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atp edition Virtuelle inbetriebnahme von Transportsystemen (Vorschau)

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6 / 2011<br />

53. Jahrgang B3654<br />

Oldenbourg Industrieverlag<br />

Automatisierungstechnische Praxis<br />

<strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />

<strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong> | 26<br />

Inline-Check texturierter<br />

Kunststoffoberflächen | 34<br />

Holistic Workspace – Den Leitstand<br />

der Zukunft gestalten! | 44<br />

Tests <strong>von</strong> Feldgeräten mit<br />

Profibus PA-3.02 | 52


editorial<br />

Wie real ist die virtuelle<br />

Inbetriebnahme?<br />

Die „digitale Fabrik“ bietet Nutzungsmöglichkeiten über den gesamten Lebenszyklus<br />

<strong>von</strong> Produkten und Anlagen. Die Automatisierungstechnik kann<br />

dabei in vielerlei Hinsicht profitieren, etwa bei der Anforderungsermittlung,<br />

beim modellbasierten Entwurf <strong>von</strong> Regelungen und Steuerungen, beim Test<br />

oder bei der Fehlerdetektion und -diagnose. Beim Engineering automatisierter<br />

Anlagen liegt es gedanklich nahe, die Automatisierungsfunktionen anhand<br />

eines digitalen Modells der Anlage per Simulation zu testen, als „virtuelle<br />

Inbetriebnahme“ (VIBN), um Fehler im vorangegangenen Entwicklungs- beziehungsweise<br />

Engineeringprozess zu erkennen. Die methodischen Grundlagen<br />

dafür sind inzwischen gelegt. Beispielsweise wurden am 13. Mai an der<br />

TU Dresden die Ergebnisse des Verbundprojekts „OMSIS“ präsentiert: eine<br />

durchgängige Werkzeugkette für eine integrierte Test-Simulationsumgebung,<br />

welche die Teilaufgaben Simulation, Datenerfassung (Monitoring), Testfallgenerierung<br />

und -ausführung sowie Systemanalyse und -diagnose erleichtert.<br />

<strong>Virtuelle</strong> Anlagenmodelle werden auch in zwei Hauptbeiträgen dieser Ausgabe<br />

der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> behandelt.<br />

Welche Fehler bei der VIBN gefunden werden, hängt wesentlich da<strong>von</strong> ab, wie<br />

„real“ das Modell ist, das heißt, welche Aspekte des Produktionsprozesses, speziell<br />

der „Physik“, im Modell berücksichtigt werden. Bei fertigungstechnischen Prozessen<br />

liegt die Grenze in der Praxis derzeit bei der Berücksichtigung <strong>von</strong> Massenträgheit,<br />

Reibung und Schwingungen, bei verfahrenstechnischen Prozessen bei der<br />

Abbildung der chemischen und energetischen Abläufe. Grundsätzlich könnten alle<br />

diese Effekte mitmodelliert werden, dies bedeutet aber Aufwand. Dieser Aufwand<br />

hinsichtlich Zeit und Kosten für die Erstellung des Simulationsmodells der Produktionsanlage<br />

ist bislang das Haupthindernis für den systematischen Einsatz der<br />

VIBN in der Anlagenplanung und -realisierung; daher ist die VIBN in der Praxis<br />

noch nicht so „real“, wie es ihrem potenziellen Nutzen entspricht.<br />

Wie können die Kosten für die Modellerstellung reduziert werden?<br />

Prof. Dr.-Ing.<br />

Alexander Fay,<br />

Institut für Automatisierungstechnik,<br />

Helmut-Schmidt-<br />

Universität/Universität der<br />

Bundeswehr Hamburg<br />

Durch Nutzung <strong>von</strong> vorhandenen Modellen aus früheren Phasen<br />

des Engineerings, etwa aus der Verfahrenstechnik- oder Materialflusssimulation?<br />

Durch Mehrfachnutzung der Modelle in späteren Phasen, beispielsweise<br />

für die Schulung der Anlagenfahrer, für Optimierung und<br />

Diagnose?<br />

Durch zumindest teilweise automatische Generierung der Modelle,<br />

etwa aus Anlagenplanungsdaten?<br />

Diesen Fragen wird im GMA-Fachausschuss 6.11 nachgegangen. Die Entwickler<br />

<strong>von</strong> CAE-Systemen sind zur Mitarbeit eingeladen wie auch die Hersteller<br />

<strong>von</strong> Anlagenkomponenten, die künftig die dazugehörigen Simulationsmodelle<br />

zuliefern könnten, sobald es einen akzeptierten Standard gibt, mit dessen<br />

Hilfe Modellbibliotheken angelegt und verbreitet werden können. Wer daran<br />

mitarbeiten möchte, wende sich bitte an die GMA-Geschäftsstelle oder direkt<br />

an den FA-Leiter, Prof. Schumann (reimar.schumann@fh-hannover.de) – damit<br />

die VIBN bald reale Praxis wird!<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

3


SIL<br />

Sprechstunde<br />

3. SIL-Sprechstunde<br />

Funktionale Sicherheit<br />

15. + 16.9.2011, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />

www.sil-sprechstunde.de<br />

Veranstaltungskonzept<br />

Thema<br />

Sie fragen – Experten antworten!<br />

Die SIL-Sprechstunde ist eine offene Dialogveranstaltung,<br />

bei der Sie aufgefordert sind, Fragen und Themen<br />

einzubringen. Diese werden im Expertenkreis diskutiert<br />

oder in interaktiver Gruppenarbeit bearbeitet.<br />

Kleinere Unternehmen bearbeiten oft Aufträge <strong>von</strong> großen<br />

Anwendern, die in vollem Umfang die Erfüllung der<br />

einschlägigen Sicherheitsnormen (z.B. Functional Safety<br />

Management) einfordern.<br />

Die 3. SIL-Sprechstunde behandelt den Themenbereich<br />

Funktionale Sicherheit in kleinen und mittelständischen<br />

Unternehmen – insbesondere rund um die<br />

Umsetzung der EN 61508/61511.<br />

Zielgruppe & Referenten<br />

Diese SIL-Sprechstunde richtet sich besonders an kleine<br />

und mittelgroße Unternehmen.<br />

Die Veranstaltung wird <strong>von</strong> profilierten Experten aus<br />

der Praxis moderiert und begleitet, die in renommierten<br />

Unternehmen oder Institutionen tätig sind.<br />

Nutzen Sie Ihre Chance!<br />

Machen Sie die 3. SIL-Sprechstunde zu Ihrer<br />

Veranstaltung und reichen Sie schon jetzt unter<br />

www.sil-sprechstunde.de Ihre individuellen Fragen ein.<br />

Termin & Ort<br />

Die SIL-Sprechstunde ist eine Zweitagesveranstaltung am:<br />

• Donnerstag, 15.9.2011<br />

11:30-17:00 Uhr: Fachreferate<br />

18:30-22:00 Uhr: Abendveranstaltung<br />

• Freitag, 16.9.2011<br />

9:00-14:00 Uhr: Workshops<br />

Pepperl+Fuchs GmbH<br />

Lilienthalstr. 200<br />

68307 Mannheim<br />

Programmablauf<br />

Am ersten Tag stehen Fachvorträge der Referenten auf der<br />

Agenda, während am zweiten Tag die im Vorfeld eingereichten<br />

Diskussionsthemen und Fragestellungen in parallel<br />

laufenden Workshops erarbeitet werden.<br />

Im Rahmen der Veranstaltung finden Sie ausreichend Zeit für<br />

den Meinungs- und Erfahrungsaustausch im Kollegenkreis.<br />

Teilnahmegebühr<br />

Abonnenten der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: € 540,-<br />

auf Firmenempfehlung: € 590,-<br />

reguläre Gebühr: € 690,-<br />

Im Preis sind die Tagungsunterlagen sowie die Verpflegung<br />

im Rahmen der Veranstaltung (Kaffeepausen, Mittagessen,<br />

GetTogether) enthalten.<br />

Veranstalter<br />

Detaillierte Informationen zur Veranstaltung, das<br />

vollständige Programm sowie die Online-<br />

Anmeldung finden Sie im Internet unter<br />

www.sil-sprechstunde.de<br />

SOFORTANMELDUNG PER FAX: +49 (0) 201 / 8 20 02 40<br />

Ja, ich melde mich verbindlich für die 3. SIL-Sprechstunde am 15.-16.9.2011 bei Pepperl+Fuchs in Mannheim an.<br />

Ich beziehe <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> im Abonnement<br />

Ich beziehe <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> nicht im Abonnement<br />

Ich komme auf Empfehlung <strong>von</strong> der Firma: .....................................................................................................................................................................<br />

Firma/Institution<br />

Telefon<br />

Telefax<br />

Titel, Vorname, Nachname<br />

E-Mail<br />

Straße/Postfach<br />

Land, PLZ, Ort<br />

Nummer<br />

Branche/Wirtschaftszweig<br />

✘<br />

Ort, Datum, Unterschrift<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser<br />

Anmeldung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht<br />

über interessante, fachspezifische Medien- und Informationsangebote informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


in eigener sache<br />

Stabwechsel: Prof. Schiller übergibt<br />

Chefredaktion an Prof. Urbas<br />

Liebe Leser,<br />

die letzten Jahre waren nicht nur für Sie spannend. Auch bei uns in der Redaktion<br />

wurde viel diskutiert, um die angestoßenen Änderungen in der inhaltlichen Ausrichtung<br />

und des Layouts erfolgreich fortzuführen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen,<br />

die Reaktionen der Leser und der Autoren sind durchweg positiv. Auf der Basis dieses<br />

Zuspruchs wird unsere Zeitschrift ihr einzigartiges Profil als Informationsplattform<br />

<strong>von</strong> Forschung und Industrie weiter schärfen können.<br />

Die Artikel der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> beschreiben aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft und<br />

Industrie. Wie ich oft erfahren konnte, leiten sie häufig, zum Teil auch kontroverse,<br />

Diskussionen in der Fachwelt ein und fördern den firmen- und verbandsübergreifenden<br />

Informations- und Erfahrungsaustausch. Um eine solche Zeitschrift, in der Entwickler,<br />

Anwender und Technische Manager auf der einen und Doktoranden, Doktoren und<br />

Professoren auf der anderen Seite gleichermaßen das Wort ergreifen, beneidet uns die<br />

internationale Fachwelt.<br />

Prof. Dr.-Ing. Frank<br />

Schiller wechselt in<br />

die Industrie und gibt<br />

die Chefredaktion ab.<br />

Ich habe eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Leiter in der Industrie angenommen.<br />

Daher war es notwendig, einen neuen Chefredakteur zu finden. Glücklicherweise konnte<br />

Prof. Urbas, Inhaber der Professur für Prozessleittechnik an der TU Dresden, für<br />

diese herausfordernde und schöne Aufgabe gewonnen werden. Ich werde der <strong>atp</strong> weiter<br />

eng verbunden bleiben und als Fachredakteur zur Verfügung stehen.<br />

Mit der Unterstützung der Herausgeber, der Beiräte, der Fachredakteure, des Verlags<br />

und natürlich auch der Unterstützung durch Sie als Leser und Autoren wird es uns<br />

gelingen, unsere Zeitschrift ständig weiterzuentwickeln.<br />

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche Prof. Urbas viel Freude<br />

und Erfolg als Chefredakteur!<br />

Frank Schiller<br />

Prof. Dr.-Ing. Leon<br />

Urbas, neuer Chefredakteur,<br />

wird sich in<br />

einer der nächsten<br />

Ausgaben vorstellen.<br />

Liebe Leser,<br />

Herr Prof. Schiller hat zusammen mit dem <strong>atp</strong>-Team in den letzten zwei Jahren sehr<br />

erfolgreich gearbeitet. Ohne seinen unermüdlichen Einsatz für das Blatt und die Leser,<br />

seinen Mut zur Erneuerung und das hohe Qualitätsstreben wäre die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> in der<br />

Wirtschaftskrise untergegangen. Heute steht die Zeitschrift wieder hervorragend da.<br />

Wir gewinnen kontinuierlich neue Abonnenten.<br />

Über die reine Sachebene hinaus war die Kooperation mit Prof. Schiller für uns ebenfalls<br />

ein Vergnügen. Schließlich soll das Blattmachen den Beteiligten Spaß bringen. Dann<br />

fällt das Ergebnis auch im Sinne der Leser erfreulich aus. Wir sind Herrn Prof. Schiller<br />

zu großem Dank verpflichtet.<br />

Mit Herrn Prof. Urbas haben wir nach intensiver Suche einen Nachfolger für die Chefredaktion<br />

gefunden, der fachlich und als Mensch sehr gut zum <strong>atp</strong>-Team passt. Ich bin<br />

sicher, dass er sich rasch einarbeiten und das erfolgreiche Konzept fortführen wird.<br />

Fortführen allein reicht aber nicht, weil sich die Technik und der Markt voranbewegen.<br />

Herr Prof. Urbas bringt für die kontinuierliche Weiterentwicklung die besten Voraussetzungen<br />

mit. Ich habe ihn in den Gesprächen als hervorragenden Wissenschaftler,<br />

vielseitig interessierten Ingenieur und klugen Geist kennen gelernt. Wünschen wir ihm<br />

alle gemeinsam viel Glück und Erfolg bei dieser spannenden Aufgabe.<br />

Hans-Joachim Jauch,<br />

Geschäftsführer des<br />

Oldenbourg Industrieverlags:<br />

„Mit Prof. Urbas<br />

wird <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> die<br />

hervorragende Entwicklung<br />

fortsetzen.“<br />

Hans-Joachim Jauch<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

5


Inhalt 6 / 2011<br />

Forschung<br />

8 | Ausgezeichnet: Roboter arbeitet ohne<br />

Schutzzaun mit Menschen sicher zusammen<br />

Lauron löst auf sechs Beinen brenzlige Situationen<br />

9 | Optische 3D-Messsysteme ebnen den Weg zum<br />

Null-Fehler-Konzept im Produktionsprozess<br />

Hochstapler: Hersteller, Produzenten und Anwender<br />

forschen an Einbett-Technologien für Module<br />

Verband<br />

10 | Wenn die Amortisationsrechnung versagt –<br />

ZVEI-Tool zur Berechnung der Lebenszykluskosten<br />

Interbus-Club integriert seine Technologie in die<br />

Profibus-Nutzerorganisation und löst sich auf<br />

branche<br />

11 | VDE fordert neues Energieversorgungssystem<br />

mit automatisierten Verteilungsnetzen<br />

Deutsche Automatisierer gewinnen Marktanteile<br />

Roboter: mit optimierter Steuerung Energie sparen<br />

12 | Die Fertigungsmesstechnik der Zukunft:<br />

schneller, sicherer, genauer, flexibler<br />

14 | Distanzmessung mit PDM-Sensoren sorgt für<br />

größere Stabilität in automatischem Prozess<br />

16 | Italienisches Walzwerk formt Stahl<br />

mithilfe <strong>von</strong> schwedischen Drehgebern<br />

18 | Common Components gewährleisten eine<br />

„eingebaute“ Interoperabilität bei FDT 2.0<br />

22 | Die Fabrik auf dem Büroschreibtisch:<br />

virtuelle Lösungen für den Erfolg realer Anlagen<br />

6<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Hauptbeiträge<br />

26 | <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme <strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />

J. RoSSmann, O. Stern, R. Wischnewski<br />

34 | Qualitätskontrolle texturierter Kunststoffoberflächen<br />

W. Michaeli, K. Berdel<br />

44 | Holistic Workspace – Den Leitstand<br />

der Zukunft gestalten!<br />

T. Schwarz, H. Oortmann, H. Reiterer<br />

52 | Tests <strong>von</strong> Feldgeräten mit Profibus PA-3.02<br />

M. Pelz, S. Seintsch, S. Ochsenreither<br />

Praxis<br />

60 | Universelle Kommunikationsanbindung<br />

sorgt für verbesserte Prozesse<br />

62 | Beschichtung <strong>von</strong> Verstärkungsfasern:<br />

Präzisionsprozess übersichtlicher gesteuert<br />

64 | Einfach wie ein Relais, aber genauso flexibel<br />

wie eine sichere SPS<br />

rubriken<br />

3 | Editorial<br />

5 | In eigener Sache<br />

66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong><br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

7


forschung<br />

Ausgezeichnet: Roboter arbeitet ohne<br />

Schutzzaun mit Menschen sicher zusammen<br />

Er ist der erste Roboter, der ohne Schutzzaun mit Menschen<br />

arbeiten kann – der Leichtbauroboter <strong>von</strong> Kuka<br />

und dem DLR-Institut für Robotik und Mechatronik sicherte<br />

sich beim euRobotics Technology Transfer Award<br />

Anfang April in Västerås (Schweden) die Spitzenposition.<br />

Der Leichtbauroboter ist dem menschlichen Arm nachempfunden:<br />

Die Entwickler legten Wert auf Sensivität und<br />

Nachgiebigkeit. Er ist leicht zu programmieren und gut<br />

geeignet für eine enge Mensch-Roboter-Interaktion. Dank<br />

des geringen Gewichts lässt er sich einfach transportieren.<br />

Er arbeitet energiesparend, was ihn für mobile Einsätze<br />

prädestiniert.<br />

Die Maschine sei für Roboteranwendungen in den Bereichen<br />

Dienstleistung und Medizin einsetzbar, so Ralf Koeppe,<br />

Leiter Forschung und Entwicklung bei Kuka Laboratories,<br />

der den Preis mit Dr. Alin Albu-Schaeffer (DLR) stellvertretend<br />

für ihre Entwickler-Teams entgegennahm. Der<br />

zweite Preis ging an SIMone, einen auf Robotertechnologie<br />

basierenden und interaktiven Geburtssimulator, der <strong>von</strong><br />

der der ETH Zürich, der TU München und 3B Scientific zu<br />

Trainingszwecken für Ärzte entwickelt wurde. SIMone soll<br />

die Rate <strong>von</strong> Kaiserschnitten und zerebralen Lähmungen<br />

verringern, die infolge falschen Anlegens <strong>von</strong> Zange und<br />

Saugglocke auftreten. Herzstück <strong>von</strong> SIMone bildet eine<br />

kraftgeregelte Kinematik, die die Bewegung des Babykopfes<br />

im mütterlichen Becken und im Geburtskanal realitätsnah<br />

simuliert. Der Simulator ist mit Positions- und Kraftsensoren<br />

ausgestattet.<br />

Zu den weiteren Finalisten gehörten Fits me, ein estländisches<br />

Unternehmen, das mit den Universitäten Tallinn<br />

und Tartu eine Online-Anprobe für Kleidung entwickelt<br />

hat sowie Surgenius, ein Operationsroboter, der gemeinsam<br />

<strong>von</strong> Surgica Robotica und der Universität <strong>von</strong> Verona<br />

entwickelt wurde. Auch Workerbot trat an, ein dem Menschen<br />

nachempfundener zweiarmiger Roboter für die<br />

industrielle Handhabung und Montage, der einer Forschungskooperation<br />

<strong>von</strong> Pi4Robotics und dem Fraunhofer-Institut<br />

für Produktionssysteme (IPK) entstammt.<br />

Der Tech-Transfer-Award fand in diesem Jahr zum achten<br />

Mal statt mit dem Ziel, die Innovationskraft und wirtschaftliche<br />

Auswirkung <strong>von</strong> erfolgreichen Forschungskooperationen<br />

zwischen Industrie und Wirtschaft zu fördern.<br />

EUnited Robotics,<br />

Diamant Building,<br />

Boulevard A. Reyers 80,<br />

B-1030 Brüssel, Tel. +32 2706-8209,<br />

Internet: www.eu-nited.net<br />

Lauron löst auf sechs Beinen brenzlige Situationen<br />

Lauron:<br />

Die sechsbeinige<br />

Laufmaschine<br />

ist eine <strong>von</strong> der<br />

Natur motivierte<br />

Ent wicklung.<br />

Das Vorbild: Die indische Stabheuschrecke.<br />

Bilder: Faulhaber<br />

Die Bergung <strong>von</strong> Verschütteten in teileingestürzten<br />

Gebäuden, die Erkundung <strong>von</strong> Vulkanen oder das<br />

Räumen <strong>von</strong> Minenfeldern – das alles sind gefährliche<br />

Situationen, die für Menschen oder für rad- und kettengetriebene<br />

Systeme nur schwer passierbar sind.<br />

Die mit dem Faulhaber-Uni-Projekt-Award ausgezeichnete<br />

sechsbeinige Laufmaschine Lauron soll nun Abhilfe<br />

schaffen. Den Bewegungsmechanismus schauten sich die<br />

Konstrukteure vom FZI (Forschungszentrum Informatik<br />

aus Karlsruhe) bei der indischen Stabheuschrecke ab. Wie<br />

dieses Vorbild besitzt Lauron sechs Beine an einem länglichen<br />

Zentralkörper, in dem die notwendige Steuerungselektronik<br />

untergebracht ist. Jedes der sechs 50 cm<br />

langen Beine hat einen federgedämpften Fuß und wird<br />

mithilfe <strong>von</strong> drei Gelenken bewegt. Die Blickrichtung<br />

des Kopfes wird durch zwei unabhängige Achsen<br />

(Schwenken und Neigen) verändert, sodass die Bewegungsmaschine<br />

über 20 Freiheitsgrade verfügt.<br />

In jedem Fuß befinden sich 3D-Kraftsensoren und Federkraft-Messsysteme,<br />

die zusammen mit einer Motorstrommessung<br />

genutzt werden, um Kollisionen und den<br />

Kontakt mit dem Boden zu erkennen. Bei der Antriebslösung<br />

für die dreigelenkigen Einzelbeine war hohe Leistung<br />

bei vergleichsweise geringem Gewicht gefordert.<br />

Deshalb entschied sich das Projektteam der Gruppe Interaktive<br />

Planungstechnik des FZI für eine Motor-/Getriebekombination,<br />

bestehend aus einem DC-Kleinstmotor-Serie<br />

2657 … IE2 mit Planetengetriebe Serie 26/1 <strong>von</strong> Faulhaber.<br />

Um die bewegte Masse zu reduzieren, platzierte man<br />

die Antriebe möglichst nah am Körper. Getriebe und<br />

Seilzüge übertragen die Kraft der 20 graphitkommutierten<br />

DC-Antriebe <strong>von</strong> dort aus auf die Gelenke. Das erreichbare<br />

Nenndrehmoment liegt bei etwa 20 Nm (kurzzeitig<br />

40 Nm). Die Gelenkwinkel der Beine werden durch<br />

hochpräzise, optische Encoder erfasst. Jeder Motor verfügt<br />

über einen hochauflösenden Encoder, der zusätzliche<br />

Informationen über die Gelenkwinkel liefert.<br />

Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG,<br />

Daimlerstr. 23/25, D-71101 Schönaich,<br />

Tel. +49 (0) 7031 63 80, Internet: www.faulhaber.com<br />

8<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Optische 3D-Messsysteme ebnen den Weg zum<br />

Null-Fehler-Konzept im Produktionsprozess<br />

Zu den Forderungen der GMA-Roadmap „Fertigungsmesstechnik<br />

2020“ (siehe Seite 12-13) hielt die Fraunhofer-Allianz<br />

Vision in Stuttgart Antworten bereit: Sie<br />

präsentierte Entwicklungen auf dem Gebiet der prozessintegrierten<br />

optischen Mess- und Prüfsysteme anlässlich<br />

der internationalen Leitmesse Control.<br />

Wie die Roadmap betont, ist Qualitätssicherung zum<br />

unverzichtbaren Bestandteil des Produktionsprozesses<br />

geworden. Null-Fehler-Konzepte streben die frühzeitige<br />

und vollständige Kontrolle aller qualitätsrelevanten<br />

Schritte an. Den Anspruch erfüllt der Einsatz industrieller<br />

Bildverarbeitung und berührungsloser Mess- und<br />

Prüftechnik. Auf dem Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz<br />

Vision zeigten die Experten des Fraunhofer-Instituts<br />

für Fabrikbetrieb und Automatisierung<br />

optische 3D-Messsysteme zur geometrischen Qualitätsprüfung<br />

in der industriellen Fertigung. Ihre Grundlage<br />

ist die Mess- und Prüftechnologie „OptoInspect 3D“.<br />

Sie erlaubt die Erkennung <strong>von</strong> Qualitätsabweichungen<br />

bei der Entstehung und ermöglicht die rechtzeitige Reaktion<br />

auf Veränderungen innerhalb der Produktion. Zusätzlich<br />

präsentierte die Vision-Allianz Entwicklungen zur<br />

Inspektion <strong>von</strong> Oberflächen. Die Verfahren ermöglichen<br />

eine schnelle Bewertung der Oberflächeneigenschaften<br />

und helfen dabei, Veränderungen der Oberfläche und<br />

Oberflächenfehler zu erkennen.<br />

Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik<br />

entwickelte ein Messsystem, mit dem sich im Drahtziehprozess<br />

Oberflächenfehler wie Kratzer oder Riefen<br />

erkennen und analysieren lassen. Defektgrößen <strong>von</strong><br />

unter 100 μm nimmt das System wahr. Voraussetzung<br />

für die Regelung in Echtzeit ist die extrem schnelle Bild-<br />

aufnahme mit Belichtungszeiten <strong>von</strong> 10 μs bei Drahtgeschwindigkeiten<br />

<strong>von</strong> bis zu 50 m/s. Die Inline-Inspektion<br />

<strong>von</strong> Draht ist ein Beispiel für den Einsatz einer<br />

Kameraarchitektur, basierend auf optischen zellularen<br />

neuronalen Netzwerken. Die eingesetzte Technologie<br />

bietet sich dort an, wo hochdynamische Prozesse per<br />

Bildverarbeitung in Echtzeit analysiert und geregelt werden<br />

müssen. Einen dritten Forschungsschwerpunkt bilden<br />

Thermographie, Ultraschall, Röntgen und Shearographie.<br />

So werden unter der Oberfläche liegende Fehler<br />

wie Mikro risse identifiziert.<br />

Fraunhofer-Allianz Vision,<br />

Am Wolfsmantel 33, D-91058 Erlangen,<br />

Tel. +49 (0) 9131 776 58 00, Internet: www.vision.fraunhofer.de<br />

Das Prüfsystem<br />

zur automatisierten<br />

3D-Geometriemessung<br />

<strong>von</strong><br />

Eisenbahnradsätzen<br />

ermöglicht<br />

die fehlerfreie<br />

Qualitäts prüfung<br />

im Produktionsprozess.<br />

Bild: Berndt Liebl/<br />

Fraunhofer IFF<br />

Hochstapler: Hersteller, Produzenten und Anwender<br />

forschen an Einbett-Technologien für Module<br />

Hochstapeln ausdrücklich erwünscht! Das Forschungsprojekt<br />

Manos befasst sich mit der Einbett-Technologie,<br />

die mittels Oberflächenbeschichtungen auf Nanopartikelbasis<br />

und Klebeverfahren optimiert werden soll.<br />

Manos steht für das vom Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt<br />

„Modularer Aufbau <strong>von</strong> Systemen mit nanomodifizierten<br />

Oberflächen für Automobil- und Industrie-Sensorik“. Acht<br />

Firmen engagieren sich innerhalb <strong>von</strong> drei Jahren in dem<br />

Projekt. Mithilfe <strong>von</strong> nanostrukturierten und nanomodifizierten<br />

Oberflächenbeschichtungen werden Verbindungstechniken<br />

auf Leiterplattenbasis geschaffen und<br />

Wege für das Stapeln modularer Systemkonzepte eröffnet.<br />

Ziel ist es, neue Techniken zu entwickeln, sie serientauglich<br />

zu machen und unter Berücksichtigung der Fertigungskosten<br />

zu optimieren.<br />

Die Firma Kerona entwickelt nanomodifizierte Oberflächenschutzschichten,<br />

die unterschiedliche Modifikationen<br />

aufweisen. Diese dienen dem Einsatz an optischen<br />

Sensoren sowie Temperatur- und Ortssensoren.<br />

Die Entwicklung unterschiedlicher Klebstoffe übernimmt<br />

Delo Industrie-Klebstoffe. Die Klebstoffe benötigt<br />

man für das Self-Assembly der Chips in die Leiterplatte<br />

und für das Stacking der Sensormodule. Die<br />

Klebstoffe sollen die elektrische oder thermische Leitfähigkeit<br />

übernehmen. Mit Embedding-Technologien<br />

bringt sich Würth Elektronik ein.<br />

Roodmicrotec ist für die Prozessbewertung über Kurzqualifikationen<br />

und die Zuverlässigkeitsuntersuchungen<br />

der Sensorsysteme zuständig. Dabei kommt es auf die<br />

Standardisierung <strong>von</strong> Qualifikationskonzepten an. Continental<br />

und Sick setzen die Systeme in unterschiedlichen<br />

Anwendungen ein. Continental baut Multisensorsysteme<br />

für automobile Getriebesteuerungen. Beide Hersteller sind<br />

auf die Standardisierung der Schnittstellen unter dem<br />

Aspekt der Wirtschaftlichkeit fokussiert. Unterstützung<br />

erhalten alle Projektpartner vom Fraunhofer IZM.<br />

Würth Elektronik GmbH & Co. KG,<br />

Salzstraße 21, D-74676 Niedernhall,<br />

Tel. +49 (0) 79 40 94 60,<br />

Internet: www.we-online.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

9


Ein einfaches<br />

Programm<br />

zur Berechnung<br />

der Lebenszykluskosten<br />

bietet der ZVEI<br />

zum kostenlosen<br />

Download<br />

an. Bild: ZVEI<br />

10<br />

verband<br />

Wenn die Amortisationsrechnung versagt –<br />

ZVEI-Tool zur Berechnung der Lebenszykluskosten<br />

Der ZVEI will Unternehmen beim Sparen helfen und<br />

hat dafür ein neues Software-Tool zur Berechnung<br />

der Lebenszykluskosten <strong>von</strong> Komponenten oder Anlagen<br />

vorgestellt. Das Potenzial: Laut ZVEI-Berechnungen können<br />

in Anlagen der deutschen Industrie und im kommunalen<br />

Bereich 10 bis 25 Prozent Energieeinsparung allein<br />

durch anforderungsgerechte Automatisierungstechnologie<br />

erreicht werden. Somit könnten in Deutschland<br />

jährlich bis zu 88 Mrd. Kilowattstunden an Energie-<br />

Äquivalenten, entsprechend sieben Mrd. Euro Energiekosten,<br />

eingespart werden.<br />

Mit dem <strong>von</strong> ZVEI und Deloitte entwickelten generischen<br />

Berechnungsmodell ‚Lifecycle Cost Evaluation‘<br />

Interbus-Club integriert seine Technologie in die<br />

Profibus-Nutzerorganisation und löst sich auf<br />

Der Interbus-Club Deutschland und die Profibus-Nutzerorganisation<br />

(PNO) werden die Interbus-Technologie<br />

in die PNO integrieren. Bei den Anwendern ist ein starker<br />

Wandel <strong>von</strong> den Feldbustechnologien in Richtung Ethernet<br />

zu erkennen. Der Interbus-Club hatte sich daher frühzeitig<br />

entschieden, auf Profinet als zukünftigen Ethernetbasierten<br />

Standard zu setzen und in den entsprechenden<br />

Arbeitskreisen der PNO ein Integrationskonzept erstellt.<br />

Da die Interbus-Technologie als ausgereift betrachtet wird,<br />

haben die Mitglieder des Interbus-Clubs beschlossen, die<br />

Technologie an die PNO zu übertragen und den Verein<br />

nach Erreichung seines Vereinszwecks aufzulösen.<br />

Stefan Körte, bislang 1. Vorsitzender des Interbus Clubs<br />

betont: „Durch die einfache und wirtschaftliche Einbindung<br />

in Profinet ist sichergestellt, dass die Investitionen<br />

der Anwender in die Interbus-Technologie geschützt<br />

werden.“ Jörg Freitag, Vorstandsvorsitzender der PNO,<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

(LCE) können Barwert und Annuität einer Investition errechnet<br />

werden. So lässt sich auf einfache Weise nachweisen,<br />

wie sich der Einsatz <strong>von</strong> energieeffizienten Geräten<br />

und Lösungen betriebswirtschaftlich rechnet. Das Tool ist<br />

downloadbar unter www.zvei.org/Lebenszykluskosten.<br />

Das Konzept ist aufgrund seines generischen Aufbaus<br />

für unterschiedlichste Anwendungsfälle und Industrien<br />

geeignet und erlaubt eine sehr detaillierte Bewertung.<br />

So sind zum Beispiel in der verfahrenstechnischen Industrie<br />

neben der unmittelbaren Kalkulation einzelner<br />

Komponenten – wie drehzahlgeregelter Pumpen, energieeffizienter<br />

Motoren oder hochwertiger Messinstrumente<br />

zur Prozessoptimierung – die Auswirkungen auf<br />

eine ganze Anlage berechenbar. Dadurch wird die Bedeutung<br />

<strong>von</strong> Einzelinvestitionen im Gesamtzusammenhang<br />

transparent gemacht.<br />

Helfen kann das Tool auch bei Aufträgen im öffentlichen<br />

Bereich. Denn weil bei Investitionsentscheidungen die reine<br />

Betrachtung <strong>von</strong> Anschaffungskosten oder die Amortisationsrechnung<br />

oft unzureichend sind, spricht unter anderem<br />

die öffentliche Vergabeverordnung da<strong>von</strong>, Lebenszykluskosten<br />

und Energieeffizienz als Auswahlkriterium<br />

zu berücksichtigen. Dies findet in der Praxis oft nicht statt,<br />

weil bislang keine praktikablen Berechnungsmöglichkeiten<br />

vorhanden waren. Das LCE-Tool löst dieses Problem.<br />

Als Berechnungsbeispiel präsentiert der ZVEI eine Investition<br />

an der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen, bei<br />

der eine Umrüstung an den Pumpen erfolgte. Der einmaligen<br />

Investitionssumme <strong>von</strong> 25 000 Euro steht über einen<br />

Lebenszeitraum <strong>von</strong> 24 Jahren eine Energiekosteneinsparung<br />

<strong>von</strong> 200 000 Euro gegenüber.<br />

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />

Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org<br />

ergänzt: „Die PNO hat in den vergangenen Jahren Profinet<br />

mit heute mehr als drei Millionen installierten Geräten<br />

als Marktführer unter den Ethernet-basierten Systemen<br />

etabliert. Durch die bereits erfolgte Migration <strong>von</strong><br />

Interbus in Profinet liegt es nahe, die Technologie in die<br />

PNO zu integrieren.“<br />

Der Interbus-Club hat seit seiner Gründung vor mehr<br />

als 20 Jahren unter aktiver Mitwirkung seiner Mitglieder<br />

die Weiterentwicklung des Interbus-Systems gefördert<br />

und dieses als ausgereifte Technologie erfolgreich am<br />

Markt etabliert. Interbus ist in der IEC 61158 und IEC<br />

61784 standardisiert und heute weltweit in zahlreichen<br />

Applikationen im Einsatz.<br />

PROFIBUS-NUTZERORGANISATION,<br />

Haid-und-Neu-Straße 7, D-76131 Karlsruhe,<br />

Tel. +49 (0) 721 965 85 90, Internet: www.profibus.com


VDE fordert neues Energieversorgungssystem<br />

mit automatisierten Verteilungsnetzen<br />

Branche<br />

Von den Smart Grids, die für Elektromobilität und erneuerbare<br />

Energien erforderlich sind, werden große<br />

Impulse für die elektrische Automatisierungstechnik<br />

erwartet. Der VDE fordert nun ein Smart System, das<br />

weit über den Smart-Grids-Ansatz hinaus geht. Das VDE-<br />

Konzept beinhaltet auch die Neudefinition <strong>von</strong> Verantwortlichkeiten,<br />

