermann,<br />
zu dem Alfred lebenslang „Onkel“<br />
ge sagt hat. Beim Begräbnis in Frank -<br />
furt treffen sie noch einmal zusammen,<br />
die alten Freunde und Kollegen<br />
Bermanns, den sie respektvoll den<br />
ein stein unter den Teilachern nannten.<br />
ihr Beruf hat sich überlebt wie sie<br />
selbst, keiner kauft mehr Wäschepa -<br />
kete an der Haustüre, keiner braucht<br />
sie mehr, sie und ihre Ware, die sie<br />
noch auf gut jiddisch schojre nennen.<br />
es ist die große Zeit der Quelle-Ka ta -<br />
loge, die nun ja bereits ebenso passé<br />
ist.<br />
Bergmann (von seinem Protagonisten<br />
trennt ihn nur ein g) stimmt es an, das<br />
Hohelied der Teilacher, in einem vielstimmigen<br />
Chor, der im wesentlichen<br />
die Lebensgeschichten von vier män -<br />
nern erzählt, die das Schicksal nach<br />
dem Krieg aus verschiedensten Win -<br />
keln der Welt in Frankfurt zusam -<br />
men treffen lässt. entwurzelt, ohne<br />
Familie, „displaced Persons“ im<br />
wahr sten Wortsinn, versuchen sie im<br />
Land der Täter ihren Lebensunterhalt<br />
zu verdienen. Bleiben wollen sie ja<br />
nicht, weiter ziehen wollen sie und<br />
bleiben dann doch mit dem gepackten<br />
Koffer in deutschland hängen, bis<br />
zum Lebensende. Als Teilacher ge lingt<br />
ihnen eine Art jüdisches Wirt schafts -<br />
wunder im Wirtschaftswunderland.<br />
max Holzmann, einer von ihnen, wird<br />
ihr Chef und <strong>als</strong> solcher steinreich,<br />
david Bermann, sein kreativs tes Ver -<br />
kaufsgenie, wird es trotzdem nie.<br />
man muss nicht meschugge sein, um<br />
Teilacher zu werden, aber es kann<br />
nicht schaden. So hat Bermann seinen<br />
Weg begründet, der ihn einst unabhängig<br />
machen sollte von seinen Brü -<br />
dern, die vor dem Krieg in deutsch -<br />
land ein großes Textilwarenhaus führ -<br />
ten. Und Verkäufer sein, das blieb sei -<br />
ne Passion, seine Obsession. noch aus<br />
dem Altersheim bricht er auf bzw.<br />
aus mit seinem alten Auto, um alten<br />
Kunden zu besuchen, die längst nichts<br />
mehr von ihm wissen wollen. er stirbt<br />
quasi mit dem Auftragsblock in der<br />
Hand.<br />
Keineswegs nebenbei hatte der vielseitige<br />
Schöngeist und „Luftmensch“<br />
aber noch andere Leidenschaften. er<br />
liebte die Frauen und besonders Al -<br />
freds schöne mutter, seine Lebens lie -<br />
be, mit der ihn das Schicksal immer<br />
wieder zusammenführt.<br />
eine Liebesgeschichte, deren Pointe<br />
man bald ahnt, ja das auch. Vielmehr<br />
aber eine Liebeserklärung eines man -<br />
nes an sein idol und an eine zähe<br />
Grün dergeneration, die es geschafft<br />
hat in der nachkriegszeit. eine schwe -<br />
re Zeit, aber auch eine Zeit des Auf -<br />
bruchs, in der noch alles möglich<br />
schien. Auf beinah jeder Seite wird<br />
diese Liebe spürbar und lässt manche<br />
Schwächen verzeihen. die Witze, die<br />
die Alten einander erzählen, sind gut,<br />
aber noch älter <strong>als</strong> sie selbst. Schmun -<br />
zeln wird man trotzdem und die At -<br />
mosphäre genießen, die Bergmann so<br />
milieusicher und stimmig bis ins<br />
kleinste detail heraufbeschwört. Au -<br />
thentisch ist auch die jiddisch-deutsche<br />
Umgangssprache der Teilacher,<br />
denen man beim Reden fast zuhören<br />
kann. (ein Glossar für jiddische<br />
Ausdrücke wäre für nicht-insider<br />
hilfreich, der Verlag liefert es im in -<br />
ter net nach). Wenn man halbwegs mit<br />
dieser untergegangenen Lebenswelt<br />
