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EugEnE SoulEiman<br />
zählt zu den originellsten<br />
Haar-Stylisten, hat für<br />
Designer wie Haider Ackermann,<br />
Calvin Klein, Missoni, Prada<br />
<strong>und</strong> Jil Sander gearbeitet.<br />
Dabei ist er rein zufällig<br />
Friseur geworden, wie er<br />
DinoS CHapman verriet<br />
DINOS CHAPMAN: Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hattest du ziemlich<br />
kurzes Haar.<br />
EUGENE SOULEIMAN: Ich frisiere ständig andere Leute, deswegen will ich<br />
das nicht auch noch bei mir selbst tun. Ich mache mich nicht gerne zurecht.<br />
CHAPMAN: Das ist lustig.<br />
SOULEIMAN: Früher habe ich meine Haarfarbe ständig gewechselt. Ich hatte<br />
sie sogar mal im Leopardenmuster gefärbt. Irgendwann hat es gereicht.<br />
CHAPMAN: Du bist gerade in Melbourne, aber eigentlich lebst du in New<br />
York, oder?<br />
SOULEIMAN: Ja. Wir haben überlegt, zurück nach London zu ziehen, aber<br />
ich bekomme dort keine Aufträge.<br />
CHAPMAN: Wirklich? Was ist schiefgelaufen?<br />
SOULEIMAN: England ist eine unglaubliche Talentschmiede, aber tut sich<br />
schwer damit, die Talente dann zu halten. Sobald man Erfolg hat oder die Insel<br />
verlässt, hat man andere Ziele vor Augen.<br />
CHAPMAN: Ich habe manchmal Angst, dass ich mehr an London hänge, als<br />
mir guttut. Ich beneide Leute, die überall leben können <strong>und</strong> dort genauso gut<br />
funktionieren.<br />
SOULEIMAN: Bei mir wechselt der Arbeitsplatz ständig. Ich liebe das.<br />
CHAPMAN: Ich denke schon lange darüber nach, als Künstler in New York<br />
zu leben. Aber es verwirrt einfach, zu vielen Reizen ausgesetzt zu sein. Wenn jemand<br />
sagt: „Du machst immer die gleichen Sachen“, antworte ich: „Das ist eben<br />
mein Ding.“<br />
SOULEIMAN: Für mich ist es eine Genugtuung, wenn ich etwas richtig schnell<br />
mache. Wie zum Beispiel bei Lady Gaga. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der<br />
sich so viel bewegt, während er auf einem Stuhl sitzt. Ich habe ihr gesagt: „Deine<br />
Haare sind völlig kaputt von all den Perücken. Lass sie uns abschneiden.“ Es hat<br />
zehn Minuten gedauert.<br />
CHAPMAN: Wann hast du dir überlegt, dass du Haare schneiden willst?<br />
SOULEIMAN: Ich habe mir das nie überlegt. Du hast doch auch nie beschlossen,<br />
Künstler zu werden, oder?<br />
CHAPMAN: Ich wollte immer Künstler werden. Ich wusste nur nie, was das<br />
eigentlich heißt. Es war der Weg des geringsten Widerstands.<br />
SOULEIMAN: Bei mir war es genauso. Ich war arbeitslos, bin zum Amt gegangen<br />
<strong>und</strong> musste einen Fragebogen ausfüllen. Danach hieß es: „Sie wären ein<br />
toller Friseur.“<br />
CHAPMAN: Wahnsinn.<br />
SOULEIMAN: Warst du auf dem Goldsmiths College?<br />
CHAPMAN: Ich war auf dem Ravensbourne College of Arts. Keine besonders<br />
tolle Schule. Sie ist voll von Leuten, die sich nicht getraut haben, sich am Central<br />
Saint Martins College zu bewerben. So wie ich also.<br />
SOULEIMAN: Es hat dir anscheinend nicht geschadet. Warst du ein guter<br />