Marktregeln, Geschäftsmodellen, Tarifstrukturen<br />

und Anreizsystemen.<br />

Diese Forderung resultiert aus zwei Studien, in denen<br />

der Verband das Energiekonzept der Bundesregierung<br />

auf den Prüfstand stellte. Die Schlussfolgerung des VDE:<br />

„Um den für die nächsten Jahre geplanten deutlichen<br />

Ausbau erneuerbarer Energien zu ermöglichen, müssen<br />

bis zum Jahr 2020 alle Teile des Systems aus Erzeugung,<br />

Übertragung, Verteilung und Nutzung elektrischer Energie<br />

grundlegend weiter entwickelt werden, ansonsten<br />

wird es eng mit der Energiewende.“<br />

Nötig sei ein komplett neues, integriertes Gesamtsystem<br />

– das Smart System –, um die horizontale und vertikale<br />

Systemintegration voranzutreiben. Damit solle der<br />

künftige europäische Verbundbetrieb ausgeweitet und<br />

ein effizientes Lastmanagement über die Hierarchieebenen<br />

Erzeugung, Übertragung und Verteilung hinweg<br />

ermöglicht werden. Besonders dringlich sei der massive<br />

Ausbau der Übertragungsnetze.<br />

Hier empfiehlt der VDE, zügig ein leistungsstarkes,<br />

europaweites Overlay-Netz zur Übertragung elektrischer<br />

Energie über weite Strecken zu etablieren. Um die<br />

Energiewende realisieren zu können, müssten über den<br />

Netzausbau hinaus das integrierte Gesamtsystem optimiert,<br />

die Verteilungsnetze automatisiert und auf allen<br />

Systemebenen Speichertechnologien zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK<br />

ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK E.V.,<br />

Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com<br />

Deutsche Automatisierer<br />

gewinnen Marktanteile<br />

Die deutsche Automatisierungsbranche steht nach der<br />

Krise vermutlich besser da als zuvor. Dr. Gunther Kegel,<br />

Vorsitzender des Fachverbands Automation im ZVEI<br />

zeigt sich überzeugt: „Wir haben im Aufschwung deutliche<br />

Marktanteile hinzugewonnen, vor allem gegenüber westlichen<br />

Konkurrenten.“ Allerdings sieht er auch neue Herausforderungen<br />

auf die Unternehmen zukommen. So werde<br />

die Volatilität des Geschäfts zunehmen, es werde „häufigere<br />

und kräftigere Ausschläge geben als bislang – darauf<br />

müssen wir uns einstellen“, betont er gegenüber <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>.<br />

Wie stark die Schwankungen sein können, habe die<br />

jüngste Krise gezeigt. So sei die Produktion im Mai 2009<br />

im Vergleich zum Vorjahresmonat um 50 Prozent eingebrochen.<br />

Ein Jahr später sei sie wieder höher als vor der<br />

Krise gewesen, was im Vergleich zum Mai 2009 mehr als<br />

eine Verdopplung bedeutet habe.<br />

Aktuell wird das Wachstum der Elektroindustrie vor<br />

allem vom Export getragen. Im ersten Quartal legten die<br />

Auslandsbestellungen um 20, jene aus dem Inland um<br />

zwölf Prozent zu. Allerdings zeigen sich Hinweise auf eine<br />

Normalisierung des Wachstums. So nahmen die Auftragseingänge<br />

im März – arbeitstäglich und saisonbereinigt<br />

– um vier Prozent ab; die Inlandsorders gingen um vier<br />

Prozent zurück, jene aus dem Ausland legten noch um<br />

ein Prozent zu. Im Vergleich zum Vormonat stagnierte<br />

laut ZVEI der Umsatz im März, die Produktion sank um<br />

zwei Prozent.<br />

ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />

ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />

Lyoner Straße 9,<br />

D-60528 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 630 20,<br />

Internet: www.zvei.org<br />

Roboter: mit optimierter<br />

Steuerung Energie sparen<br />

Erhebliche Potenziale zur Energieeinsparung<br />

bei Robotern sieht der<br />

VDMA Robotik und Automation. Dessen<br />

Vorsitzender Dr. Michael Wenzel<br />

erläutert: „Neben besonders effizienter<br />

Antriebstechnik und Leichtbau<br />

<strong>von</strong> schnell bewegten Teilen, wie zum<br />

Beispiel Roboterarmen und Roboterwerkzeugen,<br />

bietet insbesondere die<br />

Steuerungstechnik ein großes Einsparpotenzial.<br />

Waren bei den Robotern<br />

Standby-Modi für Arbeitspausen Effiziente Antriebstechnik,<br />

bislang nicht vorgesehen, erlauben Leichtbau und optimierte<br />

neue Automatisierungskonzepte diese<br />

nun und führen zu einer beträcht-<br />

große Energieeinsparungen beim<br />

Steuerungstechnik erlauben<br />

lichen Energieeinsparung.“<br />

Robotereinsatz. Bild: Reis/VDMA<br />

Als positiver Nebeneffekt steige<br />

die durchschnittliche Lebensdauer bestimmter Komponenten,<br />

was zusätzlich Kosten senke. Hinzu kommen Strategien<br />

zur energieeffizienten Roboterprogrammierung, die<br />

Vermeidung unnötig hoher Beschleunigungen, die Rückführung<br />

<strong>von</strong> Bremsenergie und die Simulation des Energiebedarfs.<br />

Energieverbrauch wird auf diese Weise systematisch<br />

an vielen Stellen erfasst und im komplexen Zusammenspiel<br />

einer größeren Anlage ganzheitlich minimiert.<br />

Robotik und Automation trügen aber auch zum<br />

Energiesparen bei, indem sie optimierte Produktionsprozesse<br />

zur wirtschaftlichen Fertigung „grüner“ Technologien<br />

zur Verfügung stellten.<br />

VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN-<br />

UND ANLAGENBAU E.V.<br />

Lyoner Straße 18, D-60528 Frankfurt/Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 660 30, Internet: www.vdma.org<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

11


anche<br />

Die Fertigungsmesstechnik der Zukunft:<br />

schneller, sicherer, genauer, flexibler<br />

GMA-Roadmap stellt Trends und Forderungen für die industrielle Produktion vor<br />

Als Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts intensiv<br />

über das Drei-Liter-Auto diskutiert wurde, war auch die<br />

Messtechnik beteiligt. Erst durch Fortschritte, wie die Scanningtechnolgie<br />

auf Koordinatenmessgeräten und den produktionsnahen<br />

Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik war es möglich,<br />

Informationen zu gewinnen, um Produktionsprozesse in<br />

engen Grenzen zu regeln. Damit werden Serienbauteile produziert,<br />

die kleine Toleranzen einhalten und wesentlich<br />

zur Reduzierung <strong>von</strong> Reibung in Motoren und Antriebskomponenten<br />

beitragen.<br />

Das Thema der Ressourceneffizienz spielt heute in der<br />

Produktion eine wichtige Rolle. Neue Verfahren in der Fertigung<br />

tragen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz bei.<br />

Um sie zu beherrschen, ist der Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik<br />

erforderlich, da nur Messtechnik Informationen zur Bewertung<br />

der Leistungsfähigkeit liefern kann. Die daraus resultierenden<br />

Trends und Forderungen hat die Roadmap Fertigungsmesstechnik<br />

2020 der GMA ermittelt.<br />

Produktionstechnik vor Herausforderungen<br />

Kundenforderungen nach individuell gestalteten Produkten<br />

und schwankender Nachfrage begegnet die Produktion<br />

durch durch größere Flexibilität. Das führt zur<br />

erheblichen Verringerung der Losgrößen, die oft nur<br />

durch verstärkten Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik zu beherrschen<br />

ist. Man kann sich lange dauernde Produktionsanläufe<br />

und Vorserien kaum mehr leisten. Gleichzeitig<br />

verlangen mehr Branchen die lückenlose Dokumentation<br />

der Konformitätsbewertung aller gefertigten Produkte,<br />

die ebenfalls nur durch den verstärkten Einsatz <strong>von</strong><br />

Messtechnik zu realisieren ist.<br />

Die Aufgabe der Fertigungsmesstechnik ist es, valide Informationen<br />

über das Produkt zur Absicherung der Prozessund<br />

Produktqualität zu liefern. Vor dem Hintergrund der<br />

Herausforderungen wird dazu in der Produktion in Zukunft<br />

mehr gemessen. Der Einsatz <strong>von</strong> mehr Messtechnik muss<br />

sich aber wirtschaftlich rechtfertigen lassen. Die Messtechnik<br />

muss leistungsfähiger werden. Diese Steigerung der<br />

Leistungsfähigkeit lässt sich zusammenfassend mit vier<br />

Begriffen beschreiben:<br />

Schneller<br />

Sicherer<br />

Genauer<br />

Flexibler<br />

Schneller<br />

Mit Schnelligkeit ist einerseits die Entwicklung und Anwendung<br />

messtechnischer Verfahren gemeint, mit denen<br />

in kürzerer Zeit Informationen über die Produktqualität<br />

gewonnen werden. Dabei kommt es weniger darauf an,<br />

Verfahren neu zu entwickeln. Vielmehr werden bekannte<br />

Messprinzipien zur Nutzung in der Produktion adaptiert.<br />

Dabei spielen optische Verfahren eine bedeutende<br />

Rolle. Andererseits gewinnt die Integration an Bedeutung<br />

bei der Beschleunigung <strong>von</strong> Messtechnik. Transportzeiten<br />

zu den Messeinrichtungen können verringert werden<br />

oder ganz entfallen. Weiterhin stehen die Informationen<br />

Trends in der Produktionstechnik<br />

Ressourcen-<br />

Flexibilität<br />

effizienz<br />

Erhöhung der<br />

Integration<br />

Zunehmende Vielfalt<br />

an Messverfahren<br />

Verringerung der<br />

Messzeit<br />

Transparenz<br />

Herausforderungen und Trends der Fertigungsmesstechnik<br />

Automatisierte<br />

Datenverarbeitung<br />

Verringerung <strong>von</strong> Messabweichungen/Messunsicherheit<br />

Steigende Nachweispflicht der Messunsicherheit<br />

Steigerung der<br />

Informationsdichte<br />

Neue Prozesse<br />

Schneller<br />

Genauer<br />

Sicherer<br />

Flexibler<br />

Trends und Herausforderungen der Fertigungsmesstechnik<br />

aus der Messtechnik unmittelbar in der Produktion, beispielsweise<br />

zur Realisierung <strong>von</strong> Regelkreisen, zur Verfügung.<br />

Durch die automatisierte Übertragung <strong>von</strong> Daten<br />

wird die Regelung besonders effizient realisiert:<br />

Beschleunigte Produktionstakte erfordern schnellere<br />

Messverfahren mit deutlich erhöhtem Dynamikumfang.<br />

Es erfolgt eine erhöhte Absicherung <strong>von</strong> einzelnen Prozessschritten<br />

durch dezentrale Messtechnik, die fertigungsnah<br />

oder -integriert eingesetzt wird. Dies führt zu<br />

einer Steigerung des wirtschaftlichen Nutzens der Fertigungsmesstechnik.<br />

Messdaten werden vermehrt in den Produktionsprozess<br />

zur Steuerung und Regelung zurückfließen. Damit wird<br />

die Fertigungsmesstechnik integraler Bestandteil des<br />

Produktionsprozesses.<br />

Die vermehrte Integration <strong>von</strong> Messsystemen in die Fertigung<br />

ermöglicht die 100%-Prüfung der Produkte.<br />

Die automatisierte Messdatenverarbeitung gewinnt vor<br />

dem Hintergrund der zunehmenden Informationsdichte<br />

an Bedeutung.<br />

Sicherer<br />

Der Nachweis der Messunsicherheit und ihre Berücksichtigung<br />

bei der Konformitätsbewertung werden zunehmend<br />

wichtiger. Die standardisierten Vorgehensweisen<br />

zur Bestimmung der Messunsicherheit etablieren sich<br />

weiter. Diese werden je nach Anwendung in unterschiedlicher<br />

Detaillierung angewendet. Bei der Kalibrierung <strong>von</strong><br />

Normalen wird mehr Aufwand bei der Unsicherheitsbestimmung<br />

zu rechtfertigen sein als bei der Prüfung einfacher<br />

Produktmerkmale. Für die Produktion etablieren<br />

sich vereinfachte Vorgehensweisen. Gerade bei sicherheitsrelevanten<br />

Produkten, beispielsweise in der Luft-<br />

12<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


fahrtindustrie und der Medizintechnik, wird ein Nachweis<br />

über die Messunsicherheitsbestimmung und ihre<br />

Berücksichtigung bei der Prüfentscheidung zum Standard<br />

und die Produktsicherheit verbessern:<br />

Verbesserte Rechnerunterstützung und Methoden der<br />

Simulation (virtuelles Messgerät) vereinfachen die Ermittlung<br />

der Messunsicherheit.<br />

Stabile Prozesse und damit der Eignungsnachweis sowohl<br />

für den Fertigungs- als auch für den Messprozess<br />

gewinnen an Bedeutung.<br />

Überwachung der Produktion mittels sicherer Fertigungsmesstechnik<br />

minimiert das Risiko <strong>von</strong> Stillstandzeiten<br />

und trägt zur Ressourceneffizienz sowie zur<br />

Wettbewerbsfähigkeit bei.<br />

Genauer<br />

Durch höhere Qualitätsanforderungen steigen die Anforderungen<br />

an die Genauigkeit der Messtechnik. Eine besondere<br />

Rolle spielt die Steigerung der Ressourceneffizienz:<br />

Bauteile entwickeln sich dimensionell in zwei Richtungen:<br />

sehr kleine Bauteile und Strukturen einerseits,<br />

sowie sehr große Bauteile andererseits. Diese Spannbreite<br />

erfordert hochflexible sowie dynamische Messsysteme,<br />

um deren Merkmale genau zu erfassen.<br />

Optische Scanningverfahren und tomographische<br />

Messverfahren erhöhen deutlich die Messpunktdichte.<br />

Somit eröffnen sich neue ganzheitliche Auswertemöglichkeiten<br />

wie ein direkter Abgleich mit 3D-CAD-Daten,<br />

womit auch die Genauigkeit gesteigert wird.<br />

Der vermehrte Einsatz <strong>von</strong> Fertigungsmesstechnik verbessert<br />

das Verständnis <strong>von</strong> Fertigungsprozessen und<br />

damit erfolgt eine Steigerung der Produktqualität.<br />

Flexibler<br />

Die Vielfalt der zur Messung in der Produktion eingesetzten<br />

Verfahren nimmt rasant zu. Vermehrt werden verschiedene<br />

Verfahren in Messsystemen kombiniert und<br />

damit ihre Flexibilität gesteigert:<br />

Der konsequente Einsatz <strong>von</strong> Fertigungsmesstechnik<br />

hat die transparente Produktion zur Folge. Diese begünstigt<br />

die Anpassungsfähigkeit <strong>von</strong> Unternehmen<br />

und ermöglicht damit die Reaktion auf eine flexible,<br />

vernetzte Gesellschaft.<br />

Standardisierte Schnittstellen verbessern die Kommunikation<br />

der Messsysteme untereinander sowie<br />

die Kommunikation zur Prozesssteuerung und zu<br />

anderen Bereichen der Produktion. Die Produktion<br />

wird flexibler.<br />

Intelligente Sensoren und Multisensorik gepaart mit<br />

Lernvermögen der Messsysteme ermöglichen flexiblere<br />

Einsatzszenarien sowie wirtschaftliche Fertigungsmesstechnik.<br />

Die Bedienung der Messsysteme wird leichter.<br />

Verbesserte Ausbildungsangebote im industriellen und<br />

universitären Bereich einschließlich neuer Lerntechnik<br />

wie E-Learning führen zu besser ausgebildeten Fachkräften.<br />

Dadurch sind Messsysteme flexibler mit verbesserter<br />

Sicherheit einsetzbar.<br />

Neue Konzepte wie mobile, integrierbare Messsysteme<br />

oder globale Koordinatensysteme wie Indoor-GPS<br />

(iGPS) machen die Messtechnik flexibel.<br />

Die Forderung der Wandlungsfähigkeit produzierender<br />

Unternehmen nimmt zu. Werden flexible Mechanismen<br />

etabliert um den Produktionsfluss sowie die Prozessqualität<br />

sicherzustellen, kann die Produktion schneller<br />

auf Veränderungen reagieren. Grundlage für die Sicherstellung<br />

der Prozessqualität ist dabei eine angepasst<br />

flexible Fertigungsmesstechnik.<br />

Die Fertigungsmesstechnik ist eine Schlüsseltechnologie<br />

für die prozesssichere und wirtschaftliche Produktion<br />

und liefert damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung<br />

des Standorts Deutschland.<br />

Autoren<br />

Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt ist Leiter des<br />

Fachbereiches 3 der VDI/VDE-Gesellschaft<br />

Mess- und Automatisierungstechnik (GMA)<br />

„Sensoren und Messsysteme für die Fertigungstechnik“.<br />

Seit September 2004 ist er<br />

Inhaber des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik<br />

und Qualitätsmanagement am<br />

Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH.<br />

Außerdem ist er als Direktoriumsmitglied des<br />

Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT tätig und<br />

leitet die Abteilung Produktionsqualität und Messtechnik. Seit<br />

2010 fungiert Schmitt als geschäftsführender Direktor des WZL.<br />

RWTH Aachen,<br />

Werkzeugmaschinenlabor, Steinbachstraße 53 B,<br />

D-52074 Aachen, Tel. +49 (0) 241 802 02 83,<br />

E-Mail: r.schmitt@wzl.rwth-aachen.de<br />

Dr.-Ing. Dietrich Imkamp arbeitet seit 2010<br />

als stellvertretender Leiter des Fachbereiches<br />

3 der VDI/VDE Gesellschaft Mess- und<br />

Automatisierungstechnik (GMA) „Sensoren<br />

und Messsysteme für die Fertigungstechnik“<br />

und und ist Mitglied des wissenschaftlichen<br />

Beirats der GMA. Als Direktor Visual Systems<br />

und Partnerprodukte ist Imkamp verantwortlich<br />

für optische Koordinatenmessgeräte bei<br />

der Carl Zeiss Industriellen Messtechnik in Oberkochen.<br />

Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH,<br />

D-73446 Oberkochen, Tel. +49 (0) 7364 20 20 45,<br />

E-Mail: imkamp@zeiss.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

13


anche<br />

Distanzmessung mit PMD-Sensoren sorgt für<br />

größere Stabilität in automatischem Prozess<br />

Automobilzulieferer verhindert so Fehlschaltungen bei der Bearbeitung <strong>von</strong> Getriebegehäusen<br />

Kompakt dank<br />

der Zusammenfassung<br />

<strong>von</strong><br />

Sensorelement<br />

und der Elektronik<br />

zur Signalauswertung<br />

auf<br />

einem einzigen<br />

Siliciumchip:<br />

die PMD-Abstandssensoren.<br />

Bild: ifm<br />

Mithilfe <strong>von</strong> PMD-Abstandssensoren konnte der Automobilzulieferer<br />

Grüner Systemtechnik die Bearbeitung<br />

<strong>von</strong> Getriebegehäusen zuverlässiger gestalten. Die<br />

zuvor eingesetzten optischen Standardsensoren verursachten<br />

oft Fehlschaltungen aufgrund <strong>von</strong> Verschmutzungen.<br />

Die efector-pmd-Sensoren <strong>von</strong> ifm electronic hingegen sind<br />

vor Verschmutzungen aus dem Bearbeitungsprozess weitgehend<br />

sicher. Da sie exakte Messungen über große Distanzen<br />

erlauben, konnte Grüner sie in sicherer Entfernung zu<br />

Kühlschmiermittel- und Ölspritzern positionieren.<br />

Zusätzlich zur Fertigung <strong>von</strong> Motorblöcken, Zylinderblöcken<br />

und Kupplungsglocken hat sich die Grüner Systemtechnik<br />

GmbH & Co. KG auf die Bearbeitung <strong>von</strong> Getriebegehäusen<br />

für Getriebehersteller spezialisiert. Dabei muss<br />

das Unternehmen in Bad Überkingen den Kunden aus der<br />

Automobilindustrie eine konstant hohe Produktqualität<br />

und eine Just-in-time-Lieferfähigkeit garantieren.<br />

TONNENSCHWER UND HOCHPRÄZISE<br />

Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen die Bearbeitungszentren<br />

für die Bearbeitung der Getriebegehäuse<br />

absolut zuverlässig und wirtschaftlich arbeiten. Zur Erzielung<br />

maximaler Produktivität sowie hoher Zuverlässigkeit,<br />

konstruiert und baut Grüner Systemtechnik Bearbeitungszentren<br />

selbst. Das Unternehmen auf der Schwäbischen<br />

Alb greift dabei mittlerweile auf Erfahrungen und<br />

Know-how <strong>von</strong> über drei Jahrzehnten zurück. Grüner<br />

Systemtechnik rüstet die technisch anspruchsvollen Maschinen<br />

mit Sensorik der ifm electronic gmbh aus. Neben<br />

der bewährten ifm-Druck- und Strömungssensorik zur<br />

Überwachung des Kühlschmiermittelkreislaufs und der<br />

Hydraulikaggregate, setzt der Gehäusehersteller auch ifm-<br />

Abstandssensoren mit innovativer PMD-Technologie ein.<br />

Bei der Betrachtung der Bearbeitungszentren wird<br />

recht schnell deutlich, welch technischer Aufwand und<br />

welches Know-how erforderlich sind: Mit Abmessungen<br />

<strong>von</strong> etwa 8 x 4 x 3 m und einem Gewicht <strong>von</strong> 22 t erzeugen<br />

die Bearbeitungszentren hochpräzise Öffnungen, Bohrungen<br />

sowie Gewinde an vorgegebenen Positionen im<br />

µm-Bereich. Dabei ist die Bearbeitungszeit eines Getriebes<br />

so gering wie möglich zu halten, da es sich um Massenprodukte<br />

handelt.<br />

Die Getriebegehäuse werden zunächst mit Hilfe <strong>von</strong><br />

Warenträgern über Förderbänder vor den Bearbeitungszentren<br />

positioniert. Eine Zuführvorrichtung nimmt die<br />

Gehäuse auf und befördert sie ins Innere der Maschine,<br />

um sie dort spanabhebend zu bearbeiten. An vorgegebenen<br />

Positionen werden Bohrungen, Öffnungen und Gewinde<br />

gesetzt beziehungsweise geschnitten. Zu diesem<br />

Zweck befinden sich in den Bearbeitungszentren Arbeitsspindeln,<br />

welche die erforderlichen Werkzeuge automatisch<br />

aufnehmen. Die Maschinen sind derart konstruiert,<br />

dass sie eine Vielzahl <strong>von</strong> Bohrungen und Gewinden<br />

zeitgleich erzeugen können. Somit lässt sich die Bearbeitungszeit<br />

eines Getriebegehäuses erheblich verkürzen<br />

und die Wirtschaftlichkeit der Maschine erhöhen.<br />

EXAKTE POSITIONSÜBERWACHUNG UNERLÄSSLICH<br />

Für einen sicheren Ablauf des Produktionsprozesses ist<br />

die Positionsüberwachung der Getriebegehäuse unerlässlich.<br />

Die ifm-Abstandssensoren detektieren, ob sich ein<br />

Warenträger an der Übergabestation befindet und ob dieser<br />

ein Getriebegehäuse trägt oder frei ist. Es würden erhebliche<br />

Schäden an der Maschine beziehungsweise der<br />

Zuführeinheit und damit auch Ausfallzeiten entstehen,<br />

wenn ein Getriebegehäuse aus dem Bearbeitungszentrum<br />

auf eine bereits belegte Übergabestation befördert würde<br />

oder gar kein Warenträger bereit stünde.<br />

Früher realisierte Grüner Systemtechnik die Überwachung<br />

mit optischen Standardsensoren. Nachteil: Die<br />

14<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Sensoren mussten relativ nah am Förderband angebracht<br />

werden. Folge: Spritzendes Kühlschmiermittel und Öl<br />

gelangten häufig auf die Optiken der Sensoren, was Fehlschaltungen<br />

verursachte. Dazu kam, dass man bedingt<br />

durch die geforderte Genauigkeit der Positionsabfrage<br />

und der großen Reichweiten, auf die Verwendung <strong>von</strong><br />

Einweglichtschranken angewiesen war. Bei den großen<br />

Reichweiten war die Justage <strong>von</strong> Sender und Empfänger<br />

zueinander besonders zeitraubend.<br />

IN SICHERER ENTFERNUNG VOM FÖRDERBAND<br />

Grüner Systemtechnik entschied sich, den efector pmd<br />

der ifm electronic einzusetzen. Dabei handelt es sich<br />

um einen optischen Abstandssensor. Seine Besonderheit:<br />

Im Bereich <strong>von</strong> 0,2 bis 10 m lassen sich Abstände<br />

millimetergenau erfassen. Mit diesem Leistungsmerkmal<br />

ist es nun möglich, die Sensoren in sicherer Entfernung<br />

vom Förderband zu betreiben. Geschützt vor<br />

spritzendem Öl und Kühlschmiermittel können sie ihre<br />

Aufgabe optimal erfüllen. Hinzu kommt, dass sich die<br />

Abstände auch dann sicher erfassen lassen, wenn der<br />

Lichtstrahl nicht senkrecht auf die Objektoberfläche<br />

auftrifft. Bei nicht glänzenden Oberflächen, wie sie die<br />

Getriebegehäuse aufweisen, darf der Einfallwinkel des<br />

Lichtstrahls bis zu 45° betragen. Der Kundennutzen ist<br />

klar: Im Vergleich zu optischen Standardsensoren ist<br />

man bei der Wahl der Montageorte der Sensoren besonders<br />

flexibel.<br />

MILLIMETERGENAU BEI HOHEN REICHWEITEN<br />

Der Abstandssensor efector pmd dient zur millimetergenauen<br />

Abstandsmessung bei hohen Reichweiten.<br />

Konventionelle Sensoren, die ebenfalls das Lichtlaufzeitverfahren<br />

verwenden, benutzen als Empfangseinheit<br />

eine Fotodiode. Eine zusätzliche Elektronik dient<br />

zur Signalerfassung und -verarbeitung. Nachteil: Dieses<br />

Sensordesign ist aufwendig, groß dimensioniert<br />

und daher oftmals nicht für industrielle Positionsabfragen<br />

einsetzbar und teuer.<br />

Im Vergleich dazu ist das Empfangselement des PMD-<br />

Sensors ein System-on-Chip-Design: Sowohl Sensorelement<br />

als auch die Elektronik zur Signalauswertung sind<br />

in einem einzigen Siliciumchip, dem sogenannten Photonenmischdetektor<br />

(PMD), integriert. Vorteil: Dieses<br />

innovative Design ermöglicht eine hohe Performance in<br />

einem kompakten, industrietauglichen Gehäuse und das<br />

zu einem Bruchteil des Preises herkömmlicher Systeme.<br />

Die gemessene Entfernung wird auf dem 4-stelligen Display<br />

angezeigt und lässt sich als skalierbares Analogsignal<br />

ausgeben. Der Anwender kann zwei Schaltausgänge parametrieren,<br />

die beim Erreichen einer bestimmten Distanz<br />

oder eines bestimmten Abstandsbereichs schalten. Bis zu<br />

50 Messungen pro Sekunde sind möglich. Der Lichtfleckdurchmesser<br />

beträgt 6 mm bei 10 m Abstand. Der Sensor<br />

eignet sich auch für Applikationen, bei denen es auf exakte<br />

Hintergrundausblendung ankommt.<br />

Dank der innovativen Abstandsensoren efector pmd<br />

der ifm electronic erfolgt die Positionsabfrage der Getrie-<br />

begehäuse bei Grüner Systemtechnik besonders einfach<br />

und robust. Zur Wirtschaftlichkeit trägt auch ein Preis<br />

bei, der in der Klasse der optischen Abstandsmessung<br />

neue Maßstäbe setzt.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. Patric Kister<br />

ist Produktmanager Optische<br />

Sensoren bei der<br />

ifm electronic GmbH.<br />

ifm electronic GmbH,<br />

Friedrichstr. 1,<br />

D-45128 Essen,<br />

Tel. +49 (0) 201 24 22 15 14,<br />

E-Mail: patric.kister@ifm.com<br />

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6 / 2011<br />

15


praxis<br />

Italienisches Walzwerk formt Stahl<br />

mithilfe <strong>von</strong> schwedischen Drehgebern<br />

Praxislösung fordert unterschiedliche Geräteeigenschaften in der Anlage<br />

Erdbebenfester Stahl ist das Geschäft <strong>von</strong> Pittini, einem<br />

italienischen Eisenhütten-Unternehmen. Bei<br />

Ferriere Nord, dem Geschäftsbereich Walzwerk, werden<br />

die Drehgeber <strong>von</strong> Leine & Linde seit Jahren erfolgreich<br />

eingesetzt. Begonnen im Wärmeofen, durchläuft der rohe<br />

Stahl verschiedene Stationen im Walzwerk. Spezielle<br />

Drehgeber kommen gemäß den abschnittsspezifischen<br />

Anforderungen dabei an fast jeder entscheidenden Stelle<br />

zum Einsatz.<br />

Genauigkeit gelingt durch Drehgeber<br />

Der Stahl wird in dem vor drei Jahren in Betrieb genommenen,<br />

mit Erdgas beheizten Wärmeofen erhitzt, bis er<br />

weiß glüht. Der Durchsatz der Heizmaschine beträgt<br />

150 t/h bei kalter Beschickung und 200 t/h bei heißer<br />

Beschickung. Multiturn-Absolutdrehgeber mit überstehender<br />

Welle vom Typ RSA 608 (Bild 1) sind an der<br />

Zuführungs- und Beschickungsanlage des Ofens angebracht,<br />

um die Genauigkeit der Zubringungen zur<br />

Maschine sicherzustellen. Bei der Wechselstrom-Motorisierung<br />

in der Ofen-Zuführung sind inkrementale<br />

Hohlwellen-Drehgeber der Serie RSI 503 (Bild 3) im<br />

Einsatz, um eine Rückführung der Motordrehzahl<br />

zu gewährleisten.<br />

Für die Beschickung des Ofens bevorzugt der Anwender<br />

den Einsatz einer Seilzug-Abwickelungseinrichtung<br />

mit Drehgeber. Diese Technik kommt insbesondere bei<br />

der Automatisierung des Beschickungstisches und des<br />

Knüppel-Wahlschalters zum Einsatz.<br />

Zur Vermeidung <strong>von</strong> Winkelpositionsmessungen werden<br />

die Mechanismen mit Seilzug bei dieser Anwendung<br />

eingesetzt. Sie ermöglichen eine höhere Genauigkeit.<br />

Die lineare Bewegung des Seilzugs folgt direkt der<br />

Achsbewegung und vermeidet somit Fehler. Zudem<br />

erlaubt sie Einsparungen <strong>von</strong> Material und mechanischem<br />

Projektierungsaufwand. Eine präzise Montage<br />

ist notwendig, da der Seilzug ohne Winkelbildung abrollen<br />

muss.<br />

Auf Anwendungen in der rauen Umgebung der Eisenmetallurgie<br />

hat Leine & Linde seine Drehgeber samt Zubehör<br />

(Kupplungen, elektronische Geräte und Seilzug-Abwickelmechanismen)<br />

bereits seit längerem spezialisiert. Der<br />

schwedische Hersteller unterstützte die Konstrukteure der<br />

Pittini-Walzanlage in langen Projektphasen mit seinem<br />

Know-how. Über die Jahre entwickelte Leine & Linde gemeinsam<br />

mit den Italienischen Anwendern eine werksorienterte<br />

Lösung. Jeder Anlagenteil hat nämlich seine eigenen<br />

Problematiken und benötigt eine gezielte Geräte-Auswahl<br />

für seine optimale Funktionalität.<br />

Motorisierte Vorwalzgerüste<br />

Nachdem der weiß glühende Knüppel den Ofen verlassen<br />

hat, beginnt sein Weg auf einem Rollenförderer zum Vorwalzen.<br />

Dazu gelangt er in einen der zwei parallelen<br />

Transportkanäle die zu den vier größeren Vorwalzgerüsten<br />

der Anlage führen. Diese Gerüste bestehen aus zwei<br />

Zylindern, durch die man den heißen Stahl passieren<br />

lässt. Er reduziert sich beim Durchlauf und nimmt die<br />

gewünschte Form an. Dabei spielt das „Zylinderlicht“ (der<br />

Raum zwischen einem Zylinder und dem anderen, durch<br />

den das Metall gezwungen wird) eine tragende Rolle. Es<br />

wird immer kleiner, damit der Stahl letztendlich seine<br />

genaue Passform erreicht. Für die Berechnung dieses<br />

„Zylinderlichts“ in den Gerüsten und zur Festlegung der<br />

Knüppel-Abmessungen, die man mit dem Walzen dieses<br />

Gerüsts erreichen möchte, werden wieder die bereits<br />

erwähnten Absolut-Drehgeber mit Hohlwelle vom<br />

Typ RSA 608 (Bild 1) verwendet.<br />

Die Gerüste selbst sind Gleichstrom-motorisiert mit<br />

Rückführung durch Drehgeber des Typs RSI 503-52CLS<br />

(Bild 3). Es handelt sich um robuste Drehgeber, die sich<br />

zum Arbeiten mit Gleichstrom-Motorisierungen mit großen<br />

Abmessungen eignen. Der technische Ausgang ist<br />

strombegrenzt, um mit bestimmten DC-DC-Umrichtern<br />

besser kommunizieren zu können.<br />

Anbindung über Profibus DP<br />

Die Anbindung erfolgt über Profibus DP, indem man herkömmliche<br />

serielle Drehgeber mit EnDat-Schnittstelle in<br />

abgesetzter Kombination mit einem Profibus-Gateway<br />

einbaut, das der Anwendung gewidmet ist. Auf diese Art<br />

kann Ferriere Nord auch bei dem Gerüste-Teil mit Profibus<br />

arbeiten. Ohne den gewidmeten Drehgeber RHA 608 hätte<br />

diese Anwendung mit einer seriellen Punkt-zu-Punkt<br />

Verbindung entwickelt werden müssen, zulasten der Vorteile<br />

der zentralisierten Steuerung und Diagnose.<br />

Schopfscheren fordern robuste Sensoren<br />

Der Stahl durchfährt nun die mittelgroßen und schließlich<br />

die Feinbearbeitungs-Gerüste. Die Linie wird entsprechend<br />

dem Produktionstyp, den man erhalten möchte,<br />

zweigeteilt. Es geht durch zwei Danieli-Monoblöcke mit<br />

synchroner Motorisierung. Dies wird durch zwangsbelüftete<br />

Asynchronmotoren <strong>von</strong> ABB und Leine & Linde-Inkremental-Drehgeber<br />

vom Typ 861 (Bild 4) realisiert.<br />

Die Drehgeber der Baureihe 861 besitzen ein robustes<br />

Aluminiumgehäuse der Schutzart IP 66. Sie verfügen<br />

über 6 oder 3 kurzschlussfeste Ausgänge und eine elektrisch<br />

isolierte Hohlwelle mit einem Durchmesser <strong>von</strong><br />

12 oder 16 mm. Die für eine Versorgungsspannung <strong>von</strong><br />

5 V beziehungsweise 9...30 V ausgelegten Drehgeber<br />

sind mit dem Advanced Diagnostic System ADS ausgestattet.<br />

Die Strichzahl ist in feinen Abstufungen <strong>von</strong><br />

500 bis 10 000 wählbar oder auch an die jeweiligen Anforderungen<br />

anpassbar. Die Anzahl der Messschritte<br />

entspricht der 4-fachen Strichzahl und erreicht maximal<br />

40 000 Messschritte pro Umdrehung. Die Betriebstemperatur<br />

darf zwischen -20 °C und +80 °C betragen.<br />

Mit 10 g ist die Schwingfestigkeit angegeben. Die Stoßfestigkeit<br />

liegt bei 100 g.<br />

Nach dem Durchlauf der Gerüste hat das Produkt die<br />

gewünschten Eigenschaften und Abmessungen erreicht.<br />

Es folgt die Stahlbearbeitung durch die zwei Schopfscheren.<br />

An Spitze und Ende des Stahlknüppels können Fehler<br />

im Walzprozess entstanden sein. Die Drehgeber in<br />

den Scheren müssen robust sein. Die Bearbeitung des<br />

16<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Bild1: Die Drehgeber werden häufig durch<br />

