atp edition Schnittstellen für das integrierte Engineering (Vorschau)
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1-2 / 2014<br />
56. Jahrgang B3654<br />
DIV Deutscher Industrieverlag GmbH<br />
Automatisierungstechnische Praxis<br />
<strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
<strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong> | 30<br />
Der Prolist-Workflow im<br />
eClass-Umfeld | 38<br />
FDI Usability Style Guide | 48<br />
Package-Unit-Integration<br />
in der Prozessindustrie | 56<br />
Trainingssimulation in der<br />
Prozessindustrie | 66
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update
EDITORIAL<br />
Industrie 4.0 in der<br />
Prozessindustrie?<br />
In diesem Heft geht es um <strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong>, Datenaustausch, Merkmalleisten<br />
und damit ist die von mir letztes Jahr an dieser Stelle angesprochene<br />
Fragestellung „Integration versus Flexibilität“ weiterhin aktuell. Die<br />
Diskussionen werden derzeit unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ geführt.<br />
Wesentliche Elemente von Industrie 4.0 sind die im „Abschlussbericht des<br />
Arbeitskreises Industrie 4.0“ genannte horizontale Integration entlang der<br />
Wertschöpfungskette, die vertikale Integration der Systeme und die Integration<br />
entlang des Lebenszyklus (<strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong>).<br />
Wo stehen wir in der Prozessindustrie? Macht uns „Industrie 4.0“ effizienter,<br />
schneller, flexibler, sicherer?<br />
Bei den klassischen kontinuierlichen Prozessanlagen sind wir bezüglich<br />
horizontaler und vertikaler Integration schon gut aufgestellt. Die vertikale<br />
Integration ist über die Feld-, Steuerungs-, Prozessleit- und Betriebsleitebene<br />
realisiert. Über die Prozessleitsysteme regeln wir auch den Gesamtprozess<br />
(horizontale Integration) und stellen eine effiziente Fahrweise sicher. Allerdings<br />
ist dieses Konzept nicht sehr flexibel, was Produktionsmengen und<br />
Produktwechsel angeht. Klassisch wurden daher in solchen Fällen die Produkte<br />
diskontinuierlich in Batch-Anlagen produziert. Die Anlagennutzung<br />
ist allerdings nicht sehr hoch und Umstellungen sind mit Ausbeuteverlusten<br />
verbunden. Hier kommen die neuen Entwicklungen der modularen, kontinuierlichen<br />
Anlagen (F3-Factory) ins Spiel. Die Flexibilität erzielt man dadurch,<br />
<strong>das</strong>s man die Module austauscht. Damit dieser Austausch einfach<br />
möglich ist, müssen die Module eine eigene Intelligenz besitzen und miteinander<br />
kommunizieren. Somit nähern sich bei modularen Anlagen die<br />
Strukturen der Prozessindustrie der Fertigungstechnik an, bei denen die<br />
Teile von Fertigungsinsel zu Fertigungsinsel wandern; mit den gleichen<br />
Fragestellungen.<br />
Und auch bei der dritten Dimension, der Integration entlang des Life Cycle,<br />
von der Entwicklung über <strong>das</strong> <strong>Engineering</strong>, Inbetriebnahme, Betrieb, Rückbau<br />
haben wir in der Prozessindustrie und in der Fertigungstechnik die<br />
gleichen Herausforderungen, zum Beispiel der konsistenten Datenhaltung.<br />
Hier sehen wir <strong>für</strong> die klassische Prozessanlagentechnik weiterhin <strong>das</strong> größte<br />
Optimierungspotenzial, weshalb wir als Thema der letztjährigen NAMUR-<br />
Hauptsitzung <strong>das</strong> Thema „Integrated <strong>Engineering</strong>“ gewählt haben.<br />
Im Zuge der oben beschriebenen Entwicklung modularer Anlagen wird<br />
uns aber auch <strong>das</strong> Thema „horizontale und vertikale Integration“ weiter<br />
beschäftigen, so <strong>das</strong>s wir an dem Thema „Industrie 4.0“ weiter mitarbeiten<br />
werden. Deshalb wundert es auch nicht, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Thema der NAMUR-Hauptsitzung<br />
2014 lautet: „Dezentrale Intelligenz“.<br />
DR. WILHELM<br />
OTTEN,<br />
Vorsitzender NAMUR<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
3
INHALT 1-2 / 2014<br />
VERBAND<br />
6 | Namur-Award 2014: Arbeiten zu „Intelligente<br />
Prozess- und Betriebsführung“ einreichen<br />
VDI-GVC: Claas-Jürgen Klasen beerbt Achim Noack<br />
Neuer Vorstand beim VDE Mikrosystemtechnik<br />
7 | Neue Kurse in diesem Jahr bei der Dechema <strong>für</strong><br />
Chemiker, Ingenieure und Biotechnologen<br />
BRANCHE<br />
8 | Alles begann mit dem Verstärkerbaustein:<br />
Hans Turck feiert 90. Geburtstag<br />
Spezialmesse <strong>für</strong> Mess- und Regeltechnik<br />
steigt am 26. März 2014 in Frankfurt<br />
Führungswechsel bei Lanxess<br />
FORSCHUNG<br />
9 | NI World Class 2014: Robotik-Wettbewerb<br />
sucht Teilnehmer aus Unis und Hochschulen<br />
TU Dresden kooperiert mit der Audi AG<br />
PRAXIS<br />
10 | Endress + Hauser stattet Pharma-Werk <strong>für</strong><br />
Infusionslösungen mit Messstellen aus<br />
12 | Kooperation: Differenzdruck-Transmitter<br />
erleichtert Integration in einen Durchflussregler<br />
14 | <strong>Engineering</strong> Base bündelt Informationen<br />
<strong>für</strong> kürzeren Ausschreibungsprozess<br />
18 | Parametrierbare Master Batch Records gleichen<br />
Prozesse ab und vereinfachen Implementierung<br />
20 | Technik-Kommunikation leicht gemacht:<br />
Cause-and-Effect-Diagramm als Lösungsansatz<br />
22 | Standardisierung mit eClass – Klassifizierung<br />
ermöglicht kürzeres Time-to-Market<br />
4<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
INTERVIEW<br />
26 | „Produkte mit bis zu 50 % Zeitersparnis<br />
einführen“<br />
ECKARD EBERLE UND HANS-GEORG KUMPFMÜLLER<br />
IM INTERVIEW MIT <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
Produkte,<br />
Systeme<br />
und Service<br />
<strong>für</strong> die<br />
Prozessindustrie?<br />
Natürlich.<br />
HAUPTBEITRÄGE<br />
30 | <strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
<strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong><br />
T. TAUCHNITZ<br />
38 | Der Prolist-Workflow im<br />
eClass-Umfeld<br />
J. GEORGE<br />
48 | FDI Usability Style Guide<br />
M. STÖSS, F. FENGLER, A. LAUBENSTEIN, L. URBAS<br />
56 | Package-Unit-Integration<br />
in der Prozessindustrie<br />
M. OBST, A. HAHN, L. URBAS<br />
66 | Trainingssimulation in der<br />
Prozessindustrie<br />
K. SCHULZE<br />
RUBRIKEN<br />
3 | Editorial<br />
74 | Impressum, <strong>Vorschau</strong><br />
Zum Beispiel der magnetischinduktive<br />
Durchflussmesser<br />
ProcessMaster. Er setzt neue<br />
Maßstäbe mit umfangreichen<br />
Diagnosemöglichkeiten, einer<br />
Messabweichung von 0,2 %,<br />
Explosionsschutz sowie der<br />
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VERBAND<br />
Namur-Award 2014: Arbeiten zu „Intelligente<br />
Prozess- und Betriebsführung“ einreichen<br />
Die Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik<br />
der Prozessindustrie (Namur) vergibt in 2014 erneut<br />
einen Preis <strong>für</strong> hervorragende Abschlussarbeiten zum<br />
Thema „Intelligente Prozess- und Betriebsführung“. Die<br />
Arbeiten können aus folgenden Fachgebieten stammen:<br />
Automatisierungstechnik, Elektrotechnik, Informationstechnik,<br />
Mess-, Regelungstechnik, Prozessleittechnik<br />
sowie Verfahrenstechnik. Lehrstuhlinhaber entsprechender<br />
Fachgebiete sollten formlos Anträge <strong>für</strong> die<br />
beste Abschlussarbeit einreichen. Um die Bewerbung<br />
zu unterstützen, können außerdem zugehörige Veröffentlichungen<br />
eingereicht werden. Die Namur nimmt<br />
die Anträge per E-Mail an office@namur.de entgegen.<br />
Die Auszeichnung <strong>für</strong> die beste Promotionsarbeit ist<br />
mit 2000 Euro dotiert. Für die beste Diplom-/Masterarbeit<br />
gibt es 1000 Euro. Einsendeschluss ist am 27. Juni<br />
2014. Die Lehrstuhlinhaber werden am 15. Oktober 2014<br />
benachrichtigt, ob ihre Bewerbung erfolgreich war. Die<br />
Preisverleihung erfolgt bei der Namur-Hauptsitzung am<br />
7. November 2014. (aha)<br />
VOR RUND 600 TEILNEHMERN werden die<br />
Namur-Award-Preisträger bei der Hauptsitzung im<br />
November ausgezeichnet. Bild: Archiv/Purschwitz<br />
NAMUR GESCHÄFTSSTELLE,<br />
c/o Bayer Technology Services, Gebäude K 9,<br />
D-51368 Leverkusen, Tel. +49 (0) 214 307 10 34,<br />
E-Mail: office@namur.de, Internet: www.namur.de<br />
VDI-GVC: Claas-Jürgen Klasen beerbt Achim Noack<br />
Die Nachfolge von Dipl.-Ing. Achim Noack im Vorsitz<br />
der VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen<br />
(VDI-GVC) tritt in diesem Jahr Dr.-<br />
Ing. Claas-Jürgen Klasen an. Als Projektdirektor der Evonik<br />
Degussa Co. Ltd. Shanghai war Klasen in den Jahren<br />
2006 bis 2009 verantwortlich <strong>für</strong> den Aufbau der Methacrylat-Anlage<br />
in China. Er leitet seit 2009 die Verfahrenstechnik<br />
und <strong>Engineering</strong> der Evonik Industries. Praxisbezogene<br />
Weiterbildungen, übernehmensübergreifender<br />
Erfahrungsaustausch und <strong>das</strong> vertrauensvolle Netzwerk<br />
in der Produktion sollen die Arbeit von Klasen künftig<br />
auszeichen. Neben dem Fachbereich „Betrieb verfahrenstechnischer<br />
Anlagen“ informieren „Verfahrenstechnische<br />
Prozesse“ und „Verfahrenstechnische Anlagen“,<br />
koordiniert von der Processnet, Ingenieure über Neuigkeiten<br />
in der Verfahrenstechnik. <br />
(ahü)<br />
VDI VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE E.V.,<br />
VDI-Platz 1, D-40468 Düsseldorf,<br />
Tel. +49 (0) 211 621 40, Internet: www.vdi.de<br />
Neuer Vorstand beim VDE Mikrosystemtechnik<br />
Prof. Dr. Christoph Kutter, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung<br />
<strong>für</strong> Modulare Festkörper-Technologien<br />
EMFT, ist seit Anfang des Jahres im neuen Vorstand der<br />
VDE/VDI-Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystemund<br />
Feinwerktechnik (GMM). Auch Stellvertreter wurden<br />
neu bestimmt. Dr. Udo-Martin Gómez, Chief Technical<br />
Officer der Bosch Sensortech GmbH und Prof. Dr.<br />
Wilfried Mokwa, Leiter des Lehrstuhls I des Instituts <strong>für</strong><br />
Werkstoffe und Elektrotechnik an der RTWH Aachen<br />
nehmen diesen Posten nun ein.<br />
Zum Vorstand gehören weiterhin: Prof. Dr.-Ing. Udo<br />
Bechtloff, Vorsitzender der Geschäftsführung der KSG<br />
Leiterplatten GmbH, Dr. Tim Gutheit, Senior Director<br />
Technology & Innovation Automotive der Infineon Technologies<br />
AG, Prof. Dr.-Ing. Gernot Spiegelberg, Leiter<br />
Konzeptentwicklung Elektromobilität der Siemens AG<br />
Corporate Technology, und Prof. Dr. Marc Weber, Leiter<br />
des Instituts <strong>für</strong> Prozessdatenverarbeitung und Elektronik<br />
des Karlsruher Instituts <strong>für</strong> Technologie. (ahü)<br />
VDE/VDI-GESELLSCHAFT MIKROELEKTRONIK,<br />
Mikrosystem- und Feinwerktechnik (GMM),<br />
Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt/Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com<br />
6<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Neue Kurse in diesem Jahr bei der Dechema <strong>für</strong><br />
Chemiker, Ingenieure und Biotechnologen<br />
Die Gesellschaft <strong>für</strong> Chemische Technik und Biotechnologie<br />
(Dechema) bietet <strong>für</strong> 2014 zusätzlich zum<br />
bestehenden Kursangebot neue Seminare an. Die Kurse<br />
geben Chemikern, Ingenieuren und Biotechnologen die<br />
Möglichkeit, sich weiterzubilden. Veranstaltungsort ist<br />
jeweils Frankfurt am Main.<br />
Im Kurs „Prozesstechnische Auslegung von Wärmeübertragern“<br />
(19. bis 21. März 2014) lernen die Seminarteilnehmer<br />
Wärmeübertrager, Kondensatoren und Verdampfer<br />
auszuwählen und prozesstechnisch zu dimensionieren.<br />
Vom 7. bis 8. Mai 2014 bietet die Dechema den<br />
englischsprachigen Kurs Electrochemical Impedance<br />
Spectroscopy (EIS) an. Im Experimentalkurs werden die<br />
Grundlagen der EIS in Theorie und Praxis vermittelt.<br />
Die Optimierung von Prozessen steht vom 19. bis 20.<br />
Mai 2014 im Mittelpunkt. Im Kurs Scale-up in der Verfahrenstechnik<br />
wird die Dimensionsanalyse als Methode<br />
<strong>für</strong> ein Scale-up präsentiert und eingeübt.<br />
Vom 7. bis 8. Juli 2014 haben Teilnehmer die Möglichkeit,<br />
die Grundlagen der Open-Source-Programmiersprache<br />
Python zu erlernen. Der Kurs Introduction<br />
to Python for Biosciences wird ebenfalls in englischer<br />
Sprache abgehalten. Schließlich geht es vom<br />
24. bis 25. Juli 2014 um Produktentwicklung. Im<br />
IN 2014 bietet die<br />
Dechema noch mehr<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong><br />
Chemiker, Ingenieure<br />
und Biotechnologen.<br />
Bild: Carsten Böttcher / pixelio.de<br />
gleichnamigen Seminar gehen die Teilnehmer im Zeitraffer<br />
den Weg von der Analyse der Kundenbedürfnisse,<br />
über die Festlegung einer vorübergehenden<br />
Produktspezifikation, zur Ideenentwicklung und Auswahl<br />
der Produktkonzepte und Festlegung der endgültigen<br />
Produktspezifikation und Entwicklung des<br />
Herstellprozesses.<br />
(aha)<br />
DECHEMA GESELLSCHAFT FÜR CHEMISCHE TECHNIK<br />
UND BIOTECHNOLOGIE E.V.,<br />
Theodor-Heuss-Allee 25, D-60486 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 756 40, Internet: www.dechema.de<br />
HANNOVER MESSE 2014<br />
Intelligente Automation und IT<br />
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7.– 11. April 2014<br />
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BRANCHE<br />
Alles begann mit dem Verstärkerbaustein:<br />
Hans Turck feiert 90. Geburtstag<br />
Hans Turck, Mitbegründer des Industrieunternehmens<br />
Turck, beging am 9. Januar 2014 seinen 90.<br />
Geburtstag. Turck, der nach seinem Rückzug aus dem<br />
Unternehmen im Jahr 1998 abwechselnd in Mülheim<br />
an der Ruhr und in Kapstadt lebt, beging den Tag gemeinsam<br />
mit seiner Frau in seiner südafrikanischen<br />
Wahlheimat.<br />
Nach Abschluss seines Ingenieur-Studiums im Jahr<br />
1950 sammelte er zunächst zehn Jahre Vertriebserfahrung,<br />
bevor er sich mit einem Ingenieurbüro in Mülheim<br />
selbständig machte, aus dem später die Hans<br />
Turck GmbH & Co. KG hervorging. 1965 verkaufte er<br />
<strong>das</strong> erste eigene Produkt: einen Verstärkerbaustein,<br />
den sein Bruder Werner im sauerländischen Halver<br />
produzierte.<br />
Seit 1968 unterstützte Hermann<br />
Hermes als Partner die Aktivitäten<br />
des Unternehmens. So gründete<br />
Turck 1975 eine Niederlassung in<br />
den USA. Heute beschäftigt die<br />
Turck-Gruppe in 27 Landesgesellschaften<br />
mehr als 3.350 Mitarbeiter.<br />
Der Gruppenumsatz lag 2013 bei<br />
rund 450 Millionen Euro. (aha)<br />
HANS TURCK GMBH & CO. KG,<br />
Witzlebenstraße 7,<br />
D-45472 Mülheim an der Ruhr,<br />
Tel. +49 (0) 208 495 20,<br />
Internet: www.turck.com<br />
HANS TURCK<br />
feierte sein persönliches<br />
Jubiläum<br />
am 9. Januar 2014<br />
in Kapstadt.<br />
Bild: Turck<br />
Spezialmesse <strong>für</strong> Mess- und Regelungstechnik<br />
steigt am 26. März 2014 in Frankfurt<br />
Die regionale Fachmesse <strong>für</strong> Prozessleitsysteme öffnet<br />
am 26. März 2014 in Frankfurt am Main wieder<br />
ihre Pforten. In der Jahrhunderthalle in Frankfurt-<br />
Höchst organisiert die Meorga die Ausstellung mit 150<br />
Firmen, die Beratung und Produkte aus der Mess-,<br />
Steuer-, Regelungs- und Automatisierungstechnik anbieten.<br />
In der Zeit von 8 bis 16 Uhr können sich interessierte<br />
Besucher über Geräte, Systeme, <strong>Engineering</strong>und<br />
Serviceleistungen sowie neue Trends im Bereich<br />
der Automatisierung informieren. Die Messe richtet<br />
sich dabei vora llem an Fachleute und Entscheidungsträger,<br />
die in ihren Unternehmen <strong>für</strong> die Optimierung<br />
der Geschäftsprozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
verantwortlich sind. Der Eintritt zur<br />
Messe und die Teilnahme an den Workshops sind <strong>für</strong><br />
Besucher kostenlos. Kleine Snacks und Erfrischungsgetränke,<br />
die gratis bereit gestellt werden, sorgen <strong>für</strong><br />
die nötige Erholung zwischendurch. <br />
(ahü)<br />
MEORGA GMBH,<br />
Sportplatzstraße 27, D-66809 Nalbach,<br />
Tel. +49 (0) 6838 896 00 35,<br />
Internet: www.meorga.de<br />
DER EINTRITT<br />
der Regionalmesse<br />
<strong>für</strong><br />
Fachleute ist<br />
kostenfrei.<br />
Bild: Meorga<br />
Führungswechsel bei Lanxess<br />
8<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
Axel C. Heitmann beendet zum Ende Februar 2014<br />
seine Tätigkeit als Mitglied und Vorsitzender des<br />
Vorstands von Lanxess. Das hat der Aufsichtsrat des<br />
Unternehmens beschlossen. Sein Nachfolger wird<br />
voraussichtlich zum 15. Mai 2014 Matthias Zachert,<br />
der früherere Finanzvorstand bei Lanxess und derzeitiger<br />
Finanzvorstand bei Merck. Bis zum Eintritt<br />
von Zachert übernimmt Bernhard Düttmann, Finanzvorstand<br />
des Konzerns, die Aufgaben des bisherigen<br />
Vorstandsvorsitzenden.<br />
„Lanxess steht vor großen Herausforderungen, beispielsweise<br />
hinsichtlich Marktkapazitäten und Geschäftsportfolio.<br />
Der Aufsichtsrat<br />
hält deswegen den Zeitpunkt<br />
<strong>für</strong> gekommen, einer neuen Führung<br />
Verantwortung zu übertragen,<br />
um diesen Herausforderungen<br />
zu begegnen“, sagte Rolf<br />
Stomberg, Vorstitzender des Aufsichtsrats.<br />
(aha)<br />
LANXESS AG,<br />
Kennedyplatz 1, D-50569 Köln,<br />
Tel. +49 (0) 221 888 50<br />
VORAUSSICHTLICH<br />
AM 15. MAI 2014 tritt<br />
Matthias Zachert<br />
(Bild) die Nachfolge<br />
von Axel C. Heitmann<br />
an. Bild: Lanxess
FORSCHUNG<br />
NI World Class 2014: Robotik-Wettbewerb<br />
sucht Teilnehmer aus Unis und Hochschulen<br />
Praktische Erfahrung in den Bereichen Robotik, Regelungstechnik,<br />
Bildverarbeitung und Messtechnik sammeln<br />
Teilnehmer der National Instruments World Class,<br />
die vom 21. bis 26. Juli 2014 in München stattfindet. National<br />
Instruments, der Anbieter von Software, richtet den<br />
Robotik-Workshop aus. Mit spezieller Hard- und Software<br />
ausgestattet, lernen die Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaft<br />
einen Roboter so zu programmieren, <strong>das</strong>s<br />
er an einem Wettbewerb teilnehmen kann. „Mein größter<br />
Lerneffekt war, selber zu programmieren und die Hardware<br />
anzusteuern,“ so Anna, Teilnehmerin der NI World<br />
Class 2013. Die Studenten lernen Strategien kennen, wie<br />
sie ein Projekt von der Planung bis zur Realisierung<br />
durchführen. Damit sie optimal auf die Aufgabe vorbereitet<br />
sind, ermöglicht der Veranstalter allen Teilnehmern<br />
im Vorfeld den kostenfreien Besuch eines Trainingskurses<br />
zu NI Lab View. Zudem kommt der Veranstalter <strong>für</strong> Fahrtkosten<br />
sowie Unterbringung und Verpflegung während<br />
der gesamten fünf Tage auf. Bewerbungsschluss ist der<br />
DIE NÄCHSTE<br />
NI WORLD<br />
CLASS findet<br />
vom 21. bis 26.<br />
Juli 2014 in<br />
München statt.<br />
Bild: NI<br />
25. April 2014. Das Bewerbungsformular, aktuelle Informationen<br />
sowie Bilder der vergangenen NI World Class sind<br />
online verfügbar unter: www.niworldclass.com. (ahü)<br />
NATIONAL INSTRUMENTS GERMANY GMBH,<br />
Ganghoferstraße 70 b, D-80339 München,<br />
Tel. +49 (0) 89 741 31 30, Internet: www.ni.com/germany<br />
TU Dresden kooperiert mit der Audi AG<br />
Um Leichtbau und Fertigungstechnik soll es am neu<br />
gegründeten „Ingolstadt Institute der Technischen<br />
Universität (TU) Dresden“ gehen. Am 28. Januar 2014<br />
unterzeichneten die Audi AG und die Uni den entsprechenden<br />
Vertrag. „Mit der TU Dresden gewinnen wir<br />
eine Exzellenzuniversität als strategischen Partner, der<br />
über ein profundes wissenschaftliches Know-how in der<br />
Automobiltechnik verfügt“, sagt Prof. Dr.-Ing. Ulrich<br />
Hackenberg, Vorstand der Technischen Entwicklung der<br />
AG. Prof. Dr. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU<br />
Dresden, betont: „Wir wollen ein Kompetenzzentrum<br />
schaffen, in dem Wissenschaft und Praxis eng vernetzt<br />
sind. Eine Besonderheit ist dabei die interdisziplinäre<br />
Ausrichtung, denn an der Gründung sind Wissenschaftler<br />
verschiedener Fakultäten beteiligt. Neben Physikern,<br />
Elektrotechnikern und Maschinenbauern werden auch<br />
Psychologen und Verkehrswissenschaftler gemeinsam<br />
an Themen rund um den Automobilbau arbeiten.“ Insgesamt<br />
vier Doktoranden aus Dresden befassen sich derzeit<br />
mit Projekten des Ingolstädter Autobauers. (ahü)<br />
TU DRESDEN,<br />
Helmholtzstraße 10, D-01069 Dresden,<br />
Tel.+49 (0) 351 46 33 70 44, Internet: www.tu-dresden.de<br />
INTELLIGENT FIELdbus<br />
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1-2 / 2014<br />
9
PRAXIS<br />
Endress + Hauser stattet Pharma-Werk <strong>für</strong><br />
Infusionslösungen mit Messstellen aus<br />
Informationsportal ermöglicht Direktzugriff auf Dokumentation aller Messgeräte<br />
IN EINEM NEUEN WERK „LIFE NUTRITION“ sind beim<br />
Pharma- und Medizintechnikunternehmen B. Braun neue<br />
Abfüllungslinien <strong>für</strong> die klinische Ernährung entstanden.<br />
DIE NACH ISO/IEC 17025 durchgeführten<br />
Kalibrierungen erfolgten mit eigenen Referenzgeräten,<br />
teilweise <strong>für</strong> die kompletten Messstellen-Loops.<br />
E<br />
ntwicklung und Produktion von innovativen Infusionslösungen<br />
<strong>für</strong> den Weltmarkt sind <strong>das</strong> Ziel<br />
von B. Braun Melsungen. Da<strong>für</strong> investiert <strong>das</strong> Pharmaund<br />
Medizintechnikunternehmen in <strong>das</strong> Projekt Life<br />
Nutrition. Die Leading Infusion Factory Europe (L.I.F.E.)<br />
wurde im April 2005 offiziell eröffnet.<br />
In dem Werk „Life Nutrition“ sind neue Linien zur<br />
Beutelabfüllung entstanden. Künftig werden darin Lösungen<br />
<strong>für</strong> die klinische Ernährung abgefüllt. Das Projekt<br />
mit einer Investitionssumme von 164 Millionen<br />
Euro wurde im April 2008 gestartet. Schon während der<br />
Vergabeverhandlungen formulierten B. Braun und <strong>das</strong><br />
<strong>für</strong> die Generalplanung des Prozesses verantwortliche<br />
Ingenieurunternehmen Chemgineering Technology die<br />
Anforderung an potenzielle Messtechnik-Lieferanten:<br />
Zum einen war ein Komplettanbieter gefordert, der möglichst<br />
alle Messparameter liefern kann, zum anderen<br />
sollte der Anbieter im Rahmen der Qualifizierung die<br />
Erstkalibrierung GMP gerecht durchführen können. Zusätzlich<br />
wurde <strong>für</strong> die Qualitätssicherung und <strong>für</strong> spätere<br />
Instandhaltungstätigkeiten eine sichere Lösung zur<br />
Verfolgung der Gerätedokumentationen gefordert.<br />
GESAMTES PROJEKT IN EINER HAND<br />
Die Wahl fiel schließlich auf Endress + Hauser. Über<br />
700 Messstellen der Prozessparameter Durchfluss,<br />
Füllstand, Grenzstand, Druck, Temperatur und Leitfähigkeit<br />
wurden <strong>für</strong> die Bereiche Water For Injection<br />
(WFI) und Schwarzmedien eingesetzt. Praxisbewährtheit,<br />
Langzeitstabilität sowie die Erfüllung<br />
der GMP- und FDA-Anforderungen waren hier die<br />
Hauptkriterien des Kunden. Eine schnelle und qualitativ<br />
hochwertige Planung bei der Hardwareprojektierung<br />
bildete auch bei Life Nutrition die Basis <strong>für</strong><br />
einen nachhaltigen Projekterfolg. Auf Grundlage des<br />
vom Ingenieurunternehmen vorgelegten Lastenheftes<br />
erfolgte die Auswahl geeigneter Messprinzipien<br />
und später dann im Detail-<strong>Engineering</strong> die<br />
exakte Auslegung und Erstellung der entsprechenden<br />
Messstellenlisten. Entscheidende Erfolgsfaktoren<br />
<strong>für</strong> einen reibungslosen <strong>Engineering</strong>prozess<br />
sind hier ein fundiertes Applikationswissen, Technologiekenntnisse<br />
sowie tiefgreifendes Industrie<br />
Know-how gewesen.<br />
AKKREDITIERTE GMP-SERVICES<br />
Ein weiterer Anspruch des Kunden lautete: Um eine<br />
reibungslose Qualifizierung der Messtechnik ohne<br />
weitere <strong>Schnittstellen</strong> zu externen Dienstleistern zu<br />
gewährleisten, sollte der Lieferant der Messtechnik<br />
auch die Erstkalibrierung <strong>für</strong> alle Messstellen durchführen<br />
können. Die Kalibrierung selbst erfolgte dann<br />
10<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
CRISTINA MOLINA, Project Manager bei B. Braun<br />
Melsungen: „Überzeugt hat uns die große Produktauswahl<br />
in GMP-Qualität und <strong>das</strong> fundierte<br />
Applikationswissen von Endress + Hauser, was sich<br />
später in der unkomplizierten und effizienten Projektabwicklung<br />
widerspiegelte.“ Bilder: Endress + Hauser<br />
schließlich durch <strong>das</strong> Endress + Hauser Kalibrierteam.<br />
Durch die bisherige gute Zusammenarbeit in<br />
vergangenen Projekten war <strong>das</strong> Team mit organisatorischen<br />
Abläufen, Ansprechpartnern und örtlichen<br />
Gegebenheiten bereits vertraut. Die nach ISO/IEC<br />
17025 durchgeführten Kalibrierungen erfolgten mit<br />
