Die ganze Fabrik im Simulationsmodell - Institut für Maschinelle ...
Die ganze Fabrik im Simulationsmodell - Institut für Maschinelle ...
Die ganze Fabrik im Simulationsmodell - Institut für Maschinelle ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Uwe Bracht, Clausthal, und Matthias Hagmann, München<br />
<strong>Die</strong> <strong>ganze</strong> <strong>Fabrik</strong> <strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulationsmodell<br />
- Ein neuer Ansatz hierarchischer Gesamtmodellierung<br />
Abstract:<br />
<strong>Die</strong> erhöhten Ansprüche an die Planung von Automobilproduktionen <strong>im</strong> turbulenten Umfeld<br />
erfordern eine effiziente projektbegleitende Unterstützung und eine durchgehende<br />
rechnergestützte Absicherung von Teilergebnissen der <strong>Fabrik</strong>- und Anlagenplanung.<br />
Das hier vorgestellte hierarchische Gesamtmodell einer <strong>Fabrik</strong> bzw. eines Werkes ist Teil des<br />
integrierten Ebenenkonzeptes, welches zum Ziel hat, die unterschiedlichen<br />
S<strong>im</strong>ulationsmodelle, die <strong>im</strong> Laufe eines umfangreichen Planungsprojektes von den<br />
verschiedenen Planungsteams erarbeitet werden ganzheitlich zu integrieren.<br />
Das hierarchische Gesamtmodell ermöglicht es frühzeitig bereichsübergreifende Fragen zu<br />
berücksichtigen und zu beantworten, wie z.B. die Produktionsstruktur eines Werkes<br />
hinsichtlich der dynamischen Atmungsfähigkeit zu beurteilen ist, wie die Verknüpfungen<br />
zwischen den Fertigungsbereichen zu d<strong>im</strong>ensionieren und Steuerstrategien zu bewerten sind.<br />
Grundlage für die Erstellung des Gesamtmodells ist eine Black-Box-Methodik, die das<br />
dynamische Verhalten der Produktionsbereiche hinreichend genau beschreibt.<br />
1. Einleitung<br />
Durch die erhöhten Anforderungen an die <strong>Fabrik</strong>planung bzgl. der Planungsflexibilität, des<br />
Planungszeitraums und der Planungsqualität ist es unumgänglich, eine durchgängige<br />
rechnergestützte Unterstützung und ganzheitliche Absicherung der Teilergebnisse<br />
durchzuführen. Insbesondere das dynamische Verhalten der Anlage ist zu berücksichtigen und<br />
zu verbessern. Als ein hierfür geeignetes Werkzeug hat sich die S<strong>im</strong>ulation in vielen<br />
Teilbereichen der Planung herausgestellt [1].<br />
<strong>Die</strong> detaillierte Materialfluß-S<strong>im</strong>ulation, die Produktions- und Logistiksysteme in ihrem<br />
dynamischen Verhalten bzgl. Funktionen, Störungen und Steuerungen abbildet, ist in der<br />
<strong>Fabrik</strong>- und Anlagenplanung fest etabliert. Der Nutzen der Materialfluß-S<strong>im</strong>ulation ist bei<br />
vielen Planern bekannt und wird hoch eingeschätzt [2,3,4].<br />
<strong>Die</strong> Akzeptanz der S<strong>im</strong>ulation auf der einen Seite und die stetig wachsenden Anforderungen<br />
an die <strong>Fabrik</strong>- und Anlagenplanung auf der anderen Seite führen dazu, daß der Einsatzbereich<br />
der S<strong>im</strong>ulation permanent zun<strong>im</strong>mt und daß stets weitergehende Fragestellungen an die<br />
S<strong>im</strong>ulation und die S<strong>im</strong>ulationsmodelle formuliert werden. So ist es mittlerweile fast üblich,<br />
daß bei komplexen Aufgabenstellungen die beteiligten Planungsteams ein jeweiliges<br />
S<strong>im</strong>ulationsmodell erstellen oder erstellen lassen, welches ihren ganz eigenen Fragestellungen<br />
genügt.<br />
Durch die häufig schnelle und differenzierte Aufgabenteilung zwischen den Projektteams bei<br />