Metallgehäuse geschützt. Hier handelt es sich um<br />

einen Absolutdrehgeber vom Typ RSA 608.<br />

Bild 2:<br />

Funkenflug, harte<br />

Bearbeitungsstöße,<br />

schwieriges<br />

Material: In Stahlwerken<br />

sind die<br />

Umgebungsbedingungen<br />

rau.<br />

Bild 3: Ein Inkrementaldrehgeber der Serie RSI<br />

503 mit Abwickelmechanismus mit 5 m langem<br />

Seilzug in einer Spulenwickel-Anwendung.<br />

Bild 4: Inkrementaldrehgeber der Baureihe 861,<br />

der vom Motorhersteller neu lackiert wurde.<br />

Bilder: Leine & Linde<br />

Metalls versetzt der Maschine, einschließlich des Sensors,<br />

beachtliche Stöße. Den Anlagen-Entwicklern werden<br />

daher für diese Einsätze die Heavy-Duty-Produkte<br />

empfohlen. Der normalerweise am meisten verwendete<br />

Typ ist ein Drehgeber der Serie 850 mit vorstehender<br />

Welle. Es handelt sich um ein Produkt mit Wellenkeil<br />

für eine bessere Verbindung mit der Kupplung und einem<br />

Euro-Flansch mit guten Kenndaten bezüglich der möglichen<br />

axialen oder radialen Belastungen, die sich aus<br />

den Maschinenkräften ergeben.<br />

Nach dem Abschopfen trifft der geformte Stahlknüppel<br />

auf seinem Weg auf einen neuen Zug <strong>von</strong> vier als mittelgroß<br />

definierten Gerüsten, die ebenfalls Gleichstrommotorisiert<br />

sind.<br />

Abkühlung und Auslieferung<br />

Schließlich wird das Metall auf Kühlteppichen abgelegt.<br />

Die Teppiche sind ebenfalls motorisiert, jedoch mit kleinen<br />

Gleichstrom-Motoren, bei denen keine Drehgeber<br />

nötig sind. Nach dem Abkühlen gelangt das Metall in die<br />

Endphase. Es wird zu Coils geformt, verdichtet und auslieferungsfertig<br />

gebundend. Bei Pittini ist auch diese Phase<br />

in der Belieferungsanlage, einer Sund-Anlage, vollständig<br />

automatisiert. Die vorgestellten Drehgeber kommen<br />

dort ebenfalls zum Einsatz.<br />

Der Pittini-Stahl gilt wegen seiner Duktilität als erdbebenfest.<br />

Nicht nur in Italien ist er aufgrund seiner Eigenschaften<br />

daher so beliebt.<br />

Autor<br />

Klaus Korger<br />

(Techn. Betriebswirt) ist<br />

Geschäftsführer der Leine &<br />

Linde (Deutschland GmbH)<br />

in Aalen.<br />

Leine & Linde (Deutschland),<br />

Bahnhofstraße 36,<br />

73430 Aalen,<br />

Tel.: +49 (0) 7361 78 09 30,<br />

E-Mail: k.korger@leinelinde.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

17


anche<br />

Common Components gewährleisten eine<br />

„eingebaute“ Interoperabilität bei FDT 2.0<br />

Toolkit für Rahmenapplikation bereits verfügbar – Entwicklung für die DTM-Seite läuft<br />

Um die Interoperabilität <strong>von</strong> FDT-2.0-Produkten <strong>von</strong><br />

Anfang an zu gewährleisten, stellt die FDT Goup ihren<br />

Mitgliedern sogenannte Common Components (CC)<br />

als Toolkit zur Vefügung. Diese Komponenten bilden die<br />

Basis für Produkte, die die neue FDT-2.0-Spezifikation<br />

unterstützen. Neben der hohen Qualiät durch intensive<br />

Tests ermöglichen die Komponenten die Reduktion des<br />

Entwicklungsaufwands und eine schnellere Bereitstellung<br />

<strong>von</strong> Produkten. Durch die eingebaute Interoperabilität<br />

reduziert sich der Aufwand für die Zertifizierung<br />

und die Inbetriebnahme im Feld.<br />

FDT GROUP STELLT BASISKOMPONENTEN BEREIT<br />

Nach Abschluß der FDT-2.0-Spezifikation hat die FDT<br />

Group das nächste Projekt in Angriff genommen: die Bereitstellung<br />

<strong>von</strong> Komponenten für die Entwicklung <strong>von</strong><br />

FDT-2.0-Produkten. Damit soll <strong>von</strong> Anfang an die Basis<br />

gelegt werden für eine hohe Produktqualität und eine<br />

hohe Interoperabilität zwischen den Produkten. Bei FDT<br />

1.x lag der Schwerpunkt auf der Bereitstellung <strong>von</strong> Testund<br />

Zertifizierungswerkzeugen. Mit FDT 2.0 geht die FDT<br />

Group nun einen Schritt weiter und stellt Basiskomponenten<br />

für ihre Mitgliedsfirmen bereit.<br />

Das Objektmodell in FDT 2.0 wurde gegenüber FDT<br />

1.x vereinfacht und auf die wesentlichen Teile konzentriert<br />

(Bild 1). Das Objekt „Frame Application“ repräsentiert<br />

die FDT-Rahmenapplikation, oft auch FDT-<br />

Container genannt. Es stellt die Schnittstelle zur Verfügung,<br />

damit ein DTM (Device Type Manager) in der<br />

Applikationsumgebung ausführbar ist. Der DTM repräsentiert<br />

das entsprechende Feldgerät und besteht<br />

üblicherweise aus zwei Teilen, dem „DTM User Interface“<br />

und der „DTM Business Logic“. Das Objekt „Communication<br />

Channel“ kommt bei Kommunikationsund<br />

Gateway-DTMs zum Tragen. Das in FDT 1.x verwendete<br />

Objekt „Process Channel“ steht für Prozessdaten<br />

und wird jetzt durch eine Datenstruktur ersetzt<br />

(„Process Data Info“).<br />

INTERAKTION LÄUFT ÜBER RAHMENAPPLIKATION<br />

Die Interaktion zwischen den DTM-Objekten erfolgt gemäß<br />

Bild 2 immer über die Rahmenapplikation und nicht<br />

mehr direkt zwischen DTMs. Dadurch wird unter anderem<br />

die Anzahl der Interfaces reduziert und die Verteilung<br />

der DTM-Komponenten auf unterschiedliche Systeme<br />

wird möglich, ohne dass die jeweiligen DTM-Objekte<br />

Kenntnis da<strong>von</strong> haben müssen (Bild 3).<br />

Das Konzept der Bereitstellung <strong>von</strong> Basiskomponenten<br />

für die Entwicklung <strong>von</strong> FDT-2.0-Produkten nennt sich<br />

Common Components. Dieses Konzept fußt auf der oben<br />

vorgestellten Architektur. Dabei sind jeweils die beiden<br />

Gegenstücke Rahmenapplikation und DTM zu betrachten.<br />

In Bild 4 ist die prinzipielle Struktur bei der Nutzung<br />

der Common Components dargestellt. Auf jeder<br />

Seite gibt es jeweils eine CC, die die FDT-2.0-Schnittstellen<br />

abdeckt. Auf der Seite der Rahmenapplikation<br />

kommt noch die Unterstützung <strong>von</strong> FDT 1.x hinzu<br />

zwecks Gewährleistung der Rückwärtskompabilität.<br />

Aufbauend auf der jeweiligen CC werden dann die produktspezifischen<br />

Anteile implementiert. Die CC stellen<br />

eine Abstraktionsebene dar, die sicherstellt, dass sich<br />

die Komponenten gemäß der FDT-2.0-Spezifikation verhalten.<br />

Diese Vorgehensweise bringt enorme Vorteile<br />

sowohl für die Hersteller <strong>von</strong> FDT-Produkten als auch<br />

für die Endanwender:<br />

Sicherstellung der Interoperabilität durch einheitliche<br />

Nutzung der FDT-2.0-Schnittstellen und<br />

gemeinsame Tests während der Entwicklung<br />

höhere Qualität durch vorgefertigte und intensiv<br />

getestete Komponenten<br />

schnellere Entwicklung <strong>von</strong> FDT-Produkten<br />

(Time-to-Market)<br />

Reduzierter Testaufwand (sowohl Einzeltests als<br />

auch Interoperabilitätstests verschiedener Hersteller)<br />

Reduktion des Entwicklungsaufwands (Kosten)<br />

Konzentration auf die Implementierung der<br />

applikationsspezifischen Produktanteile<br />

Vereinfachung der Zertifizierung <strong>von</strong> FDT-2.0-<br />

Produkten<br />

Reduzierter Aufwand bei der Kommisionierung<br />

im Feld<br />

AUFBAU DER RAHMENAPPLIKATION<br />

Die Struktur der CC für Rahmenapplikationen zeigt<br />

Bild 5. Der blaue Kasten beinhaltet die Funktionalität<br />

der CC. Mithilfe dieser Komponenten kann eine FDT-<br />

Rahmenapplikation entwickelt werden, die DTMs der<br />

Versionen 1.x und 2.0 unterstützt. Es werden Basisfunktionen<br />

zur Verfügung gestellt, die jede Rahmenapplikation<br />

üblicherweise benötigt. Die CC ist bereits seit einigen<br />

Jahren für FDT 1.x am Markt verfügbar und wird<br />

jetzt um FDT-2.0-Funktionalitäten erweitert. Ein Prototyp<br />

ist bereits verfügbar und wird bei der Entwicklung<br />

der DTM-CC zum Testen verwendet. Da bereits heute<br />

viele FDT-Group-Mitglieder diese Komponente in ihren<br />

Produkten einsetzten, hat die FDT Group auf eine Neuentwicklung<br />

im Rahmen <strong>von</strong> FDT 2.0 verzichtet. Stattdessen<br />

wird die Komponente als Common Component<br />

für Rahmenapplikationen <strong>von</strong> der FDT Group zertifiziert<br />

und mit einer vertraglichen Vereinbarung rechtlich<br />

abgesichert.<br />

Um den Firmen, die die Komponente heute nicht in<br />

ihren Produkten einsetzen, die Migration zu FDT 2.0 zu<br />

erleichtern, werden Teile der Rahmenapplikation CC als<br />

sogenannte Low Level-Komponente zur Verfügung gestellt.<br />

Hierbei handelt es sich um die im Bild 5 mit rötlicher<br />

Farbe dargestellten Blöcke.<br />

LOW-LEVEL-KOMPONENTE ERLEICHTERT WECHSEL<br />

Interaction Manager: Dieser Block ist die Schnittstelle<br />

zwischen Rahmenapplikation und DTM, da der<br />

Datenaustausch immer hierüber erfolgt. Der Interaction<br />

Manager entkoppelt die FDT-2.0-Objekte. Dadurch<br />

wird die Interoperabilität verbessert. Die Regeln<br />

für die Synchronisation und die parallele Ab-<br />

18<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


BILD 1: Das Objektmodell in FDT 2.0 wurde gegenüber FDT 1.x<br />

vereinfacht und auf die wesentlichen Teile konzentriert.<br />

BILD 2: Die Interaktion zwischen den DTM-Objekten<br />

erfolgt immer über die Rahmenapplikation und nicht<br />

mehr direkt zwischen DTMs.<br />

Bild 4: Das Konzept der Common Components<br />

System<br />

FDT 1.x-Schnittstelle<br />

Rahmenapplikation<br />

Rahmenapplikation CC<br />

Rahmenappl. CC-Schnittstelle<br />

FDT 2.0-Schnittstelle<br />

DTM<br />

FDT 1.x<br />

DTM CC<br />

DTM<br />

FDT 2.0<br />

DTM CC-<br />

Schnittstelle<br />

BILD 3: Durch die neue Strutkur wird unter anderem<br />

die Anzahl der Interfaces reduziert.<br />

BILD 4: Das Konzept der Common Components: Auf jeder Seite<br />

befindet sich jeweils eine CC, die die FDT 2.0 Schnittstellen abdeckt.<br />

wicklung <strong>von</strong> Tasks gemäß Spezifikation können hier<br />

geprüft werden. Durch die Entkopplung wird auch die<br />

Verteilung <strong>von</strong> Komponenten auf unterschiedliche<br />

Systeme unterstützt („Remoting“, Bild 3). Weiterhin<br />

ist hier das Logging aller FDT-2.0-Aufrufe möglich,<br />

was insbesondere für den Test der Objektinteraktionen<br />

hilfreich ist.<br />

Surrogate/Proxy (CLR Extension Concept): Dieser<br />

Block ermöglicht die Verwendung <strong>von</strong> DTMs, die eine<br />

andere .NET-Laufzeitumgebung erwarten, als die der<br />

Rahmenapplikation (Common Language Runtime). Dieser<br />

Block stellt den Stellvertreter (Proxy) des DTM dar,<br />

der eine andere .NET-Laufzeitumgebung benötigt. Der<br />

DTM läuft dann in einem eigenen Betriebssystem-Prozess<br />

(Surrogate genannt), der unabhängig <strong>von</strong> dem der<br />

Rahmenapplikation ist.<br />

Data Type Converters: Dieser Teil stellt Funktionen<br />

bereit, die es DTMs der Version 1.x und 2.0 erlauben,<br />

miteinander zu kommunizieren. (Rückwärts-Kompatibilität).<br />

Hier werden die XML-Dokumente aus FDT<br />

1.x in Datentypen <strong>von</strong> FDT 2.0 transformiert und umgekehrt.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

19


anche<br />

Bild 6: DTM CC - Architektur<br />

IDtmUiFunction<br />

IDtmUiFunction<br />

DTMUI<br />

Container<br />

IFrameUi<br />

Custom<br />

DTM UI<br />

IDtm<br />

IDtm<br />

IDeviceModel<br />

DTMBO<br />

Container<br />

DTMBO<br />

Core<br />

IDtmCC<br />

Device<br />

Model<br />

ICommunicationChannel<br />

DTM<br />

Channel<br />

BILD 5: Die Struktur der CC für Rahmenapplikationen: Der blaue<br />

Kasten beinhaltet die Funktionalität der CC. Mihilfe dieser<br />

Komponenten kann eine FDT Rahmenapplikation entwickelt<br />

werden, die DTMs der Versionen 1.x und 2.0 unterstützt.<br />

Bild 7: DTM BO Core<br />

BILD 6: Die CC deckt alle FDT-2.0-Schnittstellen eines<br />

DTM ab (gestrichelter Kasten). „Customer DTM UI“<br />

und „Device Model“stellen den herstellerzifischen<br />

Implementierungsanteil dar.<br />

IDtm<br />

ISignal<br />

ISignal<br />

Incoming<br />

Call /<br />

Signal<br />

Adapter<br />

Execution<br />

Engine<br />

Incoming<br />

Signal /<br />

Call<br />

Adapter<br />

Lifetime<br />

Manager<br />

Configuration<br />

Manager<br />

BILD 7: Eine Verfeinerung<br />

der Architektur<br />

der Kernkomponente:<br />

Im Zentrum der<br />

Komponente steht die<br />

Ausführung <strong>von</strong><br />

FDT-2.0-Aufrufen<br />

(Execution Engine) im<br />

Zusammenspiel mit<br />

der Zustandsmaschine<br />

eines DTM.<br />

DTMBO<br />

Container<br />

IFrame<br />

Outgoing<br />

Signal /<br />

Call<br />

Adapter<br />

ISignal<br />

ISignal<br />

State Machine<br />

ISignal<br />

Outgoing<br />

Call /<br />

Signal<br />

Adapter<br />

Parameter<br />

Manager<br />

Function<br />

Manager<br />

Communication<br />

Manager<br />

Topology<br />

Manager<br />

Device<br />

Model<br />

COMMON COMPONENT FÜR ALLE SCHNITTSTELLEN<br />

Die Architektur für die DTM CC zeigt Bild 6. Die CC deckt<br />

alle FDT-2.0-Schnittstellen eines DTM ab (gestrichelter<br />

Kasten). Der herstellerspezifische Implementierungsanteil<br />

ist durch die beiden Elemente „Customer DTM UI“<br />

(grafische Benutzeroberfläche eines DTM) und „Device<br />

Model“ (gerätespezifische Funktionen) dargestellt. Der<br />

Block „DTM BOCore“ ist der wesentliche Teil der DTM CC<br />

und implementiert die Logik der Common Compent. Der<br />

Block „DTMBO Container“ repräsentiert das Objekt<br />

„DTM Business Logic“ nach außen und offeriert der Rahmenapplikation<br />

die FDT-2.0-Schnittstelle eines DTM<br />

(Bild 2 und 3). Eine Verfeinerung der Architektur der<br />

Kernkomponente zeigt das Bild 7. Im Zentrum der Kom-<br />

20<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


ponente steht die Ausführung <strong>von</strong> FDT-2.0-Aufrufen<br />

(Execution Engine) im Zusammenspiel mit der Zustandsmaschine<br />

eines DTM. Eingehende Aufrufe <strong>von</strong> der Rahmenapplikation<br />

beziehungsweise des Gerätemodells<br />

werden in Signale umgewandelt, die <strong>von</strong> der Verarbeitungseinheit<br />

weiterverarbeitet werden.<br />

Bei ausgehenden Aufrufen werden Signale als Ergebnis<br />

der Verarbeitung in entsprechende Funktionsaufrufe<br />

umgesetzt. Im zentralen Teil werden die Signale in Warteschlangen<br />

verwaltet und in der entsprechenden Reihenfolge<br />

in der Zustandsmaschine verarbeitet. Die Verarbeitungseinheit<br />

ermöglicht die parallele Verarbeitung<br />

<strong>von</strong> ein- und ausgehenden Aufrufen, sowie die Handhabung<br />

<strong>von</strong> Asynchronität durch eigenständige Tasks.<br />

Durch diese Struktur ist gewährleistet, dass die synchrone<br />

und asynchrone Verarbeitung gemäß der Spezifikation<br />

<strong>von</strong>statten geht.<br />

MANAGER REALISIEREN WEITERE FUNKTIONEN<br />

Weitere Funktionen eines DTMs werden durch entsprechende<br />

Verwaltungskomponenten („Manager“) realisiert:<br />

Lifetime Manager für das Starten und Beenden des<br />

DTM inklusive der Initialisierung des Gerätemodells<br />

Configuration Manager für die Konfigurierung des<br />

DTMs und die Bereitstellung dieser Daten für die<br />

Rahmenapplikation<br />

Parameter Manager für die Verwaltung der DTM-<br />

Datensätze (Transaktionen, Online/Offline)<br />

Function Manager für die Ausführung <strong>von</strong> DTM-<br />

Funktionen, das Öffnen/Schliessen <strong>von</strong> User-Interfaces<br />

Communication Manager für die Kommunikation zu<br />

über- beziehungsweise untergeordneten Objekten<br />

Topology Manager für die Durchführung <strong>von</strong> Operationen,<br />

die mit der Topologie zusammenhängen<br />

(etwa Netzwerk-Scan, Protokollinformation, Erzeugung<br />

<strong>von</strong> „Kinder“-DTMs)<br />

ENTWICKLUNGSPROJEKT FÜR DIE DTM-SEITE<br />

Während für die Rahmenapplikation bereits eine verfügbare<br />

CC existiert, muss auf der DTM-Seite eine solche<br />

Komponente noch entwickelt werden. Dafür hat die<br />

FDT Group ein Projekt ins Leben gerufen. Die DTM-CC<br />

soll dann den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden.<br />

Zur Finanzierung haben sich zwanzig FDT-Group-<br />

Mitgliedsfirmen in einem Konsortium zusammengeschlossen<br />

und die Implementierung an einen Dienstleister<br />

vergeben. Alle teilnehmenden Firmen erhalten<br />

am Ende des Projekts die Entwicklungsergebnisse<br />

(Source Code, Dokumente, Test Skripts), um daraus ihre<br />

gerätespezifischen DTMs zu erstellen (Geräte-, Kommunikations-<br />

und Gateway-DTM). Die Rechte der Entwicklung<br />

liegen bei der FDT Group, sodass sichergestellt ist,<br />

dass jedes FDT-Group-Mitglied die Komponente erwerben<br />

und einsetzen kann.<br />

Das Entwicklungsprojekt wurde Anfang des Jahres<br />

gestartet und hat eine Laufzeit <strong>von</strong> zirka einem Jahr.<br />

Der Entwicklungsprozess folgt den Prinzipien <strong>von</strong><br />

Scrum. Die Entwicklung ist also in sogenannte<br />

„Sprints“ unterteilt, die jeweils einen Monat dauern.<br />

Am Ende eines jeden Sprints stehen installierbare<br />

und lauffähige Software sowie automatisierte Tests<br />

zur Verfügung. So können sich die teilnehmenden<br />

Firmen in einem frühen Stadium mit der Software<br />

vertraut machen und entsprechendes Feedback geben.<br />

Das Projekt wird begleitet <strong>von</strong> einem Team <strong>von</strong> FDT-<br />

Experten, die nach jedem Sprint ein umfassendes<br />

Review durchführen.<br />

Die während der Entwicklung entstehenden Tests können<br />

später auch <strong>von</strong> den Entwicklern <strong>von</strong> DTMs für Regressiontests<br />

genutzt und erweitert werden. Bereits nach<br />

zwei Sprints waren zirka 200 Testfälle erstellt worden.<br />

Im Rahmen des Projekts erfolgt auch eine enge Zusammenarbeit<br />

mit dem Entwicklungsteam der Rahmenapplikation<br />

CC. Intensive Tests stellen sicher, daß die Interoperabilität<br />

zwischen Rahmenapplikation und DTM für<br />

FDT 2.0 <strong>von</strong> Anfang an gewährleistet ist.<br />

NEUS GREMIUM STEUERT WEITERENTWICKLUNG<br />

Neben Qualität und Entwicklungseffizienz, ist Interoperabilität<br />

der wichtigste Erfolgsfaktor für Technologien,<br />

die auf offenen Standards basieren. Der Einsatz der<br />

Common Components reduziert dramatisch die Komplexität,<br />

die durch die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten<br />

<strong>von</strong> Systemen und Geräten entsteht.<br />

Nach der Entwicklung der Komponenten geht die Qualitätssicherung<br />

durch die FDT Group weiter. Es wird ein<br />

„Change Control Board“ installiert, das die Wartung und<br />

Weiterentwicklung der Common Components Toolkit<br />

steuert. Dadurch wird sichergestellt, daß die Qualität<br />

und Konsistenz der Komponenten über die gesamten<br />

Lebenszyklus erhalten bleibt.<br />

Autor<br />

Dipl.Ing. (FH) Manfred<br />

Brill (geb. 1954) ist bei<br />

Schneider Electric, Unternehmensbereich<br />

Industrie,<br />

für die Harmonisierung <strong>von</strong><br />

Softwarewerkzeugen tätig.<br />

Brill ist seit 2005 Mitglied<br />

im Executive Committee der<br />

FDT Group. Er ist auch<br />

Projektleiter der FDT Group für die Entwicklung<br />

der in diesem Beitrag beschriebenen<br />

Komponenten für FDT 2.0.<br />

Schneider Electric Automation GmbH,<br />

Steinheimer Strasse 117,<br />

D-63500 Seligenstadt,<br />

Tel. +49 (0) 6182 81 22 73,<br />

E-Mail: manfred.brill@schneider-electric.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

21


anche<br />

Die Fabrik auf dem Büroschreibtisch: virtuelle<br />

Lösungen für den Erfolg realer Anlagen<br />

Simulation vereinfacht die Inbetriebnahme und bildet das Bedienungspersonal besser aus<br />

Was vor einigen Jahren kaum denkbar war, wird immer<br />

mehr zum Standard. Die Fabrik auf dem<br />

Schreibtisch im Büro ist Wirklichkeit geworden: Die<br />

Software zur Automatisierung einer realen Anlage wird<br />

mittels einer simulierten, virtuellen Anlage im Büro erstellt<br />

und getestet. Und auch die Steuerungsumgebung<br />

kann virtuell generiert und getestet werden. Diese virtuellen<br />

Systeme lassen sich auch leicht für Schulungen<br />

der Bediener oder für weitere Zwecke einsetzen.<br />

Wesentliche Gründe für den Einsatz einer Simulation<br />

in der Automatisierung sind das Einsparen <strong>von</strong> Zeit und<br />

Geld, das Ersetzen <strong>von</strong> im Büro nicht vorhandenen Systemen<br />

und das Training <strong>von</strong> Personal für kritische Situationen.<br />

In der Vergangenheit – teilweise sogar noch<br />

heute – treffen Automatisierungssoftware und die Anlage<br />

erst bei der Inbetriebnahme aufeinander. Lange Inbetriebnahmezeiten<br />

aufgrund ungenügender oder fehlerhafter<br />

Abbildung der Anlage in der Software sind dabei<br />

oft die Realität, während der Endkunde die Anlage schon<br />

zum Produzieren nutzen möchte. Im Extremfall kann es<br />

wegen der noch fehlenden Qualität zu Fehlverhalten<br />

kommen und Geräte und Anlagenteile können dadurch<br />

beschädigt oder zerstört werden. Ein solches Fehlverhalten<br />

kann auch deswegen entstehen, weil die Simulation<br />

direkt in den Automatisierungscode geschrieben und<br />

dieser auf der Anlage nicht eliminiert oder komplett ausgeschaltet<br />

wird.<br />

Doch mit einer Simulation sollten auch Qualität ausgeliefert<br />

und Fehler minimiert werden. Denn wenn der<br />

Stecker des Simulationssystems erst mal gezogen wird,<br />

ist jeglicher Simulationsmodus auf der realen Anlage<br />

nicht mehr vorhanden.<br />

Schon beim Engineering<br />

wird die Anlage simuliert und die<br />

Auto matisierungssoftware getestet.<br />

Es entsteht eine komplette<br />

virtuelle Umgebung im Büro.<br />

Visualisierungs-<br />

Visualisierungsoder<br />

Processoder<br />

Process-<br />

Control-System<br />

Control-System<br />

Simulations-System<br />

Simulations-System<br />

Fabrik/Fertigung, Ihr Prozess<br />

Fabrik/Fertigung, Ihr Prozess<br />

Geräte (Simit)<br />

Geräte (Simit)<br />

beliebig im Netzwerk verteilbar / realtime<br />

beliebig im Netzwerk verteilbar realtime<br />

Engineering-<br />

Engineering-<br />

System<br />

System<br />

(Simatic-Manager)<br />

(Simatic-Manager)<br />

Simatic-<br />

Simatic-<br />

Steuerungen<br />

Steuerungen<br />

(Simit-Emu)<br />

(Simit-Emu)<br />

1 bis > 60<br />

bis 60<br />

Zur Absicherung<br />

der Softwarequalität,<br />

wird die Simulation<br />

beispielsweise<br />

in der Zementindustrie<br />

eingesetzt.<br />

Bilder: Siemens<br />

22<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Zwei in Einem<br />

VIRTUELLES ENGINEERING STEIGERT DIE QUALITÄT<br />

Das Engineering für die Automatisierung findet in der<br />

Regel in einer Büroumgebung statt. Dort gibt es jedoch<br />

keine automatisierenden Geräte und Anlagen. Wenn es<br />

sich um eine Neuanlage handelt, ist diese auch in der<br />

Realität noch nicht vorhanden. Simulation macht hier<br />

ein qualitativ hochwertiges Engineering erst möglich<br />

und liefert sozusagen die Anlage auf den Schreibtisch<br />

– mit all ihren Motoren, Lichtschranken, Pumpen, Ventilen<br />

und so weiter.<br />

Bedeutsam ist die Simulation auch für Trainingszwecke.<br />

Denn Personal, das ungenügend trainiert<br />

wurde, wird in vielen Fällen falsch reagieren. Dies<br />

kann zu Produktions- und Qualitätsverlusten führen<br />

oder eventuell sogar zur Gefährdung <strong>von</strong> Anlagen,<br />

Personen oder der Umwelt. Mit einer Simulation gewinnt<br />

der Bediener Erfahrung in einer sicheren Umgebung<br />

und reagiert auf der realen Anlage richtig.<br />

AUTOMATISIERUNGSTEST UND TRAINING<br />

Wollte man früher seine Automatisierung in einer annähernd<br />

realen Umgebung testen, wurden je nach Größe<br />

der Applikation mehrere Schaltschränke oder Racks<br />

aufgebaut. Im Extremfall und bei Platzmangel musste<br />

man vielleicht sogar eine Halle anmieten. Und dann<br />

galt es die Technik zu verkabeln. Zur Simulation wurden<br />

Testboxen angeschlossen, über die per Knopfdruck<br />

oder Potenziometer Werte vorgegeben werden konnten.<br />

Komplexe oder schnelle Signalabläufe ließen sich so<br />

aber nicht testen. Die Testtiefe blieb extrem gering und<br />

auf der realen Anlage war noch viel zu tun.<br />

Darüber hinaus durften die Bediener erst kurz vor<br />

Ende der Inbetriebnahme an die Anlage. Oftmals benötigten<br />

sie dann viele Wochen, bis sie mit der neuen<br />

Automatisierung vertraut waren und die volle Verfügbarkeit<br />

und Produktivität der Anlage erreicht war. Da<br />

sie nicht in allen Belangen ausgebildet waren, reagierten<br />

sie bei Fehlern falsch. Dies führte zu Ausfallzeiten<br />

der Anlage sowie zu Mängeln an den Produkten.<br />

BIS ZUR VOLLEN VERHALTENSSIMULATION<br />

Mit den heute verfügbaren Lösungen wird die Anlage<br />

bereits beim Engineering simuliert und die Automatisierungssoftware<br />

getestet. Szenarien und Situationen<br />

für die Abnahme können schon im Büro definiert und<br />

gespeichert werden. Per Knopfdruck ruft man diese<br />

beim Abnahmetest mit dem Kunden wieder auf. Beide<br />

Seiten, Lieferant und Kunde, können so sehen, was die<br />

Software leistet und ob die Erwartungen erfüllt wurden.<br />

Damit kann die Software bereits mit einer hohen<br />

Qualität in die Anlage integriert werden, was zu wesentlich<br />

kürzeren Inbetriebnahmezeiten führt. Die<br />

erreichten Werte bewegen sich in der Regel zwischen<br />

30 und 80 %. In einigen Fällen kam es sogar zu einer<br />

Einschalt<strong>inbetriebnahme</strong>. Das heißt, es wurden keine<br />

Fehler mehr festgestellt. Da es wesentlich weniger Unstimmigkeiten<br />

gibt, wird das Kunde-Lieferanten-Verhältnis<br />

gestärkt.<br />

A01095DE<br />

• Industrieregler TROVIS 6495-2<br />

Viele Regelanwendungen benötigen zwei<br />

Regelkreise, die der neue Industrieregler<br />

TROVIS 6495-2 beherrscht. Er ist kinderleicht<br />

zu bedienen und führt mit seinen gut<br />

strukturierten Klartextmenüs bis in detaillierteste<br />

Funktionen.<br />

Fachkundigen sei verraten, dass der Regler<br />

u. a. die Strukturumschaltung gleitend<br />

fahren, seinen I-Anteil begrenzen und Störgrößen<br />

vielseitig aufschalten kann.<br />

Natürlich lassen sich die Einstellungen<br />

auch mit der kostenfreien Software<br />

TROVIS-VIEW vornehmen.<br />

Zum Schnuppern dient ein kostenfreier<br />

Software-Emulator mit identischer Bedienung.<br />

Am besten gleich mal ausprobieren<br />

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SAMSON AG • MESS- UND REGELTECHNIK<br />

Weismüllerstraße 3 • 60314 Frankfurt am Main<br />

Telefon: 069 4009-0 • Telefax: 069 4009-1507<br />

E-Mail: samson@samson.de • www.samson.de


anche<br />

Zur Simulation bietet Siemens Industry Solutions zwei<br />

Systeme: Mit Simit werden sowohl die Signale als auch<br />

die Aktoren (zum Beispiel Motor) und Sensoren (beispielsweise<br />

Lichtschranke) simuliert. Das Ganze kann<br />

ausgebaut werden und ist skalierbar bis zur vollen Verhaltenssimulation.<br />

Die Projektierung der Simulation<br />

geschieht grafisch und ist leicht zu erlernen. Damit lässt<br />

sich eine simulierte Anlage über Orginalbussysteme wie<br />

Profinet und Profibus an eine echte Steuerung anschließen.<br />

Failsafe-Signale können ebenfalls simuliert werden,<br />

das heißt, die Steuerungssoftware bleibt unverändert.<br />

Simit-Emu emuliert Steuerungen des Typs Simatic-S7.<br />

Das heißt, die Anwendersoftware der Steuerungen läuft<br />

auf einer PC-Plattform. Diese Plattform emuliert zusätzlich<br />

das Verhalten und viele Eigenschaften einer Steuerung,<br />

beispielsweise bezüglich Failsafe oder der Kommunikation<br />

mit weiteren emulierten Steuerungen, aber<br />

auch in einer gemischten Konfiguration mit echten Steuerungen.<br />

Das größte bisher emulierte System umfasst 59<br />

Steuerungen.<br />

TRAININGSSZENARIEN MIT ECHTER APPLIKATION<br />

In kleineren Fällen kann ein solches System sogar auf nur<br />

einem PC installiert werden. Bei größeren Systemen lassen<br />

sich die einzelnen Applikationen frei im Netzwerk<br />

verteilen. Ein Knopfdruck genügt, um den Zustand aller<br />

Steuerungen und der Simulation gleichzeitig und zu jeder<br />

Zeit zu speichern und wieder aufzurufen. Dabei kann der<br />

Zeitpunkt der zu speichernden Situation auch in der Vergangenheit<br />

liegen. Die Vorbereitung, Speicherung und<br />

Durchführung <strong>von</strong> Test-, Debugging- und Abnahmeszenarien<br />

werden damit sehr einfach. Vor allem Szenarien,<br />

die auf der Anlage möglichst nicht durchgeführt werden<br />

sollten (Gefährdung <strong>von</strong> Mensch, Maschine oder Umwelt),<br />

lassen sich so gefahrlos abnehmen.<br />

Mit einer vollständig virtuellen Plattform und der<br />

Möglichkeit, komplexeste Zustände auf Knopfdruck zu<br />

speichern, lässt sich auch ein Trainings- und Know-how-<br />

Managementsystem einfach aufbauen. Denn für jedes zu<br />

trainierende Szenario wird der Anfangszustand gespeichert<br />

und ist sofort wieder abrufbar. Damit ist das System<br />

auch für kurze Trainingszeiten nutzbar, zum Beispiel<br />

während einer Gerätewartung. Da auf der Plattform<br />

die echten Applikationen der Steuerungsebene und der<br />

Prozessleitebene laufen, lernt der Bediener genau mit<br />

einer Replika seiner eigenen Anlage.<br />

SIMULATION IST IN DER PRAXIS BEREITS REALITÄT<br />

Somit lassen sich Szenarien testen, wie zum Beispiel das<br />

Hoch- und Herunterfahren <strong>von</strong> Anlagen und Applikationen,<br />

ein Produkt- oder Produktmixwechsel, ein Lastwechsel<br />

oder verschiedene Fehlerszenarien. Das können<br />

beispielsweise fehlende Rückmeldungen, Rohrleitungsleckagen,<br />

Blockierung <strong>von</strong> Antrieben oder der Ausfall <strong>von</strong><br />

Messaufnehmern sein.<br />

In einem weiteren Schritt kann jede Änderung am laufenden<br />

System in der virtuellen Umgebung evaluiert und<br />

die Installation gefahrlos ausprobiert werden. Da nur<br />

evaluierte Veränderungen eingebracht werden, erhöht<br />

sich dadurch auch die Verfügbarkeit der Anlage.<br />

Beispiele zeigen die Vorteile in der Praxis. Beim Test<br />

<strong>von</strong> Software in der Zementindustrie waren früher etwa<br />

zwei Wochen Aufwand zur Vorbereitung für den Factory<br />

Acceptance Test (FAT: Abnahmetest) notwendig. Für<br />

die Entfernung aller Testmodifikationen musste eine<br />

weitere Woche eingerechnet werden. Es blieb die Unsicherheit,<br />

ob alle Testmodifikationen wieder entfernt<br />

wurden, was auf der Anlage zu Fehlverhalten führen<br />

konnte. In den eigentlichen Tests ließ sich nur eine geringe<br />

Testtiefe erreichen. Zudem wurden nur Teiltests<br />

durchgeführt.<br />

Heute wird der Test mithilfe <strong>von</strong> Simulation durchgeführt.<br />

Diese wird zu einem großen Teil generiert. Die<br />

Vorbereitungszeit ist auf zirka zwei Tage geschrumpft. Da<br />

mit dem Ziehen des Steckers alle Simulationsfunktionen<br />

definitv entfernt sind, entfällt auch die Nachbereitung.<br />

Der Fall des holländischen Wasserversorger PWN (Waterleidingsbedrijf<br />

Noord-Holland) zeigt den Einsatz einer<br />

kompletten virtuellen Plattform in der Wasseraufbereitung<br />

(<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> berichtete in Ausgabe 3/2011, S. 62-63).<br />

