Erfahrungen und Werte im Lichte des Studiums - Bundesministerium ...
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Sommersemester 2008: Ein Professor fragt Studierende <strong>im</strong> ersten Semester der<br />
Einführungsübung in die Rechtswissenschaft: „Inwiefern ist die eheliche Verpflichtung<br />
zur Mithilfe <strong>im</strong> Haushalt Ausdruck von Remoralisierungstendenzen<br />
<strong>im</strong> Recht?” Wintersemester 2009: Im einsemestrigen Crashkurs Rechtsterminologie<br />
erklärt ein sympathisch aufgeweckter Nicht-Jurist angehenden Juristen<br />
ohne Latinum die völkerrechtliche Bedeutung von ius sanguinis <strong>und</strong> das damit<br />
verb<strong>und</strong>ene Modell, die Staatsangehörigkeit eines Neugeborenen zu definieren.<br />
Studienjahr 2010: H<strong>und</strong>erte Studierende lernen erstmals die mit 1.1.2010 in<br />
Kraft getretenen Regelungen zum Ehe-Partnerschafts-Gesetz.<br />
Wir spulen einige Semester nach vorne. Juli 2013: Eine inzwischen um<br />
eine geballte Ladung an Auslands- <strong>und</strong> Praxiserfahrung bereicherte <strong>und</strong> nur<br />
noch zwei Prüfungen von ihrem Studienabschluss entfernte Studentin blickt<br />
zurück <strong>und</strong> zieht in Vorbereitung auf die Alpbach-Sommergespräche persönliches<br />
Resümee: Welche Erfahrung <strong>und</strong> <strong>Werte</strong> schöpfe ich aus meinem Studium?<br />
Sind diese <strong>Werte</strong> überhaupt noch etwas wert <strong>und</strong> sichern unsere Universitäten<br />
<strong>und</strong> Hochschulen die ethischen Gr<strong>und</strong>werte?<br />
Be<strong>im</strong> Überfliegen der Fragen kam mir zunächst der Gedanke – ganz <strong>im</strong><br />
Sinne einer artig studentisch-methodischen Vorgehensweise – , einen rechtsphilosophischen<br />
Abstecher in das ursprüngliche Konzept ethischer Gr<strong>und</strong>werte<br />
zu machen. Dieses Bedürfnis wurde schnell verworfen. Und das nicht nur aufgr<strong>und</strong><br />
<strong>des</strong> 5000 Zeichen sprengenden Aufsatzrahmens. Vielmehr machte sich<br />
nach einem abendlichen Gedankenaustausch unter Studienkollegen folgende<br />
Überzeugung über konkrete <strong>Werte</strong>vermittlung <strong>im</strong> Rechtswissenschaftsstudium<br />
breit: Wer, wenn nicht der Gesetzgeber <strong>und</strong> das von ihm normierte geltende<br />
Recht, vermittelt seinen Adressaten ein Konzept von gesellschaftlichen <strong>Werte</strong>n?<br />
An dieser Stelle müssen die Klassiker herhalten: § 879 ABGB begrenzt Rechtsgeschäfte<br />
jeglicher Art mit der Schranke der Sittenwidrigkeit. Ähnlich auch §<br />
1295 Abs. 2 ABGB, der Schadenersatz in Zusammenhang mit der wertenden<br />
Grenze <strong>des</strong> Rechtsmissbrauchs stellt. Beiden Normen ist gemein, dass sie sowohl<br />
in universitären Prüfungskonstellationen, als auch <strong>im</strong> späteren Anwaltsberuf<br />
quasi die letzte Argumentationschance darstellen. „Wenn nichts mehr geht,<br />
dann argumentier´ Rechtsmissbrauch“. An dieser Stelle wäre es jedoch auch<br />
angebracht zu erwähnen, dass genau in diesem Schritt selbst der talentierteste<br />
Jus-Studierende ins Stocken gerät. Warum? Weil es nun eben nicht reicht, eine<br />
der Lehrbuch-Fallprüfungsschemata hervorzuholen, die Voraussetzungen 1., 2.,<br />