der Neu- oder Umplanung einer <strong>ganze</strong>n <strong>Fabrik</strong>, gerät die Frage nach dem Zusammenspiel der<br />
Fertigungsbereiche und das daraus resultierende dynamische Verhalten des gesamten Werkes<br />
gerne in Vergessenheit. Gerade die Koordination der Fertigungsbereiche und die Planung von<br />
1
ereichsübergreifenden Systemelementen verlangt nach einem S<strong>im</strong>ulationsmodell, das das<br />
gesamte Werk als System abbildet. Um diesem Anspruch gerecht zu werden wurde eine<br />
Modellierungsmethode entwickelt, mit deren Hilfe ein hierarchisches Gesamtmodell des<br />
Werkes erstellt werden kann. Wichtig ist dabei die Offenheit der Modellierung bezüglich der<br />
Integration von Planungsergebnissen der einzelnen Projektteams.<br />
Durch die arbeitsteilige Vorgehensweise entstehen <strong>im</strong> Laufe eines komplexen<br />
Planungsprojektes so mehrere voneinander unabhängige S<strong>im</strong>ulationsmodelle, deren<br />
Abstraktionsgrad, Systemgrenzen und berücksichtigte Einflußgrößen den jeweils<br />
unterschiedlichen Fragen des Planungsbereichs entsprechen. Dem Planungsgrundsatz „vom<br />
Groben ins Feine“ (top-down) folgend [5], werden dann auch die Fragestellungen und somit<br />
auch die S<strong>im</strong>ulationsmodelle <strong>im</strong> Laufe des Projektverlaufs wechseln. Im Allgemeinen wird<br />
ein möglicher horizontaler oder vertikaler Zusammenhang zwischen den S<strong>im</strong>ulationsmodellen<br />
nicht genutzt, und jedes Planungsteam hinterlegt seinem Modell eigene Daten und Annahmen.<br />
<strong>Die</strong>s führt nicht selten zu unterschiedlichen Annahmen und Randbedingungen bzw. zu<br />
Datenredundanzen und somit auch leicht zu Differenzen zwischen den Planungsteams. Hinzu<br />
kommt, daß in den Modellen aufgrund mangelnder Kenntnis teilweise vereinfachte<br />
Annahmen getroffen werden, welche in anderen Modellen exakt ermittelbar wären.<br />
Aus diesen Gründen liegt in der Integration unterschiedlicher S<strong>im</strong>ulationsmodelle ein nicht zu<br />
unterschätzendes Synergiepotential. <strong>Die</strong> S<strong>im</strong>ulationsmodelle und deren Abst<strong>im</strong>mung haben<br />
sich bereits als ein wertvolles Kommunikationsmittel zwischen den Fertigungsbereichen<br />
bestätigt.<br />
Um strategische Nutzeffekte der S<strong>im</strong>ulation in der <strong>Fabrik</strong>- und Anlagenplanung systematisch<br />
zu verstärken und zu konzentrieren wurde jetzt ein integriertes Ebenenkonzept entwickelt.<br />
Das hierarchische Gesamtmodell, das ein gesamtes Werk abbildet, ist Teil des integrierten<br />
Ebenenkonzeptes.<br />
2. Das integrierte Ebenenkonzept der <strong>Fabrik</strong>s<strong>im</strong>ulation<br />
Das integrierte Ebenenkonzept der <strong>Fabrik</strong>s<strong>im</strong>ulation beinhaltet die in Bild 1 beschriebenen<br />
Betrachtungsebenen. Jeder Betrachtungsebene kommt <strong>im</strong> Planungsprozeß eine eigene<br />
Bedeutung zu. Keine der aufgezeigten Betrachtungsebenen steht für sich alleine, sondern<br />
bezieht Input-Parameter aus den über- bzw. unterlagerten S<strong>im</strong>ulationsmodellen.<br />
Das integrierte Ebenenkonzept koordiniert und integriert die beteiligten S<strong>im</strong>ulationsmodelle<br />
durch die zentrale Verwaltung der Daten, welche von mehreren Modellen benötigt werden.<br />
Ferner koordiniert das integrierte Ebenenkonzept die Ergebnisgrößen, die wiederum für<br />
andere S<strong>im</strong>ulationsmodelle Eingangsgrößen darstellen.<br />
2
Konzern:<br />
Konzernstrategie, Werkeverbund<br />
HRL<br />
HRL<br />
FS<br />
Werk:<br />