vertraut ist, die im <strong>Wien</strong> der nach -<br />
kriegs jahre kaum viel anders war, sind<br />
jede menge köstlicher dejà vu - erleb -<br />
nisse garantiert.<br />
Keine große Literatur, aber tragikomische<br />
Unterhaltung im besten Sinn.<br />
Michel Bergmann<br />
„Die Teilacher“<br />
Arche-Verlag. € 20.50<br />
ZUM AUTOR<br />
1945 wird Michel Bergmann <strong>als</strong> Kind jü -<br />
discher Eltern in einem Schweizer In ter -<br />
nie rungslager geboren. Die Familie lässt<br />
sich nach einigen Jahren in Paris in Frank -<br />
furt nieder, wo Bergmann zunächst Jour -<br />
nalist wird. Später arbeitet er <strong>als</strong> Dreh -<br />
buchautor, Regisseur und Produ zent für<br />
Film und Fernsehen. „Die Teila cher“ ist<br />
sein erster Roman.<br />
Silbernes Ehrenzeichen für ORF-<br />
Korrespondenten Dr. Ben Segenreich<br />
Dr. Ben Segenreich, langjähriger ORF-<br />
Korrespondent und Journa list für "Der<br />
Standard" in Israel wurde für seine<br />
Ver dienste mit dem Silbernen Ehren -<br />
zei chen für Ver dien s te der Republik<br />
Österreich ausgezeichnet. Die Überreichung<br />
erfolgte durch den österreichischen<br />
Bot schaf ter in Israel, Mag.<br />
Michael Rendi, im Beisein der Familie<br />
Segenreich und zahlreichen weiteren<br />
Ehren gäst en wie auch Freunden des<br />
Korrespondenten in der Österreichischen<br />
Residenz in Herzliya Pituach<br />
nahe Tel Aviv.<br />
„Dr. Ben Segenreich ist heute für viele<br />
Österreicher zum bekanntesten österreichischen<br />
Gesicht und zur vertrautesten<br />
österreichischen Stimme in Israel ge -<br />
worden", so der Botschafter, "zu e i nem<br />
Anker für aktuelle, ausgewogene Infor -<br />
mationen aus einem Land, das stets im<br />
Brennpunkt der internationalen Me di -<br />
en berichterstattung steht". „Zudem ha -<br />
be sich Ben Segenreich in seiner Be richt -<br />
erstattung auch immer wieder dem<br />
The ma der österreichischen historischen<br />
Verantwortung, dem Umgang Österreichs<br />
mit der Vergangenheit und dem<br />
Gedenken an die Shoah kompetent und<br />
engagiert angenommen.“<br />
44 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
KULTUR • LITERATUR<br />
Iran im Weltsystem<br />
Bündnisse des Regimes und Perspektiven<br />
der Freiheitsbewegung<br />
Buchpräsentation mit den Heraus ge bern<br />
Stephan Grigat und Simone Dinah Hart mann<br />
sowie den Autoren Prof. Jeff rey Herf, Florian<br />
Markl und Heribert Schiedel<br />
Moderation: Prof. Mitchell Ash<br />
Mittwoch, 2. Juni <strong>2010</strong>, 18.30 Uhr<br />
Jüdisches Museum<br />
Dorotheergasse 11, 1010 <strong>Wien</strong><br />
Hätte das iranische Regime nicht 30<br />
Jahre lang Unterstützung aus europa,<br />
Russland und einer Reihe semiperipherer<br />
dritte-Welt-Staaten erhalten,<br />
und hätten seine Gegner nicht über<br />
de kaden versucht, mit ihm zu verhandeln<br />
und es zu beschwichtigen,<br />
würde es heute nicht mehr existieren.<br />
Als eines der maßgeblichen Schwel len -<br />
länder und eine regionale Großmacht<br />
war die „islamische Republik iran“ in<br />
den letzten 30 Jahren ein wichtiger<br />
Be standteil der globalen macht struk -<br />
tur, dem von zentralen Akteuren der<br />
Weltpolitik mal mit Appea sement po -<br />
litik, mal mit offener Kollaboration<br />
begegnet wurde.<br />
das Buch „Iran im Weltsystem“ analysiert<br />
neben Perspektiven der neu konstituierten<br />
iranischen Freiheitsbe we -<br />
gung und dem aktuellen Stand des<br />