eigenen Referenzgeräten, teilweise <strong>für</strong> die kompletten<br />
Messstellen-Loops.<br />
GERÄTEDOKUMENTATION MIT WAM PORTAL<br />
Letztendlich ausschlaggebend <strong>für</strong> die Auftragsvergabe<br />
war jedoch neben den umfangreichen GMP-Services ein<br />
leistungsstarkes Werkzeug zum Management der Gerätedokumentationen.<br />
Mit dem WaM Portal, einem webbasierten Informationsportal,<br />
konnten dem Planer und dem Kunden<br />
durchgängige Informationen entlang des kompletten<br />
Anlagen-Lebenszyklus zur Verfügung gestellt werden.<br />
Das Portal ermöglicht einen Direktzugriff auf die Dokumentation<br />
sämtlicher in <strong>das</strong> Projekt gelieferter<br />
Messgeräte. Dies erleichterte Qualitätsprozesse im<br />
Projekt schon bei der Wareneingangskontrolle. Vorgesehen<br />
ist zusätzlich <strong>das</strong> Einpflegen aller erstellten<br />
Kalibrierzertifikate. Bei Instandhaltungstätigkeiten<br />
und bei externen Audits können damit Zertifikate<br />
leicht abgerufen werden.<br />
Der Schlüssel zum Erfolg ist ein schneller Zugriff auf<br />
Informationen, immer dann, wenn diese benötigt<br />
werden. WaM schafft diese Voraussetzung über die<br />
Prozesse <strong>Engineering</strong>, Beschaffung, Installation,<br />
Inbetriebnahme und Betrieb hinweg und bietet daher ein<br />
großes Potenzial, Kosten zu senken. Mit WaM steht ein<br />
offenes und leistungsstarkes Werkzeug <strong>für</strong> den<br />
gesamten Anlagen-Lebenszyklus zur Verfügung.<br />
WaM kann entweder auf einem Rechner oder einem<br />
zentralen Server im Unternehmensnetzwerk installiert<br />
oder über ein Internetportal zur Verfügung gestellt<br />
werden. Über <strong>das</strong> Internet können Informationen zu<br />
Endress + Hauser-Produkten bei beiden Varianten<br />
automatisch aktualisiert werden. Ein Download neuer<br />
Gerätedaten aus dem WaM Portal garantiert die<br />
Aktualität sämtlicher Daten.<br />
AUTOR<br />
THOMAS KAUFMANN<br />
ist Produktmanager<br />
Life Cycle Management<br />
Endress + Hauser in<br />
Weil am Rhein.<br />
Endress + Hauser Messtechnik GmbH + Co. KG,<br />
Colmarer Straße 6,<br />
D-79576 Weil am Rhein,<br />
Tel. +49 (0) 7621 975 01,<br />
E-Mail: thomas.kaufmann@de.endress.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
11
PRAXIS<br />
Kooperation: Differenzdruck-Transmitter<br />
erleichtert Integration in einen Durchflussregler<br />
Überdruckfester Durchflussregler – flexibel durch Digitalisierung<br />
Schon in der Phase der Produktentwicklung führen<br />
enge Absprachen zum Beispiel zwischen einem<br />
Komponenten- und einem Gerätehersteller zu besseren<br />
Lösungen. Hier ist Flexibilität auf beiden Seiten und<br />
vor allem die digitale Signalaufbereitung von Vorteil.<br />
Dies zeigt <strong>das</strong> folgende Beispiel eines Differenzdruck-<br />
Messmoduls, <strong>das</strong> mittlerweile vielfach in einem Durchflussregler<br />
zum Einsatz kommt, der <strong>für</strong> die Prozessmesstechnik<br />
auf Kundenanfrage entwickelt wurde.<br />
Für die Blechbearbeitung wird ein Sprühsystem benötigt,<br />
<strong>das</strong> eine exakte Dosierung von Schmierstoffen<br />
ermöglicht. Diese Applikation stand am Anfang der<br />
Entwicklung einer Liquid Flow Controller Serie von<br />
Bürkert und diente als Pilotprojekt. Sensorik, Regelelektronik,<br />
Stellglied und die üblichen elektrischen Prozessschnittstellen<br />
waren in einem kompakten Gerät<br />
unterzubringen, <strong>das</strong> – wie meist in der Prozessmesstechnik<br />
– <strong>für</strong> sorglosen Dauerbetrieb auszulegen war.<br />
DURCHFLUSSMESSUNG PER DIFFERENZDRUCK<br />
Aus Gründen der eher robusten Prozessumgebung und<br />
der allgemeinen Betriebssicherheit fiel die Entscheidung<br />
zugunsten einer Messung der Durchflussmenge über den<br />
Druckabfall des Messmediums beim Passieren einer<br />
Messblende mit definiertem Durchmesser, und zwar mit<br />
zwei individuellen Drucksensoren. In diesem Planungsstadium<br />
kamen die bereits guten Kontakte zur Deutschen<br />
Niederlassung des schweizer Unternehmens Keller<br />
<strong>für</strong> Druckmesstechnik ins Spiel. „Wir hatten damals<br />
mit der Serie PD-39X nämlich bereits einen Druckdifferenz-Transmitter<br />
vorgestellt, der die wichtigsten der<br />
geforderten Eigenschaften – insbesondere bezüglich<br />
Überlastbarkeit – bereits liefern konnte“, erinnert sich<br />
Geschäftsführer Wolfgang Braun.<br />
GESAMTFEHLERBAND VON ± 0,1 % FS<br />
Bei üblichen Differenzdruck-Transmittern werden beide<br />
Seiten einer Messmembran mit dem Messmedium beaufschlagt.<br />
Mit typischen Messbereichen von 500 mbar<br />
und Systemdrücken bis 10 bar könnte die einseitige Unterbrechung<br />
der Druckbelastung dazu führen, <strong>das</strong>s eine<br />
20-fache Überlastung der Membran entsteht. Die lässt<br />
sich ohne aufwendige und entsprechend teure konstruktive<br />
Maßnahmen nicht auffangen und führt zwangsläufig<br />
zur Zerstörung des Transmitters. Solche Risiken<br />
wollten die Spezialisten <strong>für</strong> Fluid Control Systems bei<br />
Bürkert ausschließen und waren deshalb sehr an dem<br />
Modul zur Messung der Druckdifferenz interessiert.<br />
Die Differenzdruck-Transmitter arbeiten mit zwei<br />
selektierten, gekapselten Silizium-Drucksensoren, die<br />
in etwa 20 mm Abstand montiert werden. Sie liefern<br />
ihre jeweiligen Ausgangssignale an die Eingänge eines<br />
Xemics-Mikroprozessors, mit dessen Rechenleistung<br />
nach einer komfortablen 16 bit A/D-Wandlung alle reproduzierbaren<br />
Nichtlinearitäten und Temperaturabhängigkeiten<br />
mit mathematischen Mitteln weitestgehend<br />
eliminiert werden. Mit diesem Verfahren erreicht<br />
Keller bei seinen Druckdifferenz-Transmittern ein Gesamtfehlerband<br />
von besser als ± 0,1% FS über weite<br />
Temperaturbereiche. Das analoge Ausgangssignal des<br />
Moduls wird bis zu 200 Mal in der Sekunde aktualisiert<br />
und liefert eine gute Dynamikreserve <strong>für</strong> den Folgeprozess.<br />
Als Daumenregel lässt sich sagen, <strong>das</strong>s der Messbereich<br />
bei dieser Art von Differenzdruckmessung etwa<br />
20% des Vordrucks betragen sollte.<br />
Neben den zahlreichen analogen Standardsignalen von<br />
4 … 20 mA und 0 … 10 V bietet der Prozessor eine digitale<br />
RS485 Halbduplex-Schnittstelle. Über diese Schnittstelle<br />
können unter anderem die Druck- und Temperaturmesswerte<br />
der individuellen Sensoren ausgegeben werden,<br />
also nicht nur die Werte der Druckdifferenz. Durch<br />
die Digitalisierung ist die Spanne des analogen Ausgangssignals<br />
flexibel an die gewünschte Spanne des Eingangssignals<br />
(Druckdifferenz) anzupassen.<br />
Am Ende der Gespräche zwischen Keller und Bürkert<br />
und einer Vielzahl von Tests stand eine Liefervereinbarung<br />
über Differenzdruck-Messmodule, die der gemeinsam<br />
ausgearbeiteten Spezifikation entsprechen.<br />
Seither sind die Liquid Flow Controller in verschiedensten<br />
Applikationen im Dauerbetrieb.<br />
Der mechanische Anschluss der Drucksensoren an<br />
den Hauptkanal des Durchflussreglers erfolgt übrigens<br />
jeweils über eine durch einen definierten Spülprozess<br />
zu entlüftende Kapillare, die auch gleichzeitig als Tiefpassfilter<br />
<strong>für</strong> Druckspitzen ausgelegt ist. Bis auf die<br />
Dichtungsringe sind alle vom Messmedium berührten<br />
Teile aus Edelstahl.<br />
AUSFÜHRUNG NACH KUNDENWUNSCH<br />
Die Liquid Flow Controller werden bei Bürkert als Prozessmessgeräte<br />
kundenspezifisch <strong>für</strong> jeden konkreten<br />
Einsatz nach Auftrag gefertigt. Mit nur drei unterschiedlich<br />
bestückten Druckdifferenz-Transmittern lassen sich<br />
je nach Vordruck Durchflussendwerte zwischen 0,9 l/h<br />
und 36 l/h realisieren. Die Feinabstimmung der Messbereiche<br />
erfolgt über die speziellen, im Strömungskanal<br />
<strong>integrierte</strong>n Blenden – wobei die angestrebte Differenz<br />
von Eingangsdruck und Ausgangsdruck bei typischen<br />
500 mbar liegt.<br />
Schließlich setzten die Konstrukteure bei Keller weitere<br />
Details nach Kundenwunsch um: Das Lieferformat<br />
der flexiblen Platine mit den Details der elektrischen<br />
Anschlüsse sowie die mechanische Einbindung wurden<br />
ebenso gemeinsam spezifiziert wie <strong>das</strong> Ausgangssignal<br />
beim Nenndurchfluss, <strong>das</strong> jetzt mit 2,5 V deutlich<br />
von der Katalogware abweicht.<br />
Durch die digitalisierte Signalverarbeitung und die<br />
digitale Schnittstelle des Mikroprozessors stehen die<br />
individuellen Sensorsignale <strong>für</strong> den Eingangsdruck<br />
und Ausgangsdruck zur Verfügung und können im<br />
Durchflussregler intern genutzt werden um Grenzwerte<br />
zu setzen, Überlastungen zu detektieren oder andere<br />
12<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
LIQUID FLOW CONTROLLERS<br />
von Bürkert im Einsatz<br />
Querschnitt eines LiQuid FLow controLLers<br />
Anschlussstecker <strong>für</strong><br />
Sollwert, Istwert,<br />
Betriebsspannung etc.<br />
Regelelektronik<br />
Proportionalventil<br />
Feldbusstecker<br />
Durchflusssensor<br />
Edelstahlgrundkörper<br />
Fluidischer Eingang<br />
mit integr. Filter<br />
SCHEMA-<br />
TISCHER<br />
QUERSCHNITT<br />
eines<br />
Liquid Flow<br />
Controllers<br />
KELLER DOPPELSENSOR-MODUL<br />
Serie PD-9 FLX, mit Elektronik<br />
Bilder: Keller<br />
FUNKTIONSPRINZIP DER MESSWERTERFASSUNG: Gemessen<br />
wird nach dem Differenzdruckverfahren. Eine Blende im Hauptkanal<br />
erzeugt bei Durchfluss einen Druckabfall, welcher von dem<br />
vorhandenen Differenzdrucksensor erfasst wird. Der Differenzdrucksensor<br />
liefert ein präzises und temperaturkompensiertes<br />
Messsignal, aus dem der Durchfluss berechnet wird.<br />
Diagnosefunktionen zu realisieren. Bei der Kalibrierung<br />
der Durchflussmessung (üblicherweise mit Wasser<br />
oder einer Flüssigkeit, die eine ähnliche Viskosität wie<br />
die Prozessflüssigkeit hat) können die Kalibrierdaten<br />
im Prozessor des Differenzdruck-Transmitters komplett<br />
neu parametriert werden. Das erlaubt einen Abgleich<br />
auf die ganz individuellen Prozesse der Kunden und<br />
damit <strong>für</strong> viele Anwender eine optimale Lösung.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
Zwei Spezialisten, einer <strong>für</strong> Durchflussregelung und<br />
einer <strong>für</strong> Druckmessung, konnten durch konstruktive<br />
Zusammenarbeit eine sehr konkrete Kundenanfrage gemeinsam<br />
lösen. Die auf einem Mikroprozessor aufbauende<br />
Signalverarbeitung des mit zwei Drucksensoren<br />
arbeitenden Differenzdruck-Transmitters von Keller hat<br />
die Integration in einen Durchflussregler <strong>für</strong> den Dauerbetrieb<br />
in der Prozesstechnik wesentlich vereinfacht<br />
und die Realisierung einer Reihe von Funktionalitäten<br />
ermöglicht. Das Modul zeigt sich in einer Reihe von Applikationen<br />
deutlich überlegen gegenüber klassischen<br />
Differenzdruck-Transmittern mit nur einer Membran,<br />
vor allem in Bezug auf Überlastbarkeit. Die Digitalisierung<br />
der Sensor-Signalverarbeitung bietet vor allem bei<br />
kundenspezifischen Anwendungen eine Reihe von Vorteilen,<br />
die sich auch in einer Gesamtkostenrechnung<br />
deutlich niederschlagen.<br />
AUTOR<br />
BERNHARD VETTERLI,<br />
Dipl. El.-Ing. HTL<br />
KELLER AG <strong>für</strong> Druckmesstechnik,<br />
St. Gallerstrasse 119,<br />
CH-8404 Winterthur,<br />
E-Mail: info@keller-druck.ch,<br />
Tel. +41 (0) 52 235 25 25<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
13
PRAXIS<br />
<strong>Engineering</strong> Base bündelt Informationen<br />
<strong>für</strong> kürzeren Ausschreibungsprozess<br />
Änderungen im Flowsheet werden automatisch in alle Datenblätter übernommen<br />
ZEITSPAREND: Neue Tendering-Lösung ermöglicht schnellere Erfolge bei der Ausschreibung. Bild: Aucotec<br />
Angebote einzuholen ist eine Wissenschaft <strong>für</strong> sich,<br />
besonders beim komplexen Anlagenbau. Schon die<br />
präzise Ausschreibung bedeutet eine Herausforderung<br />
wegen der großen Vielfalt an Komponenten. Das Vergleichen<br />
der Angebote ist eine Prozedur, die Wochen dauern<br />
kann. Einer der Gründe da<strong>für</strong> ist, <strong>das</strong>s die angefragten<br />
Komponenten selten exakt so angeboten werden wie<br />
ausgeschrieben. Der deutsche System-Entwickler Aucotec<br />
hat im Rahmen seiner Software-Plattform <strong>Engineering</strong><br />
Base ein Werkzeug entwickelt, <strong>das</strong> die Angebotsphase<br />
<strong>für</strong> Anlagenbetreiber und ihre Zulieferer vereinfacht<br />
und verkürzt. Die damit erarbeiteten Daten sind<br />
zudem durchgängig weiter <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Engineering</strong> nutzbar.<br />
HUNDERTE SPEZIFIKATIONSBLÄTTER<br />
Bislang sieht <strong>das</strong> Prozedere so aus: Das ausschreibende<br />
Unternehmen erstellt zunächst ein Verfahrensfließbild<br />
(Flowsheet oder Process Flow Diagram, PFD) und leitet<br />
daraus in der Regel Datenblätter ab zu all den Maschinen<br />
und Aggregaten, die es sich anbieten lassen möchte.<br />
Diese Datenblätter werden meist, aber nicht durchgängig,<br />
im xls-Format ausgegeben. 600 solcher Spezifikationsblätter<br />
sind bei einer Ausschreibung keine<br />
Seltenheit.<br />
Die Zulieferer, auch Tenderer genannt, müssen zunächst<br />
ihren Themenbereich in diesen Datenblättern<br />
finden. Allein <strong>das</strong> kann bei Hunderten von Blättern eine<br />
Weile dauern. Anschließend füllen die Tenderer diese<br />
Blätter von Hand aus. Dabei spezifizieren sie ihre Komponenten<br />
noch entsprechend ihrem individuellen Portfolio.<br />
Manchmal ändern sie zudem aufgrund ihrer Berechnungen<br />
<strong>das</strong> Flowsheet, zum Beispiel durch Anpassung<br />
eines Antriebs oder der Filterfläche. Dieses Proposal<br />
<strong>Engineering</strong> der verschiedenen Zulieferer muss der<br />
Ausschreiber händisch vergleichen. Das kann Wochen<br />
dauern, denn es müssen die verschiedenen Angebote<br />
miteinander verglichen werden und die Abweichungen<br />
der angebotenen Geräte und Komponenten von der Ausschreibung.<br />
An diesem Vergleich sitzen oftmals gleich<br />
mehrere Fachleute, deren Know-how <strong>für</strong> andere Aufgaben<br />
ebenso dringend gebraucht würde. Dennoch passiert<br />
es häufig, <strong>das</strong>s etwas übersehen wird.<br />
Nach diesem ersten Vergleich wird mit den interessantesten<br />
Tenderern auf einem höheren Level dieselbe Prozedur<br />
noch mindestens ein Mal in Gang gesetzt. Das bedeutet<br />
noch mehr Attribute, noch mehr Zeit <strong>für</strong> die Anbieter<br />
und <strong>für</strong> den anschließend wieder notwendigen<br />
Vergleich. Am Ende muss der Zulieferer, der den Zuschlag<br />
14<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Unser<br />
Know-how<br />
<strong>für</strong> Sie<br />
erhält, ein weiteres Mal die Unterlagen bearbeiten<br />
<strong>für</strong> seine endgültigen Spezifikationen, die dann<br />
Grundlage sind <strong>für</strong> den abschließenden Vertrag. Einen<br />
Großanbieter in der Zementindustrie kostet die<br />
erste Angebotsphase zum Beispiel rund 100 000 US-<br />
Dollar, die zweite Stufe kann <strong>das</strong> Zehnfache an Zeit,<br />
Arbeitskraft und Geld bedeuten.<br />
EINMALIGE EINGABE – MEHRFACHER ZEITGEWINN<br />
Aucotec hat <strong>für</strong> diese Herausforderung gemeinsam<br />
mit einem großen Zement-Anlagenbetreiber eine<br />
Lösung geschaffen, die den ganzen Prozess der Ausschreibung<br />
gravierend vereinheitlicht und beschleunigt:<br />
Zu der datenbankbasierten Plattform <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
Anlagen-<strong>Engineering</strong>, die dort im Einsatz ist, wurde<br />
ein Werkzeug entwickelt, <strong>das</strong> <strong>das</strong> Tendering mit dem<br />
Prinzip der zentralen Datenhaltung unterstützt.<br />
Ausgangslage <strong>für</strong> den neu entwickelten Prozess<br />
ist <strong>das</strong> Flowsheet beziehungsweise PFD, <strong>das</strong> <strong>das</strong><br />
ausschreibende Unternehmen mit der Plattform <strong>Engineering</strong><br />
Base (EB) auf Basis der Design-Vorgaben<br />
aus der Feasibility-Studie erstellt. Per Knopfdruck<br />
lässt sich aus dem EB-Flowsheet ein Tender-Projekt<br />
generieren. Dieses Projekt können die Zulieferer in<br />
ihre EB-Datenbank einlesen, um dort <strong>das</strong> Datenmodell<br />
mit ihren Angaben zu füllen. Dazu haben sie<br />
rund 7 000 Attribute zur Verfügung, die die Besonderheiten<br />
der Spezifikationen von mechanischen,<br />
prozess- und auch elektrotechnischen Komponenten<br />
berücksichtigen. Alle Eingaben <strong>für</strong> eine bestimmte<br />
Komponente müssen nur einmal erfolgen,<br />
nichts kann übersehen oder vergessen werden. Jede<br />
Darstellung eines Objektes, egal ob in Liste oder<br />
Grafik, greift immer auf dieselbe Datenbasis zurück.<br />
In dem neuen Tendering-Prozess sind alle Datenblätter<br />
mit dem Flow Diagram verlinkt, was im<br />
herkömmlichen Verfahren nicht möglich ist. Diese<br />
Verlinkung ist <strong>für</strong> die Navigation im Projekt ebenso<br />
wichtig wie <strong>für</strong> <strong>das</strong> Änderungsmanagement.<br />
Ein ausgedrucktes PFD kann bis zu 20 Meter lang<br />
werden, <strong>das</strong> macht jede Suche sehr aufwendig. Das<br />
datenbankbasierte EB übernimmt Änderungen im<br />
Flowsheet automatisch <strong>für</strong> alle dazugehörigen Datenblätter<br />
und umgekehrt. So müssen zum Beispiel<br />
Modifikationen an den vorgegebenen Eigenschaften<br />
der zu bearbeitenden Materialien, wie Granularität,<br />
Feuchtigkeitsgrad, Gewicht, Dichte, Temperatur,<br />
nur an einer Stelle korrigiert werden. Diese<br />
Eigenschaften sind an jeder mechanischen Komponente<br />
sichtbar. Selbst bei kleineren Änderungen<br />
müsste nach der herkömmlichen Methode jedes<br />
Datenblatt, in dem diese Eigenschaft eingetragen<br />
ist, ausfindig gemacht und korrigiert werden. Mit<br />
EB reicht die einmalige Änderung an einer beliebigen<br />
Stelle. Alle wiederholten Darstellungen oder<br />
Nennungen ändern sich automatisch mit.<br />
A01120DE<br />
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PRAXIS<br />
FILTERN, FINDEN, DETAILLIEREN<br />
Die auszufüllenden Attribute werden vom Anbieter direkt<br />
im Tender-Projekt bearbeitet. Dabei können die<br />
Supplier verschiedene Filterungen und Vorgehensweisen<br />
auswählen, so<strong>das</strong>s sie nicht Hunderte von Datenblättern<br />
durchgehen müssen, um die <strong>für</strong> sie relevanten<br />
Bereiche zu identifizieren. Vom Flowsheet aus genügt<br />
ein einfacher Klick auf ein bestimmtes Objekt, um seine<br />
Entsprechung auf dem dazugehörigen Datenblatt zu finden.<br />
Und umgekehrt führt der Weg ebenso leicht vom<br />
Datenblatt zur genauen Platzierung im PFD.<br />
Zum einen lassen sich die <strong>für</strong> einen Anbieter interessanten<br />
Themen datenblattbezogen herausfiltern. So<br />
könnte der entsprechende Experte zum Beispiel sein<br />
Angebot <strong>für</strong> eine ganz bestimmte Maschine abgeben<br />
und nach allen dazugehörigen Datenblättern sortieren.<br />
Die andere Möglichkeit wäre eine Listen-Ausgabe, bei<br />
der beispielsweise alle <strong>für</strong> die zukünftige Anlage abgefragten<br />
Förderbänder zusammengefasst werden. Dort<br />
lassen sich die möglichen Motorleistungen, Bandbreiten<br />
und -längen oder Förderkapazitäten und alles, was sonst<br />
noch dazugehört, eintragen. Das EB-Projekt gibt in vielen<br />
Fällen zusätzlich die machbaren Varianten vor, so<strong>das</strong>s<br />
der Anbieter noch einmal Zeit sparen kann, indem<br />
er eine Option nur auswählen muss. Alle Supplier-Angaben<br />
werden beim Ausschreiber automatisiert von EB<br />
in <strong>das</strong> ursprüngliche Tenderprojekt eingelesen.<br />
Mit den verschiedenen Angebotsphasen steigt der Detaillierungsgrad<br />
der gefragten Informationen. In der ersten<br />
Phase werden meist zunächst die gröberen Materialanforderungen<br />
abgefragt, also etwa die <strong>für</strong> den Transport<br />
von 3 000 Tonnen pro Stunde <strong>für</strong> einen bestimmten<br />
Anlagenabschnitt erforderlichen Bänder, Antriebe, Filter,<br />
Trichter, Silos und so weiter. Die nächste Phase würde<br />
bereits so weit ins Detail gehen, <strong>das</strong>s daraus ohne<br />
Weiteres <strong>das</strong> Basic-Konzept einer Anlage mit deutlich<br />
genaueren Informationen, wie zum Beispiel Antriebsleistungen<br />
und genaue Abmaße ableitbar wäre. Bisher<br />
mussten nach der Ausschreibungsphase all diese Ausarbeitungen<br />
per Hand in <strong>das</strong> reale Planungsprojekt eingetragen<br />
werden. Mit EB lassen sich Daten, die vom später<br />
ausgewählten Zulieferer in der Angebotsphase generiert<br />
wurden, in der konkreten Planung weiterverwenden,<br />
es handelt sich hier um die gleichen Projektdaten.<br />
VERGLEICHEN: MINUTEN STATT WOCHEN<br />
Am Ende des Ausschreibungsprozesses importiert der<br />
Tender Manager von EB alle Anbieterinformationen und<br />
vergleicht automatisiert jedes Attribut der eingetragenen<br />
Objektdaten. Wegen der vielfachen Nutzung gleicher<br />
Komponenten in einer Anlage können <strong>das</strong> mehr als<br />
20 000 sein. Werden in einer Zementanlage etwa 15<br />
Conveyor verbaut und jeder hat rund 100 Attribute, so<br />
ist leicht vorstellbar, wie schnell die zu bearbeitende<br />
Datenmenge ansteigt und die Bearbeitungskomplexität<br />
zunimmt. In wenigen Minuten zeigt der Manager die<br />
Unterschiede, die sonst in wochenlanger Arbeit gesichtet,<br />
sortiert und bewertet werden müssten. Auch hier<br />
gibt es arbeitserleichternde Auswahlmöglichkeiten.<br />
Zum Beispiel kann sich der Bearbeiter vom Tender Manager<br />
auf Knopfdruck nur die Angebote anzeigen lassen,<br />
die sich von der Ausschreibung unterscheiden, nur die<br />
Zeilen, die ausgefüllt sind, nur die Spezifikationen, die<br />
untereinander verschieden sind. Oder alle Angebote zu<br />
ganz bestimmten Komponenten. Nur EB ermöglicht <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> Tendering so einen klaren Überblick.<br />
In den Listen, die der Tender Manager ausgibt, sind<br />
alle Angebote nebeneinander aufgeführt. Im Process<br />
Flow Diagram kann der Ausschreiber zusätzlich jedes<br />
einzelne Angebotsprojekt, <strong>das</strong> sich aus den Spezifikationen<br />
der Supplier ergeben hat, mit dem Ursprungsprojekt<br />
des Ausschreibers vergleichen, denn nach dem<br />
Import der Anbieterdaten in <strong>das</strong> Projekt zeigt <strong>das</strong> Revisionsmanagement<br />
alle Änderungen an. Dieser Überblick<br />
über Abweichungen ist einzigartig und spart Zeit.<br />
So vereinfacht und verschlankt die Übernahme des<br />
Tenderprojektes und <strong>das</strong> Ausfüllen der Datasheets in<br />
einem einheitlichen Format Prozesse bei allen Beteiligten,<br />
Ausschreibern wie Tenderern, erheblich.<br />
BESCHLEUNIGTER BIETPROZESS<br />
Von dem <strong>für</strong> und mit einem Betreiber entwickelten Tendering<br />
Tool profitieren auch die Tenderer mehrfach. Ein<br />
Pilotkunde aus der Zement-Zulieferindustrie, der EB<br />
und seine Tendering-Unterstützung nutzte, wurde um<br />
20 Prozent schneller.<br />
Der Tenderer muss nur noch ein Projekt verwalten und<br />
nicht, wie sonst üblich, seine Spezifikationen aufwendig<br />
in verschiedene Systeme einbringen. Der Zeitgewinn<br />
durch die einheitliche Vorgehensweise potenziert sich,<br />
wenn der Zulieferer des Zulieferers wiederum auf derselben<br />
Basis seine Angebote und Spezifikationen abgibt,<br />
die dann in <strong>das</strong> übergeordnete Projekt übernommen<br />
werden können. Denn EB erleichtert die Kooperation mit<br />
Partnern, indem Unterprojekte ausgegliedert werden<br />
können. Die bereits erwähnten automatischen Updates<br />
und <strong>das</strong> schnelle Zurechtfinden und Navigieren in allen<br />
Unterlagen beschleunigen auch den Bietprozess merklich.<br />
Die Anbieter profitieren darüber hinaus genau wie<br />
die Ausschreiber von dem besseren Überblick und können<br />
sicher sein, ihr Angebot passend abzugeben.<br />
AUTOR<br />
OLAF STREIT ist Sales<br />
Director Process<br />
Automation bei Aucotec<br />
in Hannover.<br />
Aucotec AG,<br />
Oldenburger Allee 24,<br />
D-30659 Hannover,<br />
Tel. +49 (0) 511 610 30,<br />
E-Mail: ost@aucotec.com<br />
16<br />
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Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an den Leserservice <strong>atp</strong>, Postfach<br />
9161, 97091 Würzburg.<br />
✘<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
PAATPE2014<br />
Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,<br />
<strong>das</strong>s ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung <strong>für</strong> die Zukunft jederzeit widerrufen.