Zusammenwirken der Fertigungsund<br />
Montagebereiche<br />
Rohbau<br />
Lack<br />
Montage<br />
Produktionsbereich:<br />
Fertigungsabläufe und<br />
Materialfluß<br />
<strong>Die</strong> Fragestellung<br />
best<strong>im</strong>mt den<br />
Abstraktionsgrad des Modells<br />
<strong>Die</strong> Synergie-Effekte<br />
liegen in der Integration<br />
der Modell-Ebenen<br />
Anlage:<br />
Funktions- und<br />
Kollisions-Betrachtungen<br />
Bild 1: Das integrierte Ebenenkonzept der <strong>Fabrik</strong>s<strong>im</strong>ulation<br />
Komponente:<br />
Einzelprozeß<br />
Den Zusammenhang der Parameter zeigt das Beispiel einer Bearbeitungsstation, welche in der<br />
3-D-S<strong>im</strong>ulation sehr exakt durch die Geometrie und die Steuerung abgebildet werden kann.<br />
Neben Aussagen über Funktionen und möglichen Kollisionen können mit Hilfe dieser<br />
S<strong>im</strong>ulation auch Größen wie zum Beispiel Bearbeitungszeiten, Taktzeiten, Rüstzeiten und das<br />
Störverhalten der Anlage untersucht werden.<br />
<strong>Die</strong> selbe Bearbeitungsstation ist Teil der Materialfluß-S<strong>im</strong>ulation, die den Gesamtablauf des<br />
Fertigungsbereiches abbildet. In diesem Modell wird die Bearbeitungsstation nur noch<br />
vereinfacht dargestellt und durch charakteristische Zeiten beschrieben, die sich aus den o.a.<br />
Ergebnisgrößen der 3-D-S<strong>im</strong>ulation herleiten lassen.<br />
Somit werden aus diesen Ergebnisgrößen Eingangsgrößen für die Materialfluß-S<strong>im</strong>ulation des<br />
gesamten Produktionsbereiches.<br />
3. <strong>Die</strong> Abbildung des Werkes <strong>im</strong> hierarchischen Gesamtmodell<br />
Das hierarchische Gesamtmodell ist Teil des integrierten Ebenenkonzeptes und ermöglicht<br />
bereichsübergreifende Themen frühzeitig zu bearbeiten.<br />
Vor allem das dynamische Zusammenwirken der Produktionsbereiche (z.B. Rohbau, Lack,<br />
Montage) muß während des Planungsprojektes stets überprüft und abgest<strong>im</strong>mt werden. Mit<br />
fortschreitendem Projektverlauf n<strong>im</strong>mt die Kenntnis über die geplante <strong>Fabrik</strong>anlage stetig zu.<br />
<strong>Die</strong> weiterentwickelten Daten fließen in das Gesamtmodell mit ein und erhöhen stetig das<br />
dynamische Systemverständnis. Somit können fortlaufend Ergebnisse der einzelnen<br />
Planungsteams und ihre Auswirkungen auf das Gesamtsystem dargestellt und koordiniert<br />
werden. Zielkonflikte zwischen den Planungsteams, die früher erst bei der Realisierung<br />
sichtbar wurden, werden jetzt rechtzeitig identifiziert und ihre Auswirkungen werden<br />
aufgezeigt. Durch ein frühzeitig abgest<strong>im</strong>mtes und gemeinsam erarbeitetes Gesamtopt<strong>im</strong>um<br />
kann die Gesamtqualität erheblich erhöht werden.<br />
Wesentliche Aufgabenstellungen, die insbesondere mit dem Gesamtmodell bearbeitet werden<br />
können, lassen sich in drei Kategorien einteilen:<br />
3
Werksstruktur: Bereits in der Konzeptphase eines <strong>Fabrik</strong>planungsprojektes müssen Fragen<br />
bezüglich der Werksstruktur beantwortet werden, die das Gesamtverhalten der Anlage<br />
wesentlich best<strong>im</strong>men, wie z.B. die Art und die Anzahl der Montagelinien. Außerdem sind<br />
z.B. Ort, Art und Größe von Sortier- und Entkopplungsspeichern von weitreichender<br />
Bedeutung für das dynamische Verhalten der Gesamtanlage.<br />
Fertigungsabläufe / Steuerstrategien: Strategien zur Erreichung der Planungsziele wie zum<br />
Beispiel große Flexibilität, kurze Durchlaufzeiten und hohe Termintreue sind schon in einer<br />