nu klearprogramms die globale Bünd -<br />
nispolitik des iranischen Regimes.<br />
die Beiträge beschreiben die europäische,<br />
russische und US-amerikanische<br />
iran-Politik, skizzieren die aktuellen<br />
Wirtschaftsbeziehungen Österreichs,<br />
deutschlands und der Schweiz zum<br />
iran und beleuchten die Bündnis po -<br />
litik des Regimes in Asien, Afrika und<br />
Lateinamerika. die Begeisterung von<br />
neonazis für das iranische Regime<br />
wird ebenso unter die Lupe genommen<br />
wie die Bewunderung für das<br />
iranische Kino.<br />
Mitchell Ash, Professor für Ge schichte der Neu zeit<br />
an der Univer sität <strong>Wien</strong>.<br />
Stephan Grigat, Lehrbeauftragter für Po l i tikwis sen -<br />
schaft an der Universität <strong>Wien</strong> und wissenschaftli -<br />
cher Mitarbeiter des Bünd nis ses STOP THE BOMB.<br />
Simone Dinah Hartmann, Sprecherin des Bünd -<br />
nisses STOP THE BOMB in Österreich.<br />
Jeffrey Herf, Professor für Moderne eu ro pä i sche<br />
und deutsche Geschichte an der Uni ver sität Ma -<br />
ry land, College Park, USA und der zeit <strong>als</strong> Gast des<br />
Direktors am In ter na tio nalen Forschungszentrum<br />
Kul tur wissen schaf ten in <strong>Wien</strong>.<br />
Florian Markl, promoviert an der Berliner Hum boldt<br />
Universität über palästinensische Terroran schläge<br />
in Österreich.<br />
Heribert Schiedel, lang jähriger Mit ar bei ter im DÖW.<br />
Stephan Grigat/Simone<br />
Dinah Hartmann (Hg.):<br />
Iran im Weltsystem<br />
Bündnisse des Regimes<br />
und Perspektiven der<br />
Freiheitsbewegung.<br />
Innsbruck – <strong>Wien</strong> – Bozen:<br />
Studienverlag <strong>2010</strong>,<br />
Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hrsg.)<br />
Iran im<br />
Weltsystem<br />
Bündnisse des Regimes<br />
und Perspektiven der Freiheitsbewegung<br />
180 Seiten; €19,90<br />
StudienVerlag<br />
Überall & Nirgendwo<br />
P. Weinberger<br />
noch immer dient für in new York bereits Ansässige<br />
gelegentlich (im Bus, in einem Restaurant) die Frage „Von<br />
wo kommen Sie eigentlich?“ <strong>als</strong> einladung zu einem Ge -<br />
spräch. erwartet wird dann – nicht sofort, aber doch bald<br />
- sehr oft die Gegenfrage „Und Ihre Eltern, von wo kamen<br />
die?“ Und schon ist man inmitten eines dialogs, in dem<br />
einem mit unter ein an sich sinnloses Abwägen der Vor -<br />
teile der USA gegenüber europa aufgedrängt wird. Oder<br />
man wird sofort in die gesamte Familiengeschichte des<br />
freundlichen mitfahrers eingeweiht. dabei ist - jenseits<br />
von Klischees - die Frage „Von wo kommen Sie“, eigentlich<br />
äußerst interessant. Unmittelbar, weil sie zeigt, dass man<br />
sich in den USA nach wie vor <strong>als</strong> einwanderungsland<br />
fühlt, das, so zumindest die gängige Vorstellung, unbegrenzte<br />
Anziehung für den Rest der Welt ausübt. dieser<br />
Aspekt verfügt über einen zugleich positiven <strong>als</strong> auch ei -<br />
nen negativen Unterton. Positiv, da die in Österreich so<br />
sorgsam gepflegte Angst vor einwanderern offensichtlich<br />
nicht besteht, negativ, weil damit auch ein wenig eine<br />
Art von Superioritätsgefühl verbunden ist.<br />
die Frage „Von wo kommen Sie“ ist interessant, weil sie im<br />
Grunde genommen gar nicht so leicht zu beantworten<br />
ist. nur ein Land oder eine Stadt zu nennen, löst bestenfalls<br />
ein belangloses „Aha“ aus und reduziert die Frage<br />