PRAXIS<br />
Parametrierbare Master Batch Records gleichen<br />
Prozesse ab und vereinfachen Implementierung<br />
Electronic Master Batch Record (eMBR) bei papierloser Dokumentation eingesetzt<br />
MIT EMBR werrden alle Produktionsdaten<br />
elektronisch erfasst und dokumentiert. Bild: Siemens<br />
Die Pharmaindustrie sucht kontinuierlich nach Möglichkeiten<br />
zur Prozessverbesserung, um steigendem<br />
Kostendruck zu begegnen und alle Auflagen der Behörden<br />
zu erfüllen. Electronic Master Batch Record Management:<br />
Die Definition von pharmazeutischen Produktionsprozessen<br />
gemäß GMP basiert auf Master<br />
Batch Records (MBR) und den entsprechenden auftragsbezogenen<br />
Chargenprotokollen (Electronic Batch Records,<br />
EBR). Dabei ist der Aufwand <strong>für</strong> die Erstellung<br />
und Pflege von MBR und EBR in einer Produktionsumgebung,<br />
die auf Papier dokumentiert, hoch.<br />
LÜCKE ZWISCHEN ISA-95/ISA-88, AUTOMATISIERUNG<br />
UND PRODUKTIONS-IT<br />
Ein Electronic Master Batch Record Management arbeitet<br />
mit MBRs, die einer automatischen Versionskontrolle<br />
unterliegen und Bibliotheken mit wiederverwendbaren<br />
Bausteinen nutzen. Dank der standardisierten<br />
Bausteine kann der Anwender problemlos MBRs erstellen<br />
und pflegen.<br />
Das System bietet einen entsprechenden Rahmen und<br />
erzeugt ein nicht ausgefülltes EBR-Formular, in dem<br />
die Daten während der Produktion gesammelt werden.<br />
Danach wird der MBR zur Verarbeitung an die entsprechenden<br />
Systeme weitergeleitet. In diesem Format sorgt<br />
<strong>das</strong> Manufacturing Execution System (MES) <strong>für</strong> die<br />
Erzeugung, Synchronisation, Erfassung und Chargenfreigabe,<br />
während Automatisierungssysteme die Chargenausführung<br />
und Prozesssteuerung übernehmen. Die<br />
entsprechend dem MBR gesammelten Daten werden<br />
dann im Chargenprotokoll erfasst. Bis vor kurzem gab<br />
es jedoch keine <strong>integrierte</strong>n Lösungen, die die Lücke<br />
zwischen ISA-95/ISA-88, Automatisierung und Produktions-IT<br />
schließen konnten.<br />
SCHNELLERE FREIGABE DURCH BAUSTEINPRINZIP<br />
Die Siemens eMBR bietet ein Electronic Master Batch<br />
Record Management, <strong>das</strong> auf einer nativen Integration<br />
von MES und Prozessleitsystem mit Simatic IT XFP,<br />
Simatic PCS 7 und Simatic Batch aufbaut. Dies beschleunigt<br />
die Erstellung, Ausführung, Überprüfung<br />
und Freigabe des MBRs/EBRs und macht die MBR-<br />
Erstellung flexibler.<br />
Im Prozessleitsystem verwaltet die robuste und leistungsstarke<br />
Batch Engine komplexe S88-Rezepte und<br />
führt diese aus. Im MES kann der Anwender dank eines<br />
einfach zu bedienenden MBR-Workflows ohne besondere<br />
IT-Kenntnisse seine Produktionsabläufe definieren und<br />
durch einfache Parametrierung den MBR erstellen. Dabei<br />
stehen ihm die Rezeptinformationen aus dem Leitsystem<br />
zur Verfügung. Die dokumentationspflichtigen Schritte<br />
werden einfach aus der Schritt-Liste der freigegebenen<br />
Grundrezepte ausgewählt. Die Kombination aus wiederverwendbaren<br />
prozessspezifischen Bausteinen und fertigen<br />
Funktionen hilft, die MBR-Erstellung zu standardisieren<br />
und den MBR schneller freizugeben. Außerdem<br />
reduziert sie den Entwicklungsaufwand und <strong>das</strong> Risiko.<br />
Während der Produktion wird jeder Schritt und jeder<br />
Rohstoff überwacht, nachverfolgt und aufgezeichnet. Die<br />
Systeme koordinieren die Echtzeit-Steuerung auf jeder<br />
Ebene, synchronisieren die Ablaufschritte und tauschen<br />
Parameterwerte aus. Die Prozessregeln und -sequenzen<br />
werden über die Workflow Engines ausgeführt. Die Systeme<br />
verwalten dabei alle Abläufe wie Aufträge vom<br />
ERP-System (Enterprise Resource Planning), geführte<br />
manuelle Abläufe, Qualitätsprüfungen und die Nachverfolgung<br />
von Materialien und Rohstoffen.<br />
Durch den gesamten Prozess erfasst <strong>das</strong> MES Alarme<br />
und Warnungen. Sie stehen aktuell zur Verfügung. Warnungen<br />
werden zusammengefasst, so <strong>das</strong>s die Reviews<br />
einfacher, schneller und sicherer werden. Massendaten wie<br />
Trends, Kurven und Berichte können ebenfalls zusammengefasst<br />
in den EBR integriert werden. Der Zugriff auf die<br />
Produktionsdaten aller Systeme ist über alle Terminals<br />
oder Workstations möglich und Chargenberichte lassen<br />
sich in Echtzeit zusammenstellen und visualisieren.<br />
Da <strong>das</strong> MES alle Informationen sammelt, können die<br />
EBRs mithilfe von Ausnahmeregeln analysiert werden,<br />
so<strong>das</strong>s nur etwaige Abweichungen markiert werden.<br />
Auch <strong>das</strong> beschleunigt die Überprüfung und Freigabe<br />
der Charge. Die Freigabe der Charge selbst ist über den<br />
Signaturpfad festgelegt. Dem MBR ist dabei ein Prüfpfad<br />
zugewiesen, der die Anzahl der Signaturen bestimmt.<br />
Die eMBR Lösung stellt auch zusätzliche Tools<br />
zur Analyse bereit, wie etwa Betriebsbücher, einen<br />
kompletten Audit Trail und ein grafisches Genealogie-<br />
Tool. Mit dem Manufacturing Intelligence Tool können<br />
Berichte erstellt und kritische Daten sowohl pro Charge<br />
als auch über mehrere Chargen überwacht und analysiert<br />
werden – ein wichtiges Tool <strong>für</strong> Prozessverbesserungen<br />
und mehr Effizienz.<br />
18<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
EINFACHE ARCHITEKTUR, FLEXIBEL EINSETZBAR<br />
Je nach Kontext, Strategie, Systemlandschaft oder<br />
durchzuführenden Prozessen gibt es verschiedene Einsatzmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> einen automatisierten MBR/EBR-<br />
Prozess, der sowohl die Anforderungen von hochautomatisierten<br />
Prozessen in der Wirkstoffproduktion als<br />
auch von Prozessen mit vielen manuellen Abläufen in<br />
der Arzneimittelfertigung erfüllt.<br />
Die eMBR Lösung ist flexibel und unterstützt viele<br />
Vorgehensweisen. Dabei bietet es die Vorteile einer engen<br />
Integration von MES und Leitsystem und vereinfacht<br />
insgesamt die technische Architektur und deren<br />
Konfiguration. Die Lösung arbeitet gut zusammen mit<br />
dem Prozessleitsystem. Eine bestehende PCS-7-Umgebung<br />
wird mit der eMBR-Lösung um <strong>integrierte</strong> MES-<br />
Funktionalitäten erweitert, die sehr flexibel sind (zum<br />
Beispiel eine Schnittstelle zum unternehmensweiten<br />
ERP-System, Material-Tracking, komplexe elektronische<br />
Arbeitsanweisungen, MBR/EBR Reporting) –<br />
mit nur geringen Modifikationen der bestehenden Leitsystem<br />
Batch-Installation.<br />
DIE VORTEILE AUF EINEN BLICK<br />
Papierloser Prozess: Mit eMBR können alle Produktionsdaten<br />
elektronisch erfasst und dokumentiert<br />
werden.<br />
Weniger Entwicklungsaufwand und -risiken: Die Integration<br />
von MES und Leitsystem vereinfacht die<br />
Architektur, reduziert den Aufwand <strong>für</strong> Schnittstel-<br />
len zwischen Insellösungen und senkt so die Total<br />
Cost of Ownership.<br />
Standardisierte Bibliotheken <strong>für</strong> Prozessoperationen:<br />
Wiederverwendbare Funktionsbausteine und parametrierbare<br />
MBRs harmonisieren Prozesse und vereinfachen<br />
die globale, standortübergreifende Implementierung.<br />
Die zentralisierte Überprüfung und Freigabe der<br />
Charge machen die Prüfung schneller und sicherer,<br />
die Überprüfung und Freigabe erfolgen anhand von<br />
Abweichungen.<br />
AUTOR<br />
NICOLAS TEISSIE ist Business<br />
Development MES Life Science<br />
bei Siemens in Karlsruhe.<br />
Siemens AG,<br />
Siemensallee 84, D-76187 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 595 38 19,<br />
E-Mail: nicolas.teissie@siemens.com<br />
E I N L A D U N G<br />
Messtechnik Regeltechnik Steuerungstechnik Prozessleitsysteme<br />
Mittwoch, 26. März 2014<br />
8:00 bis 16:00 Uhr<br />
Jahrhunderthalle<br />
Pfaffenwiese 301<br />
65929 Frankfurt am Main<br />
Führende Fachfirmen der Branche präsentieren ihre Geräte und Systeme und<br />
zeigen neue Trends in der Automatisierung auf. Die Messe wendet sich an<br />
alle Interessierten, die auf dem Gebiet der Mess-, Steuer- und Regeltechnik<br />
sowie der Prozessautomation tätig sind.<br />
Der Eintritt zur Messe, die Teilnahme an den Workshops und der Imbiss<br />
sind <strong>für</strong> die Besucher kostenlos.<br />
Weitere Informationen finden Interessierte auf unserer Internetseite.<br />
www.meorga.de<br />
info@meorga.de<br />
MEORGA GmbH<br />
Sportplatzstraße 27<br />
66809 Nalbach<br />
Tel. 06838 / 8960035<br />
Fax 06838 / 983292<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
19
PRAXIS<br />
Technik-Kommunikation leicht gemacht:<br />
Cause-and-Effect-Diagramm als Lösungsansatz<br />
Gemeinsames Format soll Verfahrens- und Prozessleittechniker zusammenbringen<br />
WENN-DANN-LOGIK<br />
des Verfahrenstechnikers<br />
FUNKTIONSPLAN<br />
des Leittechnikers<br />
Der Rührer XM3008 soll nicht automatisch<br />
eingeschaltet werden können, wenn der<br />
Reaktor3000 LI2003 nicht mindesten WL<br />
10% befüllt meldet und die Temperatur<br />
TI3009 im Reaktor3000 zwischen WL 10°C<br />
und WH 70°C liegt.<br />
Die Abflußpumpe XS3001 soll abschalten,<br />
wenn der Stand LI2003 im Reaktor3000 zu<br />
gering ist (ALL).<br />
Die Heizung XV3005 soll abschalten, wenn<br />
der Stand LI2003 im Reaktor3000 unterhalb<br />
der Heizspirale ist (WL) und die Temperatur<br />
TI3009 über AHH 120°C liegt.<br />
Name<br />
XM3008<br />
XS3001<br />
XV3005<br />
Type<br />
MOT<br />
MOT<br />
MOT<br />
ERWEITERTES<br />
CAUSE & EFFECT<br />
Diagramm<br />
Bilder: ABB<br />
Name Type Trip Point Interlock 3 Interlock 2 Interlock 1<br />
LI2003 LT WL Lock OFF OFF<br />
TI3009 TT WH Lock<br />
TI3009 TT WL Lock<br />
TI3009 TT AHH OFF<br />
Verständigungsprobleme sind zumeist frustrierend<br />
und zeitraubend, egal welchen Bereich es betrifft.<br />
Nur sind diese leider schwer zu vermeiden, wenn verschiedene<br />
Menschen Dinge unterschiedlich interpretieren.<br />
Das ist im geschäftlichen Umfeld leider oft genauso<br />
wie im privaten Umfeld und auch die Planung<br />
einer Anlage bildet hierbei keine Ausnahme, wenn sich<br />
die verschiedenen Gewerke austauschen müssen.<br />
WERKZEUGE MÜSSEN KOMMUNIZIEREN<br />
Nicht nur die verschiedenen Gewerke bringen jeweils<br />
eigene Softwarewerkzeuge mit, teils finden sich innerhalb<br />
eines Gewerks mehrere Tools. Für einen reibungslosen<br />
Datenaustausch sollten diese Werkzeuge miteinander<br />
reden können, <strong>das</strong> heißt, sie sollten über Importund<br />
Exportschnittstellen verfügen, die im Idealfall mit<br />
demselben Datenformat umgehen und die Daten gleich<br />
interpretieren können. Oftmals mangelt es aber an diesem<br />
Austauschformat. Bei einer schrittweisen Annäherung<br />
an ein gemeinsames Datenformat hilft Automation<br />
ML, da mit dessen Hilfe Teile der auszutauschenden<br />
Daten standardisiert werden können.<br />
Mindestens genauso wichtig wie <strong>das</strong> Verständnis<br />
zwischen den Softwarewerkzeugen ist allerdings <strong>das</strong><br />
Verständnis der dabei involvierten Personen untereinander.<br />
Diese benötigen genauso ein Format, <strong>das</strong> von<br />
beiden Seiten verstanden wird und in Meetings diskutiert<br />
werden kann.<br />
Während allerdings der Verfahrenstechniker in<br />
Rohrleitungs- und Industrie-(R&I)-Fließbildern denkt,<br />
ist der Logikplan die Welt des Prozessleittechnikers.<br />
Auf diese Formate wird sich beschränkt, so<strong>das</strong>s der<br />
Prozessleittechniker vom Verfahrenstechniker die<br />
Anforderungen an <strong>das</strong> Automatisierungssystem in<br />
Form eines Stapels R&I-Diagramme mit zusätzlicher<br />
textbasierter Logik in der Form „Wenn…. Dann…“<br />
erhält. Dieser übersetzt daraufhin die Anforderungen<br />
zumeist manuell in Logikpläne. Wenn er beim Übersetzen<br />
jedoch Rückfragen an den Verfahrenstechniker<br />
hat, hat dieser manchmal ein Problem, die Logikpläne<br />
effizient zu verstehen – erst recht, wenn es sich<br />
dabei um Logik im Ruhestromprinzip handelt. Auch<br />
bei Besprechungen wäre ein gemeinsames Format zur<br />
Diskussion hilfreich, da der Funktionsplan dem Ver-<br />
20<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
fahrenstechniker oft zu kompliziert ist, während dem<br />
Leittechniker der frei formulierte Text nicht präzise<br />
genug ist. Hier besteht Optimierungspotenzial.<br />
UNTERSCHIEDLICHE LÖSUNGSANSÄTZE<br />
In der Praxis gibt es mehrere Lösungsansätze, <strong>das</strong> Verständigungsproblem<br />
zwischen Verfahrenstechniker und<br />
Leittechniker zu eliminieren.<br />
In Norwegen hat sich <strong>das</strong> System Control Diagram<br />
(SCD) etabliert. Zu verdanken ist diese weite Verbreitung<br />
des SCD dem Norsok-Standard, den viele Firmen aus dem<br />
Öl- und Gasbereich bereits in ihren Ausschreibungen<br />
festlegen. Das SCD ähnelt auf den ersten Blick einem<br />
R&I-Diagramm, was dem Verfahrenstechniker entgegen<br />
kommt. Bei genauerer Betrachtung ist erkennbar, <strong>das</strong>s es<br />
zum Beispiel Verschaltungen zwischen den einzelnen<br />
Messstellen enthält, die wiederum <strong>für</strong> den Prozessleittechniker<br />
von Interesse sind. Das SCD wird zwar üblicherweise<br />
manuell in Funktionspläne übersetzt, jedoch<br />
kann diese Aufgabe ohne oder zumindest mit weniger<br />
Rückfragen erledigt werden, da es eindeutiger ist als eine<br />
textuelle Beschreibung. Somit hat sich <strong>das</strong> SCD als Kommunikationsformat<br />
zwischen den Gewerken bewährt.<br />
Ein weiterer Ansatz ist <strong>das</strong> „Unit-based-control“ dar.<br />
Hierbei wird die eher komplizierte Kontrolllogik in<br />
Units gekapselt. Dadurch müssen Units nur noch miteinander<br />
verschaltet werden müssen. Diese verfügen<br />
über einen Status und einen begrenzten Satz an Befehlen,<br />
was die Verschaltung vereinfacht. Ein weiterer<br />
Vorteil ergibt sich <strong>für</strong> den Anlagenfahrer: Er erhält eine<br />
übersichtlichere Struktur, da er größere, zusammenhängende<br />
Einheiten in einem Faceplate bedienen und<br />
beobachten kann.<br />
Während sich die beiden vorigen Lösungsmöglichkeiten<br />
bereits in Teilbereichen einzelner Länder oder<br />
Industrien in der Praxis bewährt haben, ist der Ansatz<br />
eines erweiterten Cause-and-Effekt-Diagramms noch relativ<br />
neu. Ausgangspunkt dieser Idee ist <strong>das</strong> bewährte<br />
Cause-and-Effekt-Diagramm, <strong>das</strong> dem Verfahrenstechniker<br />
und dem Prozessleittechniker vertraut ist und bereits<br />
heute als Übergabeformat im Bereich Safety, also bei<br />
verhältnismäßig einfacher Abschaltlogik, ein de-facto-<br />
Standard ist. Vorteilhaft sollte sich außerdem die kompakte<br />
und einfache Darstellung erweisen.<br />
„WENN DANN“ IN DER PROZESSINDUSTRIE<br />
Im Gegensatz zu dem bereits etablierten Cause-and-Effect,<br />
beinhaltet <strong>das</strong> erweiterte Cause-and-Effekt-Diagramm<br />
nicht Safety Code, sondern die normale Prozesslogik.<br />
Um den Anforderungen der Prozesslogik gerecht<br />
zu werden, enthält <strong>das</strong> erweiterte Cause-and-Effekt-Diagramm<br />
einen Bereich, in dem die Signale der Causes mit<br />
verschiedenen Logikfunktionen vorverarbeitet werden<br />
können, bevor sie in der Matrix verschaltet werden, zum<br />
Beispiel verundet oder negiert. Auch bei den Verschaltungen<br />
ist ein Unterschied zum Cause-and-Effect im Bereich<br />
Safety zu finden: In der Verbindungszelle wird statt<br />
eines Kreuzes oder Punkts, der den betreffenden Aktor<br />
bei der Safety-Matrix in den sicheren Zustand bringt, ein<br />
beliebiger Befehl abgelegt. Damit kann zum Beispiel ein<br />
Ventil geschlossen oder geöffnet oder sogar ein kalkulierter<br />
Wert auf einen Setpoint geschaltet werden. Zudem<br />
können in der Matrix auch ganze Templates miteinander<br />
verschaltet werden. Durch diese Erweiterungen wird <strong>das</strong><br />
Format ermächtigt, der komplexeren Prozesslogik gerecht<br />
zu werden. Da jedoch manche Spezialfälle recht aufwendig<br />
in dieser Form darzustellen sind, könnte es in der<br />
Praxis notwendig werden, <strong>das</strong> ein oder andere mit Kommentaren<br />
oder ähnlichem zu beschreiben, die dann im<br />
Leitsystem direkt manuell umgesetzt werden. Dieser Prozentsatz<br />
liegt in der chemischen Industrie – je nachdem,<br />
wie viel Arbeit in die Erstellung der Matrix aufgebracht<br />
wird – bei 0 - 30 %. Für andere Industrien liegen noch<br />
keine Erfahrungswerte vor.<br />
FAZIT<br />
Aufgrund der Diversität der Industrien haben die bestehenden<br />
Formate und <strong>das</strong> neue erweiterte Cause-and-<br />
Effekt-Diagramm ihre Berechtigung. Erste Anwendungsfelder<br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> neue Format haben sich bereits ergeben.<br />
Die Kriterien, aufgrund derer ein Austauschformat<br />
ausgesucht wird, unterscheiden sich von Industrie zu<br />
Industrie oder haben unterschiedliche Gewichtung.<br />
Mögliche Kriterien sind zum Beispiel die Verbreitung<br />
des Formats, die technische Akzeptanz, oder auch<br />
schlicht eine Kundenvorgabe. Daher unterscheiden sich<br />
die Formate je nach Industrie und Kunde. Auch regionale<br />
Standards und Vorgaben beeinflussen <strong>das</strong> Format.<br />
Sogar der Scope of Supply spielt eine große Rolle,<br />
welches Format als sinnvoll erachtet wird. Mittelfristig<br />
werden aufgrund dieser Diversität die bestehenden Formate<br />
weitgehend erhalten bleiben, jedoch wird es auch<br />
Potenzial <strong>für</strong> neue Formate geben.<br />
AUTOREN<br />
KATHARINA GOHR ist<br />
Scientist Automation<br />
<strong>Engineering</strong> beim ABB<br />
Forschungszentrum<br />
Deutschland in Ladenburg.<br />
RALF JESKE ist Produktmanager<br />
DCS <strong>Engineering</strong><br />
System 800xA bei ABB<br />
Process Automation<br />
Deutschland in Minden.<br />
ABB Germany,<br />
Kallstadter Straße 1, D-68309 Mannheim,<br />
Tel. +49 (0) 621 438 10,<br />
E-Mail: katharina.gohr@de.abb.com,<br />
ralf.jeske@de.abb.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
21
PRAXIS<br />
Standardisierung mit eClass – Klassifizierung<br />
ermöglicht kürzeres Time-to-Market<br />
Produktdaten liegen <strong>für</strong> <strong>Engineering</strong>-Prozesse vor<br />
BEI ECLASS handelt es sich um ein herstellerneutrales<br />
Produktbeschreibungs-Format <strong>für</strong> den elektronischen<br />
Datenaustausch zwischen dem Gerätehersteller und<br />
dem CAE-Tool<br />
DIE CAE-DATEN aus dem Produkt-<br />
Informationsmanagement-System (PIM) von<br />
Phoenix Contact werden mit entsprechenden<br />
Konverter-Tools in die Zielformate überführt<br />
Die vielfältigen von Maschinen- und Anlagenbauern<br />
sowie Endanwendern eingesetzten Software-Werkzeuge<br />
erfordern immer mehr Produktdaten, die von den<br />
Geräteherstellern bereitgestellt werden müssen. Allein<br />
die Anpassung an die Erfordernisse der verschiedenen<br />
E-CAD-Software gestaltet sich sehr zeitaufwendig. Ein<br />
einheitlicher Klassifizierungs-Standard wie eClass<br />
schafft hier Abhilfe.<br />
Für die Anwender stellen die Funktionen der Geräte<br />
sowie ihre technischen Eigenschaften dabei ein wesentliches<br />
Kriterium bei der Lieferantenauswahl dar.<br />
Ihre Entwicklungsabteilungen sind mit den dort genutzten<br />
<strong>Engineering</strong>-Werkzeuge wie E-CAD oder M-<br />
CAD in die Software-Landschaft des Unternehmens<br />
eingebunden. Diese umfasst unter anderem ERP-Systeme<br />
<strong>für</strong> die kaufmännischen und logistischen Prozesse<br />
sowie PLM-Systeme zur entwicklungstechnischen<br />
Begleitung. Aufgrund der Vielzahl der anfallenden<br />
Daten möchte nicht jeder Nutzer die Daten<br />
seiner Applikation manuell erfassen und aktualisieren.<br />
Daher fragt die Einkaufsabteilung die relevanten<br />
Daten bei ihren Lieferanten ab. Der Konstrukteur benötigt<br />
beispielsweise 3D-Modelle und der Elektroplaner<br />
erwartet, <strong>das</strong>s die Daten der zu verbauenden Komponenten<br />
im Format seines E-CAD-Werkezuge zur<br />
Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich<br />
<strong>für</strong> den Lieferanten die Herausforderung, die verschiedenen<br />
Anfragen nach den Produktdaten zu erfüllen,<br />
um seine Kunden zu unterstützen und sich als Bezugsquelle<br />
zu profilieren.<br />
GRUNDLAGE FÜR EIN KURZES TIME-TO-MARKET<br />
Der Faktor Zeit erweist sich im Entwicklungsprozess<br />
als eine wichtige Einflussgröße. Ein möglichst kurzes<br />
Time-to-Market lässt sich erreichen, indem sämtliche<br />
erforderlichen Daten korrekt in den unterschiedlichen<br />
Software-Werkzeugen vorliegen, so<strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Produkt termingerecht ausgeliefert werden kann. In<br />
den vergangenen Jahren hat sich im Beschaffungsprozess<br />
mit BME-Cat ein Datenaustausch-Format<br />
durchgesetzt, <strong>das</strong> vom Bundesverband Materialwirtschaft,<br />
Einkauf und Logistik (BME) entwickelt wurde.<br />
BME-Cat zielt darauf ab, den Austausch von Produktkatalogen<br />
zwischen den Lieferanten und den<br />
einkaufenden Unternehmen zu standardisieren und<br />
somit zu vereinfachen. Viele Kunden von Phoenix<br />
Contact fordern deshalb Produktdaten im BME-Cat-<br />
Format an, damit sie diese über eine Standard-<br />
Schnittstelle in ihr System importieren können.<br />
Neben den Stammdaten wird die Klassifizierung<br />
nach eClass verlangt, die <strong>für</strong> <strong>das</strong> Warengruppen-Management<br />
sowie den Aufbau von Multi-Supplier-Katalogen<br />
notwendig ist. Phoenix Contact bietet beide Standards<br />
und unterstützt so die Prozesse seiner Kunden.<br />
22<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
INDEM DIE PRODUKTDATEN im PIM-System<br />
auf die eClass-Struktur gemapped werden,<br />
lassen sie sich direkt im Zielformat darstellen<br />
AUS DER KOMBINATION von Schaltplan-Informationen<br />
und Produktdaten können die Leitungen nach der<br />
Platzierung der Geräte im 3D-Aufbau automatisch<br />
geroutet werden<br />
Bilder: Phoenix Contact<br />
Das gilt auch <strong>für</strong> den Bereich der mechanischen Konstruktion,<br />
wo die Anwender vereinfachte 3D-Step-<br />
Modelle von der Website des Unternehmens herunterladen<br />
können. Denn die 3D-CAD-Systeme arbeiten<br />
heute in der Regel mit dem ISO-Standard Step als Austauschformat.<br />
PRODUKTDATEN IM NOTWENDIGEN FORMAT LIEFERN<br />
Bei den Elektro-CAD-Systemen sind in puncto Klassifizierung<br />
drei Bereiche zu betrachten:<br />
Artikeldaten/Stammdaten<br />
Hierbei handelt es sich um die Artikelnummer,<br />
den Typ, die Beschreibung, Abmessungen und auswahlrelevante<br />
technische Daten wie Strom, Spannung<br />
oder Querschnitt. Diese Informationen können<br />
von zahlreichen Werkzeugen über entsprechende<br />
Import-<strong>Schnittstellen</strong> eingelesen werden.<br />
Schaltplan-Symbole der Produkte<br />
Sie sind <strong>für</strong> die Erstellung des Schaltplans erforderlich,<br />
<strong>für</strong> jedes E-CAD-Werkzeug spezifisch und<br />
müssen den einzelnen Produkten zugeordnet sein.<br />
Grafische Daten<br />
Zur Platzierung der Produkte nutzen die Werkzeuge<br />
maßstäbliche Grafikformate wie dxf-Dateien<br />
zur 2D-Darstellung. E-CAD-Systeme, die auch eine<br />
3D-Konstruktion erlauben, erzeugen aus den Abmessungen<br />
des Produkts ein Volumenmodell oder<br />
verwenden dazu <strong>das</strong> 3D-Step-Modell des Produkts.<br />
Um die Kundenanfragen nach Produktdaten im Format<br />
der von ihnen eingesetzten E-CAD-Software umsetzen<br />
zu können, mussten sich die Verantwortlichen<br />
bei Phoenix Contact auf bestimmte Systeme festlegen.<br />
Zwecks Erstellung der Daten <strong>für</strong> ein E-CAD-System<br />
sind die notwendigen Produkt-Stammdaten im ersten<br />
Schritt im Import-Format des eigenen E-CAD-Werkzeugs<br />
anzulegen. Nach dem Daten-Import müssen<br />
dann systemspezifische Ergänzungen im E-CAD-<br />
Werkzeug vorgenommen werden, um dem Kunden<br />
anschließend die jeweilige Datenbank über <strong>das</strong> Internet<br />
zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen.<br />
VORHANDENE STANDARDS HARMONISIEREN<br />
Bei Phoenix Contact sind die Stammdaten Bestandteil<br />
des Produkt-Informationsmanagement-Systems (PIM)<br />
und werden dort gepflegt. Die vom Anwender angefragten<br />
CAE-Daten werden somit aus dem PIM-System<br />
exportiert und über einen Konverter in <strong>das</strong> Import-Format<br />
des E-CAD-Werkzeugs des entsprechenden Kunden<br />
transformiert. Dies führt zu einem hohen Aufwand, da<br />
<strong>für</strong> jede zu unterstützende E-CAD-Software ein passender<br />
Konverter erforderlich ist. Zudem muss der Prozess<br />
bei jeder neuen Version geprüft werden, was sich<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
23
PRAXIS<br />
zeitaufwendig gestaltet. Es fehlte also ein Standard. Das<br />
haben viele Beteiligte erkannt und sich zur Erarbeitung<br />
einer Lösung zusammengeschlossen. Allerdings sollte<br />
kein komplett neuer Ansatz geschaffen, sondern wenn<br />
möglich auf eine vorhandene Lösung aufgesetzt werden.<br />
Im ersten Schritt haben die beteiligten Unternehmen<br />
daher Etim als Klassifizierungs-Standard des<br />
Elektrogroßhandels sowie den branchenübergreifenden<br />
Ansatz eClass untersucht. Etim verfügt zwar<br />
über eine hohe Verbreitung, erweist sich jedoch aufgrund<br />
seines Datenmodells als nicht geeignet. Ferner<br />
bestand seitens der Unterstützer kein Interesse an<br />
einer entsprechenden Erweiterung. Das Datenmodell<br />
von eClass bietet hingegen die benötigten Strukturen<br />
und wird ebenfalls von zahlreichen Unternehmen<br />
genutzt. Auf der Grundlage einer Förderung durch<br />
<strong>das</strong> Bundesministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Technologie<br />
(BMWI) ist eClass deshalb mit Etim sowie Proficlass,<br />
dem Klassifizierungs-Standard der Werkzeugbranche,<br />
und Prolist International als Klassifizierungs-Standard<br />
der Prozesstechnik harmonisiert und<br />
um deren Klassen ergänzt worden.<br />
ERFORDERLICHE DATEN IDENTIFIZIEREN<br />
Die CAx-Fachgruppe des eClass-Vereins beschäftigt<br />
sich mit der Definition der erforderlichen Strukturen<br />
zur Abbildung der Daten in den E-CAD-Tools. Sie setzt<br />
sich aus Mitarbeitern der Anbieter von E-CAD-Software,<br />
der Produkthersteller sowie Anwender zusammen.<br />
Ziel ist es, den Standard <strong>für</strong> den Datenaustausch<br />
zwischen den Geräteanbietern und den E-CAD-Tools<br />
mit der eClass-Advanced-Version bereitzustellen. Vor<br />
diesem Hintergrund hat Phoenix Contact eClass in<br />
seinem PIM-System so implementiert, <strong>das</strong>s die Daten<br />
aus dem internen Klassifizierungs-System auf <strong>das</strong><br />
Zielsystem eClass gemappt werden können. Das Vorgehen<br />
zeigt sich als vorteilhaft, weil die Daten des<br />
jeweiligen Produkts im Zielformat sofort im PIM-System<br />
geprüft werden können.<br />
Durch die Verwendung von eClass lassen sich neben<br />
den CAE-relevanten Stammdaten jetzt beispielsweise<br />
auch sämtliche notwendigen Daten eines Anschlusses<br />
wie Ausführung, Position, Anschlussrichtung<br />
und die zulässigen Leitungsquerschnitte definieren,<br />
die zum automatischen Routen der Leitungen<br />
im Schaltschrank unerlässlich sind. Am Beispiel<br />
einer Stromversorgung sollen die Vorteile dieser Vorgehensweise<br />
erläutert werden.<br />
PRODUKTDATEN IM ECLASS-FORMAT<br />
Um die Stammdaten der Stromversorgung im Zielformat<br />
des entsprechenden CAE-Werkzeugs zu erstellen,<br />
müssen rund 20 Attribute konvertiert werden. Damit<br />
<strong>das</strong> automatische Routen der Leitungen möglich ist,<br />
sind <strong>für</strong> die Stromversorgung außerdem 13 Anschlüsse<br />
festzulegen. Wenn nur die Anschlussposition und<br />
-richtung betrachtet werden, ergeben sich bereits 26<br />
Werte, die in <strong>das</strong> jeweilige Zielformat überführt werden<br />
müssen. Es fehlen allerdings noch die Daten <strong>für</strong><br />
Befestigungspunkte, Anschlussquerschnitte und weitere<br />
Detailangaben, die der Funktionsumfang aktueller<br />
CAE-Tools benötigt. Derartige Datenmengen lassen<br />
sich nicht mehr mit vertretbarem Aufwand in die vielen<br />
unterschiedlichen Zielformate übertragen.<br />
Hier liegt der große Vorteil von Geräteherstellern,<br />
die mit dem eClass-Standard arbeiten. Anstatt in die<br />
Entwicklung und Pflege der spezifischen Konverter<br />
<strong>für</strong> die CAE-Tools zu investieren, können sich die<br />
Mitarbeiter nun darauf konzentrieren, den Kunden<br />
die Produktdaten im eClass-Format zur Verfügung zu<br />
stellen. Auf diese Weise werden die E-Procurement-<br />
Prozesse unterstützt und die gleichen Daten liegen<br />
ebenfalls <strong>für</strong> die <strong>Engineering</strong>-Prozesse vor. Jede Anpassung,<br />
die sich auf die Quantität und Qualität der<br />
Daten beim Gerätehersteller auswirkt, generiert somit<br />
einen n-fachen Nutzen beim Empfänger der Daten.<br />
ECAD-Hersteller, die einen eClass-Datenimport anbieten,<br />
eröffnen ihren Kunden die Möglichkeit, die<br />
Produktdaten der Lieferanten in einem Standard-<br />
Format anzufragen.<br />
AUTOR<br />
Dipl.-Ing.<br />
JOSEF SCHMELTER<br />
ist Master Specialist<br />
Classification im Bereich<br />
Corporate Technology<br />
bei Phoenix Contact in<br />
Blomberg.<br />
Phoenix Contact Deutschland GmbH,<br />
Flachsmarktstraße 8,<br />
D-32825 Blomberg,<br />
Tel. +49 (0) 5235 31 20 00,<br />
E-Mail: jschmelter@phoenixcontact.com<br />
24<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Der Klassiker <strong>für</strong> die<br />
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<strong>das</strong>s ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung <strong>für</strong> die Zukunft jederzeit widerrufen.