sehr frühen Projektphase zu definieren und zu bewerten, da sie einen großen Einfluß auf die<br />
Ausplanung der Werksstrukturen haben. So führt z.B. eine Flexibilität, die durch<br />
unterschiedliche Arbeitszeitmodelle in den Fertigungsbereichen erzielt werden soll, zu<br />
entsprechenden Auswirkungen auf die Größe der Entkopplungspuffer.<br />
Ist-Analyse: In einem schon bestehenden Werk überlagern sich Effekte aus der<br />
Programmsteuerung, dem dynamischen Verhalten der Produktionsbereiche und aus dem<br />
Umfeld der Fertigung. Das Gesamtmodell hat sich hier bereits jetzt als ein wirkungsvolles<br />
Instrument erwiesen, diese Einflüsse zu untersuchen und zu quantifizieren, da Einzeleinflüsse<br />
<strong>im</strong> S<strong>im</strong>ulationsmodell z.B. beliebig zu- oder abgeschaltet werden können. Ebenso können<br />
grundsätzliche Programmänderungen für das bestehende Werk am Modell dargestellt und<br />
bewertet werden, ohne in den laufenden Betrieb eingreifen zu müssen.<br />
3.1. Der Modellaufbau<br />
Den prinzipiellen Aufbau eines Gesamtmodells am Beispiel eines Automobilwerkes zeigt<br />
Bild 2. <strong>Die</strong> Produktionsbereiche Rohbau, Lack und Montage werden dabei als Black Box<br />
modelliert.<br />
Aufbau des Modells auf der Werkeebene:<br />
Arbeitszeitmodell:<br />
Arbeitszeitmodell:<br />
Pausen,<br />
Pausen,<br />
Instandhaltung, ...<br />
Instandhaltung, ...<br />
FS<br />
Fertigungssteuerung:<br />
Fertigungssteuerung:<br />
HRL<br />
HRL<br />
Auftragsreihenfolge,<br />
Produktmix<br />
Rohbau<br />
Lack<br />
Montage<br />
Durchlaufzeiten,<br />
Verwirbelung<br />
Black<br />
Black<br />
Box:<br />
Box:<br />
DLZ-Verhalten,<br />
DLZ-Verhalten,<br />
Verwirbelung,<br />
Verwirbelung,<br />
Störverhalten,<br />
Störverhalten,<br />
Taktzeit,<br />
Taktzeit,<br />
...<br />
...<br />
Hochregallager:<br />
Hochregallager:<br />
Auslagerstrategie,<br />
Auslagerstrategie,<br />
Taktzeit,<br />
Taktzeit,<br />
Kapazität,<br />
Kapazität,<br />
...<br />
...<br />
Bild 2: Struktur des Gesamtmodells<br />
Grundvoraussetzung für diese Art der Modellierung ist die Fähigkeit, das dynamische<br />
Verhalten der Fertigungsbereiche in ausreichender Genauigkeit zu abstrahieren. Hierzu wurde<br />
die Black-Box-Methodik entwickelt, die die Systemgrößen der Black Box definiert und<br />
beschreibt.<br />
<strong>Die</strong> Förderwege zwischen den Produktionsbereichen und die Sortierspeicher werden<br />
detaillierter durch die Angabe von Taktzeiten, Störverhalten und Kapazität parametrisiert.<br />
Ebenso wird das Arbeitszeitmodell, welches für jeden Fertigungsbereich unterschiedlich sein<br />
kann, möglichst genau dargestellt.<br />
4
Besondere Beachtung gebührt der Fertigungssteuerung, die ebenfalls in detaillierter Form<br />
abzubilden ist. Zur Fertigungssteuerung zählt be<strong>im</strong> Gesamtmodell die Strategie der<br />
Auftragseinlastung, der Sortieralgorithmus für die Sortierspeicher sowie die Art und der Ort<br />
der Variantenbildung.<br />
<strong>Die</strong>se detailliert beschriebenen Elemente beinhalten die Stellparameter, die mit den<br />
Fragestellungen der Gesamts<strong>im</strong>ulation verbunden sind.<br />
3.2. <strong>Die</strong> Black-Box-Methodik<br />
Abstraktion bedeutet in der ereignisorientierten S<strong>im</strong>ulation stets eine Reduktion von<br />
Ereignissen und Zuständen [6]. Bei einer Black Box werden die gesamten Ereignisse und<br />
Zustände, die ein Werkstück in einem Fertigungsbereich durchläuft, auf das Eintritts- und<br />
Austrittsereignis bzw. auf den Eintritts- und Austrittszustand reduziert. Der Eintritts- bzw.<br />