gewaltsam auf einen örtlichen ist-Zustand. Aber ist da -<br />
mit wirklich schon alles gesagt? Selbst wenn man hinzufügen<br />
würde, die eltern oder Großeltern sind allerdings<br />
aus Ungarn, aus Polen, oder aus der Ukraine gekommen,<br />
bewegt man sich noch immer lediglich am Rande einer<br />
erschöpfenden Antwort. müsste man nicht sagen, man<br />
komme aus einer bestimmten Gesellschaft, ausgezeichnet<br />
durch ganz bestimmte soziale und kulturelle Rand -<br />
be dingungen, aus einer Gesellschaft, in der (zur Zeit)<br />
hauptsächlich diese oder jene Sprache gesprochen wird?<br />
Wäre nicht bereits ein, zumindest kleiner Hinweis auf<br />
den kulturellen Background, den jeder mehr oder weniger<br />
bewusst mit sich schleppt, eine wesentlich bessere Ant -<br />
wort?<br />
Und damit ist auch schon aus einer rein örtlichen Bestim -<br />
mung der Antwort zur bewussten Frage eine zeitliche<br />
geworden. Allerdings, selbst wenn unsere Blickrichtung<br />
vorwiegend in die Zukunft gerichtet ist, wie viel schleppen<br />
wir denn eigentlich mit aus frühen Perioden der<br />
mensch heitsgeschichte? die nach wie vor zutreffende<br />
männ liche dominanz unserer Gesellschaft <strong>als</strong> Relikt aus<br />
der frühen Bronzezeit? die sumerische Zeiteinteilung ei -<br />
nes Tages in 24 Stunden? ein Alphabet, das vermutlich<br />
aus altsinaitischen Piktogrammen entstanden ist? es ge -<br />
nügt einfach nicht, sich ausschließlich hinter einer lüc ken -<br />
losen Geschichtsschreibung seit der französischen Revo -<br />
lu tion zu verstecken, um „Aufklärung“ <strong>als</strong> Rückgrat<br />
unseres kulturellen Backgrounds zu bezeichnen. Um die<br />
Frage „Von wo kommen Sie denn“, wenigstens ansatzwei se<br />
zu beantworten. Um uns selbst gerecht zu werden.<br />
So, und was sage ich nun wirklich jenem netten, älteren<br />
mann, der mich neugierig im Bus in new York an spricht?<br />
Vielleicht am besten doch, ich komme aus <strong>Wien</strong>, auch<br />
wenn ich dafür riskiere, in der Folge nur Klischees zu hö -<br />
ren. eigentlich sollte ich sagen, von nirgendwo und von<br />
Überall, so wie diese Kolumne heißt, das wäre zumindest<br />
ehrlich, aber vermutlich viel zu schwer zu erklären,<br />
egal welche Sprache ich auch benützen würde.<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 45
JUDENTUM<br />
1. Siwan (14. <strong>Mai</strong>)<br />
• Am 150. Tag nach Beginn der Sintflut, vor 4115<br />
Jah ren, hörte es auf zu regnen und der Wasser -<br />
pegel be gann sich zu senken - dem Kommentar<br />
von Ra schi zu Folge alle 4 Tage eine Amoh, das<br />
heisst (ent sprechend der unterschiedlichen Mei -<br />
nungen be züg lich der exakten Länge dieser halachischen<br />
Län geneinheit in Zentimetern) zwischen<br />
12 und 14,4 cm pro Tag.<br />
• Die sich in eine Burg geflüchteten Juden der Stadt<br />
Worms wurden an diesem Tag vor 914 Jahren<br />
wäh rend des Morgengebets von Kreuzfahrern<br />
niedergemetzelt.<br />
6. Siwan (19. <strong>Mai</strong>)<br />
• Am 50. Tag nach Pessach findet der erste Tag des<br />
Wochenfestes (Schawuot) statt. An diesem Jom -<br />
Tow feiern wir die Offenbarung der Torah am Berg<br />
Sinai - 7 Wochen nach dem Auszug aus Ägypten.<br />
Um die Anforderung zu erfüllen wirklich 49 volle<br />
Ta ge seit Pessach zu zählen, betet man das<br />
Abendgebet an diesem Feiertag (im Gegensatz<br />
zu Schabbat und allen anderen Feiertagen) erst<br />
wenn es tatsächlich Nacht geworden ist (in <strong>Wien</strong><br />