INTERVIEW<br />
„Produkte mit bis zu 50 %<br />
Zeitersparnis einführen“<br />
Eckard Eberle und Hans-Georg Kumpfmüller<br />
im Interview mit <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
Im November vergangenen Jahres fand in Bad Neuenahr die Namur-Hauptsitzung zum Thema „Integrated <strong>Engineering</strong>“<br />
statt. Das Thema wurde auch vom Hauptsponsor Siemens aufgegriffen. Eckard Eberle, CEO der Siemens Business Unit<br />
Industrial Automation Systems, und Hans-Georg Kumpfmüller, CEO der Siemens Business Unit Sensors and Communication,<br />
stellen sich im Interview den Fragen der <strong>atp</strong>-Redaktion zu CPS, Anlagenlebenszyklus und Energiewende.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Digitalisierung, Virtualisierung, Simulation, Fabrik<br />
der Zukunft und cyber-physische Systeme (CPS) beziehungsweise<br />
Industrie 4.0. – um nur einige Begriffe zu nennen<br />
– sind Themen, die auch die Prozessindustrie durchdringen.<br />
Die Namur wählte mit „Integrated <strong>Engineering</strong>“ ein<br />
Software-orientiertes Thema in diesem Jahr. Warum?<br />
KUMPFMÜLLER: Die fortschreitende Digitalisierung und<br />
Vernetzung industrieller Wertschöpfungsprozesse bewirkt<br />
einen Paradigmenwechsel in der Industrie und bietet neue<br />
Produktivitätshebel. Derzeit gibt es einige große Herausforderungen,<br />
wie zum Beispiel die Ressourcenknappheit,<br />
die wir bewältigen müssen. Gleichzeitig zwingt uns der<br />
internationale Wettbewerb gerade aus Low-Cost-Ländern<br />
flexibler, günstiger und schneller qualitativ hochwertiger<br />
zu produzieren. Nur mit modernen Automatisierungssystemen<br />
mit leistungsfähiger Software, offenen <strong>Schnittstellen</strong><br />
in Zusammenarbeit mit <strong>integrierte</strong>m <strong>Engineering</strong> sind<br />
diese Herausforderungen zu bewältigen. Wir müssen die<br />
einzelnen Prozessschritte intelligent vernetzen und damit<br />
den gesamten Produktionsprozess optimieren.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Wie begegnen Branchen wie Chemie und<br />
Pharma diesem Trend, und wie antworten Sie als Anbieter<br />
von Messtechnik und Automatisierung auf die gestellten<br />
Herausforderungen der Prozessindustrie?<br />
EBERLE: Das vernetzte Denken ist Branchen wie Chemie<br />
und Pharma nicht fremd. Betrachten Sie einmal die großen<br />
Verbundstandorte, in denen Stoff- und Produktströme<br />
auf intelligente Weise abgestimmt, koordiniert und integriert<br />
werden. Diese Vernetzung muss noch mehr auf<br />
Daten- und Informationsebene geschehen, doch diese<br />
Vernetzung hat schon begonnen. Längst beeinflussen Informationstechnologie<br />
und Kommunikationswissenschaft<br />
<strong>das</strong> Ingenieurwesen.<br />
KUMPFMÜLLER: Die Sensorik und Aktorik spielt in diesen<br />
Prozessen eine wichtige Rolle, vor allem liefern sie die<br />
Informationen, die <strong>für</strong> eine solche Vernetzung nötig sind.<br />
Daten allein sind dabei wenig hilfreich, sie müssen auch<br />
entsprechend interpretiert werden. Dazu bietet Siemens<br />
leistungsfähige und intelligente Tools über den gesamten<br />
Lebenszyklus einer Anlage, sowohl <strong>für</strong> Automatisierung<br />
als auch Instrumentierung zur Integration von Planung,<br />
Betrieb und Instandhaltung.<br />
Bisher, wurde häufig die Auslagerung ins Ausland gewählt,<br />
um billiger zu produzieren und im Markt zu bestehen. Unsere<br />
Kunden in den Hochlohnländern können jetzt ihre Wettbewerbsnachteile<br />
zum Teil eliminieren, indem sie bei Planung<br />
und Betrieb der Anlagen Kosten und Zeit weiter optimieren.<br />
Damit lassen sich Capex-Kosten reduzieren zugunsten<br />
einer kürzeren Time-to-Market und effizienteren<br />
Produktion. Wir haben diesen Weg <strong>für</strong> uns konkret beziffert:<br />
Wir wollen unsere Kunden dabei unterstützen, die Produkteinführungszeiten<br />
mit Integrated <strong>Engineering</strong> um bis zu<br />
50 % zu verkürzen.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Inwieweit ist die Siemens-Lösung mit der Namur-Empfehlung<br />
NE 139 „Informationsschnittstellen in der<br />
Prozessautomatisierung“ und der NE 150 „Standardisierte<br />
Namur-Schnittstelle zum Austausch von <strong>Engineering</strong>-Daten<br />
zwischen CAE-System und PCS-<strong>Engineering</strong>-Werkzeugen“<br />
konform oder inwieweit verfolgt Siemens eine eigene Lösung?<br />
EBERLE: Die Systemvielfalt in der Prozessindustrie erfordert<br />
Standards Regeln <strong>für</strong> den Datenaustausch und dergleichen.<br />
Mit der Merkmalleisten-Technik der Namur 2012 nach<br />
NE 100/IEC 61987-10 oder jetzt NE 139, NE 150 wurde hier<br />
bereits ein gutes Stück Vorarbeit geleistet.<br />
Die Ideen einer definierten XML-Struktur <strong>für</strong> eine PLT-<br />
Stelle und <strong>das</strong> Mapping passen zum Siemens-Konzept. Es<br />
ist verständlich, <strong>das</strong>s die Namur den erforderlichen Datenaustausch<br />
zwischen verschiedenen CAE- und PLS-<br />
Systemen möglichst offen gestalten möchte. Der Namur-<br />
Datencontainer widerspricht jedoch nicht der Siemens-<br />
Lösung. Im Gegenteil: Wir sehen die Comos/-Simatic-<br />
PCS-Integration als ersten Schritt in Richtung eines<br />
solchen Containers. Schließlich birgt ein elektronischer<br />
Workflow erhebliche Einsparpotenziale, wie lückenlose<br />
Nachverfolgbarkeit, durchgängiges Änderungsmanagement<br />
und die Vermeidung manueller Eingabefehler. Unabhängig<br />
davon, wie eine solche Lösung aussehen wird,<br />
werden wir mit Anwendern und anderen Anbietern eng<br />
beim Thema Standardisierung zusammenarbeiten.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Welchen Vorteil bietet die Integration Comos/<br />
Simatic- PCS- 7 und die konsistente Datenbasis?<br />
KUMPFMÜLLER: Alle Gewerke und Mitarbeiter haben Zugriff<br />
auf eine konsistente Datenbank mit stets aktuellem<br />
Planungsstand. Dadurch lassen sich an den einzelnen Gewerken<br />
Arbeiten parallelisieren. Dies verkürzt die Planungszeiten<br />
und steigert die Projektqualität. In Projekten konnten<br />
bereits deutlich kürzere Inbetriebnahmezeiten nachgewie-<br />
26<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
ECKARD EBERLE UND HANS-GEORG KUMPFMÜLLER freuen sich auf die Zukunft:<br />
Integrated <strong>Engineering</strong> soll mit der Unterstützung von Siemens zu Integrated Operations<br />
ausgebaut werden und die Kunden ganzheitlich im Anlagenmanagement unterstützen.<br />
sen werden. Auch die Dokumentation ist ein wichtiger Faktor.<br />
Jeder Umbau oder Ersatz eines Gerätes vor Ort wird über<br />
den Lebenszyklus dokumentiert. Durch die Bidirektionaliät<br />
hat man nach der Inbetriebnahme stets konsistente Daten<br />
(„as is“ anstatt „as built“), die die Realität widerspiegeln und<br />
nicht Messgeräte enthalten, die vielleicht vorgesehen, aber<br />
doch in anderen Varianten installiert wurden. Das digitale<br />
Anlagenabbild stellt alle Informationen zu Ersatzteilen und<br />
Anlagengegebenheiten oder Wartungsplänen bereit.<br />
EBERLE: Der nächste Schritt mit Comos 10.1 wird die Integration<br />
der Anlagenfunktionsbeschreibung aus dem<br />
Basic <strong>Engineering</strong> in die Realisierung der Automatisierungsfunktion<br />
sein. Dies führt zu einer ganzheitlichen<br />
funktionalen Betrachtung einer Produktionsanlage basierend<br />
auf den Definitionen der ISA 88, besonders wichtig<br />
<strong>für</strong> chargenorientierte Prozesse. Weitere Vorteile des<br />
Integrierten <strong>Engineering</strong>s bestehen in einer gemeinsamen<br />
Nutzung von Computer Aided <strong>Engineering</strong> (CAE) durch die<br />
Verfahrenstechnik und durch die EMSR-Technik. Es gibt<br />
viele Möglichkeiten, einen homogenen Datenfluss von der<br />
verfahrenstechnischen Planung in die Planung der Elektro-<br />
und Automatisierungstechnik herzustellen.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Welche Rolle spielt die Geräteplanung im Anlagenengineering<br />
und wie werden die Gerätedaten in Comos<br />
integriert?<br />
KUMPFMÜLLER: Während früher die Auswahl und Bestellung<br />
der Feldgeräte in Papierform stattfand, werden diese<br />
Arbeitsschritte heute in einen elektronischen Workflow<br />
eingebunden. Es lassen sich alle Siemens-Feldgeräte in<br />
den Planungsprozess über <strong>das</strong> PIA Life Cycle Portal (LCP)<br />
integrieren. Dabei werden in Comos die Auslegungsdaten<br />
und Gerätemerkmale nur einmal erfasst. Die harmonisierten<br />
technischen Daten ermöglichen die Auswahl des optimalen<br />
Gerätes. Schließlich bestimmen neben den elektrischen<br />
Eigenschaften des Verfahrens, die Parameter und<br />
der Einsatzort maßgeblich die Wahl.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Funktioniert <strong>das</strong> PIA LCP nur im Zusammenspiel<br />
mit Comos? Wird es in der Zukunft einen Standard geben?<br />
KUMPFMÜLLER: Das Portal PIA LCP steht jedem Anlagenplaner<br />
zur Verfügung. Allerdings werden die Daten als xls<br />
oder pdf übergeben. Zum zweiten Teil der Frage: Die Standardisierung,<br />
die eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> ein<br />
<strong>integrierte</strong>s Anlagenengineering ist, wird bald Realität. Die<br />
bisherige Norm NE100 3.2 ist in den neuen Industriestandard<br />
eClass <strong>für</strong> den Austausch von Betriebs- und Gerätemerkmalen<br />
eingegangen. Wir sehen in eClass die einheitliche<br />
Sprache <strong>für</strong> den harmonisierten Datenaustausch.<br />
Die Vorteile: bessere Vergleichbarkeit, Fehlersicherheit und<br />
Qualität. Die Zeitersparnis bei der Auswertung und Bereitstellung<br />
von technischen Merkmalen bei Geräteauswahl und<br />
Dokumentation liegt bei bis zu 20 %.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Sie sprechen vom ganzheitlichen <strong>Engineering</strong><br />
über den gesamten Lebenszyklus. Welche Vorteile bietet<br />
dabei <strong>das</strong> <strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong>?<br />
EBERLE: Man muss Anlagen und ihre Komponenten über<br />
den gesamten Lebenszyklus betrachten, insbesondere wenn<br />
man bedenkt, <strong>das</strong>s prozesstechnische Anlagen bis zu 40<br />
Jahren betrieben werden. Durch die Modernisierung der<br />
Automatisierung lassen sich Einsparpotenziale heben, die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
27
INTERVIEW<br />
die Pumpenüberwachung, die dem Betreiber dabei helfen,<br />
an die richtigen und wichtigen Informationen heran zu kommen<br />
und dann reagieren zu können. Bei der Überwachung<br />
von Aggregaten in Simatic PCS 7 über Condition Monitoring<br />
kann direkt in Comos MRO ein Wartungsauftrag erstellt<br />
oder ausgeführt werden. Wenn also ein Aggregat<br />
eine gewisse Toleranz überschreitet, kann der Instandhalter<br />
aus dem Leitsystem heraus den Wartungsauftrag<br />
wenn es sein muss sogar auf sein Handy bekommen.<br />
„Während die diskrete Automatisierung<br />
längst Ethernet und vor allem Profinet nutzt,<br />
arbeitet die Prozessautomatisierung noch<br />
mit Standards und langsamen Technologien,<br />
<strong>für</strong> die Industrie 4.0 vermutlich nur begrenzt<br />
realisierbar ist.“ HANS-GEORG KUMPFMÜLLER<br />
digitale Anlagendokumentation erleichtert die Pflege erheblich.<br />
Der Betreiber kann auf stets aktuelle Daten inklusive<br />
Dokumentation, Auslegungsdaten und Historie zurückgreifen.<br />
Umgekehrt werden Änderungen der Automatisierung<br />
ins <strong>Engineering</strong> zurückgespielt. Dieser Datenbestand bietet<br />
die optimale Basis <strong>für</strong> die Modernisierung, Erweiterung und<br />
Migration der Anlagen. Aktuelle Daten sind oft gar nicht<br />
dokumentiert oder nicht elektronisch vorhanden. Auch bei<br />
Inbetriebnahme und Tests im Vorfeld wie FAT (Factory Acceptance<br />
Test) gibt es Vorteile. Die Sicherheit von Anlagen<br />
und Mitarbeitern ist in der Prozessindustrie <strong>das</strong> A und O –<br />
deshalb werden Tests an der realen Anlage, die immer mit<br />
gewissen Risiken verbunden sind, zunehmend durch virtuelle<br />
Anlagentests im Rahmen einer Wasserfahrt ersetzt.<br />
Dank der durchgängigen Datenhaltung stehen diese Daten<br />
im Simulations-Tool Simit zur Verfügung.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: In der Betriebsphase, die auch die Optimierung<br />
und die Instandhaltung beinhaltet, fallen sehr viele Informationen<br />
an. Wie kann diese Informationsflut noch bewältigt<br />
werden?<br />
EBERLE: Moderne Bedienerplattformen stellen komplexe<br />
Daten so dar, <strong>das</strong>s sie <strong>für</strong> den Menschen einfach zu verarbeiten<br />
sind. Dazu gehört zum Beispiel, <strong>das</strong>s die Informationen<br />
<strong>für</strong> die Inbetriebnahme-Mannschaft, die Anlagenfahrer<br />
und die Instandhaltungs-Abteilung gesondert aufbereitet<br />
werden. Unser Automatisierungssystem berücksichtigt<br />
spezielle HMI+-Konzepte, etwa APG (Advanced Process<br />
Graphics), mit der die Informationsflut mittels Darstellung<br />
von KPIs intelligent verdichtet wird. Dies bildet die Basis<br />
<strong>für</strong> effiziente Prozessführung. Aber auch im Detail tut sich<br />
einiges, wie <strong>das</strong> Beispiel der Instandhaltung zeigt. Hier ändert<br />
sich die Gewichtung hin zu einer prädiktiven (also zustandsbasierten,<br />
vorausschauenden) Instandhaltung anstatt<br />
reaktiv beziehungsweise präventiv (also zyklisch) zu<br />
handeln. Bei uns gibt es entsprechende Lösungen, wie etwa<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Stichwort Prozessleitsystem. Wie wird die Datenflut<br />
in der Leittechnik beherrscht? Was bringt die Zukunft in<br />
Bezug auf die Datenautobahn von der Feldebene bis zu MES<br />
oder ERP-Systemen? Wie wichtig ist leistungsfähige Hardware?<br />
EBERLE: Ganz klar, eine gute Software braucht leistungsfähige<br />
Hardware, denn die Anlagestruktur ist ja im Leitsystem<br />
hinterlegt. Mit den neuen Controllern wie zum<br />
Beispiel CPU 410-5H werden die Anforderungen der Prozessindustrie<br />
nach Robustheit, Flexibilität, Schnelligkeit<br />
und Leistung erfüllt. Der Controller kann in unterschiedlichen<br />
Varianten eingesetzt werden. Dabei lässt sich die<br />
Leistung individuell über eine Systemerweiterungskarte<br />
an die Applikation anpassen. Sie bietet zudem alle Funktionen<br />
<strong>für</strong> sicherheitsgerichtete Applikationen – heute<br />
und in Zukunft.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Feldbusse – wo geht die Reise hin?<br />
KUMPFMÜLLER: Während in der diskreten Automatisierung<br />
längst Ethernet und vor allem Profinet Einzug gefunden<br />
haben, arbeitet die Prozessautomatisierung immer<br />
noch mit relativ alten Standards wie, Profibus PA, Hart oder<br />
FF. Zukünftige Möglichkeiten gerade im Rahmen von Industrie<br />
4.0 sind vermutlich mit diesen langsamen Technologien<br />
nur begrenzt realisierbar. Deshalb wird der Wunsch unserer<br />
Kunden nach einer höher performanten Schnittstelle im<br />
Feld stärker. Es gibt noch keine Ideallösung vor allem <strong>für</strong><br />
den Ex-Bereich. Es sollen auch keine unterschiedlichen<br />
neuen Varianten auf den Markt gebracht werden und zur<br />
nächsten Feldbusschlacht führen. Deshalb ist unter den<br />
Herstellern ein gewisser Pragmatismus in den Vordergrund<br />
getreten. Zusammen mit Anwendern arbeitet man Hand in<br />
Hand um eine effektive Lösung, die von der gesamten Prozessindustrie<br />
getragen wird, zu entwickeln. In Zukunft wird<br />
Ethernet, und hier allen voran, Profinet eine interessante<br />
Alternative sein. Die Vorteile dieser Kommunikation wird<br />
auch die Prozessindustrie nutzen. Entsprechende Gespräche<br />
finden ja in den Arbeitskreisen mit der Namur statt.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Wie sieht es mit der Forderung der Anwender<br />
nach einem einheitlichen Standard <strong>für</strong> die einfachere Integration<br />
von Feldgeräten in die Leittechnik aus – Stichwort FDI?<br />
KUMPFMÜLLER: Zur Spezifikation, Normierung und Einführung<br />
von FDI wurde die FDI Cooperation LLC gegründet.<br />
Hier arbeiten führende Herstellerfirmen eng mit Anwendern<br />
zusammen. Ziel ist es, den Einsatz unterschiedlicher<br />
Feldgeräte und ihrer verschiedenen Kommunikationsprotokolle<br />
(FF, HCF, Profibus, Profinet) zu unterstützen. Die<br />
Basis sind offene und standardisierte <strong>Schnittstellen</strong>, die<br />
möglichst viele Systeme unterstützen. FDI vereint die Vorteile<br />
von EDDL und FDT. FDI ist auch in anderer Hinsicht<br />
wegweisend – ohne die enge Zusammenarbeit mit Anwendern<br />
wäre die schnelle Umsetzung unmöglich gewesen. So<br />
28<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
hat die FDI Cooperation auf der vergangenen Namur-Hauptsitzung<br />
die fertig gestellten FDI-Spezifikationen zur Geräteintegration<br />
(Field Device Integration) sowie die Vorabversion<br />
der FDI-Entwicklertoolkits vorgestellt. Damit können<br />
Automatisierungsanbieter die Entwicklung von Produkten<br />
und Host-Systemen vorbereiten, die mit der FDI-Spezifikation<br />
kompatibel sind. Die veröffentlichte Spezifikation und<br />
die harmonisierte EDDL-Spezifikation (Electronic Device<br />
Description Language) wurden an die International Electrotechnical<br />
Commission (IEC) übergeben, was die nächste<br />
bedeutende Phase (Committee Draft for Vote) im internationalen<br />
Standardisierungsprozess einleitet. Die FDI-Spezifikation<br />
wird in den Standard IEC 62769 aufgenommen.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Unter Berücksichtigung der großen Basis von Geräten<br />
mit EDDL und FDT/DTM, wie sieht es bei der neuen vereinheitlichten<br />
Integration mit der (Rück-) Kompatibilität aus?<br />
KUMPFMÜLLER: Sicherlich wird die Umstellung und damit<br />
Marktdurchdringung eine gewisse Zeit dauern. Ich bin aber<br />
überzeugt, <strong>das</strong>s die Migration reibungs- und geräuschlos<br />
vorsich gehen wird. Zur Markteinführung gibt es Software-<br />
Tools, die die Konvertierung der bisherigen EDD’s und<br />
DTM’s einfach und automatisiert möglich macht. Damit<br />
sinkt die Hemmschwelle FDI zu nutzen beträchtlich. In Zukunft<br />
gibt es sicher noch einige Aufgaben zu lösen, wie eine<br />
einheitliche Bedienoberfläche. Aber dem Wunsch der Kunden<br />
wird Rechnung getragen. Wichtig ist uns dabei, <strong>das</strong>s<br />
FDI nicht nur EDDL und FDT/DTM ersetzt, sondern durch<br />
den synergetischen Ansatz der beiden Konzepte die beiden<br />
Welten zusammenbringt.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Stichwort Industrie 4.0. Welche Rolle spielt<br />
Integriertes <strong>Engineering</strong> in Bezug auf Industrie 4.0 und<br />
den Konzepten zur Modularisierung von Anlagen?<br />
KUMPFMÜLLER: Das Stichwort Industrie 4.0 umfasst<br />
viele Themen, dabei ist ganz sicher die Frage, wie Hardund<br />
Software über die gesamte Produktionskette hinweg<br />
noch enger verschmelzen und wie wir die Intelligenz noch<br />
weiter in die Anlagen und ins Feld verlagern können. Ohne<br />
ein <strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong> werden diese Konzepte nicht<br />
umsetzbar sein.<br />
EBERLE: Auch der zweite Trend, die Konzepte zur modularen<br />
Automatisierung, ist nur mit Standardisierung und<br />
Betrachtung aller Gewerke realisierbar. Insellösungen<br />
haben kaum eine Chance. Interessant am modularen Automatisierungskonzept<br />
ist, <strong>das</strong>s die Anlage hochkomplex<br />
ist und mit nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden<br />
in Einklang gebracht wird. Der Weg zu einer papierlosen<br />
Qualifizierung einer Anlage ist vorgezeichnet –<br />
mit allen seinen Facetten, wie Compliance Druck, Dokumentenmanagementsystem<br />
sowie der regelkonformen<br />
Archivierung. Dateninkonsistenzen an den <strong>Schnittstellen</strong><br />
der Gewerke und Fehler bei der Übertragung fallen umso<br />
schwerer ins Gewicht. Die Vorzüge einer konsistenten Datenbasis:<br />
einmal eingegebene Informationen lassen sich<br />
bereichsübergreifend wiederverwenden.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Die Branchen der Prozessindustrie benötigen<br />
enorme Energiemengen. Vor dem Hintergrund der Energiewende<br />
stellen sich die Fragen nach Energiestabilität und Gestaltung<br />
der Energiepreise. Welchen Beitrag kann Siemens<br />
dazu liefern?<br />
EBERLE: Das Portfolio von Siemens bietet viele Möglichkeiten<br />
die Energieströme transparent zu machen – sei es<br />
Gas, Dampf oder elektrische Energie - und gezielt Maßnahmen<br />
zur Effizienzsteigerung zu ergreifen. Nur wer<br />
weiß, wo Energie verbraucht wird, kann an der Stelle<br />
gezielt eingreifen. Hier<strong>für</strong> bieten wir zuverlässige Messinstrumente<br />
oder Geräte zur Erfassung und Anzeige<br />
sämtlicher elektrischer Verbrauchsmengen. Das Energie-Management-System<br />
B.Data optimiert die Arbeitsabläufe,<br />
indem es alle <strong>für</strong> die Energie- und Energiever-<br />
„Die Konzepte zur modularen Automatisierung<br />
sind nur mit Standardisierung und<br />
Betrachtung aller Gewerke realisierbar.<br />
Integrated <strong>Engineering</strong> und eine konsistente<br />
Datenbasis sind die Basis <strong>für</strong> Industrie 4.0.“<br />
ECKARD EBERLE<br />
sorgung relevanten Prozesse automatisiert. Ferner haben<br />
wir energiesparende Schaltanlagen und Schaltgeräte<br />
sowie Motoren und Frequenzumrichter im Programm.<br />
Die Integration der Mittel- und Hochspannungsschaltanlagen<br />
gemäß IEC 61850 wird über PCS 7 Powercontrol<br />
ermöglicht. Und nicht zuletzt haben wir viele zukunftweisenden<br />
Lösungen zu bieten, die Denkanstöße zum Thema<br />
Energiewende liefern, etwa Consulting im Bereich Energiemanagement<br />
oder effiziente Speicherung von Energie.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: Kommen wir zurück zu den langen Laufzeiten<br />
der Anlagen. Welche Rolle spielt der Service?<br />
KUMPFMÜLLER: Das Thema Service wird immer wichtiger,<br />
da die Anwender sich inzwischen auf ihr Kerngeschäft<br />
konzentrieren möchten und auch müssen. Sie<br />
benötigen einen kompetenten Service-Partner, der Vertragssicherheit<br />
bietet aber auch die TCO (Total Cost of<br />
Ownership) über den gesamten Lebenszyklus im Blick<br />
hat. Wir haben den klaren Fokus, die Wirtschaftlichkeit,<br />
die Effizienz, die Qualität und die Transparenz der Anlagen<br />
unserer Kunden zu verbessern. Daher will ich den Begriff<br />
des <strong>integrierte</strong>n <strong>Engineering</strong> zu einem „Integrated Operations“<br />
ausweiten. Das digitale Anlagenabbild über die<br />
gesamte Laufzeit, welches wirklich alle Phasen von <strong>Engineering</strong>,<br />
Betrieb, Optimierung, Erweiterung und Instandhaltung<br />
berücksichtigt, ist die Basis da<strong>für</strong>.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
29
HAUPTBEITRAG<br />
<strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
<strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong><br />
Wege zu einer schnellen Realisierung<br />
Für Planung und Betrieb von prozesstechnischen Anlagen wird eine Vielzahl von<br />
Software-Werkzeugen verwendet. Der manuelle Austausch und Abgleich der Daten<br />
ist aufwendig und fehlerbehaftet. Das <strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong> ermöglicht eine effiziente<br />
und konsistente Datenbasis <strong>für</strong> den gesamten Lebenszyklus. In diesem Beitrag<br />
wird gezeigt, <strong>das</strong>s weder eine zentrale Datenbank noch individuelle <strong>Schnittstellen</strong><br />
zwischen allen beteiligten Systemen zum gewünschten Erfolg führen. Vielmehr<br />
wird ein Vorgehen zur schrittweisen Standardisierung vorgeschlagen, <strong>das</strong> auf der<br />
Definition von Objekten und ihren Attributen basiert. Ein kooperativer Standardisierungsansatz<br />
führt zügig zum <strong>integrierte</strong>n <strong>Engineering</strong>.<br />
SCHLAGWÖRTER Integriertes <strong>Engineering</strong> / Schnittstelle / objektorientiert / XML<br />
Interfaces for Integrated <strong>Engineering</strong> –<br />
Ways of quick Realization<br />
During engineering and operation of processing plants a multitude of software tools<br />
is used. A manual exchange and replication of data is laborious and has a high risk of<br />
errors. An Integrated <strong>Engineering</strong> allows an efficient and consistent data base for the<br />
whole plant life cycle. This article shows that neither a central data base nor individual<br />
tool-to-tool interfaces are appropriate. Rather a stepwise standardization is proposed,<br />
basing on the definition of objects and their attributes. A cooperative approach<br />
for standardization seems to enable a rapid realization of Integrated <strong>Engineering</strong>.<br />
KEYWORDS integrated engineering / interface / object oriented / XML<br />
30<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
THOMAS TAUCHNITZ, Sanofi-Aventis Deutschland<br />
Während der Planung und beim Betrieb von<br />
Anlagen der Prozessindustrie werden unterschiedliche<br />
Software-Werkzeuge – im folgenden<br />
<strong>Engineering</strong>-Tools genannt – verwendet.<br />
Diese Werkzeuge nutzen und erzeugen<br />
Daten, die von anderen Tools bereitgestellt beziehungsweise<br />
eingesetzt werden. Bild 1 zeigt eine Auswahl solcher Software-Werkzeuge<br />
aus den Phasen Vorplanung, Basic <strong>Engineering</strong>,<br />
Detail <strong>Engineering</strong>, Errichtung und Betrieb und <strong>für</strong> die<br />
verschiedenen Gewerke wie Verfahrenstechnik, Elektrotechnik<br />
und Automatisierung. Jedes dieser Werkzeuge hat einen<br />
eigenen Datenbestand, in der Regel eine Datenbank.<br />
Unter dem Begriff <strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong> wird im<br />
Beitrag verstanden,<br />
1 | <strong>das</strong>s <strong>für</strong> den kompletten Anlagenlebenszyklus nur<br />
ein einziges, zusammenhängendes System von<br />
<strong>Engineering</strong>-Tools verwendet wird,<br />
2 | <strong>das</strong>s die Daten nur ein einziges Mal eingegeben<br />
sowie nur an einer Stelle geändert werden und<br />
3 | <strong>das</strong>s <strong>das</strong> System von <strong>Engineering</strong>-Tools die Konsistenz<br />
aller Daten während des Anlagenlebenszyklus<br />
sicherstellt.<br />
Dieser weitreichende Begriff des <strong>integrierte</strong>n <strong>Engineering</strong><br />
ist deutlich abzugrenzen von Diskussionsbeiträgen<br />
und Veröffentlichungen, die sich zum Beispiel nur mit<br />
dem einmaligen Datentransfer in der Projektphase oder<br />
mit der Schnittstelle zwischen nur zwei Systemen beschäftigen.<br />
Integriertes <strong>Engineering</strong> ist wesentlich mehr<br />
als der Transfer von Kalkulationstabellen!<br />