Bei PWN wurde mit zehn virtuellen Steuerungen, dem<br />

Simulationssystem und den realen Engineeringsystemen<br />

die gesamte Software konzipiert, getestet und Trainingsszenarien<br />

entwickelt.<br />

Die virtuelle Fabrik und das virtuelle Automatisierungssystem<br />

für die Softwareentwicklung, den Softwaretest<br />

und die Bedienerschulung sind also bereits<br />

Wirklichkeit, zum Beispiel in der Kohlevergasung, in<br />

Kraftwerken, in der Chemie, Autoindustrie, Zementindustrie,<br />

Marine, Metallindustrie und vielen Branchen<br />

mehr. Und die Akzeptanz virtueller Systeme für obige<br />

Aufgaben wächst ständig, da auch der Druck steigt, effizienter<br />

zu entwickeln und zu testen.<br />

Autor<br />

Siemens Solutions Division,<br />

Werner-<strong>von</strong> Siemens-Str. 60,<br />

D-91052 Erlangen,<br />

Tel. +49 (0) 9131 72 37 25,<br />

E-Mail: ifflaender@siemens.com<br />

Dipl. Ing. (FH) Bernhard<br />

Iffländer leitet das<br />

Simulation Center der<br />

Siemens AG.<br />

24<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


<strong>atp</strong> kompakt<br />

Methoden Verfahren Konzepte<br />

Sonderpreise<br />

für<br />

Abonnenten<br />

der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

Die Automatisierungstechnik wird durch neue Forschungen und Entwicklungen bestimmt. Damit Ingenieure<br />

fit für ihren Job sind und die entscheidenden Trends in der Automatisierungstechnik schnell zur Hand haben,<br />

legt die Fachpublikation <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> die Buchreihe <strong>atp</strong> kompakt auf. Alle darin enthaltenen Beiträge haben<br />

ein wissenschaftliches Gutachterverfahren durchlaufen.<br />

Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Frank Schiller leitet am Lehrstuhl für Informationstechnik im Maschinenwesen der<br />

TU München das Fachgebiet Automatisierungstechnik.<br />

<strong>atp</strong> kompakt Band 1<br />

Erfolgreiches Engineering – Die wichtigsten Methoden<br />

Diese Ausgabe befasst sich mit den Methoden, Verfahren und Standards, die Sie in den nächsten Jahren im Engineering beschäftigen<br />

werden. Wichtige Kriterien sind die einfache Wiederverwendbarkeit <strong>von</strong> Komponenten, die Unterstützung durch geeignete Werkzeuge,<br />

die Erhöhung der Flexibilität <strong>von</strong> Anlagen sowie geeignete Modellierungs- und Gerätebeschreibungssprachen.<br />

1. Auflage 2010, 138 Seiten mit CD-ROM, Broschur, € 79,- • ISBN: 978-3-8356-3210-3<br />

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Effiziente Kommunikation – Die bedeutendsten Verfahren<br />

Sie bekommen Einblick in die wachsende Bedeutung der industriellen Kommunikation und dem Wandel in der Gerätekommunikation.<br />

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hauptbeitrag<br />

<strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />

<strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />

Werkstückträgertransfersysteme simulieren<br />

Die virtuelle Produktion kann insbesondere im Rahmen einer virtuellen Inbetriebnahme<br />

dazu beitragen, Fertigungsanlagen mit hoher Qualität in kürzerer Zeit zu errichten. Zur<br />

Realisierung wird idealerweise ein 3-D Modellierungs- und Simulationssystem eingesetzt.<br />

Dabei liegt – wie dieser Beitrag beschreibt – ein Schwerpunkt auf der Integration <strong>von</strong><br />

werkstückträgerbasierten <strong>Transportsystemen</strong>, da diese hinsichtlich der in großem Umfang<br />

genutzten Sensoren und Aktoren sehr komplex sind. Hier können Ingenieure mithilfe<br />

eines digitalen Modells Steuerungsprogramme erstellen und verifizieren, lange bevor die<br />

reale Anlage aufgebaut wird.<br />

SCHLAGWÖRTER <strong>Virtuelle</strong> Produktion / <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme / Werkstückträgertransfersysteme<br />

/ Modellierung / Simulation<br />

Virtual Production for Carrier-based Transport Systems –<br />

Modeling and Simulation for Virtual Commissioning<br />

Virtual Production methods, especially Virtual Commissioning, are powerful means to<br />

build high-quality production lines in less time. A common means to achieve this, is the<br />

application of 3-D modeling and simulation systems. Here, the integration of carrier-based<br />

transport systems is of special interest. This is because of their high complexity due to<br />

the huge number of applied sensors and actors. With the help of Virtual Commissioning,<br />

engineers can develop and verify the according control programs long before the actual<br />

production line is built.<br />

KEYWORDS Virtual Production / Virtual Commissioning / Transport Systems / Modeling /<br />

Simulation<br />

26<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Jürgen RoSSmann, RWTH Aachen<br />

Oliver Stern, Roland Wischnewski, RIF e.V., Dortmund<br />

Automatisierte Fertigungsanlagen sind in vielen<br />

Industriezweigen im Einsatz, wobei die Komplexität<br />

des mechanischen und elektrischen<br />

Aufbaus sowie der eingesetzten Steuerungsprogramme<br />

die gemeinsame Problematik bilden.<br />

Dies führt oft zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten<br />

im Engineering, wodurch sich der Produktionsstart<br />

erheblich verzögern kann. Methoden der virtuellen Produktion<br />

werden <strong>von</strong> führenden Unternehmen hier bereits<br />

angewandt, um solche Risiken zu reduzieren. Die<br />

damit verbundenen zusätzlichen Planungsprozesse und<br />

die daraus resultierenden Kosten werden akzeptiert, weil<br />

über die gesamte Projektlaufzeit – insbesondere auch bei<br />

der Inbetriebnahme der realen Anlage – eine Zeit- und<br />

Kostenersparnis erwartet wird.<br />

Ein generelles Problem dieses Ansatzes ist, dass in der<br />

Regel nur große Unternehmen die teure PLM- und CAD-<br />

Software anschaffen und das benötigte spezialisierte<br />

Personal vorhalten können, um die virtuelle Produktion<br />

im gesamten Anlagenlebenszyklus sinnvoll einsetzen<br />

zu können. Im Gegensatz dazu nutzen kleine und mittlere<br />

Unternehmen (KMU) das digitale Engineering nur<br />

in ausgewählten Projektphasen. In diesem Beitrag wird<br />

als Lösungsansatz eine Vorgehensweise präsentiert, die<br />

insbesondere die <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme (VIBN) <strong>von</strong><br />

Fertigungsanlagen mit spurgeführten Werkstückträgertransfersystemen<br />

[1] kostengünstig ermöglichen kann.<br />

1. <strong>Virtuelle</strong> Produktion<br />

Auch bei einem einfach gehaltenen Ansatz muss die virtuelle<br />

Produktion notwendigerweise alle wesentlichen<br />

Phasen im Lebenszyklus einer Fertigungsanlage unterstützen,<br />

das heißt Planung, Konstruktion, Programmierung,<br />

Inbetriebnahme und Wartung. Insbesondere KMU<br />

setzen hier unterschiedliche Werkzeuge in den einzelnen<br />

Phasen ein, was dazu führt, dass die digitalen Modelle<br />

zwischen den Abteilungen und Projektphasen nur mit<br />

sehr großem Konvertierungsaufwand und hohem Informationsverlust<br />

ausgetauscht werden können. Um dies zu<br />

vermeiden, muss ein entsprechendes Softwarewerkzeug<br />

dazu in der Lage sein, alle Hauptphasen abzudecken [2].<br />

Zusätzlich ist für eine hohe Akzeptanz ausschlaggebend,<br />

dass sich vorhandene Prozesse im betrieblichen Arbeitsablauf<br />

gut abbilden lassen. Da durch den Softwareeinsatz<br />

üblicherweise eine strengere Einhaltung dieses Workflows<br />

erzwungen wird, kann der Einsatz eines solchen<br />

Werkzeugs schon <strong>von</strong> sich aus dazu beitragen, Probleme<br />

in den einzelnen Projektphasen zu identifizieren.<br />

Bild 1 zeigt den Ablauf der Phasen im Engineering einer<br />

automatisierten Fertigungsanlage, die in einem umfassenden<br />

Werkzeug für die virtuelle Produktion Berücksichtigung<br />

finden müssen. Die Hauptaufgaben liegen dabei im<br />

mechanischen Anlagendesign unter Berücksichtigung des<br />

Fabriklayouts, der elektrischen Verdrahtung zum Verbinden<br />

<strong>von</strong> Feldgeräten und Steuerungen sowie der Auslegung<br />

der zugehörigen Steuerungsprogramme. Die dabei<br />

entstehenden Lösungen können dann im Rahmen des virtuellen<br />

Anlagenbetriebs ausführlich getestet werden.<br />

Der durchgängige Einsatz eines solchen Softwarewerkzeugs<br />

ermöglicht die einfache Rückführung kleinerer<br />

Änderungen in vorgelagerte Engineeringphasen. Insbesondere<br />

Ergebnisse des virtuellen Betriebs können sich<br />

entsprechend auswirken, zum Beispiel müssen Hubeinheiten<br />

eines Transportsystems neu auf dem Band positioniert<br />

werden, wenn einzelne Positionen <strong>von</strong> Robotern<br />

nicht erreicht werden können. Wenn die Änderungen<br />

mittels eines neuen Simulationslaufs dann validiert sind,<br />

können sie an das Inbetriebnahmeteam weitergegeben<br />

werden. Während der VIBN können aber auch Probleme<br />

aufgedeckt werden, die zu größeren Rückflüssen führen,<br />

welche sich nicht mittels kleiner Anpassungen im digitalen<br />

Modell lösen lassen. Für solche Varianten muss<br />

dann unter Umständen ein neues Modell erstellt werden,<br />

das erneut in allen Phasen überprüft wird.<br />

Generell geht es bei der Modellierung immer darum, einen<br />

Kompromiss zwischen einfacher und benutzerfreundlicher<br />

Vorgehensweise einerseits und einem detaillierten<br />

und exakten digitalen Modell andererseits zu finden. Um<br />

beide Ziele gleichzeitig erreichen zu können, wurde ein<br />

zweistufiges Modellierungskonzept entwickelt. Die sys-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

27


Hauptbeitrag<br />

temnahe Modellierung wird dabei <strong>von</strong> Simulationsexperten<br />

durchgeführt, die genaue Kenntnisse über die abzubildenden<br />

Geräte besitzen. Die eingesetzten Softwaresysteme<br />

bieten zwar viele Möglichkeiten zum Aufbau realitätsnaher<br />

Modelle, die Ingenieure benötigen aber dennoch ein gewisses<br />

Maß an Training und – insbesondere bei komplexen<br />

Komponenten – einige Erfahrung. Auf einer abstrakteren<br />

Modellierungsebene können dann auch Anlageningenieure<br />

ohne tiefes Simulationswissen solche systemnah vorgefertigten<br />

Modelle einfach miteinander kombinieren.<br />

1.1 Mechanisches und elektrisches Modell<br />

Üblicherweise werden während der mechanischen Konstruktion<br />

bekannte Bauteile aus Katalogen mittels 2-Doder<br />

3-D-CAD-Werkzeugen positioniert und zu einer Gesamtanlage<br />

zusammengesetzt. Im hier beschriebenen<br />

Ansatz erfolgt dieser Schritt bereits innerhalb der Simulationssoftware.<br />

Dazu stellen Bibliotheken optisch und<br />

funktional korrekte Modelle wie zum Beispiel Transportbänder,<br />

Werkstückträger zur Verfügung. Nicht vorhandene<br />

Komponenten können aus einem CAD-System importiert<br />

und dann mit funktionalem Verhalten ergänzt werden.<br />

Viele mechanische Bewegungen können dabei auf<br />

Linear- oder Drehachsen, kinematische Ketten, Greifmechanismen<br />

oder beschränkte Freiheitsgrade abgebildet<br />

werden. Verschiedene Modellzustände werden durch manuellen<br />

Eingriff herbeigeführt oder durch simulierte Sensorsignale<br />

erkannt, sodass bereits in einer frühen Projektphase<br />

ein funktionsfähiges Simulationsmodell vorliegt.<br />

Mithilfe eines solchen Modells kann schon eine erste<br />

Taktzeitermittlung durchgeführt werden. Bild 2 zeigt<br />

wie Aktoren und Aktionsinstanzen in Taktzeitdiagram-<br />

BILD 1: <strong>Virtuelle</strong>s Engineering<br />

für eine Fertigungsanlage<br />

BILD 2: Ermittlung <strong>von</strong> Taktzeiten<br />

BILD 3: Verbindung einer externen<br />

Steuerung mit dem Simulationssystem<br />

via OPC: E/As <strong>von</strong> Steuerungen sind<br />

direkt sichtbar und können mit E/As<br />

<strong>von</strong> Komponenten verbunden werden.<br />

28<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


men miteinander verbunden werden, um die gewünschte<br />

Ausführungsreihenfolge festzulegen. Die Gesamttaktzeit<br />

kann dann entlang des kritischen Pfades eines solchen<br />

Netzes abgelesen werden. Diese Taktzeitdiagramme<br />

können auch verwendet werden, um direkt das Simulationsmodell<br />

zu steuern und um SPS-Programme zu erzeugen.<br />

Versuche mit Modellvarianten helfen so, die<br />

Produktionsprozesse bereits in einer frühen Engineeringphase<br />

zu optimieren.<br />

Auf Basis des funktionalen mechanischen Modells wird<br />

in einem weiteren Schritt ein Stromlaufplan für die Fertigungsanlage<br />

erstellt. Dazu werden im Rahmen der elektrischen<br />

Modellierung E/A-Module sowie Ventilinseln definiert<br />

und verschaltet. Manchmal besitzt das Modell eines<br />

Feldgerätes hierbei nicht die originale E/A-Anschaltung.<br />

In einem solchen Fall kann dem Simulationsmodell ein<br />

Logikkonverter vorgeschaltet werden, der die Originalbelegung<br />

herstellt, um so die realen Steuerungsprogramme<br />

unverändert testen zu können. In diesem Engineeringschritt<br />

ist es außerdem besonders wichtig, die einzelnen<br />

E/As manuell schalten und das logische Verhalten detailliert<br />

in der Simulation beobachten zu können.<br />

1.2 Steuerungsprogramme<br />

Ein wesentlicher Vorteil der virtuellen Produktion ist<br />

die Möglichkeit, Steuerungsprogramme gegen ein realitätskonformes<br />

Simulationsmodell testen zu können,<br />

ohne den realen Anlagenaufbau zu benötigen. Die Programmierung<br />

kann dann viel früher beginnen, was aufgrund<br />

des Zeitvorteils beim Testen zu besseren Steuerungsprogrammen<br />

zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme<br />

führt. Dabei ist insbesondere entscheidend, dass die<br />

Steuerungsprogramme im Simulationssystem in den<br />

Originalsprachen verwendet werden können, um die<br />

direkte Verwendbarkeit auf der realen Fertigungsanlage<br />

ohne Konvertierung sicherzustellen.<br />

SPS-Programme können hierbei in der originalen Entwicklungsumgebung<br />

des jeweiligen Herstellers (zum Beispiel<br />

Siemens STEP 7) erstellt und innerhalb des Simulationssystems<br />

interpretiert werden [3]. Auch der Ablauf auf<br />

der Originalhardware mit einer Simulationskopplung mittels<br />

OPC [4] und Hardware-in-the-Loop (HiL) oder die Verbindung<br />

mit einem SPS-Emulator wie beispielsweise Siemens<br />

PLCsim sind möglich. Bild 3 zeigt, wie E/As einer<br />

externen SPS mithilfe eines Steuerungsobjekts in die Simulationsumgebung<br />

integriert werden. Für die Modelle<br />

der einzelnen Feldgeräte ist die elektrische Anbindung<br />

damit vollkommen transparent, das heißt eine Unterscheidung<br />

je nach Art der elektrischen Ansteuerung ist nicht<br />

nötig. Hierdurch wird es sehr einfach, die unterschiedlichen<br />

Kopplungsarten zu verwenden und auszutauschen.<br />

Eine weitere Möglichkeit zur Erstellung <strong>von</strong> SPS-Programmen<br />

ist die Verwendung der beschriebenen Taktzeitdiagramme.<br />

Diese Sequenzen definieren Aktionen <strong>von</strong><br />

Aktoren innerhalb des Modells und können die Simulation<br />

direkt steuern. Dies funktioniert allerdings nur in eine<br />

Richtung, da Systemantworten aus dem Modell in Form<br />

<strong>von</strong> elektrischen Signalen (zum Beispiel digitale Ausgangswerte<br />

eines Sensors) nicht ausgewertet werden. Um solche<br />

Signale in die Taktzeitdiagramme zu integrieren, werden<br />

die Aktionen der Aktoren mit Anfangs- und Endbedingungen<br />

ergänzt, die erfüllt sein müssen, bevor eine Aktion<br />

ausgeführt werden kann. Diese erweiterten Taktzeitdiagramme<br />

enthalten dann alle notwendigen Informationen,<br />

um bidirektional mit dem Simulationsmodell interagieren<br />

zu können. Diese Darstellungsform kann automatisch in<br />

die Ablaufsprache (AS) nach IEC 61131-3 überführt werden,<br />

um damit die Simulation zu steuern. Außerdem ermöglicht<br />

das eingesetzte Simulationssystem einen Export dieser<br />

Ablaufdiagramme, um sie anschließend in eine SPS-Entwicklungsumgebung<br />

zu importieren.<br />

1.3 <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />

Nachdem die Phasen der mechanischen und elektrischen<br />

Modellierung sowie der Steuerungsprogrammierung<br />

durchlaufen wurden, kann das digitale Gesamtmodell<br />

einer Fertigungsanlage im Rahmen einer VIBN eingehend<br />

untersucht werden. Dazu wird die digitale Anlage in 3-D<br />

realzeitsynchron simuliert, wobei die originalen Steuerungsprogramme<br />

zum Einsatz kommen. Hiermit können<br />

die einzelnen Planungsstände validiert und Fehler oder<br />

Probleme aufgedeckt werden. Dabei umfasst die Simulation<br />

die folgenden Möglichkeiten:<br />

Mehrrobotersimulation mit den originalen Roboterprogrammen<br />

SPS-Simulation mit Taktzeitdiagrammen, Ablaufdiagrammen<br />

oder originalen Steuerungsprogrammen<br />

Simulation <strong>von</strong> Aktoren und Sensoren<br />

Transportsimulation für spurgeführte Werkstückträgertransfersysteme<br />

Anbindung <strong>von</strong> originalen Mensch-Maschine-<br />

Schnittstellen (HMI) an das Simulationsmodell<br />

Die Simulation <strong>von</strong> Robotern und <strong>Transportsystemen</strong> erlaubt<br />

die realitätsnahe Abbildung unterschiedlichster<br />

Gerätetypen verschiedener Hersteller, wobei die Programmierung<br />

der Roboter und SPSen in den Originalsprachen<br />

erfolgt. Externe Steuerungen, zum Beispiel der Stäubli<br />

CS8-Emulator oder Siemens PLCsim können ebenfalls an<br />

die Simulation gekoppelt werden und Achswerte senden<br />

oder E/A-Werte austauschen. Durch die Verwendung dieser<br />

externen Steuerungen werden die erzielbaren Taktzeitaussagen<br />

noch präziser. Insgesamt kann die VIBN so<br />

Probleme bereits in frühen Projektphasen aufdecken, teure<br />

Inbetriebnahmezeit vor Ort einsparen und einen früheren<br />

Produktionsstart ermöglichen.<br />

2. Integration <strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />

Da automatisierte Fertigungsanlagen oft spurgeführte<br />

Transportsysteme beinhalten, muss das Simulationssystem<br />

dazu in der Lage sein, diese zu modellieren, zu simulieren<br />

und zu steuern. Ein Konzept, um dies zu erreichen,<br />

wird in [5] und [6] detailliert dargestellt; das zugrunde<br />

liegende Simulationssystem wird in [7] diskutiert.<br />

Die folgenden Abschnitte konzentrieren sich<br />

deshalb auf die Anwendung dieser Technologie für die<br />

VIBN, hier insbesondere bei der Simulation <strong>von</strong> Werkstückträgertransfersystemen.<br />

2.1 Modellierung<br />

Das erwähnte Konzept der zweistufigen Modellierung<br />

lässt sich auch auf Transportsysteme anwenden. In der<br />

systemnahen Modellierung werden dabei Transportkom-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

29


Hauptbeitrag<br />

ponenten technisch detailliert abgebildet. Bild 4 zeigt<br />

die Kombination einer „toten“ CAD-Geometrie mit einem<br />

„unsichtbaren“ funktionalen Bibliotheksmodell. Dieses<br />

definiert ein Transportsegment zwischen zwei Knoten<br />

und kann einfach skaliert werden, um die Länge dem<br />

CAD-Modell anzupassen.<br />

Wenn eine Komponente ohne Verzerrungen intuitiv<br />

skalierbar sein soll, müssen die Einzelteile der Baugruppe<br />

mit Regeln ausgestattet werden, die unscharfe Kommandos<br />

wie zum Beispiel „Gesamtlänge 1200 mm“ interpretieren<br />

können. Diese werden dann in exakte Angaben<br />

für die einzelnen geometrischen und funktionalen<br />

Teilelemente überführt. Bild 5 zeigt zwei Beispiele für<br />

diese „intelligente“ Skalierung. Wenn das komplette<br />

Transportband links in der Länge gestreckt wird, darf<br />

der Motor nicht mitskaliert sondern er muss an eine neue<br />

Position versetzt werden. Zusätzlich wird auch das funktionale<br />

Transportsegment angepasst. Bei einer Längenanpassung<br />

der Transportstrecke auf der rechten Seite<br />

werden im richtigen Abstand neue Tragrollen auf dem<br />

gestreckten Element repliziert.<br />

Sobald das Modell einer Transportbaugruppe systemnah<br />

modelliert und erfolgreich getestet wurde, kann es<br />

in eine Bibliothek für die abstrakte Modellierung übernommen<br />

werden. Bild 6 zeigt ein typisches Beispiel für<br />

die Nutzung solcher vormodellierten Komponenten auf<br />

einer höheren Modellierungsebene. Eine Transportband,<br />

ein Kurvenelement, eine Hubeinheit und zwei Stopper<br />

werden aus der Modellbibliothek instanziiert und dem<br />

Gesamtmodell hinzugefügt. Anschließend werden diese<br />

Baugruppen mit Hilfe der Maus an die gewünschte Stelle<br />

im 3-D-Raum gezogen, wo sie automatisch mit den<br />

weiteren Komponenten funktional und geometrisch verbunden<br />

werden, wodurch ein voll funktionsfähiger<br />

Transportabschnitt entsteht. Hierbei müssen keine zusätzlichen<br />

Daten eingegeben werden, da die Gesamtfunktion<br />

durch die Aggregation der Daten in den Baugruppenmodellen<br />

bestimmt wird.<br />

2.2 Simulation<br />

Wenn das Transportsystem und die Werkstückträger<br />

auf die beschriebene Art modelliert und zusammengesetzt<br />

wurden, ist das Gesamtmodell komplett für die<br />

Simulation vorbereitet, wobei das Simulationskonzept<br />

dabei einen hybriden Ansatz verfolgt. Die Transportsimulation<br />

wurde in ein Simulationssystem eingebettet,<br />

dem ein zeitdiskreter Ansatz mit festen Zeitschritten<br />

zugrunde liegt. Diese zeitbasierte Simulation wird<br />

für alle Roboter, SPSen, Aktoren und Sensoren des Modells<br />

eingesetzt. Da Transportprozesse sehr zeitkritisch<br />

sind, nutzt die Transportsimulation eine ereignisbasierte<br />

Simulation innerhalb jedes einzelnen Zeitschritts<br />

des „umgebenden“ Simulationssystems. Dabei wird der<br />

Zeitpunkt jedes einzelnen Transportereignisses exakt<br />

berechnet. Ein solches Ereignis ist zum Beispiel das<br />

Auffahren eines Werkstückträgers auf einen Stopper<br />

oder einen weiteren Werkstückträger.<br />

Da der Zustand des Gesamtmodells für jeden Zeitschritt<br />

bestimmt und die 3-D-Szene dann neu gezeichnet<br />

wird, kann die Simulation in Echtzeit direkt verfolgt<br />

werden [8]. Während der laufenden Simulation werden<br />

ständig Benutzereingaben abgefragt, sodass jederzeit die<br />

Ansicht verändert oder mit der virtuellen Anlage interagiert<br />

werden kann. Hierdurch kann beispielsweise ein<br />

Träger vom Band entfernt und an einer anderen Stelle<br />

wieder eingesetzt werden, um die Reaktion der Steuerung<br />

zu überprüfen.<br />

Bei der Simulation der Transportprozesse werden die<br />

Bewegungen der Werkstückträger entlang <strong>von</strong> geometrischen<br />

Pfaden berechnet. Dabei können den Transportbändern<br />

und/oder den Werkstückträgern Antriebe mit<br />

einer Maximalgeschwindigkeit v und einer Beschleunigung<br />

a zugeordnet werden. Die Simulation berücksichtigt<br />

dann auch physikalische Effekte wie Gravitation<br />

und Gleitreibung. Letzteres erfordert die Vorgabe <strong>von</strong><br />

globalen oder lokalen Gleitreibungskoeffizienten µK. Die<br />

hierfür entwickelte Berechnungsmethode benötigt keinerlei<br />

Massen der Werkstückträger oder der transportierten<br />

Objekte, sodass der Aufwand zur Erhebung der<br />

Modellparameter gering ist. Das Kontaktverhalten der<br />

Werkstückträger wird auf Basis der geometrischen Hülle<br />

simuliert. Bild 7 zeigt hierzu den Ausschnitt eines<br />

Transportmodells mit Werkstückträgern, die sich in einer<br />

Kurve aufstauen.<br />

3. Nutzung <strong>von</strong> virtueller Realität (VR)<br />

Eine entscheidende Eigenschaft der virtuellen Produktion<br />

ist die Möglichkeit, Ideen, Designs und Prozesse<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> hochwertigen digitalen 3-D-Modellen und<br />

Simulationsergebnissen zu kommunizieren. Diese<br />

Kommunikation kann noch weiter verbessert werden,<br />

wenn die Präsentation der Modelle auf großen Bildschirmen<br />

mit Hilfe <strong>von</strong> 3-D-Stereoprojektion erfolgt.<br />

Derartige Systeme werden zum Beispiel im Rahmen des<br />

Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) bereits<br />

exemplarisch eingesetzt [9]. Die höchste Ausbaustufe<br />

ist dann die Nutzung einer 360° Stereo-Projektionsumgebung,<br />

in der sich der Betrachter frei bewegen und<br />

dabei die gesamte Anlage beobachten und im Idealfall<br />

auch mit ihr interagieren kann.<br />

Allgemein werden die im Rahmen des virtuellen Engineering<br />

erstellten Anlagenmodelle jedoch kaum in<br />

VR-Anwendungen weiter genutzt. Stattdessen werden<br />

einfache Teilmodelle für die VR parallel erstellt, was<br />

eine VR-gestützte VIBN unmöglich macht. Eine Verwendung<br />

funktionaler Modelle der virtuellen Produktion<br />

in der VR kann jedoch deren gewinnbringenden<br />

Einsatz weiter steigern.<br />

Die Nebenläufigkeit der beiden Vorgehensweisen<br />

kann beseitigt werden, indem beim virtual engineering<br />

ein Simulationssystem verwendet wird, welches<br />

auch die Methoden der VR unterstützt. Die durchgängige<br />

Integration <strong>von</strong> Methoden der VR in das betriebliche<br />

virtual engineering eröffnet Unternehmen so die<br />

Möglichkeit, die VR in jeder Projektphase unkompliziert<br />

zu nutzen. Sie begleiten durch die Unterstützung<br />

etwa <strong>von</strong> Marketing, Schulung und Weiterentwicklung<br />

das Fertigungssystem in seinem Lebenszyklus<br />

deutlich über den Produktionsstart hinaus. Durch die<br />

Minimierung <strong>von</strong> Schnittstellen gewährleistet diese<br />

vereinheitlichende Betrachtung den nahtlosen Übergang<br />

zwischen den einzelnen Phasen im Anlagenlebenszyklus<br />

[10].<br />

Eine wesentliche Anforderung an die virtuelle Realität<br />

im Umfeld des Engineering <strong>von</strong> Fertigungsanlagen ist,<br />

dass die Nutzer in intuitiver Weise mit dem digitalen<br />

Modell interagieren müssen. Ein Simulationssystem das<br />

hier zum Einsatz kommt, muss also über die Fähigkeit<br />

30<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


BILD 4: Systemnahe Modellierung eines Transportbandes<br />

durch Kombination einer „toten“ Geometrie mit einem<br />

„unsichtbaren“ funktionalen Modell<br />

BILD 5: Intelligente Skalierung <strong>von</strong> Transportkomponenten<br />

BILD 6: Abstrakte Modellierung: automatisches<br />

Verbinden <strong>von</strong> Bibliothekskomponenten in 3-D<br />

BILD 7:<br />

Abschnitt eines<br />

Transportsystems:<br />

Werkstückträger stauen<br />

sich in einer Kurve.<br />

verfügen, jederzeit während der laufenden Simulation<br />

auf Änderungen des Modells <strong>von</strong> außen zu reagieren,<br />

wobei unterschiedliche Methoden für die Benutzerinteraktion<br />

verwendet werden können [11].<br />

Möglichkeiten zur Manipulation des Simulationsmodells<br />

beinhalten zum Beispiel das Drücken <strong>von</strong> virtuellen<br />

Schaltern, den Umgang mit Fertigungseinrichtungen<br />

oder das Bewegen <strong>von</strong> Werkstücken. Bild 8 zeigt im oberen<br />

Bereich eine Aufnahme, die in einer siebenseitigen<br />

Stereo-Rückprojektionsumgebung aufgenommen wurde.<br />

Bei dem Modell handelt es sich um eine komplette Fabrik<br />

mit einem Werkstückträgertransfersystem. Im Bild<br />

nimmt der Anwender einen Werkstückträger <strong>von</strong> einem<br />

Transportband, um ihn zu inspizieren und die Reaktion<br />

des Steuerungsprogramms auf diese Aktion zu untersuchen.<br />

Hier wird erkennbar, dass es für den Arbeitsfluss<br />

<strong>von</strong> entscheidender Bedeutung ist, dass die Modelle und<br />

Interaktionsmöglichkeiten in der VIBN und der VR übereinstimmen.<br />

Dies wird durch die in Bild 8 dargestellte<br />

Systemstruktur gewährleistet.<br />

4. Anwendungsbeispiele<br />

Bild 9 zeigt ein Transportsystem mit Bandstrecken, Kurven,<br />

einem geneigten Band, einem Aufzug, Hubquereinheiten,<br />

Hubpositioniereinheiten und einigen Werkstückträgern.<br />

Die Steuerungsprogramme für alle Komponenten<br />

wurden in der Entwicklungsumgebung für Siemens<br />

Step7 erstellt und zur internen Interpretation in einer<br />

virtuellen SPS in das Simulationssystem importiert.<br />

Bild 10 stellt das Modell einer umlaufenden Produktionslinie<br />

dar, die bei der Anlagenplanung aufgebaut wurde,<br />

um eine VIBN durchzuführen. Die Methoden der<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

31


Hauptbeitrag<br />

BILD 8: Systemstruktur mit VR für die VIBN<br />

BILD 10: <strong>Virtuelle</strong> Fabrik: Werkstückträger transportieren<br />

Material zu Roboterarbeitsstationen.<br />

BILD 9: Modell eines<br />

komplexen Transportsystems<br />

Bild 11: Übergabe eines Werkstückträgers<br />

an einen virtuellen Werker<br />

Transportsimulation dienen dem Transport <strong>von</strong> Werkstückträgern<br />

über ein Bandsystem zwischen den einzelnen<br />

Roboterarbeitsstationen. Die Orientierung der Werkstückträger<br />

kann anhand einer farblichen Markierung,<br />

die in den Stationen <strong>von</strong> einem Farbsensor ausgelesen<br />

wird, ermittelt werden. Es ist also möglich, einen Werkstückträger<br />

an einer beliebigen Stelle zu entnehmen und<br />

an einer anderen Stelle in beliebiger Orientierung wieder<br />

einzulasten.<br />

Bild 11 zeigt eine Möglichkeit zur Interaktion während<br />

einer VIBN. Ein entnommener Werkstückträger kann zu<br />

einem Werker in der virtuellen Welt hin bewegt werden.<br />

Bei ausreichender Nähe erscheint vor dem Werker die<br />

Metapher einer Ablageposition. Der Träger kann nun losgelassen<br />

werden und wird automatisch dem Werker<br />

übergeben. Dieser führt dann eine <strong>von</strong> verschiedenen<br />

vordefinierten Aufgaben aus. Im Bild rechts wird der<br />

entnommene Werkstückträger wieder in das Transportsystem<br />

eingelastet.<br />

Während die Interaktion mit dem Simulationsmodell<br />

stattfindet, werden alle anderen Komponenten des Modells<br />

normal weiter simuliert: Die Werkstückträger kreisen<br />

im System und die Roboter bearbeiten Werkstücke<br />

mit originalen Roboterprogrammen. So kann im Rahmen<br />

einer VIBN auf die gleiche Art und Weise mit einem Simulationsmodell<br />

interagiert werden wie mit der realen<br />

Fertigungsanlage.<br />

Zusammenfassung<br />

Zur virtuellen Inbetriebnahme <strong>von</strong> Transportprozessen mit<br />

einem 3-D-Simulationssystem wurden Verfahren zur Modellierung,<br />

Simulation und Steuerung <strong>von</strong> spurgebundenen<br />

32<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


<strong>Transportsystemen</strong> vorgestellt. Ein zweistufiges Modellierungskonzept<br />

ermöglicht dabei die detaillierte systemnahe<br />

Modellierung und eine einfache abstrakte Modellierung<br />

<strong>von</strong> Gesamtsystemen. Physikalische Effekte wie Gravitation,<br />