21:29h) und kann früher auch nicht Kiddusch<br />
ma chen. Es ist Tradition an diesem Feiertag (wieder<br />
im Gegensatz zu Schabbat und allen anderen<br />
Feiertagen) mindestens eine milchige Mahlzeit<br />
einzunehmen. Ausserdem befolgen viele den<br />
Brauch die erste Nacht von Schawuot nicht zu<br />
schlafen, sondern die ganze Nacht bis zum Mor -<br />
gengebet mit Torah Lernen zu verbringen. (Auch<br />
bei uns ging es die ganze Nacht rund, und jeder der<br />
Interesse hatte an den Schiurim und dem gemeinsamen<br />
Lernen war herzlich willkommen - für ausreichend<br />
Topfentorte und Kaffee war gesorgt.)<br />
• Jahrzeit von Rabbi Jisroel ben Elieser besser<br />
bekannt <strong>als</strong> der Baal Schem Tow (oder BeSch“T),<br />
der vor 250 Jahren verstarb. Der BeSch“T wurde<br />
im Jahre 1698 in dem (heute) ukrainischen Dorf<br />
Okopy geboren. Mit dem Titel Baal Schem - „Meis -<br />
ter des Namen (G’ttes)“ - wurden früher einige<br />
be sonders in der Mystik herausragende Rabbi ner<br />
bezeichnet, wie Rabbi Elijohu von Chelm, Rabbi<br />
Elijohu von Worms, Rabbi Seckel Löb Mattes Worm -<br />
ser von Michelstadt, Rabbi Joel von Ropschitz<br />
undRabbi Chaim Schmuel Jakow Falk von London.<br />
Der Baal Schem Tow gilt <strong>als</strong> Gründer eines spezifisch<br />
ost-europäischen Chassidismus – dessen<br />
An hänger man heute allgemein <strong>als</strong> „Chassidim“<br />
bezeichnet. (Nicht zu verwechseln mit den deutschen<br />
Chassidej Aschkenas des 12. und 13. Jahr -<br />
hunderts um Rabbi Jehudo HaChossid aus Re gens -<br />
burg, Rabbi Jitzchok (der „Or Sorua“) aus <strong>Wien</strong><br />
und Rabbi Elosor (der „Rokeach“) aus Worms,<br />
de ren Anhänger und Nachkommen sich nicht<br />
Chassidim sondern Benei Aschkenas nennen, und<br />
von ost-europäischen Juden seit dem späten 19.<br />
Jhd., in Anspielung auf ihre modernen kurzen<br />
Siwan 5770<br />
(13. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong>)<br />
Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />
Der Monat Siwan ist der dritte Monat des religiösen jüdischen Jahres (bzw. der neunte Monat<br />
des zivilen jüdischen Kalenders, der mit Rosch HaSchannah beginnt) hat immer 30 Tage.<br />
Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />
Jac kets – während die polnischen und russischen<br />
Juden lange Röcke und Kaftane trugen – bis heu -<br />
te Jeckes genannt werden. Der ost-europäische<br />
Chas sidismus unterschied sich ur sprüng lich von<br />
allen anderen Frömmigkeits bewe gun gen seiner<br />
Zeit vor allem durch das Ideal des fröhlichen<br />
und frommen, wenn auch einfachen und nicht<br />
unbedingt gelehrten Juden, in dessen Leben der<br />
Rebbe (der einer Dynastie entstammt und nicht<br />
unbedingt ein Rabbiner ist), <strong>als</strong> spiri tu eller Füh -<br />
rer eine zentrale Rolle spielt. Insbeson dere die<br />
vorsätzliche Vernachlässigung des bis dahin allgemein<br />
<strong>als</strong> höch stes jüdisches Ideal betrachtete<br />
Limud HaTorah (Gelehrsamkeit in Talmud und<br />
Torah) rief eine laut starke Gegner schaft unter<br />
den polnischen Rab binern hervor, unter anderen<br />
Rabbi Elijohu, dem berühmten Gaon von Vilna,<br />
deren Anhänger daher, bis heu te, Misnagdim<br />
(„Geg ner“) genannt werden. Heut zutage hat die -<br />
se „Gegnerschaft“ ihre Brisanz weitgehend verloren,<br />
da mittlerweile auch in den chassidischen<br />
Gemeinden das Lernen von Tal mud und Torah<br />
wieder eine herausragende Be deu tung geniesst.<br />