Schüler?<br />
CHAPMAN: Ich habe mich sehr angestrengt, aber niemand hat mit mir gesprochen.<br />
Ich stand jeden Tag vor dem Rektorat, wegen meiner Haare. Meine<br />
Eltern haben sich geweigert, sie abzuschneiden. Der Rektor hat immer versucht,<br />
mich deswegen vor den anderen runterzuputzen. Ich habe die Schule gehasst.<br />
SOULEIMAN: Du <strong>und</strong> dein Bruder Jake, Ihr seid tolle Künstler. Ihr habt so<br />
viele verschiedene Dinge gemacht – Skulpturen, Holzschnitte, Radierungen,<br />
Malerei, Zeichnungen, Maschinen. Es gibt nicht viele Künstler, die das können.<br />
CHAPMAN: Irgendwie sagt das mehr über andere Künstler aus als über uns<br />
selbst. Meiner Meinung nach sollte jeder Künstler alles ausprobieren.<br />
SOULEIMAN: Solange man nicht bereit ist, Fehler zu machen, wird man niemals<br />
etwas Neues erschaffen. Man muss darauf gefasst sein, sich zu blamieren.<br />
CHAPMAN: Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, Grenzen zu überschreiten. Das<br />
Leben wäre sonst ziemlich langweilig. Deshalb hat es sich auch gelohnt, mit einer<br />
dämlichen Frisur vor dem Rektorat rumzustehen.<br />
SOULEIMAN: Ich habe mich schon immer von dem inspirieren lassen, was<br />
andere Leute als geschmacklos empfinden. Ich glaube, in diesem Punkt ähneln<br />
wir uns. Guter Geschmack ist einfach nur guter Geschmack, da gibt es keine<br />
Überraschungen.<br />
CHAPMAN: Dinge, die etwas daneben sind, gefallen mir. Manchmal sind die<br />
Frisuren das Auffälligste bei einer Modenschau.<br />
SOULEIMAN: Ich finde es immer sehr amüsant, Leuten dabei zuzuhören, wie<br />
sie sich über Kunst unterhalten. Einmal habe ich in der Saatchi Gallery gehört, wie<br />
sich jemand über eines eurer Werke beschwert hat: „Das ist ja abstoßend! Nicht zu<br />
fassen.“ Ich saß grinsend daneben. Ich kam mir ein bisschen arrogant vor.<br />
CHAPMAN: Diese Leute sind schon beleidigt zur Welt gekommen. Wir<br />
schleichen uns manchmal in unsere Ausstellungen rein, um zu hören, was die<br />
Leute darüber reden. Manchmal würde man am liebsten zu ihnen gehen <strong>und</strong> sagen:<br />
„Brillant, so habe ich es noch gar nicht gesehen!“<br />
SOULEIMAN: Kunst sollte die Wertschätzung von Schönheit verändern.<br />
CHAPMAN: Genau. Wenn es nur darum geht, den kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner zu finden, kann man es sofort sein lassen.<br />
SOULEIMAN: Oder man fängt gar nicht erst damit an.<br />
Hair EUGENE SOULEIMAN FOR WELLA PROFESSIONALS/STREETERS<br />
Make-up PEP GAY FOR CHANEL/STREETERS<br />
Models MARIE PIOVESAN/MARILYN, HENNA<br />
LINTUKANGAS/FORD, MEGHAN COLLISON/NEXT<br />
Casting MICHELLE LEE/KCD, INC<br />
Photo Assistants SIMON RObERTS,<br />
HUAN NGUYEN, TEPPEI MARUOKA<br />
Styling Assistants ELLIE CAMPAGNA, KADEEM GREAVES<br />
Hair Assistants PAMELA bAUMGARTNER, YOKO SATO<br />
Retouching GLOSS STUDIO NEW YORK<br />
Special thanks INDUSTRIA SUPERSTUDIO<br />
Top<br />
Yves sAinT LAurenT<br />
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