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rechtsanwaelte.at: 1. 10. 2013 - Österreichischer ...

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Rechtsprechung<br />

Disziplinarrecht<br />

8365<br />

§ 9 Abs 1 RAO; § 1 DSt – Ausnahmsweise Zulässigkeit einer Drohung mit nicht offengelegter Strafanzeige<br />

Ein RA darf sachlich nicht gerechtfertigte Druckmittel weder ankündigen noch anwenden. Die Androhung<br />

inadäqu<strong>at</strong>er Maßnahmen zur Durchsetzung der Ansprüche des Klienten ist durch § 9 RAO nicht<br />

gedeckt und begründet eine Berufspflichtenverletzung und eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen<br />

des Standes. Dennoch ist ein Freispruch gem § 3 DSt wegen des Vorliegens einer Ausnahmesitu<strong>at</strong>ion<br />

ergangen.<br />

OBDK 22. 4. <strong>2013</strong>, 4 Bkd 5/12<br />

Der DR h<strong>at</strong>te den DB wegen des Vorwurfs, er habe<br />

in einer Besprechung in den Räumlichkeiten der P<br />

GmbH angekündigt, eine Strafanzeige gegen G, Gesellschafterin<br />

und Geschäftsführerin der P GmbH einzubringen,<br />

wenn es nicht zu einer Einigung über die<br />

Übernahme der P GmbH käme, schuldig erkannt (doppelte<br />

Qualifik<strong>at</strong>ion) und über ihn einen schriftlichen<br />

Verweis verhängt.<br />

Dagegen erhob der DB Berufung.<br />

Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:<br />

Bei einer Besprechung in den Räumlichkeiten der P<br />

GmbH, an der die anwaltlich vertretene G und ein weiterer<br />

Gesellschafter teilnahmen, vertr<strong>at</strong> der DB deren<br />

Gegner F.<br />

Bereits vor der Besprechung h<strong>at</strong>te der DB als Vertreter<br />

des F mehrere Strafanzeigen gegen G wegen der<br />

Vorwürfe des schweren Betrugs, der Untreue, der Verleumdung,<br />

der Geldwäsche und wegen Bildung einer<br />

kriminellen Vereinigung eingebracht. Zur Besprechung<br />

h<strong>at</strong>te der DB ein verschlossenes Kuvert mitgebracht,<br />

das er im Zuge der Gespräche aus seiner Tasche<br />

nahm. Er teilte G mit, dass er bereits mehrere Strafanzeigen<br />

gegen sie eingebracht und eine weitere bei sich<br />

habe. Er ließ durchblicken, dass er diese Strafanzeige<br />

einbringen werde, wenn sich G nicht kooper<strong>at</strong>iv zeigen<br />

würde. Der Inhalt der angeblichen Strafanzeige wurde<br />

nicht them<strong>at</strong>isiert, das Kuvert wurde auch nicht geöffnet.<br />

G kam den Aufforderungen des DB nach. Die angebliche<br />

Strafanzeige wurde von ihm nicht eingebracht.<br />

Das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern der div<br />

Gesellschaften und ehemaligen Geschäftspartnern war<br />

sehr angespannt und von wechselseitigen Schuldvorwürfen<br />

geprägt.<br />

Der erk Sen der OBDK stellte zudem fest, dass die<br />

Beziehung zwischen den Streitteilen durch die massiven<br />

Zerwürfnisse und das wechselweise Misstrauen<br />

zwischen den ehemaligen Geschäftspartnern geprägt<br />

war. Sowohl der Mandant des DB als insb auch jener<br />

Geschäftspartner, der mit G zusammenarbeitete, mussten<br />

sich auch strafrechtlich verantworten. Obwohl bei<br />

der Besprechung der Inhalt der vorgeblichen Anzeige<br />

nicht them<strong>at</strong>isiert wurde, lag nahe, dass es wiederum,<br />

ebenso wie in den vorangehenden Anzeigen, um Machenschaften<br />

im Zusammenhang mit den beiden Unternehmen,<br />

durch die sich der Mandant des DB geschädigt<br />

fühlte, ging. Zudem fand das betreffende Gespräch<br />

in Anwesenheit des anwaltlichen Vertreters von G st<strong>at</strong>t,<br />

der entsprechend nachfragen hätte können, was Inhalt<br />

der vorgeblichen Anzeige sei, und der in der Lage gewesen<br />

sein musste, die Drohgebärde des DB abzuwehren<br />

und G. entsprechend zu ber<strong>at</strong>en.<br />

In rechtlicher Hinsicht beurteilte die OBDK diesen<br />

Sachverhalt wie folgt: Die Erst<strong>at</strong>tung von Anzeigen<br />

und ebenso ihre Androhung durch einen RA h<strong>at</strong> eine<br />

sorgfältige und kritische Prüfung des Sachverhalts zur<br />

Voraussetzung (RIS-Justiz RS0056158). Die Androhung<br />

inadäqu<strong>at</strong>er Maßnahmen zur Durchsetzung der<br />

Ansprüche des Klienten bildet ein disziplinär zu ahndendes<br />

Fehlverhalten (RIS-Justiz RS0055970). Bei der<br />

Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des RA ein unzulässiges<br />

Druckmittel darstellt, ist zu prüfen, ob die angekündigte<br />

Vorgangsweise als ernstliche Einschüchterung<br />

aufgefasst werden konnte und der RA bei pflichtgemäßer<br />

Aufmerksamkeit diese Wirkung voraussehen<br />

musste (RIS-Justiz RS0055970 T 3).<br />

Entscheidend ist demnach primär, wie die Drohung<br />

mit einer – weiteren – Anzeige aus der Sicht des DB<br />

wirken musste und nicht, wie G darauf reagierte. Dass<br />

der DB die beschriebene Drohung einsetzte, um für<br />

seinen Klienten eine bessere Verhandlungsposition zu<br />

erzwingen, also auf eine entsprechende Wirkung seiner<br />

Drohung bei den Kontrahenten hoffte, steht hier außer<br />

Zweifel. Mangels eines Hinweises, worum es in der Anzeige<br />

gehen sollte, war es der G und ihrem Vertreter<br />

nicht möglich zu beurteilen, ob die Anzeige, deren Einbringung<br />

angedroht wurde, einen realistischen Hintergrund<br />

h<strong>at</strong> und überhaupt geeignet ist, sich auf die<br />

wechselseitigen Verhandlungspositionen auszuwirken.<br />

Gerade auch deshalb, weil der Inhalt nicht them<strong>at</strong>isiert<br />

wurde, konnte G nicht wissen, ob es darin um ohnehin<br />

bereits vom DB angezeigte Sachverhalte geht oder ob<br />

weitere Vorwürfe gegen sie erhoben werden und inwieweit<br />

solche realistisch sein könnten. Unter den gegebenen<br />

Umständen musste dem DB bewusst sein, dass die<br />

Drohung mit der Anzeige, deren Ernsthaftigkeit durch<br />

seine Geste, ein entsprechendes Kuvert hervorzuholen,<br />

unterstrichen wurde, zumindest zur Einschüchterung<br />

geeignet war.<br />

664<br />

Österreichisches Anwaltsbl<strong>at</strong>t <strong>2013</strong>/11

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