7. Siwan (20. <strong>Mai</strong>)<br />
• Zweiter Tag von Schawuot, beginnend am Abend<br />
des 19. <strong>Mai</strong>. Abendgebet und Kiddusch kann (in<br />
<strong>Wien</strong>) ab 21:30h gesagt werden.<br />
13. Siwan (26. <strong>Mai</strong>)<br />
• An diesem Tag vor 362 Jahren fanden die be -<br />
rüch tigten Chmelnytsky Massaker statt, <strong>als</strong> im<br />
Zu ge des Aufstands der Kossaken und der Tar -<br />
ta ren, unter der Führung von Hetman Bohdan<br />
Chmelnytsky, der in der Unabhänigkeit der Ukra -<br />
ine vom Polnisch-Lithauischen Reich endete,<br />
große Teile der jüdischen Bevölkerung der Re -<br />
gion getötet wurden. Die Angaben bezüglich der<br />
zu beklagenden Opfer variieren je nach Schät -<br />
zung der jüdischen Gesamtbevölkerung zwischen<br />
50.000-100.000 Toten. In jedem Fall wa -<br />
ren die Verluste beträchtlich, und daher wird dieser<br />
Tag in der Tradition vieler polnischer Juden <strong>als</strong><br />
Tanis Tsibbur („allgemeiner Fasttag“) begangen.<br />
17. Siwan (30. <strong>Mai</strong>)<br />
• 17 Tage nachdem der Regen der Sintflut aufgehört<br />
hatte und die Wassermassen täglich zurückgingen,<br />
lief die Arche Noachs auf Grund – am Gipf -<br />
el des 5137 Meter hohen Berges Ararat, in Ost -<br />
ana tolien in der heutigen Türkei (siehe 1. Siwan).<br />
20. Siwan (2. Juni)<br />
• An diesem Tag vor 839 Jahren wurden 40 jüdische<br />
Frauen und Männer der Gemeinde in Blois<br />
(Frankreich) aufgrund einer Ritualmordlüge<br />
zum Tode verurteilt und bei lebendigem Leibe<br />
ver brannt. In der west-aschkenasischen Tradi ti -<br />
on wird dieser Tag <strong>als</strong> Tanis Tsibbur („allgemeiner<br />
Fast tag“) begangen. (siehe Schailos & Tschuwos)<br />
Schailos &Tschuwos<br />
ausgewählte halachische<br />
Fragen, beantwortet<br />
von Gemeinderabbiner<br />
Schlomo Hofmeister<br />
AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />
FRAGe:<br />
Was genau ist eine Ritualmord Beschul -<br />
digung?<br />
AnTWORT:<br />
Ritualmord Beschuldigungen dienten<br />
vor allem seit dem mittelalter immer<br />
wieder zum Vorwand Pogrome und<br />
Judenverfolgungen zu rechtfertigen.<br />
die letzte Ritualmord Anklage in<br />
europa fand im Jahre 1911 statt. da es<br />
selbstverständlich im Judentum so et -<br />
was wie Ritualmord nicht gibt, ist es<br />
richtiger von Ritualmord Lüge zu<br />
spre chen. die Anschuldigung, Juden<br />
benutzten das Blut von christlichen<br />
Kindern um mazzot für Pessach zu<br />
backen, gehört zu den wohl noto risch -<br />
sten Ausformungen des theologischen<br />
Antisemitismus, der im europäischen<br />
mittelalter zur Tötung, Plünderung<br />
und Vertreibung unzähliger jüdischer<br />
Gemeinden führte und auch heute<br />
noch in ähnlicher Weise in den arabi -<br />
schen medien, vor allem in syrischen<br />
und ägyptischen Tageszeitungen, um<br />
die Pessach-Zeit, zu Propaganda<br />
Zwecken verbreitet wird, um „vor<br />
Kontakt mit israelis zu warnen“.<br />
die erste derartige Anschuldigung<br />
wurde 1144 im englischen norwich<br />
vorgebracht und in den folgenden<br />
Jah ren in anderen englischen Städten<br />
wiederholt. im Jahre 1171 kam es zur<br />
ersten französischen Ritualmord Lü -<br />
ge in der Stadt Blois, in der nähe von<br />
Orleans, in deren Folge die 40 Juden<br />
der Stadt, darunter männer, Frauen<br />
und Kinder, auf brutale Art und Wei -<br />
se getötet wurden. die details dieser<br />