Austrittszustand des Werkstückes kann aus dem Fertigungsprozeß abgeleitet werden und wird<br />
deswegen in den weiteren Betrachtungen vernachlässigt.<br />
Auf der Betrachtungsebene des Gesamtmodells ist ausschließlich das Übertragungsverhalten<br />
des Fertigungsbereiches zwischen Eintritt und Austritt eines Werkstückes von Interesse.<br />
<strong>Die</strong>ses Übertragungsverhalten läßt sich auch durch die Frage ausdrücken: Wann betritt und<br />
wann verläßt das Werkstück den Fertigungsbereich und wie verändert sich die Reihenfolge<br />
bezüglich der zeitlich benachbarten Aufträge.<br />
Von außen betrachtet läßt sich die Black Box durch das Eingangs- und Ausgangsverhalten<br />
beschreiben. Das Eingangsverhalten ist für die vorgelagerten Fertigungsbereiche von<br />
Bedeutung, das Ausgangsverhalten für die nachfolgenden. Ferner wird das<br />
Übertragungsverhalten für jedes einzelne Werkstück durch die Durchlaufzeit, die<br />
Verwirbelung bezüglich der Eingangssequenz und die Systembefüllung beschrieben. <strong>Die</strong><br />
Durchlaufzeit ist die Zeitdifferenz zwischen Eintritts- und Austrittsereignis. Dabei muß<br />
unterschieden werden, ob es sich um eine reine Arbeitszeit, die z.B. von Pausen bereinigt<br />
wurde, oder die reale Durchlaufzeit handelt. <strong>Die</strong> Verwirbelung beschreibt die relative<br />
Austrittsposition des Werkstückes bezüglich seiner Eintrittsposition zu den anderen<br />
Werkstücken. <strong>Die</strong> Systembefüllung gibt an, wieviele Werkstücke sich gleichzeitig in der<br />
Black Box befinden.<br />
Durch diese fünf Systemgrößen kann das dynamische Verhalten einer Black Box (Bild 3)<br />
hinreichend für die oben dargestellten Aufgabenstellungen beschrieben werden.<br />
5
Systembefüllung<br />
Verwirbelung<br />
Durchlaufzeit<br />
Eingangsverhalten<br />
Ausgangsverhalten<br />
Fertigungseinheit<br />
Black Box<br />
Bild 3: Beschreibungsgrößen der Black Box<br />
<strong>Die</strong> fünf Größen sind jedoch nicht unabhängig von einander; z.B. best<strong>im</strong>men Ein- und<br />
Ausgangsverhalten den Verlauf der Systembefüllung, die mittlere Durchlaufzeit wird von der<br />
mittleren Taktzeit und der mittleren Systembefüllung beschrieben, die Form der<br />
Durchlaufzeitverteilung wird durch die Verwirbelung beeinflußt.<br />
<strong>Die</strong> komplexe Abhängigkeit zwischen den Systemgrößen hat zur Folge, daß die Black Box<br />
mit der Angabe aller Größen überbest<strong>im</strong>mt ist. Je nach Art der Beschreibung reichen weniger<br />
Beschreibungsgrößen aus um die Black Box zu parametrisieren. So genügt die exakte<br />
Beschreibung der Zeitreihen der Durchlaufzeiten und der Eingangstakte. Ausgangstakte,<br />
Systembefüllung und Verwirbelung stellen sich danach selbst ein, da sie aus dem<br />
Eingangstakt und der Durchlaufzeit abgeleitet werden können.<br />
Neben der Beschreibung der Systemgrößen durch Zeitreihen können sie auch durch ihre<br />
statistische Verteilung angegeben werden. Den dadurch entstehenden Informationsverlust, <strong>im</strong><br />
Vergleich zu Zeitreihen, wird durch Angabe mehrerer Systemgrößen kompensiert. Mit der<br />
Umsetzung der Black-Box-Methodik auf einem S<strong>im</strong>ulator wird der generierte Baustein durch<br />
das Eingangs- und Ausgangsverhalten, der Systembefüllung und das Verwirbelungsverhalten<br />
beschrieben. Das Durchlaufzeitverhalten ist bei diesem Baustein eine Größe, welche sich<br />
selbst einstellt und somit zur Verifikation der hinterlegten Größen herangezogen werden kann.<br />
Das für sich betrachtete Verhalten eines Fertigungsbereiches kann wie oben dargestellt<br />