Auf der Namur-Hauptsitzung 2012 wurde in einem Plenarvortrag<br />
dargelegt, <strong>das</strong>s die Zeit reif ist, <strong>das</strong> <strong>integrierte</strong><br />
<strong>Engineering</strong> zu verwirklichen, siehe [1]. Dieser Beitrag, der<br />
auf einen Plenarvortrag auf der Namur-Hauptsitzung 2013<br />
fußt, enthält konkrete Vorschläge zur Realisierung.<br />
1. ZWEI EXTREME LÖSUNGSANSÄTZE<br />
Zur Realisierung des <strong>integrierte</strong>n <strong>Engineering</strong>s bieten<br />
sich zwei extreme Ansätze an: die Verwendung einer<br />
zentralen Datenbank und die Verwendung vieler direkter<br />
<strong>Schnittstellen</strong> zwischen einzelnen Systemen.<br />
1.1 Zentrale Datenbank mit Werkzeugsuite<br />
Beim Ansatz mit einer zentralen Datenbank würden<br />
alle <strong>Engineering</strong>-Systeme ihre Daten, eventuell nur<br />
die mit anderen Systemen auszutauschenden Daten,<br />
in einem zentralen Datenpool ablegen, siehe Bild 2.<br />
Das lässt sich, zumindest solange ein solcher zentraler<br />
Datenpool keine standardisierten <strong>Schnittstellen</strong><br />
hat, nur im Rahmen einer Werkzeugsuite eines<br />
einzelnen Herstellers oder einer Herstellergruppe<br />
realisieren.<br />
Vorteil wäre, <strong>das</strong>s die <strong>Schnittstellen</strong>problematik<br />
innerhalb der Werkzeugsuite gelöst wäre und damit<br />
weder den Betreiber belastet noch eine Standardisierung<br />
erfordert. Voraussetzung wäre aber, <strong>das</strong>s diese<br />
Werkzeugsuite alle Anforderungen an <strong>Engineering</strong>werkzeuge<br />
dauerhaft abdeckt. Aktuell gibt es wenige<br />
Hersteller so vielseitig aufgestellter <strong>Engineering</strong>werkzeuge,<br />
und es ist nicht zu erwarten, <strong>das</strong>s diese<br />
in absehbarer Zeit alle Anforderungen abdecken<br />
können. Wegen des immensen Aufwands würde eine<br />
solche Lösung nur von wenigen großen Firmen erstellt<br />
werden, was Abhängigkeiten von Monopol beziehungsweise<br />
Oligopol schaffen und durch Ausschalten<br />
des Wettbewerbs eventuell die Fortentwicklung<br />
verlangsamen würde. Es entstünden Werkzeuge<br />
mit kaum beherrschbarer Komplexität. Eine Migration<br />
von bestehenden Daten und Systemen in eine solche<br />
Lösung ist kaum vorstellbar.<br />
1.2 Dezentrale Datenhaltung<br />
Das radikale Gegenmodell zur zentralen Datenbank<br />
ist die strukturelle Beibehaltung des aktuellen Zustands:<br />
Jedes Werkzeug hat seine eigene Datenbank.<br />
Zwischen den Werkzeugen müssten individuelle<br />
<strong>Schnittstellen</strong> geschaffen werden, siehe Bild 3. Vor-<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
teil dieser Lösung wäre, <strong>das</strong>s sie die aktuelle Datensituation<br />
einschließt, die Migration von aktuellen<br />
Lösungen wäre also möglich. Die Modularität erlaubt<br />
es, die Komplexität zu beherrschen und sich<br />
<strong>für</strong> die Best-of-Breed-Strategie zu entscheiden: Die<br />
Anwender können die jeweils <strong>für</strong> die Spezialaufgaben<br />
besten Werkzeuge einsetzen, so<strong>das</strong>s der Markt<br />
offen wäre und technischer Fortschritt ermutigt<br />
würde. Die Nachteile dieser Lösung sind offenkundig:<br />
Für jede Kombination von Systemen müssten<br />
individuelle <strong>Schnittstellen</strong> erstellt werden. Genau<br />
an diesem Problem scheitert bisher die Idee eines<br />
<strong>integrierte</strong>n <strong>Engineering</strong>s, und eine Lösung der<br />
<strong>Schnittstellen</strong>problematik ist nicht in Sicht.<br />
2. ANFORDERUNGEN UND GRUNDLAGEN<br />
BILD 1: Überblick <strong>Engineering</strong>-Tools<br />
Ein Konzept <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong> muss nach<br />
Meinung des Autors sechs Anforderungen erfüllen:<br />
Zügige Realisierbarkeit im Sinne von ein bis zwei<br />
Jahren, zumindest in den dringendsten Teilen,<br />
allgemein akzeptierter Standard, zu dem<br />
keine konkurrierenden Ansätze entwickelt<br />
werden,<br />
Offenheit <strong>für</strong> Ergänzungen und den technischen<br />
Fortschritt (dies ermöglicht den Start<br />
mit einer 80-Prozent-Lösung),<br />
Unabhängigkeit von Monopolen oder Oligopolen,<br />
beherrschbare Komplexität und<br />
Migrationsmöglichkeit <strong>für</strong> vorhandene Werkzeuge<br />
und Daten.<br />
BILD 2: Zentrale Datenbank <strong>für</strong> alle <strong>Engineering</strong>-Tools<br />
BILD 3: <strong>Schnittstellen</strong> zwischen allen <strong>Engineering</strong>-Tools<br />
2.1 Grundlagen zum Verständnis: XML und Mapping<br />
Zur Beschreibung der zu übertragenden Objekte erscheint<br />
Extensible Markup Language (XML) bestens<br />
geeignet. XML ist gemäß [2] „eine Sprache zur Darstellung<br />
hierarchisch strukturierter Daten in Form<br />
von Textdateien“ und „wird u. a. <strong>für</strong> den plattformunabhängigen<br />
Austausch von Daten zwischen<br />
Computersystemen eingesetzt“. Die in der geplanten<br />
Namur-Empfehlung NE 150 [3] verwendete Darstellung<br />
der Daten einer PLT-Stelle, siehe Bild 4, verwendet<br />
zwar nicht unmittelbar XML, lässt sich jedoch<br />
problemlos damit abbilden.<br />
Mapping, genauer Datenmapping, ist <strong>das</strong> Aufeinanderabbilden<br />
von Elementen zwischen zwei unterschiedlichen<br />
Datenmodellen beziehungsweise Datenbeständen.<br />
Diese Abbildung ist im einfachsten<br />
Fall eins zu eins, wenn dieselbe Information in beiden<br />
Datenbeständen vorliegt und direkt zugeordnet<br />
werden kann. Mapping erlaubt auch kompliziertere<br />
Verknüpfungen und Berechnungen, indem beispielsweise<br />
Maßeinheiten umgerechnet oder Kombinationen<br />
von Information erstellt werden.<br />
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3. SECHS GRUNDIDEEN ZUR<br />
SCHNITTSTELLENDEFINITION<br />
3.1 Nur benötigte Daten übertragen<br />
Jedes <strong>Engineering</strong>-Tools hat einen eigenen Daten-Pool,<br />
in der Regel realisiert über eine Datenbank. Die Daten<br />
lassen sich in zwei Klassen aufteilen:<br />
Transfer-Daten: Das sind alle Daten, die auch von<br />
anderen Werkzeugen benötigt werden und daher<br />
über <strong>Schnittstellen</strong> zu transferieren sind.<br />
Lokale Daten: Dabei handelt es sich um alle übrigen<br />
Daten, die in dem <strong>Engineering</strong>-Tool entstehen<br />
und verwendet werden, aber von anderen<br />
Systemen weder erzeugt noch benötigt werden.<br />
Die Unterscheidung zwischen diesen Datenklassen ist<br />
wichtig, um den Aufwand zu verringern, denn die<br />
<strong>Schnittstellen</strong> und damit die Standardisierung müssen<br />
nur die Transfer-Daten festlegen. Die Lokalen Daten<br />
können auf ihrer Dateninsel verbleiben.<br />
BILD 4: Daten der<br />
PLT-Stelle gemäß<br />
Namur-Empfehlung<br />
NE 150<br />
3.2 Neutrale und private Daten gemeinsam übertragen<br />
Es wäre wünschenswert, <strong>das</strong>s <strong>für</strong> alle Transfer-Daten<br />
von Anfang an Standards vorliegen. Das würde aber<br />
einen vollständigen Abschluss des Standardisierungsprozesses<br />
vor dem ersten Einsatz erfordern und<br />
damit diesen Einsatz verzögern. Außerdem muss im<br />
Lebenszyklus einer Schnittstelle immer wieder mit<br />
Erweiterungen dieser Schnittstelle gerechnet werden,<br />
so<strong>das</strong>s aufgrund unterschiedlicher Versionsstände die<br />
gemeinsame Übertragung von schon standardisierten<br />
und noch nicht standardisierten Daten immer wieder<br />
auftreten wird.<br />
Glücklicherweise gibt es in der modernen <strong>Schnittstellen</strong>technologie<br />
einfache Methoden <strong>für</strong> den gemeinsamen<br />
Transport von standardisierten (neutralen) und<br />
nicht standardisierten (privaten) Daten. Dies wird beispielsweise<br />
im Datenformat AutomationML zum Austausch<br />
von Anlagenplanungsdaten genutzt [4] und<br />
wird in Bild 5 am XML-Beispiel aus der Namur-Empfehlung<br />
NE 150 gezeigt: Der Sender der Daten, <strong>das</strong> R&I-<br />
Werkzeug A, schreibt zusätzliche Daten zur Archivierung<br />
in die XML-Nachricht. Diese Daten sind nicht<br />
standardisiert, also privat. Jetzt hängt es vom Empfänger<br />
ab, ob er diese Daten versteht, weil ihm diese privaten<br />
Objekte bekannt sind, oder nicht. Falls er sie<br />
nicht versteht, bleiben sie uninterpretiert im Speicher,<br />
stören aber die Kommunikation nicht.<br />
Die Idee, private und standardisierte Information<br />
gemeinsam zu übertragen, wird in [5] am Beispiel AutomationML<br />
ausführlich diskutiert und in CAEX 3.0<br />
bereits in die Standardisierung [6] eingebracht. Dabei<br />
werden jedem einzelnen Objekt Attribute über seine<br />
individuelle Quelle mitgegeben, so<strong>das</strong>s der Empfänger<br />
BILD 5: Gemeinsame Übertragung neutraler und privater Daten<br />
BILD 6: Schrittweises Füllen des Objektes PLT-Stelle<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
diese privaten Daten der jeweiligen Quelle entsprechend<br />
interpretieren kann.<br />
3.3 Schrittweise Standardisierung<br />
Der Teufelskreis der Standardisierung wird in [7] beschrieben:<br />
Standardisierung, zumindest eine gute, benötigt<br />
Feedback aus dem praktischen Einsatz, und Werkzeughersteller<br />
sowie Kunden warten auf einen Standard,<br />
bevor sie in Tools und Produkte investieren. Dieser Teufelskreis<br />
hat manche Standardisierung um zehn Jahre<br />
verzögert, in Einzelfällen auch verhindert.<br />
Die aufgezeigte Möglichkeit, neutrale und private Daten<br />
gemeinsam zu übertragen, lässt eine schrittweise<br />
Standardisierung zu: Wenn Sender und Empfänger sich<br />
über die Bedeutung privater Daten verständigen, können<br />
erweiterte Datensätze übertragen und interpretiert werden.<br />
Werden diese erweiterten Daten in die Standardisierungsgremien<br />
eingebracht, wandeln sich die anfangs<br />
privaten Daten zu neutralen. So kann die Standardisierung<br />
schnell und relativ schlank beginnen, mit einfachen<br />
und häufig benutzten Elementen, und nach Bedarf weiterwachsen.<br />
Damit wird der Angst begegnet, Standardisierung<br />
würde den Funktionsumfang beschränken, denn<br />
neue Ideen können jederzeit hinzugefügt werden.<br />
Grundlage <strong>für</strong> die schrittweise Standardisierung ist<br />
eine strenge Aufwärtskompatibilität: Definitionen dürfen<br />
immer nur hinzugefügt werden. Löschen und Ändern<br />
von alten Elementen ist streng verboten, weil sich<br />
alte Datensätze sonst nicht mehr lesen lassen.<br />
3.4 Orientierung am Objekt<br />
Im Laufe des <strong>Engineering</strong>-Prozesses wächst die Datenmenge<br />
an. Bei PLT-Stellen werden beispielsweise im<br />
R&I-Schema der PLT-Stellenname sowie Alarmbezeichnungen<br />
vergeben. In der PLT-Stellenplanung kommen<br />
PLS-Signale sowie Feldbusparameter hinzu, im PLS-<br />
<strong>Engineering</strong> schließlich die Reglerparameter. Wenn<br />
Anwender und Systemhersteller nun, um bei diesem<br />
einfachen Beispiel zu bleiben, individuelle <strong>Schnittstellen</strong><br />
von R&I-Werkzeug zum PLT-Planungswerkzeug und<br />
schließlich zum PLS-<strong>Engineering</strong> definieren wollen,<br />
müssen sie festlegen, welche Informationen genau in<br />
welchem Schritt und in welchem System zu erzeugen<br />
sind. Damit würde der Funktionsumfang dieser Werkzeuge<br />
festgeschrieben. Das ist ein unmögliches Unterfangen,<br />
weil die verschiedenen Werkzeuge meist überlappende<br />
Funktionen bieten, und es in der Hand des<br />
Anwenders liegt, wie die Arbeitsabläufe im Detail sind<br />
und was mit welchem Werkzeug gemacht wird.<br />
Der Namur-Arbeitskreis 1.10 PLS-<strong>Engineering</strong> hat bei<br />
der Erarbeitung der Namur-Empfehlung NE 150 eine<br />
bessere Lösung gewählt: Er definiert <strong>das</strong> Objekt PLT-<br />
Stelle, siehe Bild 4, mit allen seinen möglichen Attributen.<br />
Und diese Definition lässt offen, welche Werkzeuge<br />
in welchen Planungsphasen welche Attribute<br />
erzeugen. Bild 6 verdeutlicht, wie <strong>das</strong> Objekt PLT-Stelle<br />
nach und nach gefüllt wird. Deshalb ist es viel einfacher,<br />
sich im Rahmen von Standardisierungsgremien<br />
über den Inhalt von Objekten zu einigen als über die<br />
Frage der Werkzeuge und Planungsphasen.<br />
Dieser Gedanke, Objekte zu definieren, sollte fortgesetzt<br />
und auf andere Objekte der PLT übertragen werden.<br />
So könnten die Einzelregelungen (control module)<br />
und Technische Einrichtungen (equipment module) <strong>für</strong><br />
Chargen-Betriebe gemäß DIN EN 61512 ebenso als Objekte<br />
definiert werden wie Elektroversorgung oder Bussysteme.<br />
Durch die Aufteilung auf unabhängige Objekte<br />
lässt sich die Standardisierung schrittweise und widerspruchsfrei<br />
durchführen.<br />
3.5 Vorhandene Standardisierungsansätze nutzen<br />
Der Wunsch, <strong>Schnittstellen</strong> zwischen <strong>Engineering</strong>-Tools<br />
zu erstellen, ist zwei Jahrzehnte alt und hat viele Standardisierungsansätze<br />
hervorgebracht. Insbesondere sind<br />
zu nennen:<br />
Die Namur-Empfehlung NE 100 [8] legt Merkmalleisten<br />
<strong>für</strong> den PLT-<strong>Engineering</strong>-Workflow fest. Die<br />
Nutzung wurde im Rahmen des Prolist International<br />
e.V. vorangetrieben und ist jetzt an eClass übergegangen<br />
[9].<br />
Automation Markup Language (AutomationML) ist<br />
ein Datenformat <strong>für</strong> den Austausch von Anlagenplanungsdaten,<br />
siehe [4]. Es wurde inzwischen als<br />
IEC 62714-1 [10] standardisiert.<br />
ISO 15926 definiert ein Modell zur Beschreibung<br />
anlagenbezogener Objekte [15].<br />
XMpLant ist ein Datenmodell, ein neutraler Katalog,<br />
der auf ISO 15926 aufsetzt.<br />
Die Initiative Data Exchange in Process Industry<br />
(DEXPI) [16] nutzt ISO 15926 und XMpLant und<br />
arbeitet an einer einheitlichen Vereinbarung zur<br />
Übertragung von R&I-Daten.<br />
Die IEC 62424 [11] schlägt eine Datenmodellierung<br />
der PLT-Stelle inklusive einer Reihe von Attributen<br />
vor.<br />
Angesichts dieser Standardisierungsansätze ist Wert darauf<br />
zu legen, <strong>das</strong> Rad nicht nochmals zu erfinden. Konkurrierende<br />
Standards können nur vermieden werden,<br />
indem vorhandene Standardisierungsansätze genutzt<br />
und integriert werden. Es gibt im Bereich dieser Ansätze<br />
sicher bessere Spezialisten als den Autor, umso wichtiger<br />
ist die breite Zusammenarbeit, um <strong>das</strong> Vorhandene zu<br />
nutzen und vielleicht auch aus Fehlern zu lernen.<br />
Generell ist allerdings zwischen verschiedenen Ansätzen<br />
zu unterscheiden. Zum Teil werden beispielsweise<br />
Sprachen oder Übertragungsmechanismen standardisiert.<br />
Dieser Diskussionsbeitrag strebt vielmehr<br />
an, Dateninhalte festzulegen, also: WAS wird übertra-<br />
34<br />
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gen? Die Frage, WIE es übertragen wird, kann getrost<br />
anderen Fachleuten überlassen werden. Das<br />
WAS sollte den Dateninhalt festlegen, der weitgehend<br />
zeitlos (ewig) ist: Auch in 100 Jahren wird es<br />
noch PLT-Stellen geben mit Information wie Signaldaten,<br />
Grenzwerten und Reglerparametern.<br />
Das WIE der Übertragung ist dagegen zeitlich und<br />
wird sich mit dem technischen Fortschritt alle<br />
zehn Jahre ändern.<br />
3.6 Kooperativer Standardisierungsansatz<br />
Der Standardisierung haftet der Ruf an, zäh und<br />
langwierig zu sein. Die Suche nach Konsens, die<br />
Möglichkeit von Einsprüchen und Schlichtungsverfahren,<br />
die häufigen Kämpfe zwischen Interessengruppen,<br />
all <strong>das</strong> macht Standardisierung mühsam.<br />
In wichtigen technischen Bereichen gibt es<br />
allerdings inzwischen kooperative, Internet-basierte<br />
Ansätze zur Standardisierung. Beispielsweise<br />
wird dies in Open-Source-Projekten und zur Weiterentwicklung<br />
des Internets angewandt, siehe [12].<br />
Einen nachhaltigen Impuls <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
von Open-Source-Software enthielt der Vortrag „Die<br />
Kathedrale und der Basar“ von Eric S. Raymond, der<br />
1997 gehalten wurde [13]. Die Kathedrale steht <strong>für</strong><br />
den bisherigen Ansatz, <strong>das</strong>s ein einzelner genialer<br />
Architekt einen häufig geheimen Bauplan hat, der<br />
durch eingeweihte Spezialisten ausgeführt wird.<br />
Der Basar steht <strong>für</strong> einen Marktplatz, an dem kreative<br />
Entwickler ihre guten Ideen präsentieren. Die<br />
Entwickler wollen ein persönliches Problem, beispielsweise<br />
ein Projekt, lösen und stellen ihre Ideen<br />
öffentlich zur Verfügung. Alle Entwürfe sind jederzeit<br />
weltweit einsehbar und lizenzfrei, so<strong>das</strong>s die<br />
Patentproblematik entfällt. Eine Person achtet auf<br />
die Einhaltung des Marktrechts (beispielsweise<br />
<strong>das</strong>s keine Parallelentwicklungen geschehen), und<br />
schließlich reicht ein grober Konsens, so<strong>das</strong>s vernünftige<br />
Entscheidungen nicht durch <strong>das</strong> Veto Einzelner<br />
verhindert werden können.<br />
Der Autor schlägt vor, Ideen aus dieser kooperativen<br />
Standardisierungsarbeit zu nutzen, um in<br />
einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren schnelle<br />
Erfolge im Sinne von 80-Prozent-Lösungen zu erreichen.<br />
Ob sich auf diesem Weg Grundlagen <strong>für</strong><br />
globale Normen legen lassen, daraus formalisierte<br />
Richtlinien oder de-facto-Standards entstehen,<br />
wird sich zeigen.<br />
Alle Beteiligten in der Prozessindustrie müssten<br />
ein starkes wirtschaftliches Interesse an der Initiative<br />
zur Standardisierung haben:<br />
Die Hersteller von CAE-Systemen könnten den<br />
Leistungsumfang ihrer Systeme <strong>für</strong> die PLS-<br />
Konfiguration erweitern und so <strong>das</strong> Anlagen-<br />
<strong>Engineering</strong> noch vollständiger anbieten.<br />
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HAUPTBEITRAG<br />
REFERENZEN<br />
[1] Tauchnitz, T.: Integriertes <strong>Engineering</strong> – wann, wenn nicht jetzt!<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 55(1-2), S. 46-53, 2013<br />
[2] W3C: Extensible Markup Language (XML). www.w3.org/XML/<br />
[3] NE 150: Standardisierte NAMUR-Schnittstelle zum Austausch von<br />
<strong>Engineering</strong>-Daten zwischen CAE-System und PCS-<strong>Engineering</strong>-<br />
Werkzeugen (noch nicht erschienen)<br />
[4] www.automationml.org/<br />
[5] Drath, R., Barth, M.: Semantikvielfalt mit Automation ML beherrschen.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 55(12), S. 72-81, 2013<br />
[6] IEC 62424: Festlegung <strong>für</strong> die Darstellung von Aufgaben der<br />
Prozessleittechnik in Fließbildern und <strong>für</strong> den Datenaustausch<br />
zwischen EDV-Werkzeugen zur Fließbilderstellung und CAE-<br />
Systemen, 2014. www.iec.ch<br />
[7] Drath, R.: Warum ein <strong>Engineering</strong>-Weltmodell bisher nicht gelang.<br />
In: SPS-Magazin Ausgabe 10/2013, S. 55-57<br />
[8] NE 100: Nutzung von Merkmalleisten im PLT-<strong>Engineering</strong>-Workflow.<br />
Namur, 09/2010<br />
[9] eCl@ss e.V. www.eclass.de<br />
[10] IEC 62714-1: FDIS AutomationML Architecture, 2013. www.iec.ch<br />
[11] IEC 62424: Festlegung <strong>für</strong> die Darstellung von Aufgaben der Prozessleittechnik<br />
in Fließbildern und <strong>für</strong> den Datenaustausch zwischen<br />
EDV-Werkzeugen zur Fließbilderstellung und CAE-Systemen, 2008.<br />
www.iec.ch<br />
[12] IETF: Internet <strong>Engineering</strong> Task Force, www.ietf.org<br />
[13] Raymond, E.S.: The Cathedral & the Bazaar. O’Reilly Media, 1999.<br />
[14] Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft<br />
– Wissenschaft (Hrsg.) Umsetzungsempfehlungen <strong>für</strong> <strong>das</strong> Zukunftsprojekt<br />
Industrie 4.0, April 2013<br />
[15] ISO 15926: Industrial automation systems and integration—Integration<br />
of life-cycle data for process plants including oil and gas production<br />
facilities - Part 2: Data model, 2003<br />
[16] DEXPI: Data exchange with ISO 15926. www.dexpi.org<br />
AUTOR<br />
Dr.-Ing. THOMAS TAUCHNITZ (geb. 1957)<br />
studierte in Hannover Elektrotechnik<br />
und promovierte im Bereich der<br />
Regelungstechnik. Bei Sanofi-Aventis<br />
Deutschland GmbH leitet er die <strong>Engineering</strong>-Gruppe<br />
der Abteilung Technologie<br />
in der Site Frankfurt Pharma.<br />
Er ist Vorstandsmitglied der Namur.<br />
Arbeitsschwerpunkte sind Prozess- und<br />
Betriebsleitebene sowie <strong>Engineering</strong>-Systeme.<br />
Sanofi-Aventis Deutschland,<br />
H600 – SFP-PG6, D-65926 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 305 41 94,<br />
E-Mail: Thomas.Tauchnitz@Sanofi.com<br />
Die Anlagenbetreiber könnten über die Schnittstelle<br />
ihre wertvolle Automatisierungslösung unabhängig<br />
vom jeweiligen Automatisierungssystem<br />
sichern und auf neue Systeme und Anlagen übertragen.<br />
Die datentechnische Integration zwischen<br />
Planungs- und Betriebsphase wäre endlich verlustfrei<br />
gesichert.<br />
Die Anbieter von Automatisierungssystemen<br />
könnten von den erleichterten Migrationen profitieren:<br />
Der durch die Angst vor riskanten Migrationen<br />
entstandene Innovationsstau ließe sich abbauen,<br />
neue Funktionen und Produkte würden<br />
ihren Markt finden.<br />
Die <strong>Engineering</strong>-Kontraktoren und Systemintegratoren<br />
könnten ihre eigenen, effizienten Werkzeuge<br />
verwenden und am Projektende die erzeugten Daten<br />
problemlos in die Systeme der Anlagenbetreiber<br />
übertragen.<br />
Die Initiative Industrie 4.0 setzt „durchgängiges<br />
System <strong>Engineering</strong> über die gesamte Wertschöpfungskette“<br />
[14] voraus, insofern sind die Träger der<br />
Plattform Industrie 4.0 (ZVEI, VDMA und Bitcom)<br />
betroffen.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Im Vorjahr wurde in [1] <strong>für</strong> die Realisierung eines <strong>integrierte</strong>n<br />
<strong>Engineering</strong> motiviert und postuliert: „Wann,<br />
wenn nicht jetzt!“. Nach vielen Gesprächen, insbesondere<br />
zur Vorbereitung der Namur-Hauptsitzung 2013,<br />
wurden Wege erkannt, auf denen die Realisierung innerhalb<br />
weniger Jahre möglich erscheint. Zwei radikale<br />
Ansätze, die zentrale Datenhaltung und die Standardisierung<br />
individueller Werkzeug-<strong>Schnittstellen</strong>, wurden<br />
als Sackgassen erkannt. Auf Basis zweier bekannter<br />
Technologien, XML und Datenmapping, wurden dann<br />
sechs Grundideen entwickelt, die es möglich machen,<br />
<strong>das</strong> <strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong> zu realisieren.<br />
Am Rande der Namur-Hauptsitzung fand ein Treffen<br />
zwischen ausgewählten Namur-Mitgliedsfirmen, Systemanbietern,<br />
CAE-Anbietern und Verbänden statt, bei<br />
dem <strong>das</strong> Konzept diskutiert wurde. Dazu ist inzwischen<br />
der GMA-Fachausschuss 6.16 Integriertes <strong>Engineering</strong><br />
in der Prozessleittechnik eingerichtet worden.<br />
Der Autor verdankt die in diesem Beitrag dargestellten<br />
Ideen auch dem Gedankenaustausch mit den Kolleginnen<br />
beziehungsweise Kollegen Christmann, Engelhard,<br />
Morr, Zgorzelski (alle Bayer Technology Services),<br />
Maier, Pelz (Clariant), Scherwietes, Stienemeier (Evonik),<br />
Fay (HSU-HH), Manske (Merck), Bauer, Elo,<br />
Fernandez, Forstner, Haus, Kempf, Lorenz, Rougoor,<br />
Spitzer, Stolz (Siemens), Schöler (Wacker), Drath (ABB),<br />
sowie seinem Sohn Johannes Tauchnitz.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
03.12.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
36<br />
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update
HAUPTBEITRAG<br />
Der Prolist-Workflow<br />
im eClass-Umfeld<br />
Klassen und Merkmalleisten im Anlagenlebenszyklus<br />
In den Lebenszyklusphasen der Produktionsanlagen der Prozessindustrie arbeiten<br />
unterschiedliche Funktionen zusammen. Das Prolist-Merkmalleistenlexikon <strong>für</strong><br />
Prozessautomatisierungskomponenten ermöglicht einen automatisierten Datenaustausch<br />
zwischen den einzelnen Gewerken. Trotz der Vorteile scheint der Einstieg in<br />
die Technologie schwer, doch die Einstiegshürden lassen sich senken. Der Beitrag<br />
schildert, wie FDI, <strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong> und Industrie 4.0 neue Anwendungen<br />
bringen werden. Die Verlagerung der Prolist-Aktivitäten zu eClass sichert die Zukunft<br />
der Merkmalleistentechnologie.<br />
SCHLAGWÖRTER eClass / Prolist / <strong>Engineering</strong> / Prozessautomatisierung /<br />
Merkmalleisten<br />
The Prolist Workflow in the eClass Environment –<br />
Use Cases for Classes and Lists of Properties regarding common Plant Life Cycles<br />
Different functions cooperate during the life cycles of production facilities of the<br />
process industries. The Prolist dictionary of list of properties for process automation<br />
devices enables an automated data exchange between the different sections. In spite<br />
of the advantages, difficulties seem to exist applying this technology, however<br />
they might be overcome. FDI, Integrated <strong>Engineering</strong> and Industry 4.0 will open new<br />
applications. The transfer of the Prolist-activities to eClass will guarantee the future<br />
availability of the lists of properties.<br />
KEYWORDS eClass / prolist / engineering / process automation / lists of properties<br />
38<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
JÜRGEN GEORGE, Pepperl+Fuchs<br />
Einrichtungen der Produktionsanlagen in der<br />
Prozessindustrie, zum Beispiel Öfen, Reaktoren<br />
und Rohrleitungen, werden mit den Mitteln<br />
der Prozessleittechnik gesteuert, geregelt<br />
und gesichert. Die eingesetzten Messgeräte,<br />
Ventile, Steuer-, Regel- und Anzeigegeräte, Stromversorgungseinrichtungen<br />
und so weiter werden in technischen<br />
Spezifikationen durch Merkmale beschrieben<br />
und als Stammdaten in den Datenbanken der an den<br />
Lebenszyklen der Anlagen beteiligten Workflow-Partner<br />
abgelegt. Für die Errichtung werden die Geräte geplant,<br />
beschafft, montiert und in Betrieb genommen.<br />
Das Ergebnis dieses <strong>Engineering</strong>prozesses ist eine umfassende<br />
Anlagen-Dokumentation.<br />
Das <strong>Engineering</strong> bestimmt entscheidend die verschiedenen<br />
Lebenszyklusphasen der Produktionsanlagen der<br />
Prozessindustrie. Unterschiedliche Partner, Gewerke<br />
und Funktionen wickeln diese Prozesse ab. Ein vielfältiger<br />
Austausch von Daten beziehungsweise Information<br />
ist die notwendige Folge. Die Arbeiten werden rechnergestützt<br />
durchgeführt, aber der Austausch der Daten geschieht<br />
weitgehend händisch, also per Post, Fax, allenfalls<br />
per E-Mail und selten in maschinenlesbarer Form.<br />