Vorgänge sind uns durch die Schrif ten<br />
des Talmud Gelehrten Rabbi Ephraim<br />
ben Jakow von Bonn bekannt, der zu<br />
den Tosafisten zählt, deren Kommen -<br />
ta re (genannt Tosfos) eingang in die<br />
Standard Ausgabe des Babylonischen<br />
Talmuds gefunden haben. Rabbi<br />
ephraim wurde 1132 geboren und war<br />
zu seinen Lebzeiten auch Augen zeu -<br />
ge der Plünderungen und massaker<br />
der Kreuzfahrer, bei denen tausende<br />
46 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770
JUDENTUM<br />
unschuldige Juden getötet wurden.<br />
er schrieb sowohl liturgische Gedich -<br />
te (Pijutim und Kinos) <strong>als</strong> auch er eig -<br />
nisberichte über die von ihm be zeug -<br />
ten Tragödien. das Folgende ist ein<br />
Auszug aus seinem historischen Werk,<br />
in welchem er von den Ge scheh nis sen<br />
in Blois erzählt:<br />
„es geschah im Jahr 4931 (der jüdischen<br />
Zeitrechnung). dam<strong>als</strong> lebten<br />
in Blois ungefähr 40 Juden. einer von<br />
ih nen, Jitzchok ben elieser, ritt eines<br />
don nerstags Abend, kurz vor Pessach,<br />
zum Fluss (die Loire), <strong>als</strong> zur gleichen<br />
Zeit ein Stallknecht ebenfalls zum<br />
Wasser kam um das Pferd seines Herrn<br />
zu tränken. (...) das Pferd erschreckte<br />
sich vor etwas und scheute, und verweigerte<br />
sich dem Wasser zu nähern.<br />
daraufhin eilte der christliche Knecht,<br />
der ein einfacher Bauer war, und oft<br />
vom Priester in der Kirche gehört hat -<br />
te, dass Juden das Blut von Christen<br />
für ihre Pessach mazzot und Wein be -<br />
nützten, zurück zu seinem Herrn und<br />
sagte: Höret, mein Herr, was dieser Jude<br />
getan hat: Ich ritt hinter ihm her zum Fluss<br />
um Euer Pferd zu tränken. Da sah ich wie<br />
der Jude ein kleines christliches Kind, das<br />
er getötet hatte, ins Wasser warf. Als ich<br />
dies sah bekam ich schreckliche Angst er<br />
könnte auch mich töten und eilte zurück<br />
zu Euch. Sogar das Pferd erschreckte sich<br />
so sehr vom Spritzen des Wassers, <strong>als</strong> er<br />
das Kind hinein warf, dass es sich wei gerte<br />
zu trinken! der Knecht wusste, dass<br />
sich sein Herr, der einen persönlichen<br />
Konflikt mit einer bestimmten, einflussreichen<br />
Jüdin der Stadt hatte,<br />
über jedes Unglück der Juden freuen<br />
würde. er hatte sich nicht geirrt, denn<br />
sein Herr sagte: Endlich bekomme ich<br />
meine Rache gegen diese Frau und die<br />
an deren Juden. Am nächsten morgen<br />
ritt der Herr zum Fürsten der Stadt,<br />
Theobald, dem Sohn von Theobald,<br />
dem Grafen von Blois. (...) er war über<br />
diese Anschuldigung derart erzürnt,<br />
dass er alle Juden von Blois verhaften<br />
und in Ketten gelegt ins Gefängnis<br />
werfen liess – (ironischer Weise) mit<br />
Ausnahme gerade jener einflussrei -<br />
chen jüdischen Frau, da sie der Graf<br />
wegen ihrer Weisheit und Schönheit<br />
verehrte. Sie hatte sich bei ihm in der<br />
Vergangenheit des Öfteren für die Ju -<br />
den von Blois eingesetzt. Aber jetzt gab<br />
die Frau des Grafen (die Tochter des<br />
französischen Königs Ludwig Vii.)<br />
den Bediensteten die strikte Anwei -<br />
sung ihr keinen Zugang zu ihrem ehe -<br />
mann zu geben um mit ihm zu spre -<br />
chen, aus Angst sie könnte seine mei -<br />
nung bezüglich der Juden ändern. Bis<br />
auf die Aussagen des Stallknechtes,<br />
gab es keinerlei Beweise gegen die<br />
Juden und der Graf war bereit über<br />