Gleitreibung und Kontaktverhalten werden ohne zusätzlichen<br />

Modellierungsaufwand in der Simulation berücksichtigt.<br />

Durch ein hierarchisches Simulationsverfahren<br />

erfolgt neben einer exakten Simulation der Transportprozesse<br />

auch eine Berücksichtigung der Peripherie, insbeson-<br />

dere auch <strong>von</strong> SPSen und Sensoren. Realitätskonforme E/A-<br />

Schnittstellen ermöglichen die Verwendung originaler<br />

Programme zur Steuerung der Simulationsmodelle. Während<br />

der Simulation kann ein Anwender jederzeit mit dem<br />

Modell interagieren und direkt die Reaktion der simulierten<br />

Komponenten beobachten.<br />

Manuskripteingang<br />

31.01.2011<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Referenzen<br />

Autoren<br />

[1] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Virtual Production<br />

for Industrial Manufacturing Plants with Transport<br />

Systems. 6th EUROSIM Congress on Modelling and<br />

Simulation, Ljubljana, Slowenien, 9.-13. September 2007<br />

[2] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Eine<br />

Systematik mit einem darauf abgestimmten Softwarewerkzeug<br />

zur durchgängigen <strong>Virtuelle</strong>n Inbetriebnahme<br />

<strong>von</strong> Fertigungsanlagen – Von der Planung über die<br />

Simulation zum Betrieb. <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />

Praxis, Jahrgang 49, Heft 7, S. 52-56, Oldenbourg<br />

Verlag, München, 2007<br />

[3] Freund, E.; Hypki, A.; Heinze, F.; Bauer, R.: COSIMIR<br />

PLC – 3D Simulation of PLC Programs. 6th IFAC<br />

Symposium on Cost Oriented Automation, Berlin,<br />

Oktober 2001<br />

[4] Iwanitz, F.; Lange, J.: OPC – Grundlagen, Implementierung<br />

und Anwendung. Hüthig Verlag, 2005<br />

[5] Wischnewski, R.; Freund, E.: Modeling, Simulation and<br />

Emulation of Modular Carrier Based Transport<br />

Systems. Proceedings of the 2004 IEEE International<br />

Conference on Robotics and Automation (ICRA); New<br />

Orleans, USA, April 2004<br />

[6] Wischnewski, R.; Roßmann, J.: A New Hybrid Time-<br />

Based / Event-Based Simulation Method for Transport<br />

Systems Considering Physical Effects, Proceedings of<br />

the 2010 IEEE Conference on Robotics, Automation and<br />

Mechatronics (RAM), Singapur, 28.-30. Juni 2010<br />

[7] Roßmann, J.; Wischnewski, R.; Stern, O.: A Comprehensive<br />

3-D Simulation System for the Virtual<br />

Production, Proceedings of the 8th International<br />

Industrial Simulation Conference (ISC), Budapest,<br />

Ungarn, 7.-9. Juni 2010, S. 109-116<br />

[8] Freund, E.; Feist, R.; Pensky, D.; Wischnewski, R.: 3-D<br />

Graphical Simulation of Complete Manufacturing<br />

Systems in Real-Time. Proceedings of the 6th IASTED<br />

Conference on Control and Applications (CA 2004);<br />

Marina del Rey, USA, März 2004<br />

[9] Aurich, J. C.; Hagen, H.; Ostermayer, D.; Bertram, M.:<br />

VR-unterstützter KVP-Workshop - Neues Anwendungsfeld<br />

des virtual engineering. wt Werkstatttechnik<br />

online, Jahrgang 96, Heft 1/2, 2006<br />

[10] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Ein Konzept<br />

und ein Werkzeug für den durchgängigen Einsatz der<br />

VR im virtual engineering. 11. IFF-Wissenschaftstage<br />

2008; Magdeburg, 25.-26. Juni 2008<br />

[11] Roßmann, J.; Wischnewski, R.: Realitätsnahe<br />

Simulation und Visualisierung industrieller Transportprozesse<br />

in VR-Anwendungen. 6. Workshop Augmented<br />

& Virtual Reality in der Produktentstehung,<br />

Paderborn, 14.-15. Juni 2007<br />

Prof. Dr.-Ing. Jürgen<br />

RoSSmann (geb. 1964) leitet<br />

den Lehrstuhl und das<br />

Institut für Mensch-Maschine-Interaktion<br />

der RWTH<br />

Aachen. Der Schwerpunkt<br />

seiner Arbeit liegt in der<br />

Verknüpfung <strong>von</strong> Forschungsergebnissen<br />

aus den<br />

Bereichen Robotik, Simulationstechnik und<br />

virtuelle Realität zur Entwicklung neuer Konzepte<br />

der Mensch-Maschine-Kommunikation.<br />

Institut für Mensch-Maschine-Interaktion,<br />

RWTH Aachen, Ahornstr. 55, D-52074 Aachen,<br />

Tel. +49 (0) 241 802 61 01,<br />

E-Mail: rossmann@mmi.rwth-aachen.de<br />

Dipl.-Inform. Oliver Stern<br />

(geb. 1969) leitet die Abteilung<br />

Robotertechnik der Dortmunder<br />

Initiative zur rechnerintegrierten<br />

Fertigung. Er beschäftigt<br />

sich hauptsächlich mit<br />

der Integration <strong>von</strong> Steuerungs-<br />

und Robotersimulationssystemen.<br />

RIF e.V. Robotertechnik,<br />

Joseph-<strong>von</strong>-Fraunhofer-Str. 20, D-44227 Dortmund,<br />

Tel. +49 (0) 231 970 07 82, E-Mail: stern@rif-ev.de<br />

Dr.-Ing. Dipl.-Inform.<br />

Roland Wischnewski<br />

(geb. 1971) leitet die Gruppe<br />

Industrielle Simulationsverfahren<br />

der Dortmunder<br />

Initiative zur rechnerintegrierten<br />

Fertigung. Sein<br />

Arbeitsgebiet ist insbesondere<br />

die 3-D-Echtzeitsimulation<br />

komplexer Transportsysteme.<br />

RIF e.V. Robotertechnik,<br />

Joseph-<strong>von</strong>-Fraunhofer-Str. 20, D-44227 Dortmund,<br />

Tel. +49 (0) 231 970 07 79,<br />

E-Mail: wischnewski@rif-ev.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

33


hauptbeitrag<br />

Qualitätskontrolle texturierter<br />

Kunststoffoberflächen<br />

Inspektion <strong>von</strong> Bahnwaren nach dem Prägen oder Bedrucken<br />

Bedruckte oder geprägte Kunststoffoberflächen sind insbesondere in der Möbel- und Autoindustrie<br />

beliebte Dekorelemente. Mit den verfügbaren Bildverarbeitungssystemen ist<br />

nur die Inspektion unstrukturierter Folien möglich. Bei unregelmäßigen Texturen, wie<br />

zum Beispiel Kunstleder oder Holzimitat, können diese Systeme die Fehlstellen nicht <strong>von</strong><br />

der gewünschten Textur unterscheiden. Durch die Verwendung <strong>von</strong> Texturanalysealgorithmen<br />

wird auch für diese Produkte eine durchgängige Qualitätskontrolle möglich. Die<br />

Fehlstellen können in Echtzeit detektiert und klassifiziert werden.<br />

SCHLAGWÖRTER Bahninspektion / Texturanalyse / Extrusion<br />

Inline-inspection of textured plastics surfaces –<br />

Subheadline Essay englisch<br />

Embossed or printed plastic surfaces are widely used as decoration elements especially<br />

in the automotive or furniture industry. However, no inspection systems exist that can<br />

inspect products with irregular textures such as artificial leather or imitation wood.This<br />

paper describes a system for the inline inspection of extruded surfaces with irregular<br />

textures. By incorporating algorithms for texture analysis into an inspection system,<br />

defects can be reliably detected and classified at real-time.<br />

KEYWORDS web inspection / texture analysis / extrusion<br />

34<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Walter Michaeli, Klaus Berdel, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), RWTH Aachen<br />

Eine automatische, lückenlose Qualitätskontrolle<br />

<strong>von</strong> Kunststoffhalbzeugen wie Folien oder<br />

Profilen ist unter mehreren Gesichtspunkten<br />

wichtig:<br />

Die durchgängige Qualitätssicherung während der<br />

gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts ermöglicht<br />

es, Fehler frühzeitig zu erkennen, Ausschuss<br />

zu vermeiden sowie Kosten, Material und<br />

Energie zu sparen.<br />

Erst die genaue Kenntnis der Produktqualität erlaubt<br />

es, den Herstellungsprozess zu optimieren. Dies ist<br />

insbesondere bei Einfahrprozessen, häufigen Produktwechseln<br />

oder Versuchsanlagen <strong>von</strong> Bedeutung [1].<br />

In Märkten, in denen sich die Funktionalität konkurrierender<br />

Produkte kaum unterscheidet, kann die<br />

Qualität das kaufentscheidende Kriterium sein. Optische<br />

Inspektionssysteme helfen, diese sicherzustellen<br />

und vermeiden Reklamationen [2].<br />

Die nach ISO 9000 ff. geforderte Qualitätsdokumentation<br />

wird für Kunststoffverarbeiter, insbesondere<br />

in der Automobilbranche, immer wichtiger [3].<br />

Es ist für den Menschen ab einer Laufgeschwindigkeit<br />

<strong>von</strong> zirka 30 m/min unmöglich, eine Oberfläche<br />

<strong>von</strong> Bahnenware komplett zu überprüfen. Des Weiteren<br />

lässt die Aufmerksamkeit bei langwieriger,<br />

monotoner Arbeit stark nach. Daher ist eine automatische<br />

Qualitätskontrolle in vielen Fällen sinnvoll<br />

und notwendig.<br />

Folieninspektionssysteme für transparente oder glatte,<br />

unbedruckte Folien stellen den Stand der Technik dar und<br />

sind aus Bereichen wie der Medizintechnik oder der Verpackungsbranche<br />

nicht mehr wegzudenken [3]. Auch für<br />

Oberflächen mit sehr regelmäßigen Texturmustern oder<br />

textile Gewebe gibt es inzwischen zuverlässige Inspektionssysteme<br />

[4,5]. Diese Systeme versagen jedoch, wenn<br />

die Oberflächen eine unregelmäßige Textur aufweisen.<br />

Bei der Produktion dekorativer Produkte soll der Eindruck<br />

einer strengen Periodizität jedoch vermieden werden,<br />

da er nicht „natürlich“ wirkt. Typische Beispiele<br />

sind Holzimitat oder Kunstleder für die Möbel- beziehungsweise<br />

Autoindustrie (Bild 1). Die entsprechenden<br />

Texturen werden durch Prägen oder Bedrucken aufgebracht.<br />

Dabei werden die Druck- oder Prägewalzen entweder<br />

mit sehr langen Periodenlängen versehen, die<br />

nicht mehr als periodisch wahrgenommen werden, oder<br />

es werden mehrere Texturen mit unterschiedlichen Periodenlängen<br />

überlagert.<br />

Bei der Herstellung solcher Produkte können allerdings<br />

Fehler auftreten. Einerseits sind das typische Extrusionsfehler<br />

wie zum Beispiel Stippen, schwarze<br />

Punkte, Löcher, Streifen oder sonstige Verschmutzungen<br />

[6]. Andererseits treten auch beim Präge- oder Druckprozess<br />

Fehler auf. Mögliche Ursachen können Ablagerungen<br />

am Werkzeug sein, die sich lösen und dann an einer<br />

Walze haften bleiben, Schmutz, der sich <strong>von</strong> den Absauganlagen<br />

über den Walzen löst, Abnutzungserscheinungen<br />

oder Farbspritzer. Die Fehler zeichnen sich dadurch<br />

aus, dass sie nur sporadisch auftreten und so bei stichprobenartiger<br />

Sichtprüfung durch den Maschinenbediener<br />

nicht entdeckt werden.<br />

Daher hat das Institut für Kunststoffverarbeitung<br />

(IKV) an der RWTH Aachen im Rahmen eines durch<br />

das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />

(BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller<br />

Forschungsvereinigungen e.V. (AiF) geförderten Forschungsvorhabens<br />

(Nr. 15256 N) ein Verfahren zur Inline-Inspektion<br />

unregelmäßig texturierter Kunststoffbahnwaren<br />

entwickelt.<br />

1. Stand der Technik<br />

1.1 Aufbau <strong>von</strong> Inspektionssystemen<br />

Die Prüfaufgaben eines Folien- und Profilinspektionssystems<br />

sind die Erkennung der Position <strong>von</strong> Fehlstellen<br />

sowie ihre Klassifikation und Dokumentation. Inspektionssysteme<br />

bestehen aus einer oder mehreren Kameras,<br />

einer Lichtquelle und der Bedien- beziehungsweise Re-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

35


Hauptbeitrag<br />

cheneinheit (Bild 2). Diese Komponenten werden in die<br />

Anlage integriert. Für die Folien- und Profilinspektion<br />

werden CCD-Zeilenkameras als Bildsensoren eingesetzt.<br />

Um die Fehlstellen optimal abzubilden, wird eine Zeilenbeleuchtung<br />

so angebracht, dass der Kontrast zwischen<br />

Fehlstelle und Gutbereich im Bild maximal wird.<br />

Die Bilddaten der Kamera werden durch einen Framegrabber<br />

in ein digitales Format gewandelt und in den<br />

Rechner übertragen. Häufig finden auch schon erste<br />

Schritte der Bildauswertung auf dem Framegrabber statt.<br />

Der Rechner stellt mit seiner Software die zentrale Analyseeinheit<br />

eines Bildverarbeitungssystems dar. Er übernimmt<br />

die Auswertung der Bilddaten und dient zur<br />

Kommunikation mit Bediener und Qualitätsmanagementsystem.<br />

1.2 Inspektion einfarbiger, glatter und<br />

transparenter Folien<br />

Bei Inspektionssystemen für glatte, einfarbige oder transparente<br />

Folien erfolgt die Segmentierung, das heißt die<br />

Detektion der Position der Fehlstellen, über einen Schwellwert.<br />

Die Entscheidung, ob an einem Bildpunkt eine Fehlstelle<br />

vorliegt, hängt direkt vom gemessenen Helligkeitswert<br />

ab. Die Systeme speichern eine fehlerfreie Referenzzeile<br />

und ziehen diese <strong>von</strong> der aktuell gemessenen Zeile<br />

ab. Liegt die Differenz an einer Position über dem vom<br />

Einrichter oder Anwender vorgegebenen Empfindlichkeitswert,<br />

wird diese Position als fehlerhaft markiert.<br />

Um die unterschiedlichen Fehlertypen, wie Stippen,<br />

Brenner oder Fremdpartikel klassifizieren zu können,<br />

berechnet das System Merkmale, zum Beispiel basierend<br />

auf der Form der Fehlstelle. Anhand derer wird eine<br />

Klassifikation vorgenommen [6]. Moderne Systeme können<br />

selbst kleine Fehlstellen bei Abzugsgeschwindigkeiten<br />

<strong>von</strong> über 200 m/min zuverlässig erkennen. Diese<br />

Systeme versagen jedoch, wenn die Oberflächen mit einer<br />

Textur versehen sind. Die Textur verhindert, dass die<br />

Systeme eine geeignete Referenzzeile finden können.<br />

1.3 Grundlagen der Texturanalyse<br />

Es gibt keine einheitliche Definition für den Begriff der<br />

Textur [7,8]. In einer verbreiteten Definition werden die<br />

lokalen Feinstrukturen <strong>von</strong> Objekten, die sich durch<br />

Oberflächen-Eigenschaften und Lichtreflexionen ergeben,<br />

als Textur bezeichnet [7]. Texturen sind nur durch<br />

die Betrachtung <strong>von</strong> Nachbarschaften um jeden Pixel zu<br />

verstehen, da sie eine Beziehung zwischen benachbarten<br />

Pixeln herstellen.<br />

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Texturen zu kategorisieren<br />

[7,8]. Eine verbreitete Einteilung besteht darin,<br />

BILD 1:<br />

Arten texturierter<br />

Kunststoffoberflächen<br />

BILD 2:<br />

Aufbau und<br />

Komponenten <strong>von</strong><br />

Folieninspektionssystemen<br />

36<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


zwei Kategorien zu unterscheiden: Periodische (auch<br />

reguläre oder regelmäßige) Texturen und komplexe (oder<br />

auch irreguläre, statistische oder unregelmäßige) Texturen<br />

[7]. Bei Ersteren kann ein Basiselement identifiziert<br />

werden, durch dessen Wiederholung in horizontaler und<br />

vertikaler Richtung die Textur beschrieben werden<br />

kann. Bei komplexen Texturen ist es nicht möglich, ein<br />

solches Basiselement zu extrahieren. Sie wirken scheinbar<br />

zufällig (Bild 1).<br />

Um Texturen beschreiben und unterscheiden zu können,<br />

müssen aus den Bilddaten quantitativ erfassbare<br />

Merkmale extrahiert werden. Sie werden zu einem Merkmalsvektor<br />

zusammengefasst, der einen Bildpunkt oder<br />

eine Nachbarschaft <strong>von</strong> Bildpunkten charakterisiert.<br />

Nach Xie werden dazu vier grundsätzliche Ansätze unterschieden<br />

[9]:<br />

Strukturelle Ansätze können zur Beschreibung sehr<br />

regelmäßiger Texturen verwendet werden. Sie basieren<br />

darauf, dass es möglich ist, ein sich wiederholendes<br />

Basiselement und die dazugehörende Wiederholungsregel<br />

zu beschreiben.<br />

Statistische Ansätze nutzen statistische Maße, die<br />

die räumliche Verteilung der Bildpunkte charakterisieren.<br />

Die einfachsten Vertreter dieser Klasse sind<br />

die Berechnung des lokalen Mittelwerts oder der lokalen<br />

Varianz sowie Statistiken höherer Ordnung.<br />

Filterbasierte Ansätze gehen <strong>von</strong> der Annahme aus,<br />

dass ähnliche Texturen ein ähnliches Fourierspektrum<br />

aufweisen. Durch Verwendung <strong>von</strong> Filterbänken<br />

werden charakteristische Merkmale berechnet.<br />

Modellbasierte Ansätze versuchen, die Textur als<br />

statistischen Prozess, wie zum Beispiel als Markov-<br />

Kette, zu modellieren. Anhand der Parameter dieser<br />

Modelle können verschiedene Texturen erkannt<br />

werden.<br />

Es gibt jedoch keinen Ansatz, der für alle möglichen Texturen<br />

die besten Klassifikationsergebnisse liefert. Daher<br />

ist der benötigte Rechenaufwand das wichtigste Kriterium<br />

für die Auswahl eines Merkmalsextraktionsverfahrens<br />

für Echtzeitanwendungen.<br />

1.4 Klassifikation <strong>von</strong> Texturmerkmalen<br />

Ein Inspektionssystem muss anhand der Texturmerkmale<br />

zwischen Fehlstelle und Gut-Textur unterscheiden.<br />

Der Klassifikator unterteilt den Merkmalsraum in<br />

Bereiche, die einer Klasse zugeordnet werden. Merkmalsvektoren,<br />

die in einen bestimmten Bereich fallen,<br />

werden der entsprechenden Klasse zugeordnet. Es bieten<br />

sich drei grundlegende Ansätze für die Klassifikation<br />

an [9, 10]:<br />

BILD 3:<br />

Prüfstand zur Simulation<br />

der Inspektion endloser<br />

Halbzeuge<br />

online<br />

Merkmalsextraktion<br />

Klassifikation<br />

Kamerabild<br />

Auswertung<br />

Trainingsbild<br />

Merkmalsextraktion<br />

Training<br />

BILD 4:<br />

Aufbau der Software des<br />

Inspektionssystems<br />

Label<br />

offline<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

37


Hauptbeitrag<br />

Bei der unüberwachten Klassifikation ist die Anzahl<br />

der Klassen nicht bekannt und es gibt keine Beispielvektoren<br />

für die einzelnen Klassen. Ausgehend <strong>von</strong><br />

der Annahme, dass sich Merkmalsvektoren einer<br />

Klasse in räumlicher Nachbarschaft befinden, schätzt<br />

der Klassifikator die Anzahl der Klassen und die<br />

Klassenzugehörigkeit der Merkmalsvektoren ab.<br />

Bei der überwachten Klassifikation wird der Klassifikator<br />

sowohl mit der Gut-Textur als auch mit typischen<br />

Fehlermustern trainiert. Anhand dieser Trainingsdaten<br />

„lernt“ der Klassifikator den Unterschied<br />

zwischen der Gut-Textur und den einzelnen Fehlerklassen.<br />

Bei der semiüberwachten Klassifikation wird der<br />

Klassifikator vom Einrichter des Systems nur mit der<br />

Gut-Textur trainiert. Das Verfahren erkennt Abweichungen<br />

<strong>von</strong> der gewünschten Textur automatisch.<br />

Für die hier vorliegende Prüfaufgabe sind unüberwachte<br />

Ansätze, wie zum Beispiel Clustering, nicht geeignet,<br />

da sie zu rechenintensiv sind [10]. Semiüberwachte Ansätze<br />

ermöglichen eine einfache Einrichtung des Inspektionssystems,<br />

weil nur die Gut-Textur bekannt sein muss.<br />

Sie eignen sich gut, wenn die zu erwartenden Fehlerklassen<br />

unbekannt sind. Dabei weisen sie jedoch häufig höhere<br />

Fehlalarmraten auf als überwachte Ansätze. Semiüberwachte<br />

Ansätze können nur die zwei Klassen Gut-<br />

Bereich und Fehlstelle unterscheiden. Die Bestimmung<br />

der Art der Fehlstelle muss in einem gesonderten Schritt<br />

erfolgen. Der Vorteil der überwachten Klassifikatoren<br />

besteht neben der im Allgemeinen besseren Klassifikationsleistung<br />

darin, dass sie direkt zwischen den einzelnen<br />

Klassen unterscheiden können [9]. Um bisher unbekannte<br />

Fehler zu erkennen, kann der Klassifikator auf<br />

künstlich erzeugte Fehler trainiert werden [11].<br />

1.5 Inspektion regelmäßig texturierter Oberflächen<br />

Es gibt zahlreiche Ansätze für die automatische Inspektion<br />

regelmäßig texturierter Oberflächen, insbesondere<br />

für Textilbahnwaren, die auf den beschriebenen Ansätzen<br />

beruhen. Ein guter Überblick dieser Ansätze findet<br />

sich in [5].<br />

Am IKV wurde ein Verfahren zur Inspektion regelmäßig<br />

texturierter Kunststoffoberflächen entwickelt [4]. Es<br />

wird ein struktureller Ansatz verfolgt, bei dem <strong>von</strong> einem<br />

periodisch wiederholten Basiselement ausgegangen<br />

wird. Dieses Element wird bei der Segmentierung durch<br />

ein Template-Matching-Verfahren gesucht. Dadurch entstehen<br />

Bildsegmente, die im fehlerfreien Fall alle dem<br />

Basiselement entsprechen sollten. Anschließend wird<br />

für jedes Segment ein Differenzbild berechnet. In diesem<br />

können die Fehlstellen erkannt werden.<br />

1.6 Inspektion komplex texturierter Oberflächen<br />

In der Literatur finden sich mehrere Ansätze zur Inspektion<br />

komplex texturierter Folien. Ein ausführlicher Überblick<br />

über dieses Thema ist bei [9] zu finden. Die meisten<br />

der Ansätze wurden für die Inspektion texturierter Oberflächen<br />

aus anderen Materialien, wie zum Beispiel Holz,<br />

Textil, Stahl, Stein, Papier oder Keramikfliesen entwickelt<br />

oder sind nicht echtzeitfähig.<br />

Für die Inspektion <strong>von</strong> Marmorimitaten aus Kunststoff<br />

stellen Liu und MacGregor in [12] ein System vor. Hier liegt<br />

der Fokus allerdings weniger auf der Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen,<br />

als auf der Bewertung des visuellen Gesamteindrucks.<br />

Massen et al. stellen in [13] ein System zur Inline-<br />

Inspektion texturierter Extrusionsartikel vor. Dort liegt<br />

der Schwerpunkt weniger auf der Analyse der Texturen<br />

als auf der Beleuchtungsstrategie. Die Fehlstellen werden<br />

durch eine multisensorielle Beleuchtungsstrategie hervorgehoben,<br />

bei der mehrere Beleuchtungs-/Kamera-Module<br />

wie Farbkameras, UV-Kameras und Graustufenkameras<br />

mit stark gerichteter Beleuchtung kombiniert werden.<br />

2. Aufbau und Struktur des<br />

InspektionS Systems<br />

Für Entwicklungs- und Testzwecke werden die Komponenten<br />

Kamera, Beleuchtung und Recheneinheit zu einem<br />

Laborsystem zusammengestellt, welches zusätzlich über<br />

eine angetriebene Probenaufnahme verfügt, die den kontinuierlich<br />

laufenden Extrusionsprozesses simuliert (Bild<br />

3). Eine LED-Linienleuchte wirft einen linienförmigen<br />

Lichtstrahl quer zur Extrusionsrichtung auf die Produktoberfläche.<br />

Ihr Winkel zur Probe und zur Kamera lässt<br />

sich frei wählen. Eine Zeilenkamera bildet die Oberfläche<br />

ab. Die Zeilenrate der Kamera wird mit der Abzugsgeschwindigkeit<br />

über einen Inkrementaldrehgeber synchronisiert,<br />

sodass die Pixelgröße in Extrusionsrichtung <strong>von</strong><br />

der Abzugsgeschwindigkeit unabhängig ist.<br />

Bild 4 stellt den Ablauf des Bildverarbeitungsalgorithmus<br />

der Auswertungssoftware schematisch dar. Das System<br />

nutzt einen überwachten Klassifikator. Dabei gibt der<br />

Einrichter dem System sowohl die Gut- als auch Fehlermuster<br />

vor, mit denen der Klassifikator in einem Training,<br />

das heißt offline, bei der Einrichtung des Systems, trainiert<br />

wird. Im Inspektionsmodus (online) werden mehrere<br />

aufeinanderfolgende Bildzeilen zu einem Bild (frame)<br />

zusammengefasst. Aus diesen Bilddaten werden mit dem<br />

gleichen Ansatz wie beim Training Merkmalsvektoren<br />

bestimmt, anhand derer der zuvor trainierte Klassifikator<br />

zwischen den einzelnen Klassen unterscheidet. Danach<br />

können die Daten protokolliert oder als Fehlerkarte auf<br />

dem Bildschirm dargestellt werden.<br />

2.1 Merkmalsextraktion mit dem<br />

Local Binary Pattern-Operator<br />

Im Merkmalsextraktionsschritt werden aus den Bilddaten<br />

Texturmerkmale extrahiert, die zu einem Merkmalsvektor<br />

zusammengefasst werden. Dazu wird in diesem Projekt<br />

ein statistischer Ansatz, das so genannte Local Binary<br />

Pattern (LBP)-Verfahren, verwendet. Das Verfahren benötigt<br />

wenige Rechenschritte und ist daher für die Echtzeitanwendung<br />

geeignet. Des Weiteren ist es invariant<br />

gegenüber langsamen Änderungen des Helligkeitsmittelwerts,<br />

wie sie beispielsweise bei Änderungen der Umgebungsbeleuchtung<br />

oder Vibrationen der Bahn auftreten.<br />

Die Local Binary Patterns wurden in [14] vorgestellt.<br />

Sie stellen ein statistisches Maß für den lokalen Bildkon-<br />

38<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


BILD 5:<br />

Merkmalsextraktion<br />

mit dem LBP-Operator<br />

Thread<br />

Programmsteuerung<br />

Thread<br />

Bildaufnahme<br />

Thread<br />

Merkmalsextraktion<br />

und Klassifikation<br />

. . .<br />

Thread<br />

Merkmalsextraktion<br />

und Klassifikation<br />

. . .<br />

Thread<br />

Ausgabe,<br />

Auswertung,<br />

Kommunikation<br />

Thread<br />

Merkmalsextraktion<br />

und Klassifikation<br />

BILD 6:<br />

Parallelisierung durch<br />

Aufteilung auf Threads<br />

trast dar. Für jedes Pixel des Bildes wird der LBP-Code<br />

berechnet. Dabei wird um jeden Pixel ein 3 x 3 Pixel großes<br />

Fenster betrachtet. Der Mittelpunkt dient als Referenzwert.<br />

Alle Nachbarpixel mit einem höheren oder<br />

gleichen Grauwert werden mit einer 1 markiert, die übrigen<br />

mit einer 0. Die gewichtete Summe der Markierungen<br />

ergibt den LBP-Code, wobei die Gewichte unterschiedliche<br />

Zweierpotenzen in Abhängigkeit <strong>von</strong> ihrer<br />

Position im Fenster sind (Bild 5, oben). Danach wird das<br />

gesamte Bild gekachelt. Für jede Kachel wird die Häufigkeitsverteilung<br />

der LBP-Codes gebildet und als Merkmalsvektor<br />

verwendet (Bild 5, unten). So wird ein 256-dimensionaler<br />

Merkmalsvektor für jede Bildkachel erzeugt.<br />

Die optimale Größe der Bildkacheln ist abhängig <strong>von</strong> der<br />

Textur und den Fehlern und wird experimentell ermittelt.<br />

Durch die Kachelung wird die Anzahl der nötigen<br />

Klassifikationen auf die Anzahl der Kacheln reduziert,<br />

was einen Geschwindigkeitsvorteil mit sich bringt.<br />

2.2 Klassifikation<br />

Für die überwachte Klassifikation werden in der Literatur<br />

zahlreiche Ansätze vorgestellt [10]. In diesem System<br />

werden künstliche neuronale Netze mit der Multilayer-<br />

Perzeptron-Topologie verwendet. Sie zeichnen sich dadurch<br />

aus, dass sie auch nicht linear trennbare Merkmalsräume<br />

trennen können und weisen unabhängig <strong>von</strong><br />

der Anzahl der Trainingsdaten eine hohe Ausführungsgeschwindigkeit<br />

auf. Sie wurden am IKV bereits in früheren<br />

Projekten erfolgreich eingesetzt [4,6].<br />

Künstliche neuronale Netze sind in Analogie zum<br />

menschlichen Gehirn aus Neuronen aufgebaut. Die<br />

Neuronen sind untereinander über gewichtete Verbindungen<br />

verknüpft. In Abhängigkeit dieser Gewichte<br />

wird ein am Eingang gegebener Merkmalsvektor einer<br />

bestimmten Klasse zugeordnet. Während der Lernphase<br />

werden die Gewichte der Verbindungen solange angepasst<br />

bis der Erkennungsfehler auf den Trainingsdaten<br />

minimal wird.<br />

2.3 Implementierung und Parallelisierungsstrategien<br />

Die Auswertung läuft auf einem leistungsfähigen, handelsüblichen<br />

Industrie-PC. In der Entwicklung neuer<br />

Prozessoren werden in Zukunft immer häufiger Mehrkernprozessoren<br />

statt höherer Taktraten für einen Prozessorkern<br />

verwendet [15]. Diese verfügen über mehr als<br />

einen Hauptprozessor auf einem einzigen Chip. Um die<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

39


Hauptbeitrag<br />

BILD 7:<br />

Typische Fehlstellen<br />

auf bedruckten oder<br />

geprägten Extrudaten<br />

BILD 8:<br />

Manuell aufgebrachte<br />

Fehlstellen auf komplex<br />

texturierten Oberflächen<br />

Möglichkeiten dieser Technologie effektiv zu nutzen,<br />

werden die Komponenten der Auswertungsalgorithmik<br />

auf Threads verteilt, das heißt Teile des Programms, die<br />

parallel ablaufen können. Bild 6 stellt diese Aufteilung<br />

dar. Dabei müssen jeweils ein Bildaufnahme-, ein Ausgabethread<br />

sowie mehrere Arbeitsthreads, die die Analyse<br />

parallel durchführen, vorhanden sein.<br />

Die Bilddaten werden vom Bildaufnahmethread <strong>von</strong> der<br />

Kamera in den Rechner übertragen und dann auf die Arbeitsthreads<br />

verteilt, in denen die eigentliche Analyse der<br />

Bilddaten parallel erfolgt. Ein weiterer Thread übernimmt<br />

die Ausgabe, Auswertung und Kommunikation. Verfügt<br />

ein Rechner über eine größere Anzahl an Prozessorkernen,<br />

können auch mehr Analysen gleichzeitig stattfinden.<br />

Dadurch können die Bilder in schnellerer Folge aufgenommen<br />

werden. So profitiert das Inspektionssystem direkt<br />

<strong>von</strong> neuen Entwicklungen im Bereich der PC Hardware.<br />

3. Test und Bewertung des Systems<br />

In Bild 7 sind typische Fehlstellen auf bedruckten oder<br />

geprägten Extrudaten abgebildet. Dabei handelt es sich<br />

um Fehler, die beim Prägen oder Bedrucken auftreten<br />

können. Die Aufnahmen wurden in Zusammenarbeit mit<br />

der Döllken-Kunststoffverarbeitung GmbH, Gladbeck,<br />

bei einem Test des Inspektionssystems unter industriellen<br />

Bedingungen erstellt.<br />

Diese Fehlstellen treten nur sehr selten und sporadisch<br />

auf, dennoch muss ein Inspektionssystem in der Lage<br />

sein, sie zuverlässig zu detektieren. Für die Entwicklung<br />

und Validierung des Inspektionssystems werden jedoch<br />

mehrere Fehlstellen gleichen Typs benötigt. Daher werden<br />

ähnliche Fehler verschiedener Größen auf Proben<br />

mit Kunstleder- und Holzimitat aufgebracht (Bild 8). Auf<br />

die 80 cm langen Proben werden jeweils 30 simulierte<br />

Fehlstellen <strong>von</strong> zwei (Holzimitat) beziehungsweise drei<br />

(Lederimitat) Fehlerklassen aufgebracht.<br />

Bei dem Versuch mit den Lederimitat-Testdaten wurde<br />

das System mit je zwei Fehlermustern pro Fehlerklasse<br />

trainiert, das heißt insgesamt sechs Fehlermuster. Für die<br />

Versuche mit dem Holzimitat wird mit insgesamt sieben<br />

Fehlermustern bei zwei verschiedenen Klassen trainiert.<br />

Für den LBP-Operator wird eine Kachelgröße <strong>von</strong> 32 x 32<br />

Pixeln verwendet. Das künstliche neuronale Netz wird<br />

mit 64 Eingangsneuronen und einer verdeckten Schicht<br />

40<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Anzahl [ - ]<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Gesamtzahl der<br />

Fehlstellen<br />

korrekt erkannt<br />

Fehlalarme<br />

BILD 9:<br />

Untersuchung der<br />

Klassifikationsleistung<br />

des Systems<br />

0<br />

Holzimitat<br />

Lederimitat<br />

BILD 10:<br />

Untersuchung der<br />

Klassifikationsgenauigkeit<br />

mit 32 Neuronen eingerichtet. Die Ergebnisse dieser Versuche<br />

sind in Bild 9 dargestellt. Bei dem Holzimitat-Datensatz<br />

werden 26 <strong>von</strong> 30 Fehlstellen korrekt erkannt. Es<br />

gibt keinen Fehlalarm, also keine Stelle, an der ein Gut-<br />

Bereich als fehlerhaft markiert wird. Bei dem Lederimitat-<br />

Datensatz werden bei zwei Fehlalarmen 27 <strong>von</strong> 30 Fehlstellen<br />

als solche erkannt. Damit kann gezeigt werden,<br />

dass eine zuverlässige, überwachte Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen<br />

auf texturierten Kunststoffbahnwaren machbar ist.<br />

Zur Untersuchung des Auflösungsvermögens des Systems<br />

werden mit einem Grafikprogramm synthetische<br />

Fehlstellen verschiedener Größen in eine Aufnahme der<br />

Lederimit<strong>atp</strong>robe gezeichnet. Die Größe der Fehlstellen<br />

ist 5 x 5 Pixel, 8 x 8 Pixel, 10 x 10 Pixel, 20 x 20 Pixel,<br />

40 x 40 Pixel und 80 x 80 Pixel. Zum einen wird ein Gaußsches<br />

Rauschen und zum anderen eine homogene Fläche<br />

über die Textur gelegt. Der Klassifikator wird mit einem<br />

Bild trainiert, das eine 100 x 100 Pixel große Fehlstelle<br />

zeigt. Bild 10 zeigt die beiden Testbilder zusammen mit<br />

den Segmentierungsergebnissen bei einer Kachelgröße<br />

<strong>von</strong> 4 x 4 Pixeln, 8 x 8 Pixeln, und 16 x 16 Pixeln.<br />

Die kleinste detektierbare Fehlergröße hängt dabei<br />

sowohl <strong>von</strong> der gewählten Kachelgröße für den LBP-<br />

Operator als auch vom Verhältnis zwischen Fehlstelle<br />

und Struktur ab. Wird die Kachelgröße klein gewählt<br />

(4 x 4 Pixel), können auch sehr kleine Fehlstellen noch<br />

detektiert werden, der Preis dafür ist jedoch eine sehr<br />

hohe Fehlalarmrate. Ab einer Kachelgröße <strong>von</strong> 8x8 Pixeln<br />

können alle eingebauten Fehlstellen ab einer Größe<br />

<strong>von</strong> 8x8 Pixeln gefunden werden. Wird eine größere<br />

Kachelgröße gewählt, können kleinere Fehler nicht<br />

mehr detektiert werden.<br />

Um die Echtzeitfähigkeit zu testen, werden auf dem<br />

in Bild 3 dargestellten Prüfstand Versuche bei unterschiedlichen<br />

Abzugsgeschwindigkeiten durchgeführt.<br />

Bei diesen Versuchen kann bei einer eingestellten Auflösung<br />

<strong>von</strong> 137 µm/Pixel auf einem Intel-Xeon-Prozessor<br />

mit vier Prozessorkernen und Verwendung einer<br />

Kachelgröße <strong>von</strong> 32 x 32 Pixel bei einem neuronalen<br />

Netz mit 64 Eingangsneuronen und einer verdeckten<br />

Schicht mit 32 Neuronen eine Abzugsgeschwindigkeit<br />

<strong>von</strong> 30 m/min in Echtzeit untersucht werden. Da es sich<br />

bei diesem Aufbau jedoch nur um ein Funktionsmodell<br />

handelt, ist bei weiterer Optimierung <strong>von</strong> Hard- und<br />

Software die Inline-Inspektion bei weit höheren Geschwindigkeiten<br />

möglich.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

41


Hauptbeitrag<br />

Fazit und Ausblick<br />

Mit dem beschriebenen System wird gezeigt, dass die<br />

zuverlässige Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen auf Kunststoffhalbzeugen<br />

mit komplexen Texturmustern auch bei<br />

hohen Abzugsgeschwindigkeiten machbar ist. Das System<br />

wurde mit Standard-Hardwarekomponenten realisiert,<br />

sodass eine einfache Übertragung der Ergebnisse<br />

in die Praxis durch Integration der vorgestellten Algorithmen<br />

in Folieninspektionssysteme möglich ist. Es ist<br />

im Laboreinsatz und unter industriellen Bedingungen<br />

getestet worden und hat sich als wenig anfällig gegen<br />

Störungen und Umwelteinflüsse gezeigt. Durch Laborversuche<br />

an Praxisbauteilen bei Geschwindigkeiten,<br />

wie sie bei Extrusionsprozessen mit Prägung oder Bedruckung<br />

üblich sind, wurden gute Klassifikationsergebnisse<br />

erzielt.<br />

Durch die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Prozessorkerne<br />

kann das System direkt <strong>von</strong> Entwicklungen<br />

im Bereich der Hardware profitieren und die Inspektion<br />

in Zukunft auch bei höheren Extrusionsgeschwindigkeiten<br />

beziehungsweise Auflösungen durchführen.<br />

Manuskripteingang<br />

11.06.2010<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Autoren<br />

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.<br />

Walter Michaeli<br />

(geb. 1946) leitet seit 1988<br />

das Institut für Kunststoffverarbeitung<br />

(IKV) an der<br />

RWTH Aachen.<br />

Dipl.-Ing. Klaus Berdel<br />

(geb. 1978) ist seit 2006<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am IKV und leitet dort<br />

die Arbeitsgruppe digitale<br />

Bildverarbeitung/Qualitätssicherung.<br />

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)<br />

an der RWTH Aachen,<br />

Pontstr. 49, D-52062 Aachen,<br />

Tel. +49 (0) 2 41 802 72 77,<br />

E-Mail: berdel@ikv.rwth-aachen.de<br />

Referenzen<br />

[1] Greiner, T., Ansorge, C., Kerstein, M.: Qualitätsprüfung <strong>von</strong><br />