beschrieben werden. Allerdings ist dessen gesamte dynamische Verhalten von einer großen<br />
Anzahl äußerer Einflüsse abhängig, die auf die fünf Systemgrößen ebenfalls einen wichtigen<br />
Einfluß ausüben. Solche Einflüsse sind zum Beispiel der Auftragsmix, die Systemlast, die<br />
unterschiedlichen Arbeitsinhalte bei unterschiedlichen Werkstücktypen oder auch eine<br />
gestörte Ver- oder Entsorgung des Fertigungsbereichs.<br />
<strong>Die</strong> Auswirkung dieser Einflüsse auf die fünf Systemgrößen muß separat best<strong>im</strong>mt und<br />
beschrieben werden.<br />
<strong>Die</strong> hierarchische Gesamts<strong>im</strong>ulation wurde bisher für die Abbildung von Automobilwerken<br />
konzipiert. Solche Fertigungssysteme zeichnen sich in der Regel durch konstante<br />
Systemauslastung und stabilen Auftragsmix aus. Ferner sind die Produktionsbereiche<br />
ausreichend entkoppelt bzw. ist das Systemverhalten bei gestörter Ver- oder Entsorgung<br />
6
elativ einfach zu beschreiben. <strong>Die</strong> typspezifischen Arbeitsinhalte und die daraus resultierende<br />
typspezifische Durchlaufzeit muß jedoch auch bei dieser Art der Fertigung abgebildet werden.<br />
<strong>Die</strong> Beschreibung der oben dargestellten Systemgrößen erfolgt rein statistisch in Form von<br />
Histogrammen. <strong>Die</strong> Verfügbarkeit bzw. das Störverhalten ist in der Beschreibung des<br />
Eingangs- bzw. Ausgangsverhalten <strong>im</strong>plizit enthalten.<br />
3.3. Beschreibungsmöglichkeiten der Black Box<br />
Während des Projektverlaufs ändert und erweitert sich die Datenbasis für die Planung. Aus<br />
diesem Grund ist die Möglichkeit, die Black Boxes der Produktionsbereiche aus<br />
unterschiedlichen Datenbasen zu beschreiben, Voraussetzung für eine projektbegleitende<br />
Gesamts<strong>im</strong>ulation.<br />
S<strong>im</strong>ulationsergebnisse<br />
BDE-<br />
Daten<br />
FS<br />
Realdaten<br />
Plan- /<br />
Schätzdaten<br />
Rohbau<br />
HRL<br />
Lack<br />
HRL<br />
M ontage<br />
Gesamts<strong>im</strong>ulation<br />
Detail-<br />
S<strong>im</strong>ulation<br />
Bild 4: Jeweilige Eingangsdaten für das Gesamtmodell<br />
In der Definitionsphase des Projektes liegt noch keine genaue Systemkenntnis der einzelnen<br />
Produktionsbereiche vor. Es können jedoch aus den Vorgaben schon Beschreibungsgrößen<br />
abgeleitet oder abgeschätzt werden. <strong>Die</strong>se geschätzten Beschreibunsgrößen dienen zum<br />
Aufbau des Gesamtmodells. Existiert <strong>im</strong> Unternehmen schon eine ähnliche Anlage, die den<br />
Vorgaben und der Fertigungsstruktur der geplanten Anlage entspricht, so können in dieser<br />
Phase die gemessenen Real-Daten dieser Vergleichsanlage der Gesamts<strong>im</strong>ulation zugrunde<br />
gelegt werden unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Kapazitäten etc..<br />
Bei weiterem Planungsfortschritt werden von den Produktionsbereichen Detailmodelle<br />
erstellt, deren S<strong>im</strong>ulationsergebnisse dann den Black Boxes zugrunde gelegt werden. Somit ist<br />
gewährleistet, daß die vertiefte Systemkenntnis, welche aus den fortschreitenden Planungen<br />
resultiert, stets in das Makromodell integriert werden kann und die Ergebnissicherheit des<br />
Gesamtmodells stetig zun<strong>im</strong>mt (Bild 4).<br />
Nach der Realisierung und Inbetriebnahme der Gesamtanlage werden die S<strong>im</strong>ulationsmodelle<br />
mit der Realität verglichen. Für weitere Betrachtungen, zum Beispiel bei Änderungsplanungen<br />