de ren Freilassung für ein hohes<br />
Lösegeld zu verhandeln. er sandte<br />
einen Juden in die benachbarten jü -<br />
dischen Gemeinden um sich zu er -<br />
kun digen, wie viel diese bereit wären<br />
für die Freilassung ihrer Glaubens -<br />
brü der zu zahlen. Vertreter der um lie -<br />
genden Gemeinden kamen, um sich<br />
mit den Gefangenen zu beraten, die<br />
sie bedrängten, keinesfalls mehr <strong>als</strong><br />
100 Pfund Lösegeld (...) für ihr Leben<br />
zu zahlen, damit die Christen nicht,<br />
in Aussicht auf Lösegeld, mehr Juden<br />
in Geiselhaft nehmen. Jedoch führten<br />
diese Verhandlungen zu keinem er -<br />
geb nis, da sich der Bischof einmischte<br />
und darauf bestand, dass die Juden<br />
hin gerichtet werden müssten (...) und<br />
die Juden wurden verurteilt bei le ben -<br />
digem Leibe verbrannt zu werden.<br />
Auf Befehl des bösen Fürsten wurden<br />
sie in ein Holzhaus gebracht, um welches<br />
Reisig und Brennholz aufgehäuft<br />
worden war. Bevor sie dort eingesperrt<br />
wurden, bat man ihnen an:<br />
Ihr könnt Euer Leben retten wenn Ihr<br />
Eure Religion verlasst und unsere an -<br />
nehmt! die Juden weigerten sich (...)<br />
und sprachen sich gegenseitig mut zu,<br />
standhaft zu bleiben und Al Kiddusch<br />
HaSchem (den märtyrertod wegen<br />
ihres Judentums) zu sterben.“<br />
dieses schreckliche ereignis fand an<br />
einem mittwoch, den 20. Siwan, im<br />
Jahre 4931 (26. mai 1171) statt. Unter<br />
den Opfern dieser Ritualmord Lüge<br />
waren auch die beiden frommen To -<br />
rah Gelehrten Rabbi Jechiel und Rab -<br />
bi Jekutiel, Schüler von Rabbeinu Ja kow<br />
©Israelimages, Israel Talby<br />
Tam, dem enkelsohn von Raschi, und<br />
an erkannt größten rabbinischen Ge -<br />
lehr ten seiner Zeit, durch den die ein -<br />
zelheiten dieses tragischen Vorfalls<br />
be kannt gemacht wurden. in seinem<br />
Brief wird auch davon berichtet, dass<br />
die in dem brennenden Holzhaus ein -<br />
ge sperrten Juden, zur Verwunderung<br />
ihrer christlichen Peiniger und mör der,<br />
ein Lied sangen. es ist uns bekannt: sie<br />
sangen das Gebet Oleinu Leschabeach<br />
in dem alten aschkenasischen Nigun<br />
(melodie), in seiner unzensierten Ori -<br />
ginalversion: „An uns ist es, den<br />
Herrn des Alls zu preisen, zu huldigen<br />
den Schöpfer des Anbeginns, dass<br />
er uns nicht erschaffen hat gleich den<br />
anderen Völkern der Länder, uns<br />
nicht hat werden lassen wie die Völ -<br />
ker familien der erde, (...) denn diese<br />
verbeugen sich vor heißer Luft und<br />
Lee re und beten zu einem Gott, der ih -<br />
nen keine erlösung bringen kann. (...) “<br />
Lange Zeit durften die verbrannten<br />
Überreste dieser 40 Juden von niemandem<br />
bestattet werden, und blieben<br />
am Fusse des Hügels liegen, dort<br />
wo sie in den Flammen umgekommen<br />
waren.<br />
Wie von Rabbeinu Tam in Briefen an<br />
die jüdischen Gemeinden in Frank -<br />
reich, england und deutschland be -<br />
stätigt wird, wurde dieses ereignis<br />
zum Anlass genommen, den 20. Si wan<br />
<strong>als</strong> Fasttag festzulegen, der bis heute<br />
von traditionellen Benei Aschkenas<br />
(siehe oben: 6. Siwan) beachtet wird,<br />
um dieser und ähnlicher Greueltaten<br />
an unseren Vorfahren zu gedenken.<br />
(Rabbenu Tam starb weniger <strong>als</strong> drei<br />
Wochen nach dem martyrium der<br />
Juden von Blois.)<br />
Schawuot<br />
mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770 47