In der Bürokommunikation ist ein elektronischer Datenaustausch<br />
zwischen unterschiedlicher Anwendungssoftware<br />
schon lange üblich. Excel versteht Word-Daten und<br />
-Objekte, systemübergreifend kann Lotus MS-Office-<br />
Daten verarbeiten. Aber <strong>das</strong> Vertriebssystem des Geräteherstellers<br />
kann die Daten aus dem CAE-System des<br />
Planers nicht verarbeiten, auch <strong>das</strong> Instandhaltungssystem<br />
des Betreibers bleibt außen vor. Mehrfacheingaben<br />
mit der Wahrscheinlichkeit von Abschreib- und Kopierfehlern<br />
werden in Kauf genommen, vom Aufwand nicht<br />
zu reden. Eine konsistente Datenhaltung über die Gewerke<br />
hinweg gibt es nicht. Dieses anachronistische Abschreiben<br />
ist nicht mehr Stand der Technik.<br />
1. WORKFLOW MIT MASCHINENLESBAREN DATEN<br />
Genau hier setzten bereits 2004 die gemeinsamen Arbeiten<br />
der Namur und des Zentralverbandes Elektrotechnik-<br />
und Elektronikindustrie (ZVEI) an, die später<br />
unter dem Logo Prolist zusammengefasst wurden und<br />
deren Ergebnisse heute beim eClass e.V. verfügbar sind<br />
[1, 2]. Im Kern geht es um einen elektronischen Datenaustausch<br />
zwischen unterschiedlichen Rechnersystemen<br />
beziehungsweise unterschiedlicher Software oder<br />
Werkzeuge in einer Weise, <strong>das</strong>s die jeweilige Software<br />
die Daten verarbeiten kann. Es geht um den automatisierten<br />
Austausch von Informationen, die von Maschinen<br />
verstanden werden können. Dazu bedarf es zunächst<br />
einer normierten Schnittstelle <strong>für</strong> den Datenaustausch.<br />
Im gegebenen Fall ist dies ein XML-Format,<br />
siehe Bild 1. Der Austausch der Daten ist die Voraussetzung,<br />
jedoch müssen die Systeme die Daten interpretieren<br />
können, sie müssen aus ihnen die Informationen<br />
herauslesen. Dies ermöglicht eine gemeinsame<br />
Sprache, wie sie im Prolist-Lexikon in Form von Merkmalleisten<br />
festgeschrieben ist. Darin sind die Merkmalleisten<br />
<strong>für</strong> Prozessautomatisierungskomponenten<br />
definiert und in eClass 8.0ff, Prolist NE 100 und IEC<br />
61987 standardisiert [3, 4].<br />
In entsprechend verabredeten Arbeitsabläufen (Workflow),<br />
lassen sich damit in allen Lebenszyklusphasen<br />
einer Anlage die auslegungsrelevanten Daten <strong>für</strong> Prozessautomatisierungsgeräte<br />
systemübergreifend zwischen<br />
den Gewerken automatisiert austauschen. Die<br />
Idee ist, die Daten nur einmal zu erzeugen und an dieser<br />
Stelle auch die Änderungen im Laufe der Lebenszyklen<br />
auf einfache und sichere Weise zu dokumentieren.<br />
Die so erzeugte Information wird von den Werkzeugen<br />
aller Partner genutzt.<br />
2. ANLAGENLEBENSZYKLEN<br />
Die Lebenszyklusphasen einer Produktionsanlage der<br />
Prozessindustrie können unterschiedlich definiert werden.<br />
Einen ganzheitlichen Ansatz zeigt Tabelle 1, die<br />
aufzeigt, wer in welcher Lebensphase beteiligt ist.<br />
Meist laufen die Geschäftsprozesse wie in Bild 2 dargestellt<br />
und in den folgenden Abschnitten detailliert<br />
beschrieben ab.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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HAUPTBEITRAG<br />
BILD 1: Austausch maschinenlesbarer Daten<br />
Beteiligte Partner<br />
BILD 2: Geschäftsprozesse und Datenaustausch<br />
Planer<br />
Betreiber/Einkauf<br />
Hersteller/<br />
Vertrieb<br />
Betreiber/<br />
Instandhaltung<br />
Hersteller/<br />
After Sales Service<br />
Planung: Anfrage und Angebot x x<br />
Planung: Bestellung x x x<br />
Planung: Abschluss und<br />
Inbetriebnahme<br />
After Sales Service x x<br />
Instandhaltung: Ersatzteilanfrage x x<br />
Instandhaltung: Ersatzteilbestellung x x x<br />
Planung: Erweiterung x x<br />
x<br />
x<br />
TABELLE 1: Lebenszyklusphasen einer Produktionsanlage<br />
und beteiligte Partner<br />
BILD 3: Klassen und Merkmalleisten <strong>für</strong> einen<br />
Coriolis-Durchflussmesser in Ausschnitten<br />
2.1 Planung: Anfrage und Angebot<br />
Wenn ein Betreiber eine neue Anlage errichten lässt,<br />
beauftragt er in ihrer ersten Lebenszyklusphase seine<br />
eigene Abteilung oder einen externen Dienstleister<br />
mit der Planung der Anlage. An seinem CAE-System<br />
spezifiziert der Planer die Prozessautomatisierungsgeräte,<br />
die er einzusetzen gedenkt und schickt die<br />
Spezifikationen als technische Anfrage an einen Hersteller<br />
solcher Komponenten. Dessen Vertrieb nutzt<br />
ein Vertriebssystem, mittels dessen der Vertriebssachbearbeiter<br />
Zugriff auf die Produktdatenbank hat, aus<br />
der er geeignete Geräte auswählt. Als technisches<br />
Angebot übermittelt er deren Daten dem Planer. Hersteller<br />
und Planer arbeiten mit hochfunktionalen<br />
Rechnersystemen, die meist innerhalb der Häuser<br />
weiter vernetzt sind, so ist <strong>das</strong> Vertriebssystem des<br />
Herstellers mit seiner Produktdatenbank, die wiederum<br />
auf die Entwicklungsdatenbank aufsetzt, verbunden.<br />
Trotzdem geschieht der Datenaustausch zwischen<br />
dem CAE-System des Planers und dem Vertriebssystem<br />
des Herstellers überwiegend mit Papier,<br />
allenfalls als E-Mail-Text, jedenfalls nicht in Form<br />
von maschinenverarbeitbaren Daten.<br />
Die Spezifikation wird aus dem CAE-System ausgedruckt<br />
und dem Hersteller gefaxt, der dann im technischen<br />
Angebot <strong>das</strong> Gerätedatenblatt dem Planer<br />
zurück faxt. Dieser muss es dann händisch in sein<br />
CAE-System eingeben. Bei der Vielzahl der eingeplanten<br />
Geräte sind Abschreibfehler zu erwarten. Mit<br />
einem automatisierten Datenaustausch kann dagegen<br />
<strong>das</strong> Vertriebssystem des Herstellers, eine entsprechende<br />
Schnittstelle vorausgesetzt, die Spezifikation<br />
aus dem CAE-System lesen und aus der angeschlossenen<br />
Produktdatenbank eine Vorauswahl der Geräte<br />
treffen. Praktisch auf Tastendruck schickt der Vertriebsmitarbeiter<br />
deren Daten als technisches Angebot<br />
in <strong>das</strong> CAE-System zurück. Dies präsentiert dem<br />
40<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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Planer einen automatischen Vergleich der Anfragemit<br />
den Angebotsdaten, wobei die Unterschiede markiert<br />
sind und nur diese Merkmale bedacht werden<br />
müssen. Passen die Daten, übernimmt sie der Planer<br />
per Tastendruck in seine Dokumentation, effizient<br />
und fehlerfrei.<br />
der Bestellung vorgeschaltet. Nach Lieferung der neuen<br />
Geräte, mit Datenblatt wie geliefert, werden sie<br />
eingebaut und in Betrieb gesetzt. Die Arbeitsabläufe<br />
dieser Phasen ähneln denen der Planung, sie werden<br />
aber vom Instandhaltungssystem aus gesteuert anstatt<br />
vom Planungssystem.<br />
2.2 Planung: Bestellung und Beschaffung<br />
Nach Abschluss der Detailplanung ist die endgültige<br />
Spezifikation der Komponenten Bestandteil der Bestellung.<br />
Die Geräte werden beschafft. Bei der Lieferung<br />
gibt der Hersteller seinen Geräten eine Dokumentation<br />
der Daten wie geliefert (as built) mit. Geschieht dies<br />
maschinenlesbar, kann die Dokumentation im Planungssystem<br />
auf einfachste Weise und sicher auf den<br />
realen Stand gebracht werden.<br />
2.3 Inbetriebnahme<br />
Änderungen während der Inbetriebnahme, die bespielsweise<br />
den Messbereich und andere Parameter<br />
betreffen, werden beim Prolist-eClass-Workflow automatisch<br />
dokumentiert. Nach dem erfolgreichen Abschluss<br />
seiner Arbeiten übergibt der Planer die Daten<br />
der Anlage, zumindest was die Prozessautomatisierungsgeräte<br />
angeht, nicht mehr in Form einer Bibliothek<br />
von Ordnern an die Betriebsbetreuung und Instandhaltung,<br />
sondern einfach durch Übermittlung im<br />
elektronischen Format. Voraussetzung ist, <strong>das</strong>s deren<br />
Systeme die Daten ebenfalls interpretieren können, also<br />
über geeignete <strong>Schnittstellen</strong> verfügen.<br />
2.4 After Sales Service<br />
Während des jahrzehntelangen Betriebs der Anlage<br />
versorgt der After Sales Service den Betreiber mit aktueller<br />
Information über die Lieferbarkeit der eingesetzten<br />
Komponenten und gegebenenfalls über anwendbare<br />
Alternativen. Durch einfaches Einlesen hält<br />
die Instandhaltung ihre Datenbank stets auf dem neusten<br />
Stand.<br />
2.5 Instandhaltung: Ersatzteilmanagement<br />
Es ist wahrscheinlich, <strong>das</strong>s die Originalgerätetypen<br />
nach einigen Jahren nicht mehr lieferbar sind. Für<br />
die Ersatzbeschaffung ist es ist hilfreich, und es verkürzt<br />
die Reparaturzeit der Anlage deutlich, wenn<br />
dem Hersteller die exakten Spezifikationen der ursprünglichen<br />
Planung und der tatsächlich eingesetzten,<br />
jetzt defekten oder verschlissenen Geräte übermittelt<br />
werden können. Bei teureren oder kritischen<br />
Komponenten wird meist eine technische Anfrage<br />
2.6 Erweiterungsplanung<br />
Die langlebigen Anlagen unterliegen ständigen Änderungen<br />
und Erweiterungen. Wenn der damit befasste<br />
Planer den elektronisch gestützten Workflow nutzt,<br />
kann er durch einen Upload aus dem Instandhaltungssystem<br />
den Istzustand der Anlage auf einfache Weise<br />
in sein CAE-System einlesen und zur Grundlage seiner<br />
Arbeit machen. Die Änderungs- oder Erweiterungsplanung<br />
läuft dann wie bei der ursprünglichen<br />
Planung ab.<br />
3. MERKMALLEISTEN UND KLASSEN<br />
Die im Beitrag dargestellten Lebenszyklusphasen sind<br />
als Beispiel zu betrachten. Es ist möglich, <strong>das</strong>s der Anwender<br />
<strong>für</strong> sich andere Lebenszyklusphasen definiert<br />
und in anderen Workflows arbeitet. Die Effektivierung<br />
der Arbeitsabläufe durch einen maschinenverarbeitbaren<br />
Datenaustausch mit Merkmalleisten ist aber<br />
prinzipiell gegeben. Andererseits arbeiten nicht alle<br />
beteiligten Funktionen mit Merkmalleisten. Die Beschaffung<br />
wird die technische Spezifikation des Planers<br />
nicht verändern, sondern sie einfach dem Hersteller<br />
weiterleiten. Ein Lieferant, zum Beispiel ein Großhändler,<br />
wird <strong>das</strong> Datenblatt des Herstellers ebenfalls<br />
inhaltlich nicht verändern, sondern die Daten in seinen<br />
Katalog übernehmen. Da diese Funktionen unterschiedliche<br />
Dinge beschaffen beziehungsweise liefern,<br />
brauchen sie eine klare Produktklassifizierung, wie sie<br />
eClass zur Verfügung stellt. Im Beispiel in Bild 3 ist<br />
<strong>für</strong> einen Coriolis-Massedurchflussmesser ein kleiner<br />
Ausschnitt aus den Merkmalleisten mit ihrer Blockstruktur<br />
gezeigt. Auch <strong>das</strong> Kardinalitätsprinzip ist<br />
erkennbar. Wird beispielsweise im CAE-System <strong>das</strong><br />
Merkmal Anzahl der Signalkanäle auf 3 gesetzt, so<br />
erscheint der darunter stehende Block Signalkanal<br />
dreimal und kann jeweils etwa <strong>für</strong> die Spezifikation<br />
der Messungen von Massestrom, Druck und Temperatur<br />
genutzt werden.<br />
Andererseits ist auch <strong>für</strong> die Beschaffung eine prägnante<br />
Aussage zum Gerät erkennbar. Aus der Klassifizierung<br />
27-20-04-02 Durchflussmesser (Masse-,<br />
Coriolis) geht hervor, <strong>das</strong>s es sich um ein Messgerät<br />
<strong>für</strong> Durchfluss und Menge (Gruppe 27-20-04), also<br />
eine Komponente <strong>für</strong> die Messtechnik, Prozessmesstechnik<br />
(Hauptgruppe 27-20) aus dem Bereich Elektro-,<br />
Automatisierungs- und Prozessleittechnik (Klasse<br />
27) handelt. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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41
HAUPTBEITRAG<br />
bietet eClass allen beteiligten Funktionen die Hilfsmittel<br />
<strong>für</strong> einen effizienten, gewerkeübergreifenden<br />
Workflow [5].<br />
4. GEGENWÄRTIGE ANWENDUNGEN<br />
Den optimalen Nutzen generieren alle am Workflow beteiligten<br />
Partner, wenn die Technologie mit maschinenlesbaren<br />
Merkmalleisten möglichst flächendeckend<br />
angewendet wird. Der Betreiber und sein Planer können<br />
dann Partner unter vielen Herstellern und Lieferanten<br />
und unter unterschiedlichen Gewerken auswählen und<br />
in ihren jeweiligen automatisierten Workflow einbinden.<br />
Der Hersteller kann seine Geschäftsprozesse mit seinen<br />
Kunden automatisieren und optimieren. Dabei bedient<br />
er nur eine einzige Schnittstelle <strong>für</strong> den Austausch der<br />
<strong>Engineering</strong>daten.<br />
Wacker Chemie und Evonik hatten die Entwicklung<br />
der Merkmalleisten <strong>für</strong> die Geräte der Prozessautomatisierung<br />
aktiv vorangetrieben und sie auch angewendet.<br />
Andere, darunter Bayer Technology Services, hatten<br />
Piloterprobungen durchgeführt. Im großen Rahmen<br />
hat die BASF in Kooperation mit Rösberg die Nutzung<br />
der Merkmalleisten eingeführt, dessen CAE-System<br />
Prodok eine Prolist-NE-100-Schnittstelle besitzt. Ausgewählte<br />
Hersteller waren und sind in den Workflow<br />
eingebunden.<br />
Was aber sind die Ursachen, <strong>das</strong>s trotzdem von<br />
einem flächendeckenden Einsatz nicht die Rede sein<br />
kann? Es ist zum einen ein Henne-Ei-Problem: Die<br />
Planer und Betreiber fordern, <strong>das</strong>s die gängigen CAE-<br />
Systemhäuser in Vorleistung gehen und eine passende<br />
Schnittstelle in ihren Systemen bereitstellen. Die<br />
Systemhäuser wollen ihre dazu notwendigen Entwicklungsarbeiten<br />
absichern und warten auf konkrete<br />
Auftragsprognosen. Bei den Beziehungen zwischen<br />
Betreibern und Herstellern sieht es ähnlich aus. So<br />
scheinen sich die Partner im Kreis zu drehen und erreichen<br />
nicht <strong>das</strong> Stadium der Anwendung. Zum anderen<br />
müssen die nach den bisherigen Gegebenheiten<br />
optimierten Arbeitsabläufe zumindest punktuell verändert<br />
werden, teilweise muss die Bedienung neuer<br />
Software verinnerlicht werden. Dazu bedarf es einiger<br />
Investitionen und vor allem auch Arbeitszeit, um die<br />
neue Technologie einzuführen. Das geht nur Topdown!<br />
Geld muss bereitgestellt werden und die Mitarbeiter<br />
müssen einen angemessenen Aufwand zur<br />
Einführung leisten dürfen. Meist wird ferner ein gewisses<br />
Risiko gesehen, <strong>das</strong>s die Lernphase die Abwicklung<br />
der laufenden Projekte behindert. Professor<br />
Ahrens, der ehemalige Geschäftsführer des Prolist-<br />
Vereins hat einmal die Analogie zur Einführung der<br />
CAD-Systeme gezogen: „Ich kann kein CAD-System<br />
einführen, da ich schnellstens mein laufendes Projekt<br />
am Reißbrett fertig stellen muss.“ Das Reißbrett ist<br />
heute nicht mehr vorstellbar, letztendlich setzen sich<br />
vorteilhafte Technologien durch.<br />
5. VEREINFACHTER EINSTIEG<br />
Die Einstiegshürden zur Nutzung der Merkmalleistentechnologie<br />
sind deutlich niedriger, wenn nicht in<br />
einem Schlag über alle Lebenszyklen der Anlage und<br />
alle Partner hinweg der Workflow verändert wird. Die<br />
Abdeckung konkreter, singulärer Anwendungsfälle<br />
bringt zwar zunächst weniger Effizienzgewinn, aber<br />
dieser lässt sich schneller und einfacher realisieren. Es<br />
sind weniger Veränderungen in den Arbeitsabläufen<br />
notwendig, und am Anfang sind weniger Partner involviert.<br />
Wichtig ist eine migrierende Einführung mit verringertem<br />
Zeitaufwand.<br />
5.1 Instandhaltungsszenario<br />
Ein solcher Hotspot ist <strong>das</strong> Ersatzteilmanagement und<br />
in weiterer Sicht die Instandhaltung. Im Prinzip sind<br />
die Vorgänge oben in der Beschreibung der Lebenszyklusphasen<br />
Instandhaltung (Abschnitt 2.5) und<br />
Erweiterungsplanung (2.6) enthalten, sie sollen nun<br />
vertieft werden: Angenommen, ein externer Dienstleister<br />
kann den Auftrag <strong>für</strong> eine existierende Anlage<br />
bekommen. Für sein Angebot braucht er detaillierte<br />
Kenntnis über die Anlage und ihre Einrichtungen, je<br />
profunder desto exakter wird sein Angebot ausfallen<br />
und desto geringer ist <strong>das</strong> Risiko, <strong>das</strong> er mit der Übernahme<br />
der fremden Anlage eingeht. Der Business<br />
Case rechnet sich nur, wenn er mit geringeren Kosten<br />
als der Betreiber arbeitet und noch ausreichend Gewinn<br />
erzielt. Das bedeutet, seine Instandhaltungsdienstleistung<br />
muss weitgehend automatisiert und<br />
rechnergestützt durchgeführt werden. Wahrscheinlich<br />
kann der Betreiber die Daten der Anlage im Planungszustand<br />
bereitstellen, aber wurde sie auch so in<br />
Betrieb genommen? Welche Veränderungen wurden<br />
im Laufe der Zeit vorgenommen und sind diese nachvollziehbar<br />
dokumentiert worden? Natürlich hat der<br />
Betreiber alles in seinen Ordnern abgelegt, aber ist die<br />
Information zentral festgehalten, einfach zu finden<br />
und gab es wirklich keine Zettelwirtschaft während<br />
der Inbetriebnahme?<br />
Wenn die Anlage entsprechend dem Prolist-Workflow<br />
errichtet und betrieben worden wäre, läge die Information<br />
über alle Prozessautomatisierungsgeräte elektronisch,<br />
tagesaktuell und wohlgeordnet im Instandhaltungssystem<br />
des Betreibers. Bei dem beschriebenen<br />
Szenario mit einem externen Instandhalter wird die<br />
Aufgabenstellung besonders deutlich. Vergleichbares<br />
gilt <strong>für</strong> die interne Instandhaltung. Auch sie muss effizient<br />
arbeiten, die Mitarbeitzahl ist beschränkt. Trotzdem<br />
müssen zunehmend mehr Aufgaben erledigt werden.<br />
Es besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen<br />
Neu- und Altanlagen. In beiden Fällen erhält die Instandhaltung<br />
nach der Inbetriebnahme die Anlagendokumentation<br />
vom Planer, allerdings wächst im Laufe<br />
der Zeit die Zahl der Änderungen, auf deren Protokol-<br />
42<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
lierung zugegriffen werden muss. Die Frage ist also, wie<br />
einfach sich der reale Stand der Prozessautomatisierungskomponenten<br />
in einer existierenden Anlage erhalten<br />
lässt.<br />
5.2 Migration mittels Ersatzgerätedaten<br />
Der einfachste Einstieg scheint zu sein, <strong>das</strong>s der Anwender<br />
von den Lieferanten die Daten der Ersatzgeräte<br />
(wie geliefert) in maschinenlesbarer Form anfordert,<br />
zur Verfügung gestellt bekommt und in sein Instandhaltungssystem<br />
einliest. So würde im Laufe der Zeit<br />
ein Archiv mit den maschinenlesbaren Gerätedaten<br />
entstehen, aufwandsarm und mit minimalen Kosten.<br />
Realistisch ist dieser einfache Ansatz aber nicht. Denn<br />
bei den üblicherweise niedrigen Ausfallraten der<br />
Komponenten, würde es rein statistisch Jahrzehnte<br />
dauern, bis <strong>das</strong> Archiv komplett wäre. Bei 10 000 Geräten<br />
in der Anlage und 2% zu ersetzenden Geräten<br />
pro Jahr, wären es 50 Jahre. Hinzu kommt, <strong>das</strong>s manche<br />
Gerätetypen weniger häufig als der Durchschnitt<br />
ausfallen. Für diese würde die automatische Archivierung<br />
entsprechend länger dauern. Der Ansatz, nur<br />
die Gerätetypen und nicht die einzelnen Geräte elektronisch<br />
zu archivieren, führt nicht zum Ziel, da <strong>für</strong><br />
ein 100%-Ersatzgerät auch die tatsächliche Konfiguration<br />
und die eingestellten Parameter des Geräts bekannt<br />
sein müssen. Die Konsequenz ist, <strong>das</strong>s dieser<br />
einfache Einstieg nur in Kleinanlagen und <strong>für</strong> Anlagenteile<br />
funktioniert.<br />
5.3 Migration durch Inventur<br />
Der reale Bestand der Prozessautomatisierungsgeräte<br />
muss also festgestellt werden. Als Basis einer solchen<br />
Inventur dient die vorhandene Anlagendokumentation,<br />
wahrscheinlich muss die tatsächliche Konfiguration der<br />
Geräte aber vor Ort geprüft werden. Dazu bedarf es qualifizierter<br />
Mitarbeiter, denn es genügt nicht, nur die Typenschilder<br />
der Geräte abzulesen – so sie denn im rauen<br />
Betrieb noch lesbar sind. Die Konfiguration steht meist<br />
nicht auf dem Typenschild. Diese Vorgehensweise ist<br />
aufwändig, führt aber in angemessen kurzer Zeit zum<br />
Ziel, der Nutzen bei der Ersatzteilbeschaffung stellt sich<br />
relativ schnell ein. Im Bedarfsfall steht damit ein guter<br />
Nachweis über die eingebauten Geräte <strong>für</strong> Aufsichtbehörden<br />
zur Verfügung.<br />
5.4 Inventur mit externem Support<br />
Doch es gibt Unterstützung. Die Hersteller, zum Beispiel<br />
von Sensoren und Ventilen, haben in ihren Vertriebsund<br />
Produktionsdatenbanken dokumentiert, welche<br />
Geräte wie konfiguriert geliefert wurden und <strong>das</strong> nicht<br />
nur <strong>für</strong> die Neuanlage, sondern auch <strong>für</strong> die Ersatzgerätelieferungen.<br />
Sie können diese Daten maschinenlesbar<br />
bereitstellen. Trotzdem muss auch hier eine Überprüfung<br />
der Istkonfiguration stattfinden. Es gibt Hersteller,<br />
die sich bereit erklären, auch die Daten von Fremdgeräten<br />
zu liefern. Es ist zu erwarten, <strong>das</strong>s die Bereitstellung<br />
der Basisdaten und die Erfassung der Istkonfiguration<br />
verstärkt als Dienstleistung am Markt geordert werden<br />
können, wobei Kosten von etwa sieben Euro pro Messstelle<br />
anzusetzen sind.<br />
5.5 <strong>Schnittstellen</strong> und Tools<br />
Für <strong>das</strong> Instandhaltungssystem muss eine passende<br />
Schnittstelle, wie zum Beispiel die Prolist-NE-<br />
100-Schnittstelle, beschafft werden. Werkzeuge, wie<br />
Prospec, sind am Markt, <strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> spezielle<br />
Systeme werden von Softwarehäusern geliefert. Der<br />
eClass e.V. hilft hier weiter. Es ist auch denkbar, <strong>das</strong>s der<br />
Instandhalter in einer ersten Phase die maschinenlesbaren<br />
Daten nur sammelt und archiviert. Dann genügt<br />
beispielsweise <strong>das</strong> Werkzeug Proview, <strong>das</strong> kostenlos<br />
verfügbar ist, zum Lesen der Daten.<br />
5.6 Früher Einstieg<br />
Ideal ist natürlich, wenn die elektronische Archivierung<br />
bereits bei der Inbetriebnahme der Neuanlage<br />
beginnt. Bei der Erfassung existierender Bestände sollte<br />
Pragmatismus herrschen. Die 80-20-Regel hilft oft sehr.<br />
Es lässt sich damit leben, die Daten von Komponenten,<br />
die nur sehr selten getauscht werden müssen, <strong>für</strong> eine<br />
gewisse Zeit nicht maschinenlesbar in der Datenbank<br />
zu haben. Hier ist es möglich, sich den seltenen Aufwand<br />
zu leisten, die Konfiguration vor Ort festzustellen.<br />
Die Beschränkung auf ein konkretes Szenario im<br />
Lebenszyklus einer Anlage, wie die Instandhaltung<br />
und Ersatzteilbeschaffung, ermöglicht eine migrierende<br />
Einführung der Nutzung der Merkmalleisten mit<br />
überschaubarem Aufwand und schneller Generierung<br />
der Vorteile. Die Arbeitsabläufe sind übersichtlicher.<br />
Man beschränkt sich zunächst auf eine einzige Anlage<br />
mit einer überschaubaren Anzahl von Gerätetypen von<br />
nur wenigen Herstellern. Wahrscheinlich sind nur zwei<br />
Gewerke im Spiel: Die Instandhaltung und der Gerätehersteller.<br />
Die internen Arbeitsprozesse können in Stufen<br />
automatisiert werden.<br />
Ob der Hersteller die XML-Datenblätter händisch aus<br />
seiner Produktdatenbank erzeugt oder vertriebsintern<br />
gleich einen automatisierten Workflow aufsetzt, ist seine<br />
Entscheidung. Für den Instandhalter ist nur wichtig,<br />
<strong>das</strong>s er die Daten in der geeigneten Form bereitgestellt<br />
bekommt oder sie von den Web-Seiten der Hersteller<br />
– auch <strong>das</strong> ist bereits üblich – herunterladen kann. Entsprechend<br />
ist es dem Instandhalter überlassen, ob er<br />
die elektronischen Daten nur zunächst archiviert oder<br />
in einen komplett automatisierten Workflow integriert.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
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43
HAUPTBEITRAG<br />
Zeit, Aufwand und Nutzen sind hier abzuwägen. Sukzessive<br />
sollten dann die Datensätze auch den anderen<br />
am Lebenszyklus der Anlage beteiligten Funktionen<br />
zur Verfügung gestellt werden. Mit den elektronischen<br />
Daten im Instandhaltungssystem kann der Betreiber<br />
mit wenig Aufwand einen internen Katalog mit Stammdaten<br />
der Geräte generieren, die er üblicherweise bevorzugt<br />
einsetzt.<br />
Solche Anwendungen sind Gegenwart. Ein Betreiber<br />
hat in den Ausschreibungen <strong>für</strong> neue Großanlagen in<br />
Deutschland und im Ausland verankert, <strong>das</strong>s die Lieferanten<br />
der Prozessautomatisierungsgeräte maschinenlesbare<br />
Datenblätter gemäß Prolist NE 100 beistellen<br />
müssen. So kann er die Merkmalleistentechnologie<br />
reibungsarm und migrierend einführen. Mit den konkreten<br />
Aufträgen <strong>für</strong> Geräte lohnt sich andererseits der<br />
initiale Aufwand <strong>für</strong> die Hersteller.<br />
6. PLANT ASSET MANAGEMENT<br />
Es ist einleuchtend, <strong>das</strong>s ein Plant Asset Management<br />
(PAM) strukturierte Beschreibungen der Prozessautomatisierungsgeräte<br />
voraussetzt. Im Sinne des ganzheitlichen<br />
Ansatzes wurde deshalb auch <strong>das</strong> PAM-Spezifikationsblatt<br />
des Namur-AK 4.13 und des GMA-FA 6.23<br />
als PAM-Merkmalleiste in die Prolist NE 100 Version<br />
3.2.1 integriert.<br />
7. GERÄTEKONFIGURATION ÜBER FDI<br />
Die Konfiguration der Geräte wurde bereits mehrfach<br />
erwähnt. Der Planer einer neuen Anlage spezifiziert<br />
die einzusetzenden Geräte in allen Details. Bei intelligenten<br />
Geräten legt er an seinem CAE-System auch<br />
deren Konfiguration und die Daten der Parameter fest.<br />
Der Hersteller muss sie kennen, wenn er die Geräte<br />
konfiguriert liefern soll. Andererseits braucht der Inbetriebnehmer<br />
den Auslieferungszustand, wenn es<br />
seine Aufgabe ist, die endgültigen Einstellungen vorzunehmen.<br />
So oder so sind bei der Inbetriebnahme<br />
Parameteränderungen zu erwarten, die in die Dokumentation<br />
der Planung zurückfließen müssen. Die<br />
Einstellungen werden mit entsprechenden Tools vorgenommen,<br />
zum Beispiel vom Leitsystem aus oder mit<br />
Konfigurationstools bis hin zum Handheld-Terminal.<br />
Fehler bei dieser händischen Übertragung der Einstellungen<br />
aus der Spezifikation sind nicht zu vermeiden.<br />
Durch die notwendige Fehlersuche gestaltet sich dann<br />
die Inbetriebnahme entsprechend aufwändig. Es wäre<br />
sehr viel einfacher und sicherer, wenn die Orginalspezifikationsdaten<br />
aus dem CAE-System direkt zur<br />
Konfiguration der Geräte herangezogen werden<br />
könnten. Aus diesem Grund haben die Nutzerorganisationen<br />
die gängigen, schreibbaren Parameter <strong>für</strong><br />
Hart, Foundation Fieldbus und Profibus in die Merkmalleisten<br />
<strong>für</strong> Prozessautomatisierungsgeräte mit digitaler<br />