Bahnwarenmaterialien. Automatisierungstechnik 45 (1997)<br />

12, S. 566-576<br />

[2] Binder, A.: Three Times and you're out! Kundenbindung<br />

durch Reklamationsmanagement. In: VDI Fachtagung<br />

Extrusionstechnik. VDI Verlag GmbH, Bonn 2008,<br />

S. 127-137<br />

[3] Hissmann, O.: Folieninspektion - eine Frage der<br />

Positionierung. Kunststoffe 94 (2004) 6, S. 76-78<br />

[4] Michaeli, W. und Tondorf, A.: Auf die Struktur geschaut.<br />

Qualität und Zuverlässigkeit (QZ) 50 (2005) 11, S. 44-46<br />

[5] Kumar, A.: Computer-Vision-Based Fabric Defect<br />

Detection: A Survey. IEEE Transactions on Industrial<br />

Electronics 55 (2008) 1, S. 348-363<br />

[6] Heinz, R.; Ohlendorf, F.; Peters, R.: Prozeßanalyse und<br />

-überwachung in der Extrusion. In: Michaeli, W. (Hrsg.):<br />

20. Internationales Kunststofftechnisches Kolloquium<br />

des IKV. Aachen, 22.3. - 24.3. 2000, S. 5–15<br />

[7] Ohm, J.-R.: Multimedia communication technology:<br />

representation, transmission and identification of<br />

multimedia signals. Springer Verlag, New York,<br />

Heidelberg 2004<br />

[8] Petrou, M.; Sevilla, P. G.: Image Processing: Dealing with<br />

Texture. Wiley-Interscience, New York 2006<br />

[9] Xie, X.: A Review of Recent Advances in Surface Defect<br />

Detection using Texture analysis Techniques. Electronic<br />

Letters on Computer Vision and Image Analysis 7 (2008) 3,<br />

S. 1-22<br />

[10] Duda, R. O.; Hart, P. E.; Stork, D. G.: Pattern classification.<br />

Wiley-Interscience, New York 2001<br />

[11] Tondorf, A.: Analyse mehrdimensionaler Kunststoffstrukturen<br />

mittels digitaler Bildverarbeitung, RWTH Aachen,<br />

Dissertation, 2007 - ISBN: 3-86130-856-8<br />

[12] Liu, J. J.; MacGregor, J. F.: Estimation and monitoring of<br />

product aesthetics: Application to manufacturing of<br />

"engineered stone" countertops. Machine Vision and<br />

Applications 16 (2006) 6, S. 374-383<br />

[13] Massen, R.; Eberhard, J.; Kohler, G.: Inline-Inspektion <strong>von</strong><br />

Extrusionsartikeln unter physikalischen und ästhetischen<br />

Gesichtspunkten. VDI Fachtagung Extrusionstechnik.<br />

VDI Verlag GmbH, Bonn 2008, S. 183-189<br />

[14] Ojala, T.; Pietikäinen, M.; Hardwood, M.: A comparative<br />

study of texture measures with classification based on<br />

feature distributions. Pattern Recognition 29 (1996),<br />

S. 51–59<br />

[15] Bower, F. A.; Sorin, D. J.; Cox, L. P.: The Impact of<br />

Dynamically Heterogeneous Multicore Processors on<br />

Thread Scheduling. IEEE Micro 28 (2008) 3, S. 17-25<br />

42<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


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PAATPE0111<br />

Absendung des Widerrufs oder der Sache an den Leserservice <strong>atp</strong>, Postfach 91 61, 97091 Würzburg.<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pfl ege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst, gespeichert und verarbeitet. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom<br />

Oldenbourg Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag □ per Post, □ per Telefon, □ per Telefax, □ per E-Mail, □ nicht über interessante Fachangebote informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


hauptbeitrag<br />

Holistic Workspace – Den<br />

Leitstand der Zukunft gestalten!<br />

Wie neue Technologien die Operatoren unterstützen<br />

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der Mensch-Maschine-Schnittstelle<br />

in der Arbeitsumgebung <strong>von</strong> Leitwartenoperatoren stellt der Beitrag eine domänenübergreifende<br />

Nutzungskontextanalyse vor: Was wird wann, wie und warum benutzt beziehungsweise<br />

sollte benutzbar sein? Auf Basis der erhobenen Daten werden neue Möglichkeiten<br />

entwickelt, um die Arbeitsumgebung <strong>von</strong> Operatoren zu optimieren. Die Konzepte<br />

berücksichtigen gleichermaßen die Gestaltungsebenen der Interaktion, der sozialen Kommunikation,<br />

die Unterstützung der Workflows sowie die physische Arbeitsumgebung.<br />

SCHLAGWÖRTER Mensch-Maschine-Interaktion / Nutzungskontextanalyse / Interaktionstechnologien<br />

Holistic Workspace – Designing the Future Control Room –<br />

How New Technologies Assist Operators<br />

This article presents an inter-domain context-of-use analysis that addresses the challenge<br />

posed by the constantly increasing complexity of the human-computer interface in the work<br />

environment of control room operators: what is when, how, and why used or should be<br />

usable, respectively? The data gathered are taken as a basis to develop new ways of optimizing<br />

the operators‘ work environment. These concepts consider likewise the design levels<br />

of interaction, social communication, workflow support, and physical surroundings.<br />

KEYWORDS Human-Machine-Interaction / Contextual Inquiry / Interaction Technologies<br />

44<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Tobias Schwarz, Holger Oortmann, Siemens AG<br />

Harald Reiterer, Universität Konstanz<br />

Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist die Komplexität der<br />

Arbeitsumgebung eines Operators durch immer mehr<br />

Informationen und die Anzahl der technischen Geräte<br />

gestiegen. Die zunehmende Automatisierung erleichtert<br />

es Operatoren, die einzelnen Vorgänge zu beherrschen,<br />

doch sie erschwert es ihnen, ein ganzheitliches<br />

mentales Modell der zu überwachenden Prozesse zu bilden.<br />

Dabei ist gerade die Generierung eines mentalen Modells<br />

für die Überwachung des aktuellen Systemstatus,<br />

im Speziellen beim Feststellen <strong>von</strong> Veränderungen in der<br />

Prozessdynamik, essenziell wichtig [1]. Das Überwachen<br />

und Kontrollieren <strong>von</strong> komplexen Prozessen, wie beispielsweise<br />

in der Energieerzeugung, erfordert eine hohe<br />

kognitive Beanspruchung <strong>von</strong> Operatoren [1]. Nach Künzler<br />

(2002) lassen sich 70 % bis 90 % aller Unfälle in Produktionsprozessen<br />

auf menschliche Fehler zurückführen<br />

[2]. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Mensch mit<br />

seinen angeborenen kognitiven Fähigkeiten beim Entwurf<br />

der Systeme nicht ausreichend berücksichtigt wurde.<br />

Dieses Problem lässt sich lösen, indem man nutzer- und<br />

arbeitsorientierte Konzepte entwickelt. Diese zielen darauf<br />

ab, Arbeitssysteme ganzheitlich zu gestalten, das heißt der<br />

soziotechnischen Tradition folgend die Entwicklung und<br />

den Einsatz <strong>von</strong> Technik, Organisation und Qualifikation<br />

der Nutzer gemeinsam zu optimieren. Anstatt also die Anpassung<br />

des Menschen an die Technik zu fordern, muss<br />

sich die Technik an den Menschen anpassen, „human<br />

pull“ statt „technology push“, oder „human driven“ statt<br />

„technology driven“. Ausgangspunkt für eine soziotechnische<br />

Systemgestaltung ist das Verständnis vom Denken<br />

und Handeln des Benutzers. So müssen schon in frühen<br />

Phasen eines anwenderorientierten Entwicklungsprozesses<br />

(User Centred Product Innovation) Bedürfnisse und<br />

Anforderungen der Benutzer evaluiert werden. Häufig enstehen<br />

Probleme bei der Produktakzeptanz dadurch, dass<br />

die Produkte nicht ausreichend auf die Aufgaben (Workflows)<br />

der Benutzer ausgerichtet sind [3].<br />

Im Rahmen des Beitrags werden erste Ergebnisse des<br />

Forschungsprojektes „Holistic Workspace“ vorgestellt<br />

und diskutiert. Ziel ist die Gestaltung einer holistischen<br />

Arbeitsumgebung für Leitwartenmitarbeiter unter der<br />

Berücksichtigung neuer Technologien und Ansätze aus<br />

der Mensch-Maschine-Interaktion. In einer ersten Phase<br />

sind neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch die<br />

Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer über verschiedene<br />

Domänen hinweg, wie beispielsweise Kraftwerke,<br />

Flugsicherung und Tagebau, mittels einer Nutzungskontextanalyse<br />

vor Ort erhoben worden. Der Beitrag erläutert<br />

den Ablauf der Analyse, stellt die bedeutendsten Ergebnisse<br />

vor und leitet daraus Grundsätze für die zukünftige<br />

Gestaltung <strong>von</strong> Leitwarten ab.<br />

1. Grundlagen Mensch-Computer-Interaktion<br />

Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft bestätigen,<br />

dass eine enge Verbindung zwischen Denkprozessen, der<br />

Wahrnehmung und körperlichen sowie sozialen Handlungen<br />

besteht [4]. Daraus folgt für das Design <strong>von</strong> interaktiven<br />

Systemen, dass der Mensch mit seinen physischen<br />

und kognitiven Fähigkeiten, seinem Kontext und seinem<br />

sozialen Umfeld zu betrachten ist [4]. Die Erkenntnisse aus<br />

der Kognitionspsychologie, der multimodalen Interaktion<br />

sowie des Tangible [5] und Social Computing werden zu<br />

einem neuen Paradigma unter dem Begriff Reality-Based<br />

Interaction [6] zusammengefasst. Dabei orientiert sich die<br />

Interaktion zwischen Mensch und Maschine an der realen<br />

Welt. Somit können gelernte und evolutionsbedingte Charakteristiken<br />

des Menschen genutzt werden, um Interaktion<br />

begreifbarer zu gestalten. Weiser veröffentlichte 1991<br />

seine Vision vom Computer des 21. Jahrhunderts [7]. Die<br />

Vision ist in der Wissenschaft unter den Paradigmen Ubiquitous<br />

Computing bekannt. Das menschliche Handeln<br />

soll allgegenwärtig durch eine Vielzahl <strong>von</strong> vernetzten,<br />

kontextsensitiven, interaktiven Geräten mit unterschiedlichen<br />

Formfaktoren (Pads und Boards) wie beispielsweise<br />

Smartphones, Tablet PCs oder hochauflösenden Großdisplays<br />

unterstützt werden [7].<br />

Die dritte Phase in der Evolution der Mensch-Computer-Interaktion<br />

ist <strong>von</strong> dem Ziel geprägt, die Interaktion<br />

mit einer Vielzahl <strong>von</strong> unterschiedlichen Endgeräten im<br />

Sinne des Ubiquitous Computing an den Prinzipien der<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

45


Hauptbeitrag<br />

Realitiy-Based Interaction zu orientieren [8]. Benutzer<br />

interagieren dabei allein oder in Teams an gleichen oder<br />

unterschiedlichen Orten und wechseln dabei nahtlos<br />

zwischen realweltlicher Interaktion und Kommunikation<br />

sowie computergestützter Interaktion und Kommunikation.<br />

Dabei kommt es zu einer Vermischung (Blend)<br />

<strong>von</strong> realer und digitaler Welt in vielfältigen Bereichen.<br />

Die Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion der<br />

Universität Konstanz bezeichnet dieses neue Interaktionsparadigma<br />

daher als Blended Interaction [8]. Bild 1<br />

zeigt die Gestaltungsebenen des Blended Interaction.<br />

Im Bereich der persönlichen Interaktion soll eine möglichst<br />

intuitive Bedienung erreicht werden, da die Benutzer<br />

an ihre Alltagserfahrungen bezüglich der Interaktion<br />

mit Objekten in der realen Welt anknüpfen können.<br />

Das Schreiben beispielsweise mit digitalen Stiften<br />

auf Papier bewirkt eine analoge und digitale Darstellung.<br />

Soziale Kommunikation kann zum Beispiel durch Multitouch-Systeme<br />

unterstützt werden. Der Einsatz der<br />

Systeme ermöglicht eine gleichberechtigte (demokratisierte)<br />

Form der Kommunikation, da mehrere Benutzer<br />

gleichzeitig interagieren und soziale Konventionen unmittelbare<br />

Berücksichtigung finden können.<br />

Im Rahmen der computergestützten Abläufe (Geschäftsprozesse)<br />

geht es um die Gestaltung der organisatorischen<br />

Einbettung <strong>von</strong> Abläufen in umfassende Prozesse sowie<br />

deren Unterstützung durch Informationstechnologie. Dabei<br />

sollte die Organisationsgestaltung an die Abläufe des Mitarbeiters<br />

angepasst sein. So wird beispielsweise in komplexen<br />

Prozessen meist nicht nur individuell, sondern verstärkt<br />

in Teams gearbeitet. Teammitglieder können durch den<br />

Einsatz digitaler Möglichkeiten, wie der Digital Pen & Paper-<br />

Technologie, sofort die Schichtprotokolle betrachten und<br />

per Suchfunktion in den Dokumenten suchen. Die Gestaltung<br />

der physischen Arbeitsumgebung bezeichnet McCullough<br />

(2004) als Digital Ground. Dabei werden Tische, Stühle,<br />

Wände, aber auch Ton und Licht in die Gestaltung der<br />

Interaktion miteinbezogen [9]. Ein- und Ausgabemedien<br />

werden ebenfalls an die räumlichen Gegebenheiten optimal<br />

angepasst (zum Beispiel gebogene Displays).<br />

Die alleinige Steigerung des Realitätsbezuges der Interaktion<br />

reicht hierbei nicht aus [8]. Die besondere Herausforderung<br />

und der vom Standpunkt des Operators entscheidende<br />

Vorteil besteht im sinnvollen Ineinandergreifen der<br />

erprobten Möglichkeiten der realen Welt und den digitalen<br />

Äquivalenten. In Anbetracht dessen ist es notwendig, einen<br />

aufeinander abgestimmten holistischen Ansatz für einen<br />

Operatorenarbeitsplatz zu gestalten, der sowohl die technische<br />

Infrastruktur (Benutzungsoberfläche, Eingabe-, Ausgabe-,<br />

Kommunikationsgeräte), die Arbeitsabläufe als auch<br />

die physischen Räumlichkeiten und sozialen Interaktionen<br />

sowie Kommunikation berücksichtigt. Der Ausgangspunkt<br />

für die Gestaltung einer holistischen Arbeitsumgebung ist<br />

die breit angelegte Nutzungskontextanalyse.<br />

2. Untersuchung<br />

2.1 Methodisches Vorgehen<br />

Die Nutzungskontextanalyse beschreibt ausführlich die<br />

realen Nutzungsbedingungen der Operatoren sowie die<br />

BILD 1: Die vier<br />

Gestaltungsebenen<br />

des<br />

Blended<br />

Interaction<br />

46<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


funktionellen Anforderungen an das System. Hierbei werden<br />

typische Arbeitsschritte (Workflows) aufgedeckt und<br />

kontextspezifische Schwierigkeiten berücksichtigt. Um<br />

eine hohe Ergebnisqualität zu erreichen, ist es erforderlich,<br />

die Experten in der natürlichen Arbeitsumgebung<br />

direkt vor Ort zu befragen. Der Nutzungskontext wurde<br />

aufgaben- und systemorientiert analysiert, folglich mit<br />

Hilfe eines Methodenmix aus Cognitive Work Analysis<br />

[10, 11] und Contextual Design [12]. Aufgrund der Besonderheiten<br />

bei der Analyse <strong>von</strong> komplexen Systemen,<br />

im Speziellen für Kraftwerke, wurde die Cognitive Work<br />

Analysis (CWA) entwickelt. Die CWA bildete den theoretischen<br />

Rahmen – die konkrete Anwendung der Methode<br />

erfordert jedoch eine langwierige und tiefgreifende Auseinandersetzung<br />

mit dem System. Gerade für einen Vergleich<br />

mehrerer Domänen sind daher die Instrumente des<br />

Contextual Design [12] (ethnographischer Ansatz) – teilnehmende<br />

Beobachtungen und Experteninterviews – besser<br />

geeignet. Bild 2 zeigt den Ablauf der Untersuchung<br />

vor Ort. Insgesamt wurden die jeweiligen Domänen zwischen<br />

sechs und acht Stunden vor Ort analysiert.<br />

Insgesamt konnten 12 unterschiedliche Operatorenarbeitsplätze<br />

in den 6 untersuchten Leitständen (Feuerwehrleitstand,<br />

Postautomatisierung, Tagebau, Flugsicherung und<br />

zwei Kraftwerksleitwarten) identifiziert werden. Die Arbeitsplätze<br />

unterscheiden sich durch jeweils andere Zuständigkeitsbereiche<br />

und andere Kernaufgaben innerhalb des<br />

Gesamtprozesses. Im Rahmen der Nutzungskontextanalysen<br />

wurden Interviews mit insgesamt 13 männlichen Mitarbeitern<br />

(7 Operatoren und 6 Schichtleitern) durchgeführt.<br />

Die Befragten waren durchschnittlich 47,38 (Standardabweichung,<br />

SD = 5,92) Jahre alt. Die selbst berichtete Computer-Expertise<br />

lag bei durchschnittlich 3,59 (SD = 0.92) auf<br />

einer Ratingskala <strong>von</strong> 1 = keine Kenntnisse bis 5 = ausgezeichnete<br />

Kenntnisse. Die besuchten Leitstände waren im<br />

Durchschnitt M = 3,48 (SD = 3,26) Jahre alt, der jüngste besuchte<br />

Leitstand ein halbes, der älteste 10 Jahre alt.<br />

2.2 Ergebnisse<br />

Im Rahmen der teilnehmenden Beobachtungen zeigte sich,<br />

dass für einen reibungslosen Ablauf des Prozesses eine<br />

ständige Kommunikation der beteiligten Personen erforderlich<br />

ist. Nachts und an Wochenenden arbeiten bis zu 4<br />

Personen (M = 2,55; SD = 1,04), tagsüber sogar bis zu 8 Personen<br />

gleichzeitig (M = 3,73; SD = 2,24) mit demselben System<br />

am gleichen Prozess. Derzeitige Systeme scheinen<br />

diese zwingende Kollaboration aber nur wenig zu unterstützen,<br />

da meist nur Eingabemöglichkeiten wie Maus und<br />

Tastatur zur Verfügung stehen. Kollaboration ist jedoch<br />

nicht nur zwischen den Mitarbeitern innerhalb der Leitwarte<br />

erforderlich. Zum Beispiel ist auch die Koordination<br />

<strong>von</strong> Technikern vor Ort eine wichtige Aufgabe. Gerade bei<br />

anormalen Betriebszuständen findet die Kommunikation<br />

über verschiedene Kanäle parallel statt – während der<br />

Techniker vor Ort über Funk kontaktiert werden kann, ist<br />

zur Kommunikation mit der Betriebszentrale ein Handy<br />

oder Telefon erforderlich. Dazu kommt die Kommunikation<br />

zwischen den Mitarbei tern, die meist <strong>von</strong> Angesicht<br />

zu Angesicht stattfindet, aber auch indirekt über papierbasierte<br />

Artefakte wie Notizen, Memos oder Warnschilder.<br />

Einführung in<br />

die Systeme<br />

1 bis 2 h<br />

Erste<br />

teilnehmende<br />

Beobachtung<br />

2 h<br />

Experten -<br />

interview<br />

45 min<br />

Zweite<br />

teilnehmende<br />

Beobachtung<br />

2 bis 3 h<br />

Abschluss -<br />

interview<br />

30 min<br />

BILD 2: Ablauf der Untersuchung vor Ort<br />

36<br />

32<br />

34<br />

28<br />

Anzahl der Geräte<br />

24<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

22<br />

17<br />

18,67<br />

9<br />

7<br />

9<br />

6,25<br />

4<br />

3,42<br />

3<br />

1<br />

Eingabe Ausgabe Kommunikation Gesamt<br />

Mittelwert<br />

BILD 3: Eingabe-,<br />

Ausgabe- und<br />

Kommunikationsgeräte<br />

an den<br />

Arbeitsplätzen<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

47


Hauptbeitrag<br />

BILD 4: Ergebnisse der<br />

Experteninterviews bezüglich<br />

der Optimierungspotenziale<br />

4<br />

Personalisierung<br />

7%<br />

5<br />

Geräte am<br />

Arbeitsplatz<br />

9%<br />

12<br />

Sonstige<br />

21%<br />

10<br />

Bildschirme<br />

17%<br />

13<br />

Physische<br />

Arbeitsumgebung<br />

23%<br />

13<br />

Informationsvisualisierung<br />

23%<br />

Anzahl Nennungen<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Mobile-Devices<br />

Multitouch<br />

Digital Pen&Paper<br />

Laser-Pointer<br />

Gesture-Interaction<br />

Eye-Tracking<br />

Voice-Control<br />

Nein<br />

Vielleicht<br />

Ja<br />

BILD 5: Bewertung der Nützlichkeit <strong>von</strong> Technologien durch Operatoren<br />

Die vielfältigen digitalen und analogen Kommunikationsmöglichkeiten<br />

führen zu einer entsprechenden Zahl<br />

an Geräten – bis zu 7 Kommunikationsgeräte wie Telefone,<br />

Handys und Funkgeräte befinden sich an einem<br />

Arbeitsplatz. Hinzu kommen Mäuse, Tastaturen, Joysticks,<br />

Bildschirme und so weiter, sodass ein durchschnittlicher<br />

Leitwartenmitarbeiter bei seiner täglichen<br />

Arbeit durchschnittlich bis zu M = 18,67 Geräte bedienen<br />

und beobachten muss (siehe Bild 3).<br />

Gleichermaßen verhält es sich bei der Verwendung <strong>von</strong><br />

Software. Operatoren verwenden durchschnittlich<br />

M = 1,57 (SD = 2,23) Softwareprodukte. Schichtleiter hingegen<br />

sind bei ihrer täglichen Arbeit auf M = 7 (SD = 1,26)<br />

Software angewiesen. Erklärbar wird der Unterschied<br />

durch zusätzliche Verwaltungsaufgaben der Schichtleiter<br />

wie das Führen <strong>von</strong> Schichtplänen. Für diese Art <strong>von</strong><br />

Aufgaben wird Bürosoftware wie beispielsweise MS<br />

Word oder MS Excel eingesetzt.<br />

Die hohe Zahl an unterschiedlichen Geräten und Softwareprodukten<br />

ist nach Aussagen der Mitarbeiter historisch<br />

gewachsen. Tatsächlich lässt sich beobachten, dass<br />

zwei oder mehr Softwareprogramme für identische Aufgaben<br />

genutzt werden. In Bezug auf die Informationsvisualisierung<br />

der Branchensoftware – vor allem die Darstellung<br />

<strong>von</strong> Meldungen – konnte mehrfach beobachtet<br />

werden, dass eine Vielzahl <strong>von</strong> Meldungen beim Operator<br />

angezeigt werden (bis zu 12 Meldungen pro Minute).<br />

Hinzu kommt der Umgang mit nicht einheitlich gestalteten<br />

Farbcodierungen, was auf die unterschiedlichen<br />

Softwareprodukte zurückzuführen ist.<br />

Im Rahmen der halbstandardisierten Experteninterviews<br />

wurden die Mitarbeiter zu Optimierungspotenzialen<br />

an ihren eigenen Arbeitsplätzen befragt. Es ergaben<br />

sich 57 Nennungen, die inhaltsanalytisch ausgewertet<br />

und aggregiert wurden. Nach Aussagen der Mitarbeiter<br />

besteht Handlungsbedarf in den Punkten physische Arbeitsumgebung,<br />

Informationsvisualisierung, Bildschirme,<br />

Anzahl der Geräte am Arbeitsplatz und Personalisierung<br />

(siehe Bild 4).<br />

In der physischen Arbeitsumgebung steht besonders<br />

der Wunsch nach besseren akustischen, vereinzelt auch<br />

Licht- und Klimaverhältnissen, im Vordergrund. In der<br />

Kategorie Informationsvisualisierung wünschen sich die<br />

Mitarbeiter eine verbesserte Prozessdarstellung und effizientere<br />

Anzeigen im Bereich Alarmmanagement. Neben<br />

der deutlichen Reduzierung <strong>von</strong> Einzelgeräten wünschen<br />

sich Operatoren und Schichtleiter größere Bildschirme<br />

mit höherer Auflösung. Die Befragten vermissen auch<br />

Funktionen zur Personalisierung <strong>von</strong> Systemen, also zum<br />

Beispiel die Möglichkeit, Oberflächen und Einstellungen<br />

stärker nach ihren Bedürfnissen zu konfigurieren.<br />

Ferner wurden neue Interaktionstechnologien für zukünftige<br />

Entwicklungen vorgestellt und deren Vor- und<br />

Nachteile für den spezifischen Arbeitskontext (N = 12)<br />

diskutiert. Über 80 % der Befragten beurteilten die Technologien<br />

Gesture-Interaction, Voice-Control und Eye-<br />

Tracking als nicht hilfreich im Kontext der Leitstände.<br />

Mobile-Devices würden sich 75 % der Befragten als Ergänzung<br />

in ihrer derzeitigen Arbeitsumgebung wünschen,<br />

da sich die Leitwartenmitarbeiter während der<br />

Schicht nicht oder nur sehr begrenzt <strong>von</strong> ihrem Arbeitsplatz<br />

entfernen dürfen (siehe Bild 5).<br />

Nach Aussagen der Mitarbeiter würde ein mobiles Gerät<br />

eine räumliche Flexibilität unterstützen. Die teilnehmende<br />

Beobachtung zeigte, dass sich zwei Operatoren<br />

vom Arbeitsplatz entfernen müssen, um beispielsweise<br />

Systemanzeigen außerhalb der Leitwarte zu überprüfen.<br />

Der Workflow der Mitarbeiter kann hier durch den Einsatz<br />

eines mobilen Geräts unterstützt werden. Das Gerät<br />

könnte beispielsweise jeweils die wichtigsten Meldungen<br />

visualisieren. Multitouch-Systeme wurden mit erleichterter<br />

Kollaboration und intuitiver Bedienung in<br />

Zusammenhang gebracht und daher <strong>von</strong> der Hälfte der<br />

Befragten als vorteilhaft für den eigenen Arbeitskontext<br />

48<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


BILD 6:<br />

Die holistische Arbeitsumgebung<br />

für Operatoren<br />

gesehen. Auch einen Einsatz der Digital Pen & Paper-<br />

Technologie konnten sich die meisten Befragten durchaus<br />

vorstellen. Die Mitarbeiter zweifelten jedoch an der<br />

Alltagstauglichkeit der Geräte. Die großen Wandbildschirme<br />

dienen lediglich der Überwachung <strong>von</strong> Teiloder<br />

Gesamtprozessen, daher wird im Arbeitskontext<br />

nur selten mit ihnen interagiert. So wurde der Laser-<br />

Pointer als wenig nützlich beurteilt.<br />

3. Diskussion der Ergebnisse<br />

Die Ergebnisse aus der Studie liefern wertvolle Erkenntnisse<br />

für die Gestaltung einer holistischen Arbeitsumgebung.<br />

Es zeigte sich, dass bei heutigen Entwicklungen<br />

immer das einzelne Produkt im Mittelpunkt steht, aber<br />

nie die Komposition aller Geräte am Arbeitsplatz. So müssen<br />

Operatoren beispielsweise Sammelsurien <strong>von</strong> bis zu<br />

34 Geräten beherrschen. Folglich findet der Operator keinen<br />

homogenen Arbeitsplatz vor sich, sondern eine Ansammlung<br />

<strong>von</strong> vielen verschiedenen Einzelgeräten. Die<br />

Vielzahl unterschiedlicher Geräte und Softwareprodukte<br />

könnte gerade bei anormalem Betrieb zu einer kognitiven<br />

Überforderung (cognitive overload) führen [13]. Folglich<br />

wird die Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> fehlerhaften Entscheidungen<br />

erhöht [14].<br />

Eine konsistente Gestaltung der Benutzungsoberfläche<br />

und ein durchgängiges Bedienkonzept ermöglicht es dem<br />

Benutzer, Informationen schnell und effizient aufzufinden.<br />

Die Informationsvisualisierung und das Meldungsmanagement<br />

innerhalb der Softwaresysteme tragen derzeit<br />

wenig dazu bei, die Operatoren kognitiv zu entlasten<br />

– stattdessen werden häufig alle eingehenden Meldungen<br />

in Form <strong>von</strong> unübersichtlichen Listen angezeigt. Im Bereich<br />

der Informationsvisualisierung kann beispielsweise<br />

durch den gezielten Einsatz <strong>von</strong> Zoomingkonzepten<br />

eine Verbesserung erreicht werden. Des Weiteren sind<br />

Kollaboration und Kommunikation innerhalb der Leitwarte<br />

oder mit Technikern vor Ort essenzielle Bestandteile<br />

alltäglicher Arbeitsabläufe. Operatoren werden derzeit<br />

<strong>von</strong> den eingesetzten Technologien im Bereich der<br />

kollaborativen Arbeit durch die Maus oder Tastatur nicht<br />

ausreichend unterstützt. Dies wird auch <strong>von</strong> den Leitwartenmitarbeitern<br />

gesehen, die Informationsvisualisierung<br />

und Vereinheitlichung <strong>von</strong> Geräten am Arbeitsplatz als<br />

Optimierungspotenziale erkennen. Zukünftige Entwicklungen<br />

im Leitwartenkontext sollten sich daher stärker<br />

um einheitliche und nachhaltige Konzepte bemühen, die<br />

auf die kognitiven Informationsverarbeitungskapazitäten<br />

der Operatoren zugeschnitten sind.<br />

Die Experteninterviews haben gezeigt, dass der Einsatz<br />

neuer Technologien, wie beispielsweise die Multitouch-<br />

Technologie, <strong>von</strong> den Operatoren akzeptiert würde. Es<br />

gilt jedoch zu beachten, dass es sich bei der Stichprobe<br />

der befragten Operatoren um Personen mittleren Alters<br />

handelte, die aus sehr unterschiedlichen Berufen stammen.<br />

Beide Faktoren stellen, trotz der hohen Selbsteinschätzung<br />

der Probanden bezüglich ihrer Computerexpertise,<br />

besondere Anforderungen an die Gestaltung.<br />

4. Ausblick<br />

Im folgenden Abschnitt wird ein erstes Konzept für eine<br />

holistische Arbeitsumgebung vorgestellt, das als Grundlage<br />

für den Operatorenarbeitsplatz <strong>von</strong> Morgen angesehen<br />

werden kann (siehe Bild 6). Ziel ist dabei, durch Einsatz<br />

neuer technologischer Möglichkeiten der computergestützten<br />

Interaktion und Kommunikation, Menschen<br />

in ihren realen Abläufen zu entlasten. Dabei wird besonders<br />

Wert auf den nahtlosen Wechsel zwischen realweltlicher<br />

sowie computergestützter Interaktion gelegt (siehe<br />

Abschnitt 1). Die Interaktion zwischen Operator und System,<br />

die Kommunikation zwischen den Operatoren, die<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

49


Hauptbeitrag<br />

BILD 7:<br />

Digital Pen &<br />

Paper-Technologie<br />

am<br />

Beispiel<br />

Schichtbuch<br />

Arbeitsabläufe sowie die Gestaltung des physischen Arbeitsumfelds<br />

werden gleichermaßen beachtet. So schafft<br />

beispielsweise die ergonomische Gestaltung der Räumlichkeiten<br />

und des Arbeitsplatzes (physisches Arbeitsumfeld)<br />

eine Atmosphäre, in der ein produktives Arbeiten<br />

unterstützt wird [15].<br />

Innovative Lösungen erleichtern und beschleunigen<br />

die Arbeitsabläufe und reduzieren Fehlentscheidungen<br />

und Kosten. Insbesondere die Multitouch-Technologien<br />

ermöglichen die gemeinsame Eingabe mehrerer Personen<br />

und fördern damit kollaboratives Arbeiten. Gemeinsamer<br />

Zugriff erlaubt soziale Interaktionen wie Gesprächsführung,<br />

Gestik und Organisation. Durch die direkte Manipulation<br />

wird zugleich die Bedienung natürlicher.<br />

Das kollaborative Arbeiten beispielsweise bei Schichtübergaben<br />

kann durch große berührempfindliche Wandbildschirme<br />

unterstützt werden. Diese können zusätzlich<br />

mit der Ambient-Light-Technologie ausgestattet werden und<br />

je nach Status eine andere Farbgebung der Hintergrundbeleuchtung<br />

annehmen. So könnte sich im Störfall die Umrandung<br />

beispielsweise rot einfärben (siehe Bild 6).<br />

Im Bereich der Informationsdarstellung können durch<br />

den Einsatz <strong>von</strong> speziellen Visualisierungstechniken erhebliche<br />