3. herunter zu prüfen, um den Sachverhalt schließlich mit zufriedenem Gesicht<br />
unter eine gesetzliche Norm subsumieren zu können. So ‚leicht’ ist es dann<br />
eben doch nicht. Weder in der Juristerei an sich, noch <strong>im</strong> Jus-Studium.<br />
Und so freut es mich <strong>im</strong> Zuge<br />
dieses Gedankenexper<strong>im</strong>ents<br />
auch mit einem gerne unter<br />
„Wenn nichts<br />
mehr geht, dann<br />
argumentier´<br />
Rechtsmissbrauch“.<br />
anderen Studienrichtungen<br />
verbreiteten Vorurteil aufräumen<br />
zu können. Die besagten<br />
Fallprüfungsschemata stehen<br />
nämlich nicht als einziger Anker<br />
in weiter Flur <strong>und</strong> begrenzen<br />
damit den Freigeist von uns Juslern. Ich will nicht bestreiten, dass derartige<br />
festgeschriebene Konzepte einen angenehm sicheren Boden geben. Nicht nur<br />
für die Prüfungssituation, sondern selbstredend auch für spätere schlüssige<br />
Argumentationslinien <strong>im</strong> Beruf. Ich denke aber, dass sich auch der Technik-<br />
Student freut, derart sicheren Boden unter sich zu haben, wenn er mathematische<br />
Formeln anwendet oder eine Medizin-Studentin, wenn sie gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
auf die anatomischen Basics <strong>des</strong> Körpers vertrauen darf.<br />
Blicke ich aber auf die anfangs gelisteten Auszüge meiner gesammelten<br />
Mitschriften, so denke ich dennoch feststellen zu können, dass die Juristische<br />
Schule in Widerspiegelung der wertegeladenen Gesetze, die <strong>Werte</strong>haltungen<br />
eines jungen Erwachsenen eindeutig in gesteigerter Form prägt. Diese Feststellung<br />
hat selbstverständlich zwei Seiten. Positiv ist diese Vermittlung, wenn<br />
die vorgehaltenen <strong>Werte</strong> nicht nur schlicht hingenommen, sondern kritisch reflektiert<br />
<strong>und</strong> in Frage gestellt werden. Negativ <strong>und</strong> ernüchternd ist <strong>Werte</strong>vermittlung<br />
meiner Meinung nach dann, wenn gerade diese kritische (Studien-)<br />
Chance verabsäumt wird.<br />
Und so möchte ich mit Blick auf meine Studienzeit persönlich folgen<strong>des</strong><br />
Resümee ziehen: Studierst du Jus, studierst du gesellschaftliche <strong>Werte</strong> in Form<br />
von Normen. Vereinfacht: du studierst das Gesetz. Das Gesetz kann – muss<br />
aber nicht – deine gedankliche Grenze bleiben. All die anfangs gelisteten <strong>und</strong><br />
seit meinem ersten Semester gesammelten Auszüge von Mitschriften haben<br />
etwas gemein: sie entfachten Diskussionen. Diskussionen <strong>im</strong> Seminarraum mit<br />
Professoren, in der Mensa unter Studierenden, <strong>im</strong> Dachgeschoß <strong>des</strong> Juridicums<br />
mit Podiumsgästen oder <strong>im</strong> Ausland <strong>im</strong> Rahmen von Erasmus oder Summerschools<br />
mit internationalen Studentenorganisationen. Der sich mir persönlich<br />
dadurch eröffnende Pool an <strong>Werte</strong>n <strong>und</strong> <strong>Erfahrungen</strong> ist in seiner Vielseitigkeit<br />
kaum zu umschreiben. Und schon gar nicht in 5000 Wortzeichen. Mir bleibt<br />
daher nach diesem Gedankenexper<strong>im</strong>ent nur die zufriedene Erkenntnis, dass<br />
meine Studienzeit meine ursprünglichen Werthaltungen teils gestärkt, teils er-<br />
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