Kommunikation eingebracht. Sie liegen maschinenlesbar<br />
im XML-Format vor. Andererseits wird<br />
mit Field Device Integration (FDI) eine einheitliche<br />
Schnittstelle <strong>für</strong> die Integration der Geräte ins Leitsystem<br />
zur Verfügung stehen, siehe Bild 4, [6]. Zwar sind<br />
weder die entsprechenden Prolist-Merkmalleisten<br />
noch die FDI-Spezifikation final veröffentlicht, denoch<br />
konnte auf der PI-Konferenz der Profibus-Nutzerorganisation<br />
bereits im März 2013 gezeigt werden,<br />
<strong>das</strong>s die Geräte mittels der Prolist-XML-Daten, wie sie<br />
aus einem CAE-System kommen, in eine FDI-Schnittstelle<br />
des Gerätes eingelesen werden können, wodurch<br />
automatisch dessen Konfiguration geändert wird. In<br />
einer Demonstrationsanordnung wurden die physikalischen<br />
Einheiten des Ausgangssignals eines Profibus-<br />
PA-Temperaturmessumformers mittels der Prolist-<br />
Merkmalleisten über FDI von Celsius auf Kelvin und<br />
zurück umkonfiguriert.<br />
8. INDUSTRIE 4.0<br />
Maschine-Maschine-Kommunikation in Verbindung<br />
mit Mensch-Maschine-Kommunikation ist eine der<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> <strong>das</strong> Industrie-4.0-Szenario. Der<br />
Verein Deutscher Ingenieure (VDI) schreibt in der Einführung<br />
zum VDI-Kongress Industrie 4.0 am 4. bis 5.<br />
Februar 2014 in Düsseldorf [7]: „Industrie 4.0 bedeutet<br />
systematische Erhöhung der Flexibilität von Produkten<br />
und Produktionsprozessen durch Vernetzung, dezentrale<br />
Steuerungsmechanismen sowie intelligente Datenaufnahme<br />
und Integration. Damit geht Industrie 4.0<br />
über <strong>das</strong> Internet der Dinge und Dienste hinaus und<br />
bezieht sich auf alle Ebenen vom Shopfloor über Organisation<br />
und Planung bis zur Schaffung von Standards.<br />
Der Produktions- und Wissensarbeiter steht dabei im<br />
Zentrum der Vernetzung zu den Dingen und Diensten<br />
über ihren gesamten Lebenszyklus und dies in stetem<br />
Austausch mit Kunden, Lieferanten und dem Markt.“<br />
Die intelligente Datenaufnahme und Integration sind<br />
im Bereich der Prolist-Anwendungen verwirklicht.<br />
Alle Ebenen im Lebenszyklus einer Anlage werden<br />
abgedeckt. Standards wurden geschaffen. Der Mensch<br />
„steht dabei im Zentrum der Vernetzung zu den Dingen<br />
und Diensten über ihren gesamten Lebenszyklus und<br />
dies in stetem Austausch mit Kunden, Lieferanten und<br />
dem Markt“ [7]. Für den Workflow aller Beteiligten um<br />
die Prozessautomatisierungsgeräte sind die Voraussetzungen<br />
vorhanden.<br />
9. INTEGRIERTES ENGINEERING<br />
Auf der Namur-Haupsitzung 2013 riss Tauchnitz ein<br />
Konzept <strong>für</strong> <strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>integrierte</strong> <strong>Engineering</strong><br />
an [11]. Die skizzierten Lösungsansätze basieren auf<br />
einem XML-Datenaustausch und wollen vorhandene<br />
Strukturierungen nutzen. In seinem kooperativen Stan-<br />
44<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
BILD 4: Automatisierte Geräteintegration mittels<br />
Prolist-Merkmalleisten über FDI<br />
BILD 5: Internationale Normung der Merkmalleisten<br />
dardisierungsansatz geht er von der Beteiligung der Anlagenbetreiber,<br />
Hersteller von Automatisierungs- und<br />
<strong>Engineering</strong>-Systemen, Systemintegratoren/<strong>Engineering</strong><br />
Contractors und aller Beteiligten bei Industrie 4.0<br />
aus. Konsequenterweise sieht Tauchnitz den Prolist-<br />
Ansatz als einen denkbaren Ansatz: „NE 100 ‚Nutzung<br />
von Merkmalleisten im PLT-<strong>Engineering</strong>-Workflow‘ beschreibt<br />
Merkmalleisten <strong>für</strong> PLT-Equipment (IEC 61987-<br />
10). Prolist stellt Werkzeuge zur Anwendung bereit.“ und<br />
„(DIN) PAS 1040 legt Merkmalleisten <strong>für</strong> Geräte der Verfahrenstechnik<br />
fest.“ Prolist hat Merkmalleisten <strong>für</strong><br />
Druckbehälter (K-36030101), Rohrbündelwärmeaustauscher<br />
(K-36040101) und Kreiselpumpen (K-36410190) aus<br />
der (DIN) PAS 1040-Normenreihe Sachmerkmal-Leiste<br />
<strong>für</strong> Maschinen, Apparate und Rohrleitungen in der chemischen<br />
Industrie in die Prolist NE 100-Datenbank und<br />
die Prolist-Werkzeuge eingeführt, weitere können bei<br />
Bedarf folgen.<br />
10. INTERNATIONALE NORMUNG<br />
Auf längere Sicht wird sich nur dann ein Nutzen einstellen,<br />
wenn die Merkmalleisten flächendeckend angewendet<br />
werden. Darum ist es ein erklärtes Ziel des<br />
eClass e.V., die internationale Normung, vor allem im<br />
Rahmen der IEC 61987, weiter voranzubringen [8, 9]. Den<br />
aktuellen Stand der Arbeiten gibt Bild 5 wieder.<br />
11. ECLASS-MERKMALLEISTEN<br />
2011 wurden mit der Harmonisierung die Prolist-Merkmalleisten<br />
auch in die eClass-Version 7.0 überführt,<br />
um zusammen mit dem bewährten Klassifizierungssystem<br />
einen ganzheitlichen Ansatz zur Verfügung<br />
stellen zu können [10]. Inzwischen hat der eClass e.V.<br />
sämtliche Aktivitäten des Prolist International e.V.<br />
übernommen, wo sie in den einzelnen Fachgruppen<br />
weitergeführt werden. Die Aktivitäten werden von der<br />
Cross Expert Group (CEG) Prozessleittechnik/Prolistkoordiniert.<br />
Der Prolist International e.V. hat seine<br />
Auflösung beschlossen. eClass garantiert als wesentlich<br />
größerer Verein die Nachhaltigkeit und stellt eine<br />
zukunftsorientierte Infrastruktur <strong>für</strong> die weiteren Arbeiten<br />
zur Verfügung. eClass ist ein branchenübergreifender<br />
Produktdatenstandard <strong>für</strong> die Klassifizierung<br />
und eindeutige Beschreibung von Produkten und<br />
Dienstleistungen. Über die klassischen Anwendungen<br />
in Beschaffung, Controlling und Vertrieb hinaus zeigt<br />
eClass seine besondere Stärke im Einsatz <strong>für</strong> <strong>das</strong> unternehmensübergreifende<br />
Prozessdatenmanagement<br />
und im <strong>Engineering</strong>.<br />
eClass deckt mit 39 000 Produktklassen und 16 000<br />
Merkmalen einen Großteil der gehandelten Waren und<br />
Dienstleistungen ab. Viele Branchenstandards (zum<br />
Beispiel aus Elektroindustrie, Medizintechnik, Bauwesen,<br />
Papierwaren/Bürotechnik) suchen die Interoperabilität,<br />
um die Potenziale eines branchenübergreifenden<br />
Standards umzusetzen. Praktisch jeder Klasse ist eine<br />
Merkmalleistenreihe zugeordnet. Diese Application<br />
Class Basic listet unstrukturiert Merkmalleisten, wie<br />
Hersteller-Name, Art der Batterie, Explosionsschutz<br />
oder Produkt überprüft nach ROHS auf. Für den <strong>Engineering</strong>-Workflow<br />
ist eine solche Liste nicht ausreichend.<br />
Deshalb gibt es zusätzlich die Merkmalleisten<br />
vom Typ Application Class Advanced, die auch <strong>für</strong> die<br />
Prolist-Anwendungen genutzt werden. Hier sind die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
45
HAUPTBEITRAG<br />
Merkmalleisten strukturiert in Blöcken mit Aspekten,<br />
Kardinalitäten und Polymorphismen angeordnet. Die<br />
Weiterentwicklung der Merkmalleisten <strong>für</strong> Prozessautomatisierungsgeräte<br />
findet auf der eClass-Schiene statt.<br />
Die aktuelle Prolist NE 100 in der Version 3.2 bleibt<br />
eingefroren bei eClass verfügbar. Sie kann weiter genutzt<br />
werden, auch neue Anwendungen sind möglich.<br />
Sollte dem Anwender deren Funktionsumfang zu einem<br />
späteren Zeitpunkt nicht mehr ausreichen, so ist eine<br />
automatisierte Datenmigration auf die eClass-Version<br />
9.0 und von dort aus weiter zu höheren Versionen möglich.<br />
Dazu wurde ein passendes Werkzeug entwickelt,<br />
mit dem derzeit die Inhalte von Prolist NE 100 v3.2 migriert<br />
werden. Deren Inhalt wird ab November 2014 in<br />
der eClass-Version 9.0 voll nutzbar zur Verfügung stehen.<br />
Parallel dazu wird aus eClass heraus die internationale<br />
Normung der Merkmalleisten fortgeführt.<br />
FAZIT<br />
Das Merkmalleistenlexikon <strong>für</strong> Geräte <strong>für</strong> die Prozessautomatisierung<br />
bringt Effizienz, Qualität und Nutzen.<br />
Doch ohne gesteigertes Auftragsvolumen aus dem Bereich<br />
der Anwender scheuen die meisten Systemhäuser<br />
die Implementierung der Schnittstelle. Betreiber und<br />
Hersteller empfinden den personellen Aufwand <strong>für</strong> die<br />
Einführung der Veränderungen in den Workflows im<br />
Alltagsgeschäft als störend. Zum Einstieg scheinen<br />
punktuell konzentrierte Anwendungen, wie die Instandhaltung,<br />
besser geeignet. Überschaubarer Anfangsaufwand<br />
und beherrschbare Zeitfaktoren bringen<br />
schnellen Nutzen. Für Industrie 4.0 sind die Merkmalleisten<br />
notwendige, verfügbare Voraussetzungen.<br />
Mit der Übertragung der Aktivitäten zu eClass wurde<br />
<strong>das</strong> Klassifizierungssystem eingebunden. Bestehende<br />
Prolist-Anwendungen können automatisiert in eClass<br />
9.0 migriert werden. So wurde die nachhaltige Weiterentwicklung<br />
der Merkmalleisten in eClass und die Normung<br />
gesichert. Ein <strong>integrierte</strong>s <strong>Engineering</strong> wird die<br />
Anwendung fördern.<br />
AUTOR<br />
Dipl.-Ing. JÜRGEN GEORGE<br />
(geb. 1950) ist seit 1989<br />
Mitarbeiter bei Firma<br />
Pepperl+Fuchs in Mannheim.<br />
2010 bis 2013 war<br />
er Geschäftsführer des<br />
Prolist International e.V..<br />
Seit 2012 leitet er die<br />
Cross Expert Group<br />
Prozessleittechnik / Prolist des eClass e.V..<br />
Pepperl+Fuchs GmbH,<br />
Lilienthalstr. 200, D-68307 Mannheim,<br />
Tel. +49 (0) 621 776 15 42,<br />
E-Mail: jgeorge@de.pepperl-fuchs.com<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
07.11.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
REFERENZEN<br />
[1] Prolist: PROLIST INTERNATIONAL e.V. (in Liquidation).<br />
http://www.prolist.org<br />
[2] eClass e.V.: PROLIST. http://wiki.eclass.eu/wiki/PROLIST<br />
[3] NE 100: Nutzung von Merkmalleisten im PLT-<strong>Engineering</strong>-<br />
Workflow. Namur, 2010. http://www.namur.de<br />
[4] IEC 61987-10: Industrial-process measurement and control<br />
- Data structures and elements in process equipment<br />
catalogues - Part 10: List of Properties (LOPs) for Industrial-<br />
Process Measurement and Control for Electronic Data<br />
Exchange – Fundamentals. IEC, 2009 http://www.iec.ch<br />
[5] eClass e.V.: eClass – Classification and Product<br />
Description. http://www.eclass.de<br />
[6] George, J., Großmann, D., Pelz, M.: Prolist und FDI. In:<br />
Tagungsband Automation 2012, S. 215-218. VDI, 2012<br />
[7] VDI Wissensforum: Industrie 4.0 2014.<br />
http://www.vdi-wissensforum.de/de/nc/angebot/<br />
detailseite/event/02TA621014<br />
[8] IEC 61360-1: Standard data elements types with<br />
associated classification scheme for electric<br />
items - Part 1: Definitions - Principles and methods.<br />
IEC, 2009. http://www.iec.ch<br />
[9] IEC 61987-11: Industrial-process measurement<br />
and control - Data structures and elements in process<br />
equipment catalogues - Part 11: List of Properties<br />
(LOP) of measuring equipment for electronic data<br />
exchange - Generic structures. IEC, 2012.<br />
http://www.iec.ch<br />
[10] Ahrens, W.: Der Branchenstandard Prolist und die<br />
Harmonisierung mit eCl@ss. In: Tagungsband Automation<br />
2010, S. 149-154. VDI, 2010.<br />
[11] Tauchnitz, Th.: <strong>Schnittstellen</strong> <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>integrierte</strong><br />
<strong>Engineering</strong>. Wege zu einer schnellen Realisierung.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 56(1-2),<br />
S. 30-36, 2014<br />
46<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Process Control<br />
Systems <strong>Engineering</strong><br />
Process Control Systems (PCS) are distributed control systems (DCS) that are specialized<br />
to meet specific requirements of the process industries. The text book<br />
focuses on PCS engineering basics that are common to different domains of the<br />
process industries. It relates to an experimental research plant which serves for<br />
the exploration of the interaction between process modularization and process<br />
automation methods. This permits to capture features of highly specialized and integrated<br />
mono-product plants as well as application areas which are dominated by<br />
locally standardized general-purpose apparatus and multi-product schemes. While<br />
the text book’s theory is applicable for all PCS of different suppliers, the examples<br />
refer to Siemens’ control system PCS 7. Focusing on a single PCS enables readers<br />
to use the book in basic lectures on PCS engineering as well as in computer lab<br />
courses, allowing students to gain hands-on experience.<br />
Editor: L. Urbas<br />
1 st <strong>edition</strong> 2012<br />
204 pages, content in English,<br />
165 x 230 mm, hardcover<br />
ISBN: 978-3-8356-3198-4<br />
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FUTURE<br />
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1st <strong>edition</strong> 2012 (ISBN: 978-3-8356-3198-4)<br />
at the price of € 49,80 (plus postage and packing)<br />
Company/Institution<br />
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this approval may be withdrawn at any time.<br />
Date, signature<br />
PAPCSE2013
HAUPTBEITRAG<br />
FDI Usability Style Guide<br />
Digitale Feldgeräte – <strong>für</strong> Anwender gebrauchstauglich integriert<br />
Die Integration digitaler intelligenter Feldgeräte ist durch die Anwendung verschiedener<br />
Werkzeuge mit unterschiedlichen Bedienphilosophien geprägt. Trotz gewollter<br />
Vielfalt und Anpassungsmöglichkeiten der Softwareprodukte müssen die Benutzeroberflächen<br />
<strong>für</strong> die Feldgeräteintegration gebrauchstauglich sein. Dieser Beitrag<br />
stellt daher Kernelemente des FDI Usability Style Guide zur Diskussion, der unter<br />
Beteiligung der Autoren entwickelt wurde. Anhand eines Einflussfaktorenmodells<br />
<strong>für</strong> Benutzeroberflächen wird gezeigt, wie diese sich im Hinblick auf Gebrauchstauglichkeit<br />
optimieren lassen.<br />
SCHLAGWÖRTER Usability / Gebrauchstauglichkeit / Feldgeräteintegration / FDI /<br />
EDD / FDT<br />
FDI Usability Style Guide –<br />
Usable Integration of Field Devices for Commissioning and Operation<br />
The integration of digital intelligent field devices is affected by the usage of lots of<br />
different tools with different operation conceptions. Despite intended variety of<br />
modification capabilities of these software products, the usability of their user interfaces<br />
shall be ensured. This article presents the core elements of the FDI Usability<br />
Style Guide, which was developed in cooperation with the authors. The core<br />
elements are discussed on the basis of an improvement model for user interfaces that<br />
especially deals with usability.<br />
KEYWORDS usability / field device integration / FDI / EDD / FDT<br />
48<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
MARKUS STÖSS, Technische Universität Dresden<br />
FRANK FENGLER, ABB<br />
ACHIM LAUBENSTEIN, ABB<br />
LEON URBAS, Technische Universität Dresden<br />
Die Instrumentierung verfahrenstechnischer<br />
Anlagen ist durch eine Vielzahl an Feldgeräten<br />
geprägt. Diese realisieren primär die leittechnischen<br />
Grundfunktionen der Informationsgewinnung<br />
(Messen, Überwachen) und<br />
der Informationsausgabe (Stellen). Hinzu kommen gerätespezifische<br />
Funktionen der Informationsverarbeitung<br />
wie Prozess- und Gerätediagnose, Regelung und<br />
Kalibrierung.<br />
Die hohe gerätespezifische Funktionalität bedingt<br />
unterschiedliche gerätespezifische Parameter, die bei<br />
der Inbetriebnahme eingestellt und im laufenden Betrieb<br />
(beispielsweise beim Austausch oder einer Prozessmodifikation)<br />
gepflegt werden müssen. Hier<strong>für</strong><br />
bieten die Hersteller Bedienschnittstellen am Gerät und<br />
Softwarewerkzeuge an, die sich von Hersteller zu Hersteller<br />
trotz ähnlicher Automatisierungsaufgaben und<br />
-anforderungen bezüglich der Benutzeroberflächen und<br />
deren Verhalten deutlich unterscheiden [15]. Da die<br />
Anwender in der Prozessindustrie aufgrund der langen<br />
Laufzeiten und der kontinuierlichen Optimierung der<br />
Anlagen sowie der heterogenen Anforderungen an die<br />
Instrumentierung (Ex-Schutz, Sicherheit, Qualität) Geräteversionen<br />
unterschiedlicher Hersteller beherrschen<br />
müssen, sind herstellerübergreifende Inbetriebnahmewerkzeuge<br />
mit einheitlichen Anzeige- und Bedienoberflächen<br />
gefordert [16, 17].<br />
Da<strong>für</strong> haben sich in der Prozessindustrie zwei unterschiedliche<br />
Ansätze etabliert [20]:<br />
1 | Bei dem komponentenorientierten Softwareansatz<br />
Field Device Tool/Device Type Manager (FDT/<br />
DTM) [18] stellen die Gerätehersteller Softwarekomponenten<br />
<strong>für</strong> Kommunikation und Bedienung<br />
zur Verfügung, die in einer FDT-Rahmenapplikation<br />
(zum Beispiel Fieldcare [1], Pactware [3]) installiert<br />
und ausgeführt werden. Der Zugriff auf die<br />
unterschiedlichen Geräte erfolgt dadurch zwar<br />
über eine einheitliche Rahmenapplikation, die<br />
hohe Gestaltungsfreiheit „erschwert [aber] in der<br />
Praxis die Wartung und Inbetriebnahme von Anlagen“<br />
[19].<br />
2 | Die Geräteintegration mit Hilfe der Electronic Device<br />
Description (EDD) erfolgt hingegen über die in<br />
IEC 61804 [23] genormte Beschreibungssprache<br />
EDDL, mit der Geräteparameter, -funktionen und<br />
Bedienoberflächen modelliert werden. Diese Gerätebeschreibung<br />
wird von EDD-Interpretern wie<br />
PDM [2] oder AMS [21] interpretiert – dadurch ist<br />
eine einheitliche Bedienphilosophie und Darstellung<br />
gewährleistet. Allerdings beklagen Gerätehersteller,<br />
<strong>das</strong>s sie <strong>für</strong> eine optimale Integration werkzeugspezifische<br />
Versionen der EDD pflegen müssen.<br />
Zudem sind die Möglichkeiten zur Gestaltung<br />
grafischer <strong>Schnittstellen</strong> mit EDD im Vergleich zu<br />
FDT/DTM deutlich eingeschränkt.<br />
Die Field Device Integration-Technologie (FDI) soll die<br />
Vorteile der FDT/DTM- und EDD-Technologien zu einer<br />
Lösung vereinen [24, 22]. In einem FDI Device Package<br />
werden dazu die EDDL-basierten Beschreibungen der<br />
Geräteparameter (Device Definition), der Logik zur Absicherung<br />
von einzuhaltenden Einschränkungen (Business<br />
Logic) und der Mensch-Maschine-Schnittstelle<br />
(User Interface Description) sowie weitere analog zu dem<br />
FDT/DTM-Konzept ausprogrammierte Mensch-Maschine-<strong>Schnittstellen</strong><br />
(User Interface Plug-in) gebündelt, die<br />
in den Komponenten FDI Server und FDI Client interpretiert<br />
beziehungsweise ausgeführt werden (Bild 1). Die<br />
erreichte Vereinheitlichung und Integration der Technologien<br />
führt im Erfolgsfall dazu, <strong>das</strong>s ein Anlagenbetreiber<br />
nur noch ein, möglicherweise nahtlos in <strong>das</strong><br />
Prozessleitsystem und die <strong>Engineering</strong>-Datenbanken<br />
<strong>integrierte</strong>s, Inbetriebnahme- und Wartungswerkzeug<br />
einsetzen und beherrschen muss.<br />
Aufgrund der grundsätzlichen Unterschiede der beiden<br />
Basis-Technologien stehen die Gerätehersteller vor<br />
neuen Herausforderungen. Da mit FDI eine einheitliche<br />
Bedienphilosophie des FDI-Clients vorausgesetzt wird,<br />
fallen hersteller- oder gerätespezifische Abweichungen<br />
unangenehm auf. Es ist zu erwarten, <strong>das</strong>s sich die visuelle<br />
Anmutung von FDI-Anwendungen in der Leitwarte<br />
und mobilen FDI-Anwendungen zum Einsatz im Feld<br />
(beispielsweise [15]) deutlich unterscheiden werden.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
49
HAUPTBEITRAG<br />
Wie muss nun ein FDI Device Package gestaltet sein,<br />
<strong>das</strong> den Anwendern trotz aller Technologieunterschiede<br />
ein harmonisches Nutzungserleben erlaubt und<br />
sie dazu befähigt, die Inbetriebnahme und Wartungstätigkeiten<br />
effektiv und effizient durchzuführen?<br />
Die im Folgenden beschriebene Gestaltungsrichtlinie<br />
soll diese Frage beantworten. Dazu werden zunächst die<br />
vorhandenen Gestaltungsrichtlinien analysiert und die<br />
Herausforderungen <strong>für</strong> eine gemeinsame FDI-Gestaltungsrichtlinie<br />
vorgestellt. Danach wird auf die Grundlagen<br />
der Gebrauchstauglichkeit und auf die Optimierungspotenziale<br />
eingegangen. Schließlich wird dargestellt,<br />
wie diese Potenziale in der neuen Gestaltungsrichtlinie<br />
im Kontext von FDI gezielt umgesetzt werden.<br />
1. GESTALTUNGSRICHTLINIEN<br />
Eine Gestaltungsrichtlinie (style guide) beschreibt Regeln<br />
und gibt Hinweise, wie statische und interaktive<br />
Elemente einer Mensch-Maschine-Schnittstelle (MMS)<br />
zu gestalten sind. Diese Regeln und Hinweise sollen ein<br />
einheitliches Erscheinungsbild und ein konsistentes<br />
Interaktionsverhalten gewährleisten und sind grundlegende<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> nutzerfreundliche Software.<br />
Da sie sich aber je nach Einsatzbereich unterscheiden,<br />
ist die Ableitung einer Gestaltungsrichtlinie bei der Entwicklung<br />
gebrauchstauglicher MMS ein wesentlicher<br />
Prozessschritt [11].<br />
Für viele Systeme stehen Gestaltungsrichtlinien zur<br />
Verfügung [5, 6]. Ziele dieser Gestaltungsrichtlinien<br />
sind beispielsweise eine hohe Qualität und Konsistenz<br />
<strong>für</strong> alle Anwendungen [5]. Auch <strong>für</strong> die beiden Schlüsseltechnologien<br />
zur Gestaltung von Benutzeroberflächen<br />
<strong>für</strong> Feldgeräte gibt es Gestaltungsrichtlinien, die<br />
in IEC 61804-4 veröffentlichte EDD-Guideline [7] und<br />
den in IEC 6253-61 veröffentlichten DTM Style Guide<br />
(weiterentwickelt in [8]). Die EDD-Guideline nennt keine<br />
Entwurfsprinzipien aus Nutzersicht, sie stellt eine<br />
technische Einführung in die EDDL-Programmierung<br />
dar. Im Gegensatz dazu konzentriert sich der DTM Style<br />
Guide auf die Benennung von domänenspezifischen<br />
Gestaltungsanforderungen und verzichtet nahezu vollständig<br />
auf technische Details von FDT/DTM; es wird<br />
also nicht ausgeführt, wie die Gestaltungsanforderung<br />
umgesetzt werden sollen.<br />
Zur Evaluation der Verwendung der beiden Gestaltungsrichtlinien<br />
führten die Autoren Ende 2012 eine<br />
Umfrage bei den Geräteentwicklern führender Hersteller<br />
von Automatisierungstechnik durch. Im Ergebnis<br />
schrieben die Befragten (n=6) dem DTM Style Guide zu,<br />
die Gebrauchstauglichkeit der Oberflächen mehr zu<br />
erhöhen als die EDD-Guideline. Trotz der Einschätzung,<br />
<strong>das</strong>s beide Gestaltungsrichtlinien verständlich,<br />
überwiegend hilfreich und <strong>für</strong> die tägliche Arbeit geeignet<br />
sind, setzen alle Befragten zusätzlich firmeninterne<br />
Gestaltungsrichtlinien ein. Dabei stellt die Hälfte<br />
der Befragten Inkonsistenzen zwischen den internen<br />
und den öffentlichen Gestaltungsrichtlinien fest.<br />
Da die ausschließliche Verwendung des DTM Style<br />
Guides beziehungsweise des EDD–Guideline zur Erstellung<br />
gebrauchstauglicher Benutzeroberflächen<br />
nicht ausreicht, hat die FDI Cooperation unter Beteiligung<br />
der Autoren eine neue Gestaltungsrichtlinie entwickelt,<br />
den FDI Usability Style Guide. Er greift vorhandene<br />
Konzepte der Style Guides auf und konkretisiert<br />
sie im Kontext von FDI. Leitsystemhersteller, Gerätehersteller,<br />
Integratoren und Anwender (Namur)<br />
haben dabei ihre Anforderungen und Erfahrungen einfließen<br />
lassen.<br />
Um <strong>das</strong> Gestaltungsprinzip der Erwartungskonformität<br />
umzusetzen, werden existierende Elemente und<br />
Konzepte der EDD- und FDT-Gestaltungsrichtlinien<br />
wiederverwendet und den Entwicklern durch Empfehlungen<br />
beschrieben, wie sie diese in der FDI-Technologie<br />
implementieren können. So finden FDI-Nutzer bekannte<br />
Strukturen, bekanntes Verhalten und bekannte<br />
Darstellungen aus EDD- und FDT-Applikationen in<br />
einem FDI Host (siehe Bild 1) wieder. Gelerntes wird<br />
somit auch auf die FDI-Technologie anwendbar.<br />
2. HERAUSFORDERUNGEN<br />
Eine Herausforderung <strong>für</strong> die Entwicklung des FDI<br />
Usability Style Guides war es, Technologieunterschiede<br />
zwischen den in EDD beschriebenen User<br />
Interface Descriptions (UID) und den mit Windows<br />
Presentation Foundation (WPF) programmierten User<br />
Interface Plug-ins (UIP) durch Empfehlungen an den<br />
Entwickler <strong>für</strong> den Benutzer weitgehend unsichtbar<br />
zu machen. Ziel sind FDI Device Packages, die in<br />
einem FDI Host zu einem einheitlichen Nutzererleben<br />
führen, unabhängig von der jeweils eingesetzten Implementierungstechnologie<br />
[26].<br />
Eine weitere Herausforderung war die herstellerübergreifende<br />
Kompatibilität von Benutzeroberflächen.<br />
Dazu nimmt der FDI Usability Style Guide gezielt Einfluss<br />
auf alle wesentlichen Gesichtspunkte, die die<br />
Gebrauchstauglichkeit verbessern.<br />
3. GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT<br />
EN ISO 9241-11 [9] definiert Komponenten der Gebrauchstauglichkeit<br />
(usability). Als wesentliche Maße<br />
der Gebrauchstauglichkeit werden Effektivität, Effizienz<br />
und Zufriedenstellung der Nutzer verstanden. Eine anschauliche<br />
Darstellung des Sachverhalts gibt Bild 2.<br />
Weiterhin werden die folgenden Grundsätze der Dialoggestaltung<br />
der EN ISO 9241-10 [10] als Leitlinien<br />
<strong>für</strong> die Oberflächengestaltung definiert:<br />
Aufgabenangemessenheit<br />
Selbstbeschreibungsfähigkeit<br />
Steuerbarkeit<br />
Erwartungskonformität<br />
Fehlertoleranz<br />
50<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
BILD 1: FDI Reference Host<br />
BILD 2: Anwendungsrahmen der<br />
Gebrauchstauglichkeit [9]<br />
BILD 3: Style-Guide-Entwicklung [11]<br />
Individualisierbarkeit<br />
Lernförderlichkeit<br />
Es ist leicht nachzuvollziehen, <strong>das</strong>s diese Grundsätze<br />
der Dialoggestaltung auch Grundsätze <strong>für</strong> die Feldgeräteintegration<br />
mit der FDI-Technologie sind. Die Grundannahme<br />
basiert darauf, <strong>das</strong>s die intelligenten Feldgeräte<br />
über Dialoge auf Desktop-Bildschirmen und mobilen<br />
Geräten in Betrieb genommen beziehungsweise parametriert,<br />
gewartet und Diagnosen erstellt werden.<br />
4. STYLE-GUIDE-ENTWICKLUNG<br />
Mayhew definiert einen Prozess zur Entwicklung von<br />
Style Guides [11]. Das FDI Usability Style Guide Team<br />
hat <strong>das</strong> beschriebene Verfahren aufgegriffen. In vereinfachter<br />
Form (keine Darstellung von Iterationen)<br />
wurde der Style Guide basierend auf einer Anforderungsanalyse<br />