oder Betriebsopt<strong>im</strong>ierungen, können von nun an die gemessenen Real-Daten des Werks dem<br />
Gesamtmodell zugrunde gelegt werden.<br />
7
4. Fazit und Nutzen<br />
Verschiedene Projekte <strong>im</strong> Bereich der <strong>Fabrik</strong>- und Anlagenplanung konnten bereits mit Hilfe<br />
dieses Ansatzes zur Gesamts<strong>im</strong>ulation erfolgreich unterstützt werden.<br />
Bei einigen Projekten wurden die Black Boxes durch Realdaten beschrieben, wodurch eine<br />
exaktere Validierung des Modells möglich wurde. Hierbei erwies sich die erreichte<br />
Abbildungs- und Ergebnisgenauigkeit als völlig ausreichend für die Fragestellungen.<br />
Vor allem Komponenten, die aufgrund umfangreicher Bautätigkeiten sehr früh <strong>im</strong> Projekt<br />
definiert werden müssen, wie zum Beispiel der Ort und die D<strong>im</strong>ensionierung von<br />
Sortierspeichern, konnten mittels der Gesamts<strong>im</strong>ulation wesentlich besser opt<strong>im</strong>iert werden.<br />
Es wurden Konzept- und Planungslücken erkannt und ihre Auswirkungen aufgezeigt. Vor<br />
allem konnte auch ein nicht zu unterschätzender Synergieeffekt bei den projektbeteiligten<br />
Planern realisiert werden, indem das Systemverhalten der Gesamtanlage quantifiziert und<br />
visualisiert wurde. <strong>Die</strong>se Erhöhung des Systemverständnisses half bei der Überwindung von<br />
Zielkonflikten zwischen den Bereichen und diente dazu ein globales Opt<strong>im</strong>um der<br />
Gesamtanlage statt der lokalen Opt<strong>im</strong>a der Produktionsbereiche zu erreichen.<br />
5. Literatur<br />
[1] Bracht, U. Mit S<strong>im</strong>ulation zu verbesserten <strong>Fabrik</strong>strukturen<br />
In: 5. Tagungsband <strong>Fabrik</strong>planung<br />
- Neue Herausforderungen an die <strong>Fabrik</strong>strukturplanung –<br />
Düsseldorf : VDI-Verlag, 1995<br />
[2] Reinhart, G;<br />
Feldmann, K,<br />
[3] Kuhn, A.;<br />
Reinhard, A.;<br />
Wiendahl, H.-P.<br />
[4] Richtlinie-<br />
VDI 3633<br />
[5] Haberfellner;<br />
Nagel; Becker;<br />
et al<br />
S<strong>im</strong>ulation – Schlüsseltechnologie der Zukunft?<br />
München: Hertbert Utz Verlag, 1997<br />
Handbuch S<strong>im</strong>ulationsanwendungen in Produktion und Logistik<br />
Reihe Fortschritte in der S<strong>im</strong>ulationstechnik<br />
Braunschweig: Vieweg Verlag 1993<br />
S<strong>im</strong>ulation von Logistik-, Materialfluß- und Produktionssystemen<br />
Blatt 1, Grundlagen<br />
Berlin: Beuth Verlag, 1993<br />
Systems Engineering<br />
Methodik und Praxis<br />
Zürich: Verlag Industrielle Organisation, 1994<br />
[6] Fishwick, P.A. S<strong>im</strong>ulation Model Design and Execution.<br />
Building digital worlds.<br />
Englewood Cliffs: Prentice Hall, 1995.<br />
8
<strong>Die</strong> Autoren dieses Beitrags:<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Uwe Bracht, geb. 1949, ist Leiter des <strong>Institut</strong>s für <strong>Maschinelle</strong><br />
Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit. Nach mehr als 11 Jahren verschiedener leitender<br />
Tätigkeiten in der Automobilindustrie ist er seit 1996 an der Technischen Universität<br />
Clausthal insbesondere auf dem Gebiet der <strong>Fabrik</strong>planung und Logistik tätig.<br />
Dipl.-Ing. Matthias Hagmann, geb. 1971, ist seit 1996 bei der BMW AG, München, <strong>im</strong><br />
Bereich der Ablaufs<strong>im</strong>ulation tätig. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigt er sich<br />
besonders mit dem Aufbau und der Integration hierarchischer S<strong>im</strong>ulationsmodelle in den<br />
Planungsablauf.<br />
9