Mai 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde Wien
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JUDENTUM<br />
1. Siwan (14. <strong>Mai</strong>)<br />
• Am 150. Tag nach Beginn der Sintflut, vor 4115<br />
Jah ren, hörte es auf zu regnen und der Wasser -<br />
pegel be gann sich zu senken - dem Kommentar<br />
von Ra schi zu Folge alle 4 Tage eine Amoh, das<br />
heisst (ent sprechend der unterschiedlichen Mei -<br />
nungen be züg lich der exakten Länge dieser halachischen<br />
Län geneinheit in Zentimetern) zwischen<br />
12 und 14,4 cm pro Tag.<br />
• Die sich in eine Burg geflüchteten Juden der Stadt<br />
Worms wurden an diesem Tag vor 914 Jahren<br />
wäh rend des Morgengebets von Kreuzfahrern<br />
niedergemetzelt.<br />
6. Siwan (19. <strong>Mai</strong>)<br />
• Am 50. Tag nach Pessach findet der erste Tag des<br />
Wochenfestes (Schawuot) statt. An diesem Jom -<br />
Tow feiern wir die Offenbarung der Torah am Berg<br />
Sinai - 7 Wochen nach dem Auszug aus Ägypten.<br />
Um die Anforderung zu erfüllen wirklich 49 volle<br />
Ta ge seit Pessach zu zählen, betet man das<br />
Abendgebet an diesem Feiertag (im Gegensatz<br />
zu Schabbat und allen anderen Feiertagen) erst<br />
wenn es tatsächlich Nacht geworden ist (in <strong>Wien</strong><br />
21:29h) und kann früher auch nicht Kiddusch<br />
ma chen. Es ist Tradition an diesem Feiertag (wieder<br />
im Gegensatz zu Schabbat und allen anderen<br />
Feiertagen) mindestens eine milchige Mahlzeit<br />
einzunehmen. Ausserdem befolgen viele den<br />
Brauch die erste Nacht von Schawuot nicht zu<br />
schlafen, sondern die ganze Nacht bis zum Mor -<br />
gengebet mit Torah Lernen zu verbringen. (Auch<br />
bei uns ging es die ganze Nacht rund, und jeder der<br />
Interesse hatte an den Schiurim und dem gemeinsamen<br />
Lernen war herzlich willkommen - für ausreichend<br />
Topfentorte und Kaffee war gesorgt.)<br />
• Jahrzeit von Rabbi Jisroel ben Elieser besser<br />
bekannt <strong>als</strong> der Baal Schem Tow (oder BeSch“T),<br />
der vor 250 Jahren verstarb. Der BeSch“T wurde<br />
im Jahre 1698 in dem (heute) ukrainischen Dorf<br />
Okopy geboren. Mit dem Titel Baal Schem - „Meis -<br />
ter des Namen (G’ttes)“ - wurden früher einige<br />
be sonders in der Mystik herausragende Rabbi ner<br />
bezeichnet, wie Rabbi Elijohu von Chelm, Rabbi<br />
Elijohu von Worms, Rabbi Seckel Löb Mattes Worm -<br />
ser von Michelstadt, Rabbi Joel von Ropschitz<br />
undRabbi Chaim Schmuel Jakow Falk von London.<br />
Der Baal Schem Tow gilt <strong>als</strong> Gründer eines spezifisch<br />
ost-europäischen Chassidismus – dessen<br />
An hänger man heute allgemein <strong>als</strong> „Chassidim“<br />
bezeichnet. (Nicht zu verwechseln mit den deutschen<br />
Chassidej Aschkenas des 12. und 13. Jahr -<br />
hunderts um Rabbi Jehudo HaChossid aus Re gens -<br />
burg, Rabbi Jitzchok (der „Or Sorua“) aus <strong>Wien</strong><br />
und Rabbi Elosor (der „Rokeach“) aus Worms,<br />
de ren Anhänger und Nachkommen sich nicht<br />
Chassidim sondern Benei Aschkenas nennen, und<br />
von ost-europäischen Juden seit dem späten 19.<br />
Jhd., in Anspielung auf ihre modernen kurzen<br />
Siwan 5770<br />
(13. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong>)<br />
Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />
Der Monat Siwan ist der dritte Monat des religiösen jüdischen Jahres (bzw. der neunte Monat<br />
des zivilen jüdischen Kalenders, der mit Rosch HaSchannah beginnt) hat immer 30 Tage.<br />
Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />
Jac kets – während die polnischen und russischen<br />
Juden lange Röcke und Kaftane trugen – bis heu -<br />
te Jeckes genannt werden. Der ost-europäische<br />
Chas sidismus unterschied sich ur sprüng lich von<br />
allen anderen Frömmigkeits bewe gun gen seiner<br />
Zeit vor allem durch das Ideal des fröhlichen<br />
und frommen, wenn auch einfachen und nicht<br />
unbedingt gelehrten Juden, in dessen Leben der<br />
Rebbe (der einer Dynastie entstammt und nicht<br />
unbedingt ein Rabbiner ist), <strong>als</strong> spiri tu eller Füh -<br />
rer eine zentrale Rolle spielt. Insbeson dere die<br />
vorsätzliche Vernachlässigung des bis dahin allgemein<br />
<strong>als</strong> höch stes jüdisches Ideal betrachtete<br />
Limud HaTorah (Gelehrsamkeit in Talmud und<br />
Torah) rief eine laut starke Gegner schaft unter<br />
den polnischen Rab binern hervor, unter anderen<br />
Rabbi Elijohu, dem berühmten Gaon von Vilna,<br />
deren Anhänger daher, bis heu te, Misnagdim<br />
(„Geg ner“) genannt werden. Heut zutage hat die -<br />
se „Gegnerschaft“ ihre Brisanz weitgehend verloren,<br />
da mittlerweile auch in den chassidischen<br />
Gemeinden das Lernen von Tal mud und Torah<br />
wieder eine herausragende Be deu tung geniesst.<br />
7. Siwan (20. <strong>Mai</strong>)<br />
• Zweiter Tag von Schawuot, beginnend am Abend<br />
des 19. <strong>Mai</strong>. Abendgebet und Kiddusch kann (in<br />
<strong>Wien</strong>) ab 21:30h gesagt werden.<br />
13. Siwan (26. <strong>Mai</strong>)<br />
• An diesem Tag vor 362 Jahren fanden die be -<br />
rüch tigten Chmelnytsky Massaker statt, <strong>als</strong> im<br />
Zu ge des Aufstands der Kossaken und der Tar -<br />
ta ren, unter der Führung von Hetman Bohdan<br />
Chmelnytsky, der in der Unabhänigkeit der Ukra -<br />
ine vom Polnisch-Lithauischen Reich endete,<br />
große Teile der jüdischen Bevölkerung der Re -<br />
gion getötet wurden. Die Angaben bezüglich der<br />
zu beklagenden Opfer variieren je nach Schät -<br />
zung der jüdischen Gesamtbevölkerung zwischen<br />
50.000-100.000 Toten. In jedem Fall wa -<br />
ren die Verluste beträchtlich, und daher wird dieser<br />
Tag in der Tradition vieler polnischer Juden <strong>als</strong><br />
Tanis Tsibbur („allgemeiner Fasttag“) begangen.<br />
17. Siwan (30. <strong>Mai</strong>)<br />
• 17 Tage nachdem der Regen der Sintflut aufgehört<br />
hatte und die Wassermassen täglich zurückgingen,<br />
lief die Arche Noachs auf Grund – am Gipf -<br />
el des 5137 Meter hohen Berges Ararat, in Ost -<br />
ana tolien in der heutigen Türkei (siehe 1. Siwan).<br />
20. Siwan (2. Juni)<br />
• An diesem Tag vor 839 Jahren wurden 40 jüdische<br />
Frauen und Männer der Gemeinde in Blois<br />
(Frankreich) aufgrund einer Ritualmordlüge<br />
zum Tode verurteilt und bei lebendigem Leibe<br />
ver brannt. In der west-aschkenasischen Tradi ti -<br />
on wird dieser Tag <strong>als</strong> Tanis Tsibbur („allgemeiner<br />
Fast tag“) begangen. (siehe Schailos & Tschuwos)<br />
Schailos &Tschuwos<br />
ausgewählte halachische<br />
Fragen, beantwortet<br />
von Gemeinderabbiner<br />
Schlomo Hofmeister<br />
AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />
FRAGe:<br />
Was genau ist eine Ritualmord Beschul -<br />
digung?<br />
AnTWORT:<br />
Ritualmord Beschuldigungen dienten<br />
vor allem seit dem mittelalter immer<br />
wieder zum Vorwand Pogrome und<br />
Judenverfolgungen zu rechtfertigen.<br />
die letzte Ritualmord Anklage in<br />
europa fand im Jahre 1911 statt. da es<br />
selbstverständlich im Judentum so et -<br />
was wie Ritualmord nicht gibt, ist es<br />
richtiger von Ritualmord Lüge zu<br />
spre chen. die Anschuldigung, Juden<br />
benutzten das Blut von christlichen<br />
Kindern um mazzot für Pessach zu<br />
backen, gehört zu den wohl noto risch -<br />
sten Ausformungen des theologischen<br />
Antisemitismus, der im europäischen<br />
mittelalter zur Tötung, Plünderung<br />
und Vertreibung unzähliger jüdischer<br />
Gemeinden führte und auch heute<br />
noch in ähnlicher Weise in den arabi -<br />
schen medien, vor allem in syrischen<br />
und ägyptischen Tageszeitungen, um<br />
die Pessach-Zeit, zu Propaganda<br />
Zwecken verbreitet wird, um „vor<br />
Kontakt mit israelis zu warnen“.<br />
die erste derartige Anschuldigung<br />
wurde 1144 im englischen norwich<br />
vorgebracht und in den folgenden<br />
Jah ren in anderen englischen Städten<br />
wiederholt. im Jahre 1171 kam es zur<br />
ersten französischen Ritualmord Lü -<br />
ge in der Stadt Blois, in der nähe von<br />
Orleans, in deren Folge die 40 Juden<br />
der Stadt, darunter männer, Frauen<br />
und Kinder, auf brutale Art und Wei -<br />
se getötet wurden. die details dieser<br />
Vorgänge sind uns durch die Schrif ten<br />
des Talmud Gelehrten Rabbi Ephraim<br />
ben Jakow von Bonn bekannt, der zu<br />
den Tosafisten zählt, deren Kommen -<br />
ta re (genannt Tosfos) eingang in die<br />
Standard Ausgabe des Babylonischen<br />
Talmuds gefunden haben. Rabbi<br />
ephraim wurde 1132 geboren und war<br />
zu seinen Lebzeiten auch Augen zeu -<br />
ge der Plünderungen und massaker<br />
der Kreuzfahrer, bei denen tausende<br />
46 mai <strong>2010</strong> - ijar/Siwan 5770