Verbesserungen bei der Präsentation <strong>von</strong> großen<br />

Datenmengen erzielt werden. So werden beispielsweise<br />

mit der Fisheye-Technik Informationen im Fokus klar lesbar<br />

und vergrößert angezeigt, der Kontext wird zwar sichtbar<br />

aber nur auszugsweise abgebildet und dient somit der<br />

Referenzen<br />

[1] Wickens, C. D. und Holland, J. G.: Engineering psychology and<br />

human performance. Prentice Hall, New Jersey 2000<br />

[2] Künzler, C.: Kompetenzförderliche Sicherheitskultur,<br />

Ganzheitliche Gestaltung risikoreicher Arbeitssysteme<br />

Mensch, Technik, Organisation. Band 36. vdf Hochschulverlag,<br />

Zürich 2002<br />

[3] Schwichtenberg, B., Knapp, B., Oortmann, H.: Wokflow<br />

Analyse für Investitionsgüter. Usability Professionals (UPA),<br />

München 2010<br />

[4] Dourish, P.: Where The Action Is: The Foundations of<br />

Embodied Interaction. MIT Press, Cambridge 2001<br />

[5] Ishii, H., und Ullmer, B.: Tangible Bis: Towards Seamless<br />

Interfaces between People, Bits and Atoms. In Proceedings<br />

of the SIGCHI conference on Human factors in Computing<br />

Systems CHI 2007. ACM Press, New York, S. 234-241<br />

[6] Jacob, R. J., Girouard, A., Hirshfield, L. M., Horn, M. S., Shaer,<br />

O., Solovey, E. T., Zigelbaum, J.: Reality-based interaction:<br />

a framework for post-WIMP interfaces. In Twenty-Sixth<br />

Annual SIGCHI Conference on Human Factors in Computing<br />

Systems CHI 2008. ACM Press, New York, S. 201-210<br />

[7] Weiser, M.: The Computer for the Twenty-First Century. In<br />

Scientific American Vol. 265, No.3 1991, S. 94-100<br />

[8] Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion Universität<br />

Konstanz (2010). (http://hci.uni-konstanz.de/index.<br />

php?a=research&lang=en), Zugriff 04.04. 2010<br />

[9] McCullough, M.: Digital Ground: Architecture, Pervasive<br />

Computing, and Environmental Knowing. MIT Press,<br />

Cambridge 2004<br />

[10] Rasmussen, J.: Information Processing and Human-Machine<br />

Interaction. North-Holland, New York 1986<br />

50<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Orientierung. Ferner werden bei semantischen Zoomverfahren<br />

die darzustellenden Inhalte beim Zoomen berücksichtigt,<br />

das heißt der Operator kann beispielsweise unter<br />

Erhalt des Kontextes in einer Kartendarstellung zoomen.<br />

Dabei bleibt der Überblick bei der Navigation im Kontext<br />

erhalten, und die Menge der dargestellten Information<br />

orientiert sich am verfügbaren Platz.<br />

Des Weiteren können spezifische Arbeitsabläufe durch<br />

Nomadic Devices wie beispielsweise Smartphones unterstützt<br />

werden. Die Visualisierung der wichtigsten Informationen<br />

auf diesen Geräten ermöglicht es, Aufgaben durchgängig<br />

an verschiedensten Orten, auch abseits des eigenen<br />

Arbeitsplatzes, verantwortungsvoll wahrzunehmen.<br />

Das Schichtbuch kann beispielsweise mittels der Digital<br />

Pen & Paper-Technologie geführt werden, wodurch<br />

die Daten sowohl in analoger als auch in digitaler Form<br />

vorliegen (siehe Bild 7). Somit findet nahezu ein nahtloser<br />

Übergang zwischen digitaler Welt und physischem<br />

Arbeitsbereich statt.<br />

5. Fazit<br />

Die erarbeiteten Konzepte einer holistischen Arbeitsumgebung<br />

werden auf Basis der domänenübergreifenden<br />

Untersuchungen im nächsten Schritt weiter umgesetzt.<br />

Dabei soll ein nahtloser Wechsel zwischen der realen und<br />

der computergestützten Interaktion sowie Kommunikation<br />

möglich sein, um die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter<br />

zu steigern. Neue Interaktionstechnologien können<br />

einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der Zusammenarbeit<br />

<strong>von</strong> Mensch und Technik leisten. Innovative und<br />

intuitive Lösungen erleichtern und beschleunigen die Arbeitsabläufe<br />

und reduzieren Fehlentscheidungen sowie<br />

Kosten im Unternehmen.<br />

Manuskripteingang<br />

26.05.2010<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Autoren<br />

M. Sc. Tobias Schwarz<br />

(geb. 1980) ist Doktorand<br />

der Siemens AG (Corporate<br />

Technology). Er ist verantwortlich<br />

für das Forschungsprojekt<br />

„Holistic<br />

Workspace“ mit den<br />

Schwerpunkten Usability<br />

Engineering und Interaction<br />

Design. Das Projekt wird in Kooperation mit<br />

der Universität Konstanz durchgeführt.<br />

Siemens AG,<br />

Corporate Research and Technologies<br />

(CT T DE IT 2),<br />

Otto-Hahn-Ring 6,<br />

D-81739 München,<br />

Tel. +49 (0) 89 63 64 96 53,<br />

E-Mail: schwarz.tobias.ext@siemens.com<br />

Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-<br />

Ing. Holger Oortmann<br />

(geb. 1970) ist als Program<br />

Manager verantwortlich für<br />

das Thema Usability<br />

Engineering bei der Corporate<br />

Technology der Siemens<br />

AG. Seit 1997 ist er<br />

auf dem Gebiet Usability<br />

Engineering für technische Systeme aktiv.<br />

Siemens AG,<br />

Corporate Research and Technologies<br />

(CT T DE IT 2),<br />

Otto-Hahn-Ring 6,<br />

D-81739 München,<br />

Tel. +49 (0) 89 63 64 63 42,<br />

E-Mail: holger.oortmann@siemens.com<br />

[11] Vicente, K. J.: Cognitive Work Analysis: Towards Safe,<br />

Productive, and Healthy Computer-Based Work. L.<br />

Erlbaum Associates Inc, Hillsdale 1999<br />

[12] Beyer, H. und Holtzblatt, K.: Contextual design: defining<br />

customer-centered systems. Morgan Kaufmann Publishers<br />

Inc, San Francisco 1998<br />

[13] Wittenberg, C.: <strong>Virtuelle</strong> Prozessvisualisierung am Beispiel<br />

eines verfahrenstechnischen Prozesses. Fortschritt-<br />

Bericht VDI Verlag, Düsseldorf 2001<br />

[14] Grams, T.: Bedienfehler und ihre Ursachen (Teil 1).<br />

<strong>atp</strong>-Automatisierungstechnische Praxis 40 (3). Oldenbourg<br />

Verlag, München 1998, S. 53-56<br />

[15] Hettinger, T., Kaminsky, G., Schmale, H.: Ergonomie am<br />

Arbeitsplatz. Daten zur menschengerechten Gestaltung der<br />

Arbeit (2. Aufl.). Kiehl Friedrich Verlag, Ludwigshafen 1989<br />

Prof. Dr. Harald<br />

Reiterer (geb. 1961) leitet<br />

die Arbeitsgruppe Mensch-<br />

Computer Interaktion im<br />

Fachbereich Informatik<br />

und Informationswissenschaft<br />

der Universität<br />

Konstanz.<br />

Seine Forschungsschwerpunkte<br />

liegen in den Bereichen Interaction<br />

Design, Usability Engineering und Information<br />

Visualization.<br />

Universität Konstanz,<br />

Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion,<br />

Universitätsstr. 10, D 73,<br />

D-78457 Konstanz,<br />

Tel. +49 (0) 7531 88 37 04,<br />

E-Mail: Harald.Reiterer@uni-konstanz.de<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

51


hauptbeitrag<br />

Tests <strong>von</strong> Feldgeräten<br />

mit Profibus PA-3.02<br />

Praxisrelevante Versuche bestätigen Profilfunktionalität<br />

Unter Anwendern in der Prozessautomatisierung wächst die Nachfrage nach Feldgeräten<br />

mit den neuen Funktionalitäten des Profibus PA-Profils 3.02. Die Standardisierungsarbeiten<br />

und die Umsetzung des Profils in den Zertifizierungsprozess wurden 2009 in der<br />

Profibus Nutzer Organisation (PNO) erfolgreich abgeschlossen. Nun sollten – vom Standpunkt<br />

der Anwender aus gesehen – praxisrelevante Tests die Umsetzung und die Auswirkungen<br />

der neuen Funktionalitäten in den im Markt verfügbaren Feldgeräten und Hostsystemen<br />

aufzeigen. Der Beitrag beschreibt, wie erstmals herstellerunabhängig Feldgeräte<br />

im Prüflabor <strong>von</strong> BIS Prozesstechnik in Frankfurt am Main auf die Funktionalität des<br />

PA-Profils 3.02 hin getestet wurden.<br />

SCHLAGWÖRTER Profibus / Prozessautomation / PA Profil 3.02 / Asset Management /<br />

Life Cycle Management / Geräteintegration<br />

Tests of Field Devices with Profibus PA 3.02 –<br />

Practice-oriented Examinations Confirm Profile Functionality<br />

Users in process automation are more and more asking for field devices with implemented<br />

Profibus PA Profile 3.02. After finishing the standardization works and the implementation<br />

of the PA Profile 3.02 into the certification process of PI (Profibus & Profinet International)<br />

in 2009, practice-oriented examinations should demonstrate the realization and<br />

the impact of the new functionalities. The paper describes how field devices according to<br />

PA Profile 3.02 of different manufacturers have been tested at the test lab of BIS Prozesstechnik<br />

in Frankfurt/Main, Germany.<br />

KEYWORDS Profibus / Process Automation / PA Profile 3.02 / Asset Management /<br />

Life Cycle Management / Device Integration<br />

52<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Michael Pelz, Clariant Produkte<br />

Sven Seintsch, BIS Prozesstechnik<br />

Steffen Ochsenreither, PNO<br />

Der gewohnte Umgang mit der konventionellen<br />

4-20-mA-Technologie diente als Maßstab für<br />

das Profibus PA Profil 3.02. Die Innovationen<br />

des Profils zielen vor allem auf eine vereinfachte<br />

Handhabung der Feldbustechnologie in<br />

der industriellen Praxis ab. Die wesentlichen Neuerungen<br />

im Profil 3.02 sind die grundlegenden Maßnahmen<br />

zur Vereinfachung der Geräteintegration über den Lebenszyklus<br />

einer Produktionsanlage. Es handelt sich<br />

beispielsweise um Vorschriften zur Kennzeichnung der<br />

Software-Variante am Gerät, die automatische Anpassung<br />

an Funktionalität <strong>von</strong> Vorgängerversionen im zyklischen<br />

Verkehr, herstellerübergreifende Richtlinien<br />

für Änderungen der Gerätesoftware und deren Auswirkung<br />

auf Kompatibilität. Darüber hinaus definiert das<br />

Profil 3.02 die verpflichtende Abbildung der spezifischen<br />

Diagnoseinformationen <strong>von</strong> Feldgeräten auf standardisierte<br />

Kategorien (NE107 – Selbstüberwachung<br />

und Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten) und den deutlich<br />

schnelleren Transfer <strong>von</strong> Feldgerätedaten, zum Beispiel<br />

bei der Übertragung <strong>von</strong> parametrierten Daten während<br />

eines Gerätetauschs.<br />

1. Praxisrelevante Testszenarien<br />

Nach Verabschiedung des Profils 3.02 galt es, die Praxistauglichkeit<br />

zu beweisen. Dafür wurden im Prüflabor<br />

der BIS Prozesstechnik verschiedene Testfälle durchgespielt,<br />

in denen die neuen Geräte ihre Einsatzfähigkeit<br />

beweisen mussten. Für die praktischen Tests wurden<br />

zwei Geräte verwendet: ein Stellungsregler der Firma<br />

Samson sowie ein Temperaturtransmitter der Firma<br />

Endress+Hauser. Bei diesem handelt es sich zwar um ein<br />

Profil-3.01-Gerät, jedoch wurde hier die Funktionalität<br />

des neuen Profils 3.02 bereits vom Hersteller implementiert.<br />

Die Feldgeräte wurden in fünf verschiedenen Aufbauten<br />

mit Leitsystemen der Hersteller Siemens, ABB<br />

und Schneider getestet. Im Fokus stand dabei der Austausch<br />

eines Altgerätes gegen ein Neugerät; ein Fall, wie<br />

er häufig in der Praxis auftritt, wenn in einer bestehenden<br />

Anlage ein Gerät ausfällt und durch ein Gerät mit<br />

einer neueren Version ersetzt werden muss.<br />

Im betrieblichen Alltag lässt sich die Gerätekonfiguration<br />

im Leitsystem ohne einen Stopp des zyklischen Datenaustauschs<br />

und somit einer Unterbrechung der Prozessführung<br />

oft nicht ändern. Hierfür ist es wichtig, dem<br />

Anwender eine Lösung zur Verfügung zu stellen, bei der<br />

der zyklische Teil des Automatisierungssystems beim<br />

Gerätewechsel nicht betroffen ist. Ein Testszenario ist<br />

im Bild 1 dargestellt.<br />

2. Aufbau und Vorgehen<br />

An allen Leitsystemen wurde ein PA-Strang mit Feldgeräten<br />

konfiguriert und in Betrieb genommen. Daraufhin<br />

erfolgte der Austausch des konfigurierten Gerätes<br />

gegen ein Gerät neuerer Version mit der entsprechenden<br />

Busadresse. Überwacht wurde sowohl die zyklische<br />

Messwertübertragung als auch der Status des<br />

Messwertes. Um möglichst viele Einsatzfälle abdecken<br />

zu können, erstreckte sich der Test über verschiedene<br />

Konfigurationen:<br />

So kann der Stellungsregler beispielsweise nur zur<br />

Übertragung des Stellsignals vorgesehen sein oder<br />

aber auch zusätzlich die aktuelle Ventilstellung und<br />

die diskreten Ventilpositionen übertragen. Weitere<br />

Konfigurationen sind möglich.<br />

Auch der Temperaturtransmitter wurde auf verschiedene<br />

Weise getestet: So wurde das Gerät mit<br />

der Konfigurationsdatei des Herstellers sowie mit<br />

der Profil-GSD eingebunden. In allen genannten<br />

Fällen muss sich der neue Transmitter, der das installierte<br />

Gerät ersetzt, automatisch auf die im Leitsystem<br />

verwendete Ident.-Nummer adaptieren und<br />

die Konfiguration, das heißt die Einstellung, welche<br />

Werte übertragen werden sollen, übernehmen (siehe<br />

Bild 2). Bei Geräteanlauf wird überprüft ob die<br />

Ident.-Nummer der GSD, welche im Leitsystem verwendet<br />

wird, und die Ident.-Nummer des Feldgerä-<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

53


Hauptbeitrag<br />

BILD 1: Aufbau eines<br />

Testszenarios im<br />

Projektierungstool<br />

Bild 2:<br />

Automatische Adaption<br />

der Ident.-Nummer<br />

des Feldgerätes<br />

Tabelle 1:<br />

Verschiedene Varianten<br />

<strong>von</strong> Gerätekombinationen<br />

decken ein breites Spektrum<br />

in der Praxis ab<br />

*Keine automatische Adaption<br />

der Ident.-Nummern möglich.<br />

Änderung der Ident.-Nummer<br />

muss am Feldgerät oder über<br />

einen Master Klasse 2 erfolgen.<br />

Gerätetyp<br />

Bestehende<br />

Konfiguration<br />

Neugerät SK1 SK2 SK3<br />

Link/<br />

Koppler<br />

Temperaturtransmitter TMT 184 TMT 84 ✓ ✗* ✓ ✓<br />

Profil 1AI TMT 84 ✓ ✗* ✓ ✓<br />

Stellungsregler 3785 Profil 2 3730-4 ✓ ✗* ✓ ✓<br />

3785 Profil 3 3730-4 ✓ ✗* ✓ ✓<br />

Bild 3:<br />

Die Versuchsanlage<br />

vor und nach<br />

dem Tausch des<br />

Stellungsreglers<br />

54<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Lernen Sie die<br />

kennen!<br />

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schneller<br />

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tes übereinstimmen. Nur wenn dies der Fall ist,<br />

funktioniert der zyklische Datenaustausch zwischen<br />

Feldgerät und Leitsystem.<br />

Dabei ist die Ident.-Nummer (Identifikationsnummer) eine<br />

eindeutige Nummer, welche einem zertifizierten Gerät<br />

einmalig zugewiesen wird. In Verbindung mit der im Leitsystem<br />

hinterlegten Konfigurationsdatei, der GSD, wird<br />

das Feldgerät eindeutig identifiziert.<br />

Ein Feldgerät kann sowohl mit einer herstellerspezifischen<br />

Konfigurationsdatei als auch mit der Profil-GSD<br />

in das Leitsystem eingebunden werden. Mit der Profil-<br />

GSD können dabei, unabhängig vom Hersteller, die wesentlichen<br />

Funktionalitäten der Geräte im Leitsystem<br />

abgebildet werden.<br />

Ein wesentlicher Teil der Profibus-PA-Infrastruktur ist<br />

der Segmentkoppler, welcher Profibus DP und Profibus<br />

PA miteinander verbindet und in jedem PA-Segement<br />

vorhanden sein muss. Er wandelt die unterschiedlichen<br />

Physical Layer und passt die Busgeschwindigkeiten an.<br />

Derzeit finden vier Geräte ihren Einsatz in der Industrie:<br />

Link/Koppler (Siemens), Segment-Koppler SK1, SK2<br />

(nicht mehr kommerziell erhältlich) und SK3 (alle<br />

Pepperl+Fuchs). Diese Segmentkoppler bieten unterschiedliche<br />

Funktionalitäten und unterscheiden sich in<br />

ihrem Verhalten am Bus. Aus diesem Grund wurden<br />

während des Tests alle genannten Typen verwendet.<br />

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3. Vereinfachter Gerätetausch im Praxistest<br />

Der Test wurde an allen Leitsystemen mit den Segmentkopplern<br />

SK1, SK2 und SK3 durchgeführt, am Leitsystem<br />

der Firma Siemens kam zusätzlich die Link/Koppler-<br />

Kombination zum Einsatz. An einem Leitsystem wurde<br />

die bestehende Konfiguration DTM-basiert durchgeführt,<br />

das heißt die in den DTM vorhandene GSD verwendet.<br />

4. Volle Funktionalität –<br />

Direkt nach dem Austausch<br />

Die Adaption der Ident.-Nummer verlief bei beiden getesteten<br />

Geräten, gleich welche Konfiguration verwendet<br />

wurde, automatisch und ohne Probleme. Einzige<br />

Ausnahme stellen die Testsysteme mit SK2 dar: Hier<br />

erfolgte die Adaption der Ident.-Nummer erst nach einem<br />

manuellen Eingriff am Gerät. Zum Zeitpunkt der<br />

Entwicklung des SK2 berücksichtigte die damals gültige<br />

Feldbusnorm IEC 61158 nicht die Möglichkeit, mehrere<br />

Ident.-Nummern einem Feldgerät zuzuordnen. Der<br />

SK2 wurde inzwischen durch den SK3 abgelöst der<br />

uneingeschränkt die automatische Adaption <strong>von</strong> Ident.-<br />

Nummern durch Feldgeräte mit Profibus PA 3.02 Profil<br />

unterstützt.<br />

Der Adaptierungsvorgang ist ebenso unabhängig <strong>von</strong><br />

der verwendeten DP-Baudrate: Getestet wurde sowohl<br />

mit 93,75 kBit/s und, bei Segmentkopplern, die höhere<br />

DP-Geschwindigkeiten erlauben, auch mit 12 MBit/s<br />

auf der DP-Seite. Auch hier erfolgte die Adaption auto-<br />

Programm-Download<br />

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Die <strong>atp</strong>-mediathek ist ein Angebot der Oldenbourg Industrieverlag GmbH,<br />

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Hauptbeitrag<br />

Bild 4:<br />

Zuordnung der<br />

Statussignale<br />

(Condensed Status)<br />

nach NE 107<br />

Bild 5: NE107 Baustein<br />

matisch und dies unabhängig vom verwendeten Leitsystem<br />

und <strong>von</strong> der Art der Geräteintegration (GSD<br />

oder DTM-basiert).<br />

Beide Testgeräte wurden mit der Einstellung „Auto-<br />

Adaptieren“ ausgeliefert. Ein unterschiedliches Verhalten<br />

zeigte sich bei der Umsetzung der Adaption: Der<br />

Temperaturtransmitter speichert die automatisch adaptierte<br />

Ident.-Nummer nicht und adaptiert sich bei jedem<br />

Busanlauf/Power-Reset neu, während der Stellungsregler<br />

die automatisch adaptierte Ident.-Nummer nichtflüchtig<br />

speichert. Dadurch ist kein erneutes Adaptieren<br />

nach Busanlauf/Power-Reset nötig.<br />

Die GSD-Dateien der Altgeräte funktionieren mit den<br />

Neugeräten weiter, das heißt es sind keine Änderungen<br />

im Leitsystem nötig, und es findet kein ungeplanter Stop<br />

der Anlage statt. Eine manuell eingestellte Ident.-Nummer<br />

wird bei beiden Testgeräten nichtflüchtig gespeichert.<br />

Der Anwender hat somit die Möglichkeit, die automatische<br />

Adaptierung zu umgehen und die Ident.-<br />

Nummer des alten Gerätes per Hand einzustellen.<br />

Da die automatische Adaption in Anlagen, in denen ein<br />

SK2 verwendet wird, nicht funktioniert, kann das Gerät<br />

mit diesem zusätzlichen Schritt auch hier einfach getauscht<br />

werden. Die Option, die Ident.-Nummer direkt am<br />

Display des Gerätes einzustellen, vereinfacht den Tausch<br />

<strong>von</strong> Alt- gegen Neugerät nochmals um ein Vielfaches.<br />

Zu keinem Zeitpunkt des Tests, weder beim „Ausfall“<br />

des Alt-Gerätes noch beim Tausch oder der Anpassung<br />

an die Ident.-Nummer, gingen die Leitsysteme in den<br />

Stop. Für den Anwender bedeutet dies einen unterbrechungsfreien<br />

Betrieb der Anlage; über die Dauer des<br />

Ausfalls bis zum Austausch des defekten Gerätes hinweg.<br />

Damit ist eine der wesentlichen Anforderungen an<br />

das Profil 3.02 erfüllt.<br />

Bild 3 zeigt ein Beispiel für einen Gerätetausch.<br />

5. Die richtigen Informationen am richtigen Ort<br />

Eine weitere Neuerung des Profils 3.02 ist die Übertragung<br />

eines Sammelstatus nach Namur-Empfehlung NE<br />

107. Dabei beschränkt sich der Status auf die Informationen<br />

„Ausfall“, „Funktionskontrolle“, „Außerhalb der<br />

Spezifikation“ und „Wartungsbedarf“. Das Ziel ist, den<br />

Anlagenfahrer zu entlasten und ihm nur die Informationen<br />

zur Verfügung zu stellen, die er für eine sichere<br />

Prozessbedienung benötigt. Zur Auswertung der Statusinformationen<br />

ist im Prozessleitsystem ein Funktionsbaustein<br />

nötig, mit dem die Bitinformationen des<br />

Statusbytes mit dem richtigen Statussymbol verknüpft<br />

werden. Zum Test der Diagnosemeldungen wurden Fehlerfälle<br />

simuliert und die richtige Zuordnung zu den<br />

Statussignalen kontrolliert (Bild 4).<br />

Im Vorfeld wurde für jedes System ein Funktionsplan<br />

erstellt, um den Status entsprechend der Profil-Codierung<br />

auszuwerten. Für das System <strong>von</strong> Schneider ist ein<br />

56<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


derartiger Baustein bereits vorhanden, für die anderen<br />

Systeme wurde ein eigener Baustein programmiert, der<br />

durch die Vereinheitlichung des Statusbits für alle Profibus<br />

PA Geräte nach Profil 3.02 verwendet werden kann<br />

(siehe Bild 5).<br />

Zur Prüfung wurden verschiedene Fehler simuliert:<br />

Am Temperaturtransmitter unter Anderem die „Ausfälle“<br />

Sensorkurzschluss, Sensorbruch sowie der Zustand<br />

„Außerhalb der Spezifikation“ mittels Umgebungstemperaturüberschreitung.<br />

Das Gerät ordnet den Fehlern<br />

den jeweiligen passenden Status zu. Dieser wird dann<br />

im Leitsystem dargestellt. Die Statusinformationen der<br />

Fehler sind fest codiert, können somit vom Anwender<br />

nicht geändert werden.<br />

Im Unterschied zum Temperaturtransmitter kann<br />

beim Stellungsregler die Zuordnung der Statusinformationen<br />

zum jeweiligen Gerätefehler vom Anwender mittels<br />

DTM oder der herstellerspezifischen Software der<br />

Applikation entsprechend festgelegt werden. Bei den am<br />

Stellungsregler simulierten Zuständen handelte es sich<br />

Breite Akzeptanz – NAMUR-Arbeitskreis 2.6 „Feldbus“<br />

„Nach der guten Zusammenarbeit zwischen PNO und Namur-<br />

AK 2.6 „Feldbus“, bei der Erstellung des PA-Profils 3.02, war es<br />

wichtig, die Auswirkungen der neuen Funktionalitäten in einem<br />

praxisrelevanten Test zu prüfen.<br />

Der Test hat verdeutlicht, dass durch die Funktionalität<br />

„automatische Ident-Nummer-Adaption“ des PA-Profils 3.02<br />

der Feldgerätetausch wesentlich vereinfacht werden kann,<br />

ohne die Verfügbarkeit der restlichen Anlage zu beeinflussen.<br />

Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass es möglich ist, Funktionalitäten<br />

für Endanwender zu vereinfachen und die Handhabung<br />

praxisnäher zu gestalten. Nun sollte diese Vorgehensweise<br />

auch in anderen Bereichen etabliert werden, um die Komplexität<br />

für Endanwender weiter zu minimieren (zum Beispiel bei der<br />

Geräteintegration, FDI).<br />

Durch die nun verpflichtend gewordene Standardisierung der<br />

Status- und Diagnoseinformationen <strong>von</strong> Geräten nach den Kategorien<br />

der Namur-Empfehlung 107 „Selbstüberwachung und<br />

Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten“, erhält der Anwender eine<br />

herstellerübergreifende, standardisierte und einfach handhabbare<br />

Gerätediagnose. Dank dieser Harmonisierung lassen sich<br />

die Vorteile einer aktiven Gerätediagnose nun wesentlich<br />

effizienter nutzen.<br />

Noch offen sind die Untersuchung der Kennzeichnung der<br />

Software-Variante direkt am Gerät und der wesentlich<br />

schnellere Datentransfer zwischen Feldgerät und übergeordnetem<br />

System (zum Beispiel PLS). Diese beiden Funktionalitäten<br />

des PA-Profils 3.02 bieten das Potenzial, den Gerätetausch<br />

und das Gerätemanagement noch weiter zu verbessern. Umso<br />

wichtiger ist es, die Testergebnisse für diese beiden Funktionalitäten<br />

zu einem späteren Zeitpunkt nachzureichen.<br />

Das beschriebene positive Testergebnis zeigt deutlich, dass<br />

eine frühe und offene Kommunikation zwischen Herstellern<br />

und Anwendern eine lohnenswerte Investition für alle<br />

Beteiligten darstellt.<br />

Stefan Erben, Entwicklungsleiter<br />

Elektronik, Samson AG:<br />

„Wesentlich für die Akzeptanz und die<br />

Verbreitung <strong>von</strong> Feldbustechnik in der<br />

Prozessautomatisierung ist neben der<br />

problemlosen Geräteintegration die<br />

Einfachheit eines Gerätetauschs im<br />

laufenden Betrieb einer verfahrenstechnischen<br />

Anlage. Als Maßstab gilt hier die 4-20-mA-Technologie.<br />

Nur wenn ein Gerätetausch ebenso einfach zu bewerkstelligen<br />

ist wie bei 4-20 mA, wird auch der Feldbus diese<br />

Akzeptanz finden. Das Profibus PA Profil 3.02 hat diese<br />

Anwenderanforderungen aufgegriffen und eine gute<br />

Plattform für Geräte der Prozessautomatisierung geschaffen.<br />

Um dies zu unterstützen, hat Samson an der Spezifikation<br />

mitgearbeitet und diese Erweiterungen des bewährten<br />

PA-Profils in seine Geräte implementiert. Der Test bei BIS<br />

Prozesstechnik hat eindrucksvoll gezeigt, wie Anforderungen<br />

aus der Praxis der Prozessautomatisierung sinnvoll in eine<br />

Spezifikation aufgenommen und anschließend durch einen<br />

praxisnahen Test verifiziert werden können.“<br />

Dr. Jochen Müller, Head of Global Plant<br />

Asset Management Business,<br />

Endress+Hauser Process Solutions AG:<br />

„Seit Jahren erhebt der digitale Feldbus<br />

den Anspruch, die in der Prozessindustrie<br />

verbreitete 4-20-mA-Technologie<br />

abzulösen. In der industriellen Praxis<br />

impliziert dies aber auch einen Vergleich<br />

des praktischen Umgangs der Feldbustechnologie mit der<br />

einfachen Handhabung der 4-20-mA-Technologie. Gerade der<br />

Gerätetausch gestaltete sich problematisch, auch aufgrund<br />

der ständig fortschreitenden technischen Entwicklung. Mit<br />

dem PA Profil 3.02 ist es nun endlich möglich, Feldgeräte<br />

nach Jahren problemlos zu tauschen und dennoch <strong>von</strong> den<br />

Weiterentwicklungen der Hersteller zu profitieren. Durch die<br />

Mitarbeit <strong>von</strong> Endress+Hauser an der Erstellung des Profils<br />

haben beide Seiten, sowohl die Anwender als auch die<br />

Hersteller, <strong>von</strong>einander gelernt und profitiert. Das Ergebnis<br />

des Tests bei BIS Prozesstechnik beweist nun eindrucksvoll<br />

wie die Kundenanforderungen konsequent in den Geräten<br />

umgesetzt wurden.“<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

57


Hauptbeitrag<br />

zum Beispiel um Nullpunktabweichung, Blockierung<br />

des Antriebs als „Wartungsbedarf“ und die „Funktionskontrolle“<br />

durch Initialisierung. Auch diese Fehler wurden,<br />

entsprechend der Voreinstellung im Gerät, passend<br />

zugeordnet.<br />

Fazit<br />

Die Testresultate überzeugten: In den Multi-Vendor Anlagen<br />

bei BIS Prozesstechnik in Frankfurt erfüllten die<br />

Feldgeräte die Anforderungen der Anwender durchweg<br />

mit positivem Ergebnis. Somit ist ein großer Schritt in<br />

Richtung der einfachen Geräteintegration getan. Sowohl<br />

der Gerätetausch als auch die zusammengefassten Diagnosemeldungen<br />

ermöglichen dem Anwender einen<br />

noch einfacheren und intuitiveren Umgang mit der bewährten<br />

Technologie. Feldgeräte können nun getauscht<br />

werden, ohne die Anlage stoppen zu müssen. Durch die<br />

Reduzierung der Diagnosemeldungen auf die notwendigen<br />

Informationen kann der Leitstand schnell und<br />

gezielt auf Fehler reagieren.<br />

Das Profil 3.02 hat nun endgültig den Weg in die Feldgeräte<br />

gefunden: Den Anwendern stehen bereits ein<br />

Druck- sowie in Kürze ein Füllstandsmessgerät der Firma<br />

Endress+Hauser zur Verfügung. Durch die schnelle Implementierung<br />

des Profils in die Feldgeräte durch die<br />

Hersteller können die Anwender im Laufe des Jahres 2011<br />

mehr als 12 Geräte mit 3.02 Funktionalität einsetzen.<br />

Manuskripteingang<br />

29.04.2010<br />

Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />

Autoren<br />

Dipl.-Ing. Sven Seintsch<br />

(geb. 1969) leitet das Prüflabor<br />

der BIS Prozesstechnik<br />

GmbH. Er ist Mitglied des<br />

Namur-Arbeitskreises 2.6<br />

„Feldbus“. In der IGR leitet<br />

er das Arbeitsfeld „EMR<br />

Prüftechnik“.<br />

BIS-Prozesstechnik GmbH,<br />

Industriepark Höchst, D710,<br />

D-65926 Frankfurt am Main, Tel. +49 (0) 69 3 05 26 63,<br />

E-Mail: sven.seintsch@BIS.bilfinger.com<br />

Dipl.-Ing. Michael Pelz<br />

(geb. 1966) ist EMR-Betriebsingenieur<br />

und Ansprechpartner<br />

für Feldbusthemen<br />

im Bereich der Business<br />

Unit Pigments der Clariant<br />

Produkte (Deutschland)<br />

GmbH. Er ist Obmann des<br />

Namur-Arbeitskreises 2.6<br />

„Feldbus“, Leiter der Prolist-Arbeitsgruppe<br />

„Feldbustechnik“ und Mitglied des IGR- (Interessengemeinschaft<br />

Regelwerke Technik)<br />

Arbeitskreises „Feldbus“.<br />

Clariant Produkte (Deutschland) GmbH,<br />

BU Pigments, Operations Rhein–Main /<br />

Department AZO, Industriepark Höchst, E632,<br />

D-65926 Frankfurt am Main,<br />

Tel. +49 (0) 69 30 52 94 94,<br />

E-Mail: michael.pelz@clariant.com<br />

Referenzen<br />

[1] NE107: Selbstüberwachung und Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten,<br />

Juni 2006<br />

[2] NE105: Anforderungen an die Integration <strong>von</strong> Feldbusgeräten<br />

in Engineering Tools für Feldgeräte, August<br />

2004<br />

[3] NE 53: Software <strong>von</strong> Feldgeräten und signalverarbeitenden<br />

Geräten mit Digitalelektronik<br />

[4] Pelz, Michael, Seintsch, Sven, Gerätekommunikation<br />

im Wandel, <strong>atp</strong> 4/2008, S. 52-57<br />

[5] Kiupel, Niels, Der Feldbus – eine Erfolgsgeschichte,<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 3/2010, S. 30-37<br />

Steffen Ochsenreither<br />

(geb. 1984) ist Marketing<br />

Manager Fieldbus,<br />

Endress+Hauser Process<br />

Solutions AG. Er studierte<br />

Wirtschaftsingenieurwesen<br />

mit der Vertiefung in Elektround<br />

Informationstechnik und<br />

schloss sein Studium als<br />

Master of Engineering ab. Seitdem ist er bei<br />

Endress+Hauser im Bereich Technology Marketing<br />

verantwortlich für Profibus. Darüber hinaus leitet<br />

er den PNO Arbeitskreis „Marketing Process<br />

Automation“.<br />

Endress+Hauser Process Solutions AG,<br />

Kägenstraße 2, CH-4052 Basel,<br />

Tel. +41 (0) 61 7 15 74 98,<br />

E-Mail: steffen.ochsenreither@solutions.endress.com<br />

58<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Mehr Diagnose<br />

für intelligente<br />

Sensoren und Aktoren<br />

IO-Link<br />

Intelligente Geräte brauchen<br />

einfache Schnittstellen<br />

Diese Neuerscheinung ist didaktisch so aufgebaut, dass es je<br />

nach Qualifikation, verschiedene Einstiegs-Levels (Einsteiger,<br />

Fortgeschrittene, Experten) gibt.<br />

Das umfassende Kompendium beschreibt die neue, herstellerunabhängige<br />

IO-Link-Schnittstelle. Diese kann über Sensoren und Aktuatoren<br />

auf einfache Weise Daten mit der überlagerten Steuerung austauschen.<br />

Anstatt vieler proprietärer Systeme muss der Anwender in<br />

Zukunft also nur noch ein System kennen. Parametrierungen können<br />

automatisch in die Geräte geladen und umgekehrt Diagnose- und<br />

Wartungsinformationen an die Leitwarte gemeldet werden. Was sich<br />

zunächst komplex anhört, funktioniert mit IO-Link ganz einfach.<br />

Ergänzend zu den detaillierten, theoretischen Beschreibung und ihrer<br />

Vorteile finden Ingenieure und Praktiker aus dem Maschinen- und<br />

Anlagenbau, Betreiber, Instandhalter, Planer und Systemintegratoren<br />

auch vertiefende Übungen und praktische Beispiele.<br />

Autoren: P. Wienzek, J. R. Uffelmann<br />

1. Auflage 2010, 310 Seiten, Broschur<br />

Oldenbourg Industrieverlag München<br />

www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />

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SOFORTANFORDERUNG PER FAX: +49 (0)201 / 82002-34 oder im Fensterumschlag einsenden<br />

Ja, ich bestelle gegen Rechnung 3 Wochen zur Ansicht<br />

Ex.<br />

IO-Link<br />

1. Auflage 2010 – ISBN: 978-3-8356-3115-1<br />

für € 89,90 (zzgl. Versand)<br />

Die bequeme und sichere Bezahlung per Bankabbuchung wird<br />

mit einer Gutschrift <strong>von</strong> € 3,- auf die erste Rechnung belohnt.<br />

Firma/Institution<br />

Vorname, Name des Empfängers<br />

Straße/Postfach, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

Telefax<br />

E-Mail<br />

Antwort<br />

Vulkan Verlag GmbH<br />

Versandbuchhandlung<br />

Postfach 10 39 62<br />

45039 Essen<br />

Branche/Wirtschaftszweig<br />

Bevorzugte Zahlungsweise Bankabbuchung Rechnung<br />

Bank, Ort<br />

Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb <strong>von</strong> zwei Wochen ohne Angabe <strong>von</strong> Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax,<br />

E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der<br />

Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH, Versandbuchhandlung,<br />

Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />

Bankleitzahl<br />

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Kontonummer<br />

PAIOL12010<br />

Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom<br />

Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medienund Informationsangebote informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.


Praxis<br />

Universelle Kommunikationsanbindung<br />

sorgt für verbesserte Prozesse<br />

Schwedischer Möbelfabrikant Swedwood vereinfacht Datenaustausch und Systemverwaltung<br />

Auch in der Möbelherstellung muss eine Reihe <strong>von</strong><br />

Prozessparametern exakt eingehalten werden. Temperatur,<br />

Luftfeuchtigkeit, Luftqualität und andere Umweltbedingungen<br />

spielen eine zentrale Rolle für eine<br />

konstante Qualität. Mit einer OPC-Lösung <strong>von</strong> Matrikon<br />

verbesserte der schwedische Ikea-Zulieferer Swedwood<br />

seine Prozesse und realisierte eine universelle Kommunikationsanbindung.<br />

Als einer der führenden für Ikea tätigen Hersteller fertigt<br />

die Firma Swedwood in ihrer Produktionsstätte im<br />

schwedischen Älmhult pro Jahr zirka 8 Millionen Küchenfronten<br />

– 150 000 versandfertige Fronten pro Woche.<br />

Der Fertigungsstandort ist eine <strong>von</strong> über 40 Produktionsstätten<br />

weltweit und beschäftigt 350 Mitarbeiter. Die<br />

größte Herausforderung für Swedwood besteht darin,<br />

hochwertige Möbel in konstanter Qualität und mit<br />

höchstem Tempo zu produzieren.<br />

UMGEBUNGSBEDINGUNGEN EXAKT GEREGELT<br />

Zahlreiche OPC-Server und über 50 speicherprogrammierbare<br />

Steuerungen (SPS) sorgen am Standort Älmhult<br />

für die exakte Überwachung und Regelung <strong>von</strong> Temperatur,<br />

Luftfeuchtigkeit, Luftqualität und anderen Umweltbedingungen.<br />

Jede Materialcharge, die das Werk durchläuft,<br />

muss in einer bestimmten, kontrollierten Umgebung<br />

verarbeitet werden. Schon ein einziger Fehler, etwa bei<br />

der Verklebung, kann Kundenreklamationen nach sich<br />

ziehen und dazu führen, dass weltweit ganze Chargen<br />

aus den Regalen der Ikea-Einrichtungshäuser genommen<br />

werden müssen.<br />

Zur Verbesserung seiner Abläufe wollte Swedwood<br />

daher eine universelle Kommunikationsanbindung an<br />

seine speicherprogrammierbaren Steuerungen schaffen,<br />

dabei jedoch vermeiden, dass diese durch Abfragen<br />

einzelner OPC-Clients überlastet würden. Gesucht<br />

wurde eine einheitliche Plattform mit einer einzigen,<br />

leicht bedienbaren Schnittstelle, die bei Erweiterungen<br />

um neue SPS weniger Unterstützungsaufwand<br />

durch externe Systemintegratoren notwendig machte.<br />

Außerdem musste das Unternehmen sicherstellen,<br />

dass geschäftskritische Daten für mehrere seiner Unternehmenseinheiten<br />

problemlos verfügbar sind, und<br />

zu diesem Zweck den Datenaustausch zwischen seiner<br />

Microsoft-SQL-Server-Datenbank und seinen OPC-<br />

Servern ermöglichen.<br />

Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftqualität<br />

und andere Umweltbedingungen<br />

müssen bei der industriellen Möbelfertigung exakt<br />

gesteuert werden. Durch eine OPC-Lösung schuf<br />

Swedwood eine universelle Kommunikations -<br />

anbindung.<br />

Bild: Matrikon<br />

PRAXISNAHE LÖSUNG GESUCHT<br />

Swedwood hatte mehrere andere Lösungen zur Umsetzung<br />

des Projekts erwogen, bevor man sich für den MatrikonOPC<br />

Universal Connectivity Server (UCS) und den<br />

OPC Client für ODBC (siehe Abbildung 1) entschied. Die<br />

Lösungen <strong>von</strong> MatrikonOPC boten die <strong>von</strong> Swedwood<br />

benötigte Funktionalität und Skalierbarkeit zusammen<br />

mit landessprachlichem Support.<br />

„Wir haben das Internet durchforstet, um die beste Lösung<br />

für unsere Anforderungen zu finden. Die Matrikon-<br />

OPC-Lösungen haben uns hier sowohl durch den Preis<br />

und die Qualität als auch durch die gut lesbaren Anwenderdokumentationen<br />

überzeugt”, erklärt Johan<br />

Sturve, IT-Techniker bei Swedwood. „Außerdem war<br />

ich nach einigen Besprechungen sicher, dass Matrikon-<br />

OPC über gute und langjährige Erfahrungen auf diesem<br />

Gebiet und über qualifiziertes Personal verfügt.“<br />

NUR NOCH EINE SCHNITTSTELLE<br />

Der MatrikonOPC UCS ist die <strong>von</strong> Swedwood gewählte<br />

Lösung. Mit einer einzigen bedienerfreundlichen Schnittstelle<br />

kann das Unternehmen nun seine Plug-ins für Siemens,<br />

Mitsubishi, Omron, Modbus und andere Systeme<br />

verwalten. Zudem kann Swedwood bei künftig wachsendem<br />

Bedarf mit wenigen einfachen Schritten weitere Protokolle<br />

hinzufügen.<br />

Die wichtigsten Funktionen des Universal Connectivity<br />

Server <strong>von</strong> MatrikonOPC sind:<br />

Vollständige Abdeckung der klassischen<br />

OPC-Spezifikationen<br />

OPC-UA-Unterstützung mit integriertem<br />

Adressraum<br />

Integrierte Sicherheit auf Einzelbenutzerund<br />

Einzelelement-Ebene<br />

Integrierte Redundanz auf Geräte-Ebene<br />

Plug-ins für OPC-Clients<br />

Swedwood nutzt ferner den MatrikonOPC-Client for<br />

ODBC für den Datenaustausch zwischen seinen Steuerungssystemen<br />

und seiner Microsoft-SQL-Server-Daten-<br />

60<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Die Swedwood-Lösung:<br />

Der Möbelhersteller verwendet<br />

den MatrikonOPC Universal<br />

Connectivity Server (UCS)<br />

und den OPC Client for ODBC.<br />

Mit einer einzigen bedienerfreundlichen<br />

Schnittstelle<br />

kann das Unternehmen nun<br />

seine Plug-ins für Siemens,<br />

Mitsubishi, Omron, Modbus<br />

und andere Systeme verwalten<br />

und bei Bedarf weitere<br />

Protokolle einfach hinzufügen.<br />

bank. Damit kann Swedwood die vom UCS zur Verfügung<br />

gestellten SPS-Daten direkt in seiner SQL-Datenbank archivieren<br />

und Daten aus der SQL-Datenbank in die SPS-<br />

Geräte zurückschreiben.<br />

Der OPC-Client for ODBC kommuniziert auf der einen<br />

Seite über OPC mit dem UCS und sendet mithilfe des<br />

ODBC-Protokolls SQL-Befehle an die Datenbank. In umgekehrter<br />

Richtung kann Swedwood nun Produktionsrezepte<br />

aus der Datenbank an die SPS-Geräte senden.<br />

Dank dieser Lösung sind auf der Steuerungsebene Produktionsdaten<br />

für den täglichen Betrieb verfügbar. Zugleich<br />

können den Verantwortlichen für Geschäfts- und<br />

Qualitätskontrollzwecke wesentliche Leistungsdaten<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

DIE OPC-LÖSUNG WÄCHST MIT DEM BEDARF<br />

„Der OPC-Client for ODBC verhilft uns zu reibungslosen<br />

Abläufen und verschafft allen unseren Unternehmenseinheiten<br />

die Informationen, die sie brauchen, um schnell<br />

und fehlerfrei zu arbeiten”, erläutert Sturve. Die Lösungen<br />

<strong>von</strong> MatrikonOPC werden dem aktuellen Bedarf des Unternehmens<br />

gerecht und sind dafür ausgelegt, auch bei<br />

künftig steigenden Anforderungen mitzuwachsen. Überzeugt<br />

wurde Swedwood auch diese Vorteile der Lösungen<br />

<strong>von</strong> MatrikonOPC:<br />

Eine einzige Schnittstelle für alle OPC-Server<br />

Reibungslose Abläufe mit verbesserter Diagnose<br />

und Qualitätskontrolle<br />

Deutlich reduzierte Belastung der Steuerungssysteme<br />

des Unternehmens<br />

Heute sind die gesamten MatrikonOPC-Lösungen am Fertigungsstandort<br />

Älmhult des Unternehmens erfolgreich<br />

implementiert und in Betrieb.<br />

Autor<br />

Jason Fletcher<br />

ist tätig als Regional Manager<br />

MatrikonOPC EMEA.<br />

Matrikon Deutschland AG,<br />

Venloer Straße 25, D-50672 Köln,<br />

Tel. +49 (0) 221 969 77 19,<br />

E-Mail: jason.fletcher@matrikonopc.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

61


Praxis<br />

Beschichtung <strong>von</strong> Verstärkungsfasern:<br />

Präzisionsprozess übersichtlicher gesteuert<br />

Optimales Gleichgewicht zwischen flexibler Automatisierung und Bedienersicherheit<br />

Präzise<br />

Steuerung<br />

erforderlich:<br />

Bei rund 1300 °C<br />

wird der extrem<br />

dünne Wolframdraht<br />

(glühend<br />

in der Mitte) in<br />

einem Vakuumrohr<br />

mit Siliciumcarbid<br />

beschichtet.<br />

Bilder: Rockwell/Tisics<br />

Die Lösung:<br />

Der Kontrollstand<br />

mit ControlLogix<br />

Controllern sorgt<br />

für die sichere<br />

Steuerung des<br />

Beschichtungsprozesses.<br />

Belastbar wie temperaturfester<br />

Stahl, aber viel leichter: Bauteile<br />

aus Titan, dass mit Fasern aus Wolfram<br />

und Siliciumcarbid verstärkt ist.<br />

Tisics, britischer Hersteller <strong>von</strong> Spezialwerkstoffen,<br />

gelang es, mit Allen-Bradley-Steuerungen ControlLogix,<br />

RSLogix 5000 und FactoryTalk View SE, einen instabilen<br />

Präzisionsprozess sicherer zu machen und zu<br />

kontrollieren.<br />

Das Unternehmen in Farnborough ist eines <strong>von</strong> nur<br />

zwei Unternehmen weltweit, die Siliziumcarbid-Monofilamente<br />

mit durchgehendem Kern herstellen – hauptsächlich<br />

für den Einsatz als Verstärkungsfasern in Verbundbauteilen<br />

aus Titan. Die Monofilamente verfügen über<br />

Kerne aus Wolframdraht und besitzen in der Regel Durchmesser<br />

<strong>von</strong> 0,1 oder 0,14 mm. Sie verleihen den Verbundbauteilen<br />

die gleichen Stärken wie sie ähnlich temperaturfeste<br />

Stahlbauteile besitzen. Allerdings wiegen sie<br />

meist nur halb so viel, sind fester und beständiger gegen<br />

Korrosion. Wichtige Anwendungsbereiche für diese Verbundmaterialien<br />

sind die Luft- und Raumfahrt sowie andere<br />

Anwendungen, in denen bei Festigkeit und Gewicht<br />

keine Abstriche gemacht werden können. Und nicht zuletzt<br />

tragen die sinkenden Titanpreise zur Attraktivität<br />

der Verbundbauteile bei. So verzeichnet das Unternehmen<br />

eine wachsende Nachfrage nach seinen Produkten – und<br />

zwar sowohl nach Fasern als auch nach Titan-Bauteilen,<br />

die Tisics ebenfalls herstellt. Zu den Kunden zählen ein<br />

bekannter Hersteller <strong>von</strong> Flugzeugtriebwerken sowie ein<br />

Unternehmen, das neuartige Solarzellen produziert.<br />

Nach der jüngst erfolgten Verlagerung der Fertigungsstätte<br />

in größere Räumlichkeiten in Farnborough wollte<br />

Tisics die neuen Fertigungshallen optimal nutzen. Dies<br />

wiederum erforderte eine Umstellung der manuellen<br />

Rezepterstellungs- und Steuerungsprozesse auf ein Konzept,<br />

das auf einer modernen Automatisierungslösung<br />

<strong>von</strong> Rockwell Automation fußt. Gleichzeitig musste Tisics<br />

den Faktor Sicherheit besonders berücksichtigen,<br />

schließlich werden im Beschichtungsprozess für den<br />

Wolframdraht Chemikalien verwendet.<br />

CVD-PROZESS MUSS EXAKT ÜBERWACHT WERDEN<br />

Den Prozess, den Tisics zur Beschichtung des Wolframdrahtes<br />

verwendet, bezeichnet man als chemische Gas-<br />

62<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


phasenabscheidung (Chemical Vapour Deposition, CVD).<br />

Das CVD-Verfahren setzt nicht nur sehr hohe Temperaturen<br />

<strong>von</strong> zirka 1300 °C sowie Hochspannung voraus, sondern<br />

es kommt auch Dichlormethylsilan zum Einsatz.<br />

Diese Chemikalie kann äußerst gefährlich sein, wenn sie<br />

unkontrolliert entweicht.<br />

Zu den augenfälligen Sicherheitsaspekten kommt hinzu,<br />

dass der Prozess extrem empfindlich auf Parameterschwankungen<br />

reagiert. Vor der Umstellung auf eine Automatisierungsinfrastruktur<br />

verwendete Tisics ein dezentrales manuelles<br />

Verfahren zur Steuerung des Beschichtungsvorgangs.<br />

Spannung und Chemikalien wurden getrennt gesteuert;<br />

die Verdampfer arbeiteten ohne elektronische<br />

Regelung mit direkten Potenziometereingaben des Heizers.<br />

FEHLER ERST AM FERTIGEN PRODUKT ERKANNT<br />

Renny Moss, Process Development Manager bei Tisics,<br />

erinnert sich: „Das war ein einfacher manueller Ablauf,<br />

der aber nicht den geringsten Fehler tolerierte. Das Hauptproblem<br />

war, dass wir eine Störung im Abscheidungsprozess<br />

erst dann feststellen konnten, wenn die Faser herauskam<br />

und geprüft werden konnte.“<br />

Noch schwieriger wird die Aufgabe dadurch, dass für<br />

viele Anwendungen ganz spezifische Fasertypen gefertigt<br />

werden müssen. Die Problematik besteht dann darin,<br />

dass mehr Variablen den Prozess immer komplexer machen.<br />

Zu Zeiten des manuellen Prozesses war außerdem<br />

das Entwickeln und Ausprobieren neuer Rezepturen<br />

extrem zeitaufwendig – nicht selten musste Tisics dafür<br />

Jahre einkalkulieren. Denn der Prozess ist sehr sensibel<br />

und die Parameter wie Temperatur, Geschwindigkeit<br />

müssen exakt gesteuert werden.<br />

Tisics entschied sich für einen Scada-Prozess auf Basis<br />

der Integrated Architecture <strong>von</strong> Rockwell Automation.<br />

Zum Einsatz kommt eine Allen-Bradley ControlLogix<br />

PAC mit RSLogix 5000-Programmiersoftware und FactoryTalk<br />

View SE zur Visualisierung. Für die Überwachung<br />

und Steuerung reicht die ControlLogix PAC sämtliche<br />

Prozessdaten an einen FactoryTalk View SE Server<br />

weiter, der dem Bedienpersonal alle Parameter, die für<br />

diesen Präzisionsprozess relevant sind, übersichtlich in<br />

grafischer Form auf dem Bildschirm präsentiert. Hierfür<br />

kommt eine HMI-Lösung zum Einsatz, die ein Systemintegrator<br />

<strong>von</strong> Rockwell Automation entwickelt hat.<br />

ALLE INFORMATIONEN AUF EINE BLICK<br />

Renny Moss erläutert: „Die Hardware <strong>von</strong> Rockwell Automation<br />

bringt alle für uns wichtigen Informationen auf<br />

einen Bildschirm. Das System kennt und meldet die Zustände,<br />

hält alle Prozessvariablen im zulässigen Bereich<br />

und bietet uns ein erheblich höheres Maß an Sicherheit.<br />

Eine zusätzliche äußerst nützliche Facette der Installation<br />

ist ihre Erweiterungsfähigkeit, schließlich wollen wir<br />

die Produktionskapazität in Zukunft weiter aufstocken.<br />

Mit dem nun installierten ControlLogix-Steuerungs-Setup<br />

haben wir die Gewissheit, dass wir einfach weitere<br />

Produktionslinien hinzufügen können, ohne dass größere<br />

Umprogrammierungen nötig sind.<br />

„Der Großteil unserer Herausforderungen im Bereich<br />

Sicherheit hat mit Gas zu tun“, erläutert der Process Development<br />

Manager. Die ControlLogix PAC übernimmt<br />

deshalb das Nachfüllen und Durchleiten der Reagenzien.<br />

Indem sie Masse und Druck misst, erfasst sie die Materialmenge,<br />

die das System durchläuft, verhindert ein<br />

Überlaufen des Rührwerks und kontrolliert die Durchführung<br />

aller Reinigungsarbeiten. Den Bedienern werden<br />

dabei klar und knapp gefasste, schlüssige Anweisungen<br />

gegeben. „War der Materialtransport bei uns einst<br />

eine wichtige tagtägliche Aufgabe, können wir die Werkstoffe<br />

nun in der Gewissheit in den Prozess geben, dass<br />

unsere Sicherheits- und Steuerungstechnik sie unter<br />

Kontrolle hat – einfach weil wir uns auf die präzise Überwachung<br />

verlassen können. Wir waren nie darauf aus,<br />

das Qualifikationsniveau unseres Personals zu senken,<br />

sondern wollten dem Bedienpersonal vielmehr jegliche<br />

Sicherheitsbedenken nehmen“, betont Moss.<br />

NEUE REZEPTUREN SCHNELLER ENTWICKELT<br />

Abgesehen <strong>von</strong> Vorteilen bei Sicherheit und Funktionalität<br />

kann Tisics neue Rezepturen jetzt mit einem Bruchteil des<br />

früheren Zeitaufwands entwickeln. Der Tisics-Manager<br />

blickt zurück: „Was früher Jahre erforderte, ist jetzt in ein<br />

paar Monaten geschafft. Dank der leistungsfähigen PAC ist<br />

außerdem die Zahl der Variablen kein Thema mehr für uns.<br />

Ich gebe ehrlich zu, dass ich nicht weiß, wie das Factory-<br />

Talk View SE Scada-System und die PAC genau funktionieren.<br />

Mir reicht die Gewissheit, dass alles unter Kontrolle<br />

ist und dass die Bediener alles leichter ablesen können.<br />

Das Fazit <strong>von</strong> Moss: „Kurzfristig haben uns die Produkte<br />

<strong>von</strong> Rockwell Automation eine deutlich bessere Kontrolle<br />

über unsere Prozesse gebracht, während wir mittelfristig<br />

<strong>von</strong> ihrer Erweiterbarkeit profitieren. Ganz abgesehen<br />

da<strong>von</strong> nimmt sich die Lösung all der sicherheitskritischen<br />

Aspekte an, die uns früher Sorgen bereitet haben.“<br />

Autor<br />

Rockwell Automation,<br />

Düsselberger Str. 15,<br />

42781 Haan-Gruiten,<br />

Tel. +49 (0) 2104 96 01 82,<br />

E-Mail: nnohr@ra.rockwell.com<br />

Norbert Nohr<br />

ist Sales Manager Process<br />

Automation bei Rockwell<br />

Automation.<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

63


praxis<br />

Einfach wie ein Relais, aber genauso<br />

flexibel wie eine sichere SPS<br />

Konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte sind trotz reduzierter Komplexität programmierbar<br />

Bild 1: Mit dem Sicherheitsmodul PSR-Trisafe<br />

modular und der Software Safeconf lassen sich<br />

die Anforderungen an die Sicherheitstechnik<br />

schnell und wirtschaftlich umsetzen.<br />

Bild 2: Die Überwachung der Schutzeinrichtung<br />

gestaltet sich aufgrund verschiedener Diagnosemöglichkeiten<br />

sowie der Integration <strong>von</strong> PSR-<br />

Trisafe modular in Profibus-Netzwerke einfach.<br />

Bilder: Phoenix Contact<br />

Sichere Steuerungen bieten hohe Flexibilität, sind aber<br />

in vielen Fällen zu komplex und für den Anwender<br />

unnötig schwierig. Auf der anderen Seite sind Sicherheitsrelais<br />

zwar sehr einfach zu nutzen, bieten aber oft<br />

nicht die erforderliche Flexibilität. Für diese Fälle bieten<br />

sich konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte an, die<br />

ebenso einfach zu handhaben sind wie ein Relais, aber<br />

genauso flexibel wie eine sichere SPS.<br />

Die Maschinen- und Anlagenbauer können die Sicherheitsschaltgeräte,<br />

die sie benötigen, um gestiegene Sicherheitsanforderungen<br />

zu erfüllen, aus einem umfangreichen<br />

Portfolio auswählen. Dabei sind sämtliche zertifizierte<br />

Schaltgeräte grundsätzlich für eine sichere Auswertung<br />

nutzbar. Sie lassen sich grob in die Klassen einfache<br />

Sicherheitsrelais, konfigurierbare Sicherheitsmodule und<br />

sichere Steuerungen einteilen. Die Wahl der geeigneten<br />

Klasse ergibt sich zum einen aus den Anforderungen der<br />

Sicherheitskreise und zum anderen aus den Wünschen<br />

des Konstrukteurs. Sicherheitsrelais stellen sich immer<br />

dann als beste Lösung dar, wenn in der Maschine oder<br />

Anlagen nur wenige Sensoren ausgewertet werden müssen<br />

und die Abhängigkeiten der verschiedenen Sicherheitskreise<br />

überschaubar sind. Der Funktionsumfang der<br />

einzelnen Sicherheitsrelais ist vom Hersteller vorgegeben<br />

und kann nicht durch den Anwender angepasst werden.<br />

Die am anderen Ende der Skala angesiedelten komplexen<br />

Anwendungen erfordern häufig eine sichere<br />

Steuerung. Aufgrund der Flexibilität der Hardware-<br />

Konfiguration und der Programmierbarkeit wird die<br />

sichere SPS auch hohen Ansprüchen in Bezug auf die<br />

I/O-Zahl und Sicherheitslogik gerecht. Diese Möglich-<br />

keiten erweisen sich jedoch für die meisten Applikationen<br />

als zu komplex und erzeugen daher unnötige<br />

Schwierigkeiten für den Anwender. Deshalb halten<br />

viele Maschinen- und Anlagenbauer an Sicherheitsrelais<br />

fest und möchten sich nicht mit Software-basierten<br />

Sicherheitsschaltgeräten beschäftigen.<br />

EINFACHE ZUSAMMENSTELLUNG AM PC<br />

Eine große Zahl der weltweit verwendeten Maschinen<br />

und Anlagen lässt sich hinsichtlich der Menge an Einund<br />

Ausgängen sowie der Anforderungen an die Sicherheitslogik<br />

zwischen dem klassischen Sicherheitsrelais<br />

und einer sicheren Steuerung einordnen. In diesem Fall<br />

bieten sich konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte an.<br />

Entsprechende Module wie PSR-Trisafe modular sind<br />

ebenso einfach zu handhaben wie ein Relais, aber genauso<br />

flexibel wie eine sichere SPS. Bei der Entwicklung <strong>von</strong><br />

PSR-Trisafe und der Konfigurations-Software hat sich<br />

Phoenix Contact an den Gewohnheiten der Anwender <strong>von</strong><br />

Sicherheitsrelais orientiert. So können die Sicherheitsfunktionen<br />

einfach am PC zusammengestellt werden, wie<br />

es der Nutzer vom Sicherheitsrelais kennt.<br />

Aus Kostensicht wurde auf eine schnelle Amortisation<br />

Wert gelegt. Die Erfahrung zeigt hier, dass sich der Einsatz<br />

des konfigurierbaren Sicherheitsmoduls PSR-Trisafe<br />

modular bereits ab einer Anzahl <strong>von</strong> drei bis vier<br />

klassischen Sicherheitsrelais zur Auswertung der<br />

Schutzeinrichtungen rechnet. Folgekosten fallen nicht<br />

an, denn es gibt lediglich eine Bestellnummer für die<br />

gesamte benötigte Hardware. Die Konfigurations-Software<br />

ist kostenfrei als Vollversion erhältlich.<br />

64<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Bedarfsgerechte Erweiterung<br />

des Master-Moduls<br />

PSR-Trisafe modular erlaubt die einfache und flexible<br />

Kontrolle der sicherheitsgerichteten Funktionen. Mit dem<br />

Sicherheitssystem lassen sich unterschiedliche Schutzeinrichtungen<br />

auswerten. Ein Modul überwacht beispielsweise<br />

den kompletten Sicherheitskreis <strong>von</strong> der Not-<br />

Halt- über die Schutztürauswertung bis zum Muting-<br />

Vorgang. Dazu stellt das erweiterbare Basismodul auf<br />

einer Baubreite <strong>von</strong> nur 67,5 mm 20 sichere Eingangssignale<br />

zur Analyse der sicheren Sensoren zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus sind vier sicherheitsgerichtete Ausgänge<br />

bis Kat. 4 sowie Takt-, Melde- und Masseschaltausgänge<br />

in das Master-Modul PSR-Trisafe-M integriert, das als<br />

Einzelmodul nutzbar ist.<br />

Sollte die vom Master-Modul vorgehaltene I/O-Zahl<br />

nicht ausreichen oder im Lebenszyklus der Applikation<br />

Ergänzungen notwendig sein, lässt sich das Trisafe-<br />

System um bis zu zehn sichere Erweiterungsmodule<br />

ausbauen. Diese werden einfach über den Tragschienen-Konnektor<br />

TBus mit dem Master-Modul verbunden.<br />

Dabei erfüllt PSR-Trisafe modular die höchsten<br />

Sicherheitsanforderungen wie PL e oder SIL 3. Aufgrund<br />

der internationalen Zertifizierungen können die<br />

konfigurierbaren Sicherheitsschaltgeräte weltweit verwendet<br />

werden.<br />

INTUITIVE KONFIGURATION<br />

Das intuitive Bedienkonzept <strong>von</strong> PSR-Trisafe modular<br />

endet nicht mit der Hardware, sondern setzt sich bei der<br />

Software Safeconf fort, mit der das Sicherheitsschaltgerät<br />

konfiguriert wird. Das einfach einsetzbare Tool stellt alle<br />

erforderlichen Funktionen direkt auf seiner Oberfläche<br />

bereit. Hier kann der Anwender die gesamte Sicherheitslogik<br />

per Drag & Drop aufbauen, ohne zwischen verschiedenen<br />

Fenstern wechseln zu müssen. Safeconf gliedert<br />

sich in eine Toolbox inklusive vom TÜV zertifizierter<br />

Funktionsbausteine, den Hardware-Editor mit Ein- und<br />

Ausgängen, der auch als interaktive Statusanzeige der<br />

Hardware fungiert, sowie den Verdrahtungsbereich, in<br />

dem die Sicherheitslogik aufgebaut wird. Der Anwender<br />

wählt aus der Vielzahl sicherer Funktionen zunächst die<br />

notwendigen Bausteine in der Toolbox aus und zieht sie<br />

dann mit der Maus in den Verdrahtungsbereich. Dort<br />

müssen die Funktionen lediglich mit den gewünschten<br />

Ein- und Ausgängen verknüpft werden, die ebenfalls per<br />

Drag & Drop in den Verdrahtungsbereich gezogen und mit<br />

der Maus virtuell verdrahtet werden. Abschließend lädt<br />

der Anwender die geprüfte Sicherheitslogik über ein<br />

Standard-USB-Kabel in das Sicherheitsmodul herunter.<br />

Da die Konfigurations-Software Safeconf intuitiv bedienbar<br />

ist, benötigt der Nutzer keine Programmierkenntnisse,<br />

um PSR-Trisafe modular an die jeweiligen<br />

Anforderungen anzupassen. Sollten Fragen zu den Software-Funktionen<br />

auftreten, bietet das Tool eine umfangreiche<br />

Hilfefunktion, welche die Wünsche der Anwender<br />

gezielt umsetzt. Neben den üblichen Beschreibungen<br />

der Software-Funktionen umfasst die Hilfe zahlreiche<br />

Applikationsbeispiele, die sich auf die entsprechende<br />

Problemstellung sowohl hinsichtlich der Realisierung<br />

in der Software als auch der Beschreibung der Verdrahtung<br />

anwenden lassen.<br />

KÜRZERE DURCHLAUFZEITEN DURCH SIMULATION<br />

Das einfache Anschließen und flexible Erweitern der<br />

Hardware sowie die intuitive Konfiguration der Sicherheitslogik<br />

sind die wesentlichen Faktoren, die zur optimalen<br />

Umsetzung eines Safety-Projekts beitragen. Als<br />

Ergänzung der Grundfunktionen stellt Safeconf eine Simulation<br />

sowie einen besonderen Modus zur Verfügung,<br />

die die Inbetriebnahme der Maschinen oder Anlagen<br />

erleichtern. Die Simulation erlaubt beispielsweise einen<br />

vollständigen Funktionstest der aufgebauten Sicherheitslogik<br />

ohne Hardware. Auf diese Weise können Logikfehler<br />

bereits in der Planungsphase ausgeschlossen und Projektdurchlaufzeiten<br />

verkürzt werden. Spätere Erweiterungen<br />

lassen sich am PC nachstellen, ohne dass die Maschine<br />

hierzu erforderlich ist. Bei konfigurierbaren Systemen<br />

kommt der Security, also dem Schutz vor unbefugten<br />

Zugriffen, neben der funktionalen Sicherheit eine große<br />

Bedeutung zu. Deshalb arbeitet Safeconf mit verschiedenen<br />

Passwort-Abfragen sowie Prüfsummen, die Manipulationsversuche<br />

<strong>von</strong> vornherein verhindern.<br />

DIAGNOSE REDUZIERT STILLSTANDSZEITEN<br />

Online-Werte, zahlreiche Status-LEDs und zusätzliche<br />

Meldeausgänge in der Hardware unterstützen den Anwender<br />

bei der Diagnose. Die Meldeausgänge können<br />

beispielsweise als Ausgang für I/O-Statusmeldungen mit<br />

einer Steuerung verschaltet werden. PSR-Trisafe modular<br />

lässt sich auch direkt in das Netzwerk integrieren. Dazu<br />

wird ein Profibus-Gateway vor das Sicherheitsmodul auf<br />

die Tragschiene aufgerastet und über den Tragschienen-<br />

Konnektor TBus verbunden. So kann der Status aller<br />

I/Os an die SPS gesendet werden.<br />

Autor<br />

Tjark Höltkemeier ist<br />

Mitarbeiter im Produktmarketing<br />

Interface Safety<br />

der Phoenix Contact Electronics<br />

GmbH, Bad Pyrmont.<br />

Phoenix Contact Electronics GmbH,<br />

D-31812 Bad Pyrmont,<br />

Tel. +49 (0) 5281 94 60,<br />

E-Mail: thoeltkemeier@phoenixcontact.com<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011<br />

65


impressum / <strong>Vorschau</strong><br />

Impressum<br />

<strong>Vorschau</strong><br />

Verlag:<br />

Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />

Rosenheimer Straße 145<br />

D-81671 München<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-0<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />

Geschäftsführer:<br />

Carsten Augsburger<br />

Jürgen Franke<br />

Hans-Joachim Jauch<br />

Publisher:<br />

Wolfgang Mönning<br />

Herausgeber:<br />

Dr. V. Huck<br />

Dr. G. Kegel<br />

Dipl.-Ing. H. Kumpfmüller<br />

Dr. N. Kuschnerus<br />

Beirat:<br />

Dr.-Ing. K. D. Bettenhausen<br />

Prof. Dr.-Ing. Ch. Diedrich<br />

Prof. Dr.-Ing. U. Epple<br />

Prof. Dr.-Ing. A. Fay<br />

Prof. Dr.-Ing. M. Felleisen<br />

Prof. Dr.-Ing. G. Frey<br />

Prof. Dr.-Ing. P. Göhner<br />

Dipl.-Ing. Th. Grein<br />

Prof. Dr.-Ing. H. Haehnel<br />

Dr.-Ing. J. Kiesbauer<br />

Dipl.-Ing. R. Marten<br />

Dipl.-Ing. G. Mayr<br />

Dr. J. Nothdurft<br />

Dr.-Ing. J. Papenfort<br />

Dr. A. Wernsdörfer<br />

Dipl.-Ing. D. Westerkamp<br />

Dr. Ch. Zeidler<br />

Organschaft:<br />

Organ der GMA<br />

(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />

Automatisierungs technik)<br />

und der NAMUR<br />

(Interessen gemeinschaft<br />

Automatisierungs technik der<br />

Prozessindustrie).<br />

Redaktion:<br />

Gerd Scholz (verantwortlich)<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-3 44<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

E-Mail: scholz@oiv.de<br />

Anne Hütter<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-4 18<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />

E-Mail: huetter@oiv.de<br />

Einreichung <strong>von</strong> Hauptbeiträgen:<br />

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />

(Chefredakteur, verantwortlich<br />

für die Hauptbeiträge)<br />

Technische Universität Dresden<br />

Fakultät Elektrotechnik<br />

und Informationstechnik<br />

Professur für Prozessleittechnik<br />

D-01062 Dresden<br />

Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />

E-Mail: urbas@oiv.de<br />

Fachredaktion:<br />

M. Blum<br />

Prof. Dr. J. Jasperneite<br />

Dr. B. Kausler<br />

Dr. N. Kiupel<br />

Dr. W. Morr<br />

I. Rolle<br />

F. Schiller<br />

Bezugsbedingungen:<br />

„<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />

Praxis“ erscheint<br />

monatlich mit einer Doppelausgabe im<br />

Januar/Februar und Juli/August.<br />

Bezugspreise:<br />

Abonnement (Deutschland):<br />

€ 460,– + € 30,– Versand<br />

Abonnement (Ausland):<br />

€ 460,– + € 35,– Versand<br />

Einzelheft: € 55,– + Versand<br />

Die Preise enthalten bei Lieferung<br />

in EU-Staaten die Mehrwertsteuer,<br />

für alle übrigen Länder sind es<br />

Nettopreise. Mitglieder der GMA: 30%<br />

Ermäßigung auf den Heftbezugspreis.<br />

Bestellungen sind jederzeit über den<br />

Leserservice oder jede Buchhandlung<br />

möglich.<br />

Die Kündigungsfrist für Abonnementaufträge<br />

beträgt 8 Wochen zum<br />

Bezugsjahresende.<br />

Abonnement-/<br />

Einzelheftbestellung:<br />

Leserservice <strong>atp</strong><br />

Postfach 91 61, D-97091 Würzburg<br />

Telefon + 49 (0) 931 4170-1615<br />

Telefax + 49 (0) 931 4170-492<br />

E-Mail: leserservice@oiv.de<br />

Verantwortlich für<br />

den Anzeigenteil:<br />

Annemarie Scharl-Send<br />

Mediaberatung<br />

sales & communications Medienagentur<br />

Kirchfeldstraße 9, D-82284 Grafrath<br />

Tel. +49 (0) 8144 9 96 95 12<br />

Fax +49 (0) 8144 9 96 95 14<br />

E-Mail: ass@salescomm.de<br />

Anzeigenverwaltung:<br />

Brigitte Krawczyk<br />

Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-2 26<br />

Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 00<br />

E-Mail: krawczyk@oiv.de<br />

Druck:<br />

Druckerei Chmielorz GmbH<br />

Ostring 13<br />

D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt<br />

Gedruckt auf chlor- und<br />

säurefreiem Papier.<br />

Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />

Praxis – rtp“ gegründet.<br />

© 2011 Oldenbourg Industrieverlag<br />

GmbH München<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Mit Ausnahme<br />

der gesetzlich zugelassenen Fälle ist<br />

eine Verwertung ohne Ein willigung des<br />

Verlages strafbar.<br />

ISSN 2190-4111<br />

Die Ausgabe 7–8 / 2011 der<br />

erscheint am 28.7.2011<br />

Mit folgenden Beiträgen:<br />

Synergien zwischen<br />

Automatisierungstechnik<br />

und Medizintechnik<br />

Integriertes Engineering durch<br />

standardisierte Beschreibung<br />

mechatronischer Objekte<br />

Gewährleistung <strong>von</strong> Humansicherheit<br />

durch optische<br />

Arbeitsraumüberwachung<br />

Modellunterstützung bei<br />

der Modernisierung <strong>von</strong><br />

Automatisierungssystemen<br />

...und vielen weiteren Themen.<br />

Aus aktuellem Anlass können sich die Themen<br />

kurzfristig verändern.<br />

LeserService<br />

e-Mail:<br />

leserservice@oiv.de<br />

Telefon:<br />

+ 49 (0) 931 4170-1615<br />

66<br />

<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />

6 / 2011


Erreichen Sie die Top-Entscheider<br />

der Automatisierungstechnik.<br />

Sprechen Sie uns an wegen Anzeigenbuchungen<br />

und Fragen zu Ihrer Planung.<br />

Annemarie Scharl-Send: Tel. +49 (0) 8144 9 96 95 12<br />

E-Mail: ass@salescomm.de


A different perspective… www.keller-druck.com<br />

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