entwickelt. Sie ist in Bild 3 schematisch<br />
dargestellt.<br />
Während der Entwicklung wurden Benutzerprofile,<br />
Aufgaben beziehungsweise Möglichkeiten und Randbedingungen<br />
der Plattform (FDI Reference Host) sowie<br />
generelle Design-Prinzipien analysiert. Als generelle<br />
Prinzipien wurden stellvertretend – wie schon im FDT/<br />
DTM Style Guide – die zehn Usability-Heuristiken von<br />
Nielson [25] herangezogen und <strong>für</strong> den Anwendungsfall<br />
weiter konkretisiert.<br />
5. OPTIMIERUNGSMODELL FÜR BENUTZEROBERFLÄCHEN<br />
Baxley [12] beschreibt und gewichtet Einflussfaktoren,<br />
die sich auf die Gebrauchstauglichkeit von Benutzeroberflächen<br />
auswirken. Nutzer wissen oft nicht, warum<br />
sie eine hohe oder niedrige Gebrauchstauglichkeit<br />
der Benutzeroberflächen wahrnehmen. Auch <strong>für</strong><br />
den Entwickler ist die Optimierung der Gebrauchstauglichkeit<br />
eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.<br />
Um diesen Optimierungsprozess zu vereinfachen<br />
und die größten Hebel zur Verbesserung der<br />
Gebrauchstauglichkeit zu identifizieren, hat Baxley<br />
ein Modell entwickelt.<br />
Dieses Modell (siehe Bild 4) teilt die Bestandteile<br />
einer Benutzeroberfläche beziehungsweise die Interaktion<br />
mit dieser in verschiedene Kategorien ein. Es<br />
konkretisiert in einer ersten Ebene die wesentlichen<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
51
HAUPTBEITRAG<br />
BILD 4: Einflussfaktoren auf die Gebrauchstauglichkeit<br />
(in Anlehnung an [12,S. 5])<br />
BILD 5: Hierarchisch aufgebaute Parametergruppen<br />
am Beispiel eines Hart-Gerätes<br />
drei Aspekte, die zur Erstellung gebrauchstauglicher<br />
Nutzeroberflächen zu beachten sind. Absteigend geordnet<br />
nach dem Einfluss auf die Gebrauchstauglichkeit<br />
sind dies (1) Struktur, (2) Verhalten und (3) Darstellung.<br />
Diese werden detaillierter aufgeschlüsselt. Erkennbar<br />
sind neun Einzelaspekte von denen im Folgenden <strong>das</strong><br />
konzeptuelle Modell, der Aufgabenfluss und die Informationsarchitektur<br />
diskutiert werden.<br />
6. BERÜCKSICHTIGUNG DES MODELLS IM STYLE GUIDE<br />
6.1 Konzeptuelles Modell<br />
Im konzeptuellen Modell (Struktur) wird die Beziehung<br />
der Benutzerschnittstelle mit der Umgebung beschrieben<br />
[12]. Ziel ist es, dem Benutzer, basierend auf<br />
seinen Erfahrungen, die Basisfunktionalität der Software<br />
über dem Nutzer bekannte Grundfunktionen zur<br />
Verfügung zu stellen. Da<strong>für</strong> ist der FDI Host verantwortlich.<br />
Basierend auf der Forderung nach Basisfunktionalität<br />
sind weite Teile der FDI-Technologie, speziell<br />
die Benutzeroberflächen, an die FDT- und EDD-Technologie<br />
angelehnt.<br />
Ein weiterer Aspekt des konzeptuellen Modells ist<br />
<strong>das</strong> speziell <strong>für</strong> FDI entwickelte Rollenkonzept. Da<strong>für</strong><br />
beschreibt der FDI Usability Style Guide die unterschiedlichen<br />
Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzerrollen.<br />
In der Praxis zeigte sich, <strong>das</strong>s sich <strong>das</strong> bekannte<br />
Rollenkonzept von FDT nicht durchgesetzt hat.<br />
Zum einen stellt es eine Bevormundung einiger Nutzergruppen<br />
dar und zum anderen ist es zu komplex. Ein<br />
dritter Punkt, der aus der Diskussion mit Vertretern der<br />
Namur hervorging, ist die Abhängigkeit von der Organisationsstruktur<br />
des Unternehmens, <strong>das</strong> die intelligenten<br />
Feldgeräte betreibt und dem Rollenkonzept. Es<br />
ließ sich zeigen, <strong>das</strong>s keine eindeutige Zuordnung von<br />
Funktionen und Parametern auf Nutzerrollen der FDT-<br />
Spezifikation unabhängig von Betrachtungen der Organisationsstrukturen<br />
möglich ist. Es ist somit <strong>für</strong> einen<br />
Gerätehersteller unmöglich, die Nutzerrollen einer<br />
Betreiberfirma mit deren organisationsspezifischen<br />
Befugnissen zu antizipieren und dies in einem FDTkonformen<br />
Rollenkonzept innerhalb eines FDI Device<br />
Packages konsequent umzusetzen.<br />
Der FDI Usability Style Guide wählt deshalb einen<br />
anderen Ansatz. Er spricht von Sichten (views), die<br />
kompatibel zum Namur-Schalenmodell sind und keine<br />
Abhängigkeit von Organisationsstrukturen aufweisen.<br />
Die definierten Sichten Maintenance und Specialist<br />
unterscheiden zwischen Aufgaben, die typischerweise<br />
durch <strong>das</strong> Wartungs- und Instandhaltungspersonal<br />
erledigt werden und anderen Aufgaben, <strong>für</strong> die<br />
tiefes Gerätewissen notwendig ist. Die Umsetzung<br />
dieses vereinfachten Modells basiert auf den im FDI<br />
Usability Style Guide beschriebenen Use Cases. Sie<br />
beschreiben sämtliche Aufgaben des Wartungs- und<br />
52<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Instandhaltungspersonals (maintenance). Alle anderen<br />
Aufgaben, welche nicht direkt aus den Use Cases ableitbar<br />
sind, werden der Sicht des Gerätespezialisten<br />
(specialist) zugeordnet.<br />
6.2 Aufgabenfluss<br />
Das Modell des Aufgabenflusses (Struktur) beschreibt,<br />
in welcher Art und Weise der Nutzer Operationen mit<br />
dem System beziehungsweise dem Feldgerät durchführt.<br />
Dazu sind, wie im letzten Abschnitt erwähnt, im<br />
Style Guide Use Cases definiert, die im gesamten Gerätelebenszyklus<br />
<strong>für</strong> den Gerätebenutzer relevant sind.<br />
Typische Aufgaben (tasks) aus den Use Cases sind die<br />
Inbetriebnahme, der Tausch oder die Kalibrierung eines<br />
Feldgerätes. Diese Tasks variieren je nach Planungs- und<br />
Betriebsphase einer Anlage und sind abhängig von den<br />
Aufgaben des individuellen Benutzers. Um den Arbeitsablauf<br />
im Sinne der Gebrauchstauglichkeit zu verbessern,<br />
bieten sich Wizards an. Wizards ermöglichen eine<br />
semiautomatische Navigation, die aktiv zur Aufgabenunterstützung<br />
beiträgt.<br />
Das Ergebnis der gezielten Anwendung von Wizards<br />
ist eine Reduktion des Arbeitsaufwandes durch die<br />
Verringerung der Navigationsbeanspruchung. Aufgaben,<br />
die wiederkehrend durchzuführen sind und <strong>für</strong><br />
die es eine vordefinierte Sequenz von Teilaufgaben gibt,<br />
sind <strong>für</strong> die Implementierung in Form von Wizards<br />
prädestiniert. Der FDI Usability Style Guide beschreibt<br />
daher detailliert, wie Wizards innerhalb eines FDI Device<br />
Packages erstellt werden. Zudem verweist er auf<br />
die Use Cases, welche auf typische wiederkehrende<br />
Aufgaben der Benutzer schließen lassen. Sie dienen<br />
dem UI-Entwickler als Empfehlung zur Implementierung<br />
aufgabenspezifischer Wizards.<br />
6.3 Informationsarchitektur<br />
Die Informationsarchitektur (Struktur) beschreibt, wie<br />
der Inhalt und die Funktionen in einem System angeordnet<br />
und kategorisiert sind [9, S.6]. Für einen FDI Host,<br />
der Benutzeroberflächen aus einem FDI Device Package<br />
darstellt, sind dies Parameter und Funktionen des Feldgerätes.<br />
Sie werden in diesem Zusammenhang als Informationsraum<br />
des Gerätes bezeichnet, welcher graphentheoretisch<br />
einen Baum darstellt [13]. Gerätehersteller<br />
stehen nun vor der Herausforderung, diesen Informationsraum<br />
gut angeordnet und kategorisiert auf der Benutzeroberfläche<br />
darzustellen. Sie nutzen dazu die Möglichkeit,<br />
den Informationsraum, basierend auf dem EDD<br />
Teil des FDI Device Packages, zu strukturieren.<br />
Der FDI Usability Style Guide definiert erstmals eine<br />
verbindliche Unterteilung der Gerätefunktionalität, die<br />
durch <strong>das</strong> EDD-Konzept MENU vom Hersteller implementiert<br />
werden muss. Dazu werden Standard-Einstiegspunkte<br />
definiert, die die Erreichbarkeit aller<br />
Funktionen und Parameter eines Gerätes gewährleisten.<br />
Sie werden als top-level menus bezeichnet und sind an<br />
die EDD-Guideline [7] angelehnt. Es gibt je ein Menü <strong>für</strong>:<br />
1 | Bedienen<br />
2 | Diagnose und<br />
3 | Geräteeinstellungen.<br />
Im Menü Bedienen (operate) befinden sich beispielsweise<br />
aktuelle Prozessmesswerte oder Stellgrößen sowie<br />
Mess- und Stellbereiche, während <strong>das</strong> Diagnose-Menü<br />
(diagnostics) sämtliche Informationen über den Gerätezustand<br />
enthält. Das Menü der Geräteeinstellungen (device<br />
setup) enthält zusätzliche Geräteparameter, die <strong>für</strong><br />
<strong>das</strong> Bedienen und <strong>für</strong> Standarddiagnosefunktionen<br />
nicht benötigt werden.<br />
Für die Kategorisierung unterhalb dieser Menüs gibt<br />
der FDI Usability Style Guide weitere Empfehlungen,<br />
zum Beispiel wie Parametergruppen und eine geeignete<br />
Hierarchisierung der Elemente der Benutzeroberfläche<br />
(controls) aussehen können. Ein Beispiel zeigt Bild 5.<br />
Die oben genannte Strukturierung des Informationsraums<br />
eines Gerätes wird herstellerübergreifend und<br />
<strong>für</strong> alle Feldgerätetypen empfohlen. Im Ergebnis wird<br />
durch die Nutzung eines bestimmen Gerätes beim Anwender<br />
ein mentales Modell [14] über dieses Gerät aufgebaut<br />
(Exploration des Informationsmodells), welches<br />
auch auf andere Geräte übertragbar ist. Allgemeiner<br />
formuliert bedeutet <strong>das</strong>, <strong>das</strong>s durch eine ähnliche<br />
Strukturierung der Informationsräume aller Geräte der<br />
Lernprozess des Gerätenutzers aktiv unterstützt wird.<br />
6.4 Anzeige und Navigation<br />
Anzeige und Navigation (Verhalten) stehen im engen<br />
Zusammenhang mit dem Informationsmodell des Gerätes.<br />
Dieses resultiert aus der deskriptiven Beschreibung<br />
von Benutzeroberflächen mit den Mitteln der<br />
EDDL. Durch die EDDL lassen sich Parameter und Methoden<br />
im Informationsraum des Gerätes anordnen. Die<br />
Herausforderung des Entwicklers besteht darin, Parameter<br />
und Methoden derart zu strukturieren, <strong>das</strong>s deren<br />
Anzeige und die Navigation den Workflow des Benutzers<br />
optimal unterstützen. Für die Anzeige von Parametern<br />
und Methoden eines FDI Device Packages ist der FDI<br />
Host verantwortlich, <strong>das</strong> heißt der Entwickler muss sich<br />
darum nicht kümmern.<br />
Auch die Navigation durch den Informationsraum<br />
wird durch den FDI Host sichergestellt. Da<strong>für</strong> bietet<br />
dieser ein <strong>für</strong> die Umgebung typisches Navigationselement<br />
an, beispielsweise eine Baumdarstellung oder eine<br />
Menüleiste. Mit anderen Worten: Auch darum muss sich<br />
ein FDI-Device-Package-Entwickler nicht kümmern.<br />
6.5 Editieren und Manipulieren<br />
Für <strong>das</strong> Editieren und Manipulieren (Verhalten) bietet<br />
der FDI Host einheitliche Bedienmöglichkeiten an, bei-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
53
HAUPTBEITRAG<br />
spielsweise Edit-Felder oder Checkboxen. Die Bestätigung<br />
oder <strong>das</strong> Abbrechen dieser Eingaben erfolgt durch<br />
standardisierte Aktionen (standard UI actions), die <strong>für</strong><br />
ein konsistentes Verhalten der UID und UIP sorgen.<br />
6.6 Benutzerunterstützung<br />
Um den Nutzer gezielt zu leiten (Verhalten), ist es essenziell,<br />
die der Aufgabe angemessene Information<br />
bereitzustellen. FDI standardisiert da<strong>für</strong> zum Beispiel<br />
den Parameterstatus. Die grafische Repräsentation des<br />
Status wird im FDI Usability Style Guide detailliert<br />
beschrieben, um Konsistenz in UID und UIP zu gewährleisten.<br />
Außerdem werden <strong>für</strong> die Unterstützung<br />
Tooltips angewendet, wie sie aus der EDD-Spezifikation<br />
bekannt sind. Es ist zu beobachten, <strong>das</strong>s in vielen<br />
Applikationen die Tooltips nicht immer <strong>für</strong> den Anwender<br />
hilfreich sind, sondern häufig in der Sprache<br />
der Entwickler formuliert sind. Um dem zu entgegnen,<br />
spricht der FDI Usability Style Guide den Entwickler<br />
konkret an und gibt Hilfestellung, wie Tooltips aufgebaut<br />
sein sollten.<br />
6.7 Text<br />
Der FDI Usability Style Guide beinhaltet ein erweiterbares<br />
Wörterbuch, <strong>das</strong> beispielsweise die Beschriftung<br />
der top-level menus, der Standardbuttons und<br />
die Benennung des Status von Parametern vereinheitlicht.<br />
Die Namur unternimmt bereits Anstrengungen,<br />
REFERENZEN<br />
[1] Endress + Hauser: FieldCare. http://www.de.endress.<br />
com/eh/sc/europe/dach/de/home.nsf/#products/id/0D7<br />
8AA2558750E00C125729100557412<br />
[2] Siemens: Process Device Manager (PDM). http://www.<br />
automation.siemens.com/mcms/process-control-systems/de/simatic-pcs-7/simatic-pcs-7-systemkomponenten/process-device-manager-pdm/Pages/Default.aspx<br />
[3] Vega: DTM Collection + PACTware.<br />
http://www.vega.com/de/Software_DTM.htm<br />
[4] NE 107: Selbstüberwachung und Diagnose von Feldgeräten.<br />
Namur 2006<br />
[5] Microsoft: Windows User Experience Interaction<br />
Guidelines. http://www.microsoft.com/en-us/download/<br />
details.aspx?id=2695<br />
[6] Apple: OS X Human Interface Guidelines.<br />
https://developer.apple.com/library/<br />
mac/#documentation/UserExperience/Conceptual/<br />
AppleHIGuidelines/Intro/Intro.html<br />
[7] IEC/TR 61804-4: Function Blocks (FB) for Process<br />
Control - EDD Interoperability Guideline, 2006<br />
[8] FTD Group: FDT Style Guide Version 2.0. http://www.<br />
fdtgroup.org/sites/default/files/pages/FDT_Style_Guide_V2_0official.pdf<br />
[9] DIN EN ISO 9241-11: Ergonomische Anforderungen <strong>für</strong><br />
Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten – Anforderungen<br />
an die Gebrauchstauglichkeit – Leitsätze, 1999<br />
[10] DIN EN ISO 9241-10: Ergonomische Anforderungen <strong>für</strong><br />
Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten - Grundsätze der<br />
Dialoggestaltung, 1996<br />
[11] Mayhew, D. J.: The Usability <strong>Engineering</strong> Lifecycle, a<br />
practitioner‘s hand-book for interface design.Academic<br />
Press 1999<br />
[12] Baxley, B.: Universal model of a user interface. In: Proc.<br />
Conf. Designing for user experiences [DUX 03], S.1-14.<br />
ACM 2003<br />
[13] Corman, Th. H., Leiserson, Ch. E., Rivest, R., Stein, C.:<br />
Algorithmen –Eine Einführung. Oldenbourg 2010<br />
[14] Johnson-Laird, P. N.: Mental Models. University Press 1983<br />
[15] Urbas, L., Ziegler, J., Doherr, F: Produktergonomie in der<br />
Prozessautomatisierung. Zeitschrift <strong>für</strong> Arbeitswissenschaft<br />
66(2-3), S.169-182, 2012<br />
[16] VDI/VDE 2186: Einheitliche Anzeige- und Bedienoberfläche<br />
<strong>für</strong> Antriebsregelgeräte, 1999<br />
[17] VDI/VDE 2187: Einheitliche Anzeige-und Bedienoberfläche<br />
<strong>für</strong> digitale Feldgeräte, 2002<br />
[18] FDT Group: FDT 2.0 Technical Specification 1.0, 2012.<br />
[19] Douma, B., Laubenstein, A.: Geräte Integration - die Realität.<br />
Computer & Automation 4/08, S. 190-193, 2008<br />
[20] Schwibach, M., Pelz, M.: EDD und FDT/DTM – Wo liegen die<br />
Unterschiede? <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />
48(2), S. 53-55, 2006<br />
[21] Emerson: AMS Suite. http://www2.emersonprocess.com/<br />
en-us/brands/amssuite/amsdevicemanager/pages/<br />
amsdevicemanager.aspx<br />
[22] Kumpfmüller, H.-G., Lange, R.: FDI Device Integration – Best<br />
of Both Worlds. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 6(10), S. 16-19, 2010<br />
[23] IEC 61804-2: Function blocks (FB) for process control – Part<br />
2: Specification of FB concept, 2007<br />
[24] Bender, K., Großmann, D., Danzer, B.: FDT + EDD + OPC UA = FDD<br />
UA. Die Gleichung <strong>für</strong> eine einheitliche Gerätebeschreibung?<br />
<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis 49(2), S. 48-54, 2007<br />
[25] Molich, R., Nielsen, J: Improving a human-computer dialogue<br />
– Communications of the ACM 33, 3 (March), 338-348, 1990<br />
[26] Stöß, M., Fengler, F., Urbas, L.: Harmonisierung des<br />
Nutzererlebens bei der Interaktion mit Feldgeräten durch<br />
FDI. In: Tagungsband KommA’13, [CD]. ifak e.V. 2013<br />
[27] IEC/TR 62453-61: Field Device Tool (FDT) interface specification<br />
– Device Type Manager (DTM) styleguide for common<br />
object model, 2009<br />
54<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
auch Standardparameter <strong>für</strong> verschiedene Feldgerättypen,<br />
wie Druckmessgeräte, Temperaturessgeräte,<br />
Durchflussmessgeräte oder Stellungsregler, zu definieren<br />
und Empfehlungen <strong>für</strong> deren Beschriftung zu<br />
geben (caption). Das beschleunigt insbesondere die<br />
Identifikation der Elemente des Informationsraums,<br />
da Wissen dann von einem Gerät des Herstellers A<br />
auf ein Gerät eines Herstellers B übertragbar wird.<br />
Das Resultat der beschleunigten Identifikation von<br />
Standardparametern verbessert folglich zusätzlich<br />
die Navigation.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT<br />
Der Beitrag zeigt, welche Aspekte aus dem vorgestellten<br />
Modell von Baxley zur Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit<br />
von Inbetriebnahmeoberflächen<br />
beachtet werden müssen. Um diese Aspekte dem Entwickler<br />
nahe zu bringen, haben die Autoren und <strong>das</strong><br />
FDI Style Guide Team den FDI Usability Style Guide<br />
entwickelt.<br />
Besonders positiv zu bewerten ist, <strong>das</strong>s viele Hersteller<br />
von Automatisierungstechnik wie ABB, Samson,<br />
Siemens, Emerson, Honeywell, Yokogawa und<br />
Endress+Hauser bei der Entwicklung des FDI Usability<br />
Style Guides beteiligt waren. Am Review-Prozess<br />
des Style Guides nahmen zusätzlich die Mitglieder der<br />
FDT Group, der Hart Communication Foundation, der<br />
Fieldbus Foundation, der Profibus-Nutzerorganisation<br />
und der OPC Foundation teil. Ihre Erfahrungen und<br />
<strong>das</strong> Wissen der Anwender (Namur) sind dabei in<br />
einem herstellerübergreifenden Style Guide eingebracht<br />
worden.<br />
Zusätzlich war es vorteilhaft, <strong>das</strong>s der FDI Usability<br />
Style Guide bereits während der Spezifikation der FDI-<br />
Technologie entwickelt wurde. Damit konnte konzeptuellen<br />
Fehlern beziehungsweise Beeinträchtigungen<br />
der Gebrauchstauglichkeit schon in dieser Phase vorgebeugt<br />
werden. Zudem hat die Style-Guide-Entwicklung<br />
auch Optimierungspotenziale in den EDD- und<br />
FDT-Spezifikationen aufgezeigt. Beispielsweise gibt es<br />
derzeit noch keine <strong>Schnittstellen</strong>, um einheitliche<br />
Schriftarten- und Farben im UID und UIP sicherzustellen.<br />
Diese konnten aufgrund der Roadmap nicht mehr<br />
berücksichtigt werden, sind aber bereits als Änderungsvorschläge<br />
vorbereitet.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
19.12.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
AUTOREN<br />
Dipl.-Ing. MARKUS STÖSS (geb. 1983) ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter an der Professur <strong>für</strong> Prozessleittechnik.<br />
Seine Arbeitsgebiete sind formale Modelle und Unterstützungssysteme<br />
<strong>für</strong> <strong>das</strong> HMI-<strong>Engineering</strong> und Operator-<br />
Training-Systeme.<br />
TU Dresden,<br />
Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />
D-01062 Dresden,<br />
Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62, E-Mail: markus.stoess@tu-dresden<br />
Dipl.-Wirt.-Ing. FRANK FENGLER (geb. 1966) ist Head of<br />
Device Integration bei ABB <strong>für</strong> Measurement Products im<br />
Bereich Prozess Automation. Seine Kompetenzen umfassen<br />
im Product & Technology Management die Feldbusprotokolle<br />
Profibus und Foundation Fieldbus, HART,<br />
Wireless, mit den zugehörigen Geräteintegrationstechnologien<br />
EDD, FDT/DTM, FDI und die entsprechenden<br />
Device & Asset Management Tools <strong>für</strong> Feldgeräte.<br />
ABB Automation GmbH,<br />
Schillerstraße 72, D-32425 Minden,<br />
Tel. +49 (0) 571 830 11 71,<br />
E-Mail: frank.fengler@de.abb.com<br />
Dipl.-Ing. ACHIM LAUBENSTEIN (geb. 1955) ist bei ABB in<br />
der Division Process Automation zuständig <strong>für</strong> Feldbusstandardisierung.<br />
Er ist Executive Director der FDI<br />
Cooperation, Mitglied im Executive Committee der FDT<br />
Group und der Fieldbus Foundation sowie im Beirat<br />
der Profibus-Nutzerorganisation.<br />
ABB Automation GmbH,<br />
Schillerstraße 72, D-32425 Minden,<br />
Tel. +49 (0) 571 830 18 47,<br />
E-Mail: achim.laubenstein@de.abb.com<br />
Prof. Dr.-Ing. LEON URBAS (geb. 1965) ist Inhaber der Professur<br />
<strong>für</strong> Prozessleittechnik an der Technischen Universität<br />
Dresden. Seine Arbeitsgruppe untersucht Modelle, Methoden<br />
und Werkzeuge <strong>für</strong> <strong>das</strong> <strong>Engineering</strong> verteilter Prozessführungssysteme<br />
mit Schwerpunkt auf der Analyse, Bewertung<br />
und nutzerfreundlichen Gestaltung der Mensch-Technik-Interaktion<br />
in der Prozessindustrie. Er ist Sprecher des<br />
GMA Fachausschuss 5.16 Middleware in der AT, Mitglied im<br />
Namur AK 1.12 Modularisierung und Beiratsmitglied im<br />
processNet-Gremium PAAT.<br />
TU Dresden,<br />
Fak. Elektrotechnik und Informationstechnik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,<br />
E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
55
HAUPTBEITRAG<br />
Package-Unit-Integration<br />
in der Prozessindustrie<br />
Was fehlt <strong>für</strong> Plug-and-produce?<br />
Die Integration einer Package Unit in ein übergeordnetes Leitsystem ist mit großem<br />
manuellen Aufwand verbunden. Verschiedene Aspekte der Automatisierung, wie<br />
Bedienbilder, Zustände von Ablaufketten oder Verriegelungen, müssen <strong>für</strong> die Visualisierung<br />
und Führung der Package Unit in einem übergeordneten Leitsystem<br />
manuell nachgebildet werden. Der Beitrag beschreibt, wie sich bei geschickter Nutzung<br />
vorhandener Technologien der Aufwand deutlich reduzieren, sowie die einzelnen<br />
Technologien gleichzeitig zu einer modularen Plug-and-produce-Methodik<br />
ausbauen lassen. Eine wesentliche Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist eine einheitlich formalquantitative<br />
Beschreibung verschiedener Aspekte der Package Unit und der darauf<br />
aufbauenden Werkzeugketten.<br />
SCHLAGWÖRTER Package Unit / Integration / Leitsystem / EDDL<br />
Package Unit Integration in Process Industry –<br />
What is missing for plug-and-produce?<br />
The integration of package units in a SCADA or DCS involves considerable manual<br />
efforts. Various aspects of automation such as faceplates, states of sequences or interlocks<br />
are to be reproduced for the visualization and management of the package<br />
unit manually in the master control system. With a clever use of existing technologies<br />
the integration effort can not only significantly be reduced, the existing technologies<br />
also could extended to a modular plug-and-produce methodology. An essential<br />
precondition for this is a uniform formal quantitative description of various<br />
aspects of the package unit and tool chains based on the formal descriptions.<br />
KEYWORDS package unit / integration / control system / EDDL<br />
56<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
MICHAEL OBST, ANNA HAHN, LEON URBAS, Technische Universität Dresden<br />
Die Package Units der Prozessindustrie sind<br />
zumeist nicht <strong>für</strong> einen Plug-and-produce-<br />
Betrieb ausgelegt. Während die physikalische<br />
Integration von Package Units in eine Anlage<br />
über ausgefeilte Kupplungssysteme <strong>für</strong> Stoffund<br />
Energieströme als prinzipiell gelöst bezeichnet<br />
werden kann, ist die nahtlose Integration der Automatisierungstechnik<br />
einer Package Unit in ein übergeordnetes<br />
Leitsystem mit erheblichem manuellen <strong>Engineering</strong>-Aufwand<br />
verbunden.<br />
Aus Sicht des Namur AK 1.12 ist eine Package Unit<br />
ein Modul. Das in [1] beschriebene integrierbare Modul<br />
als eine Variante der vorgeschlagenen Modultypen besitzt<br />
ein eigenes Automatisierungssystem, <strong>das</strong> über ein<br />
übergeordnetes Leitsystem direkt beeinflusst werden<br />
kann. Diese Module sind hinsichtlich ihrer Funktion<br />
und ihres Einsatzbereichs fest definiert und können<br />
nicht verändert werden. Die Integration in eine Anlage<br />
findet stofflich, energetisch und automatisierungstechnisch<br />
statt. Über die <strong>Schnittstellen</strong> zu den Modulen<br />
lassen sich auf dem Leitsystem modulübergreifend Prozessführungsstrategien<br />
verwirklichen.<br />
Aus Sicht der Automation besteht eine Package Unit<br />
im Wesentlichen aus einer modulinternen Steuerung<br />
zum Regeln und Steuern modulspezifischer Abläufe<br />
sowie aus Einzelsteuerfunktionen und einer Sicherheitslogik.<br />
Darüber hinaus werden <strong>Schnittstellen</strong> zur<br />
Integration an eine übergeordnete Anlage bereitgestellt.<br />
Da eine Package Unit herstellerübergreifend und<br />
anlagenunabhängig konzipiert wird, muss dieser eine<br />
eindeutige Nummerierung, beispielsweise in Form von<br />
Tag-Nummern, zugeordnet werden. Diese Zuordnung<br />
kann nach DIN EN 81346 erfolgen und erfüllt somit<br />
ein Mindestmaß an Forderungen nach eindeutiger<br />
Identifizierung [1]. Weiterhin muss die Package Unit<br />
in der Lage sein, der übergeordneten Prozessanlage<br />
Auskunft über ihren Zustand zu übermitteln, beispielsweise<br />
Information über aktive Schritte lokaler<br />
Ablaufketten, den aktuellen Prozesszustand oder der<br />
Bedienzustände.<br />
In [2] wurden verschiedene Beschreibungsmittel im<br />
Hinblick auf ihre Eignung zur effizienten Abbildung<br />
der <strong>für</strong> die Package-Unit-Integration notwendigen Information<br />
analysiert. In diesem Beitrag wird nun aufgezeigt,<br />
<strong>das</strong>s eine Package-Unit-Integration mit den<br />
bei Feldgeräten etablierten Technologien EDD/GSD<br />
nahezu vollständig möglich ist. Im Gegensatz zu den<br />
Analyseergebnissen von [2] werden keine weiteren<br />
Beschreibungsmittel notwendig sein. Dies erlaubt,<br />
analog zur Argumentation in [3], eine effiziente Implementierung<br />
mit den aktuellen Integrationstechnologien<br />
der Automation.<br />
1. TECHNOLOGIEÜBERSICHT<br />
Viele Prozessleitsysteme unterstützen EDD als Integrationstechnologie<br />
<strong>für</strong> Feldgeräte, die über einen<br />
Feldbus wie Profibus angebunden sind. Unter Verwendung<br />
einer Geräteparametrierung durch GSD<br />
wird der zyklische Datenverkehr über Profibus realisiert.<br />
Dies stellt eine sinnvolle Ergänzung zur Geräteparametrierung<br />
durch EDD dar und erfüllt die<br />
Forderung nach der Nutzung standardisierter Technologien.<br />
Durch eine geschickte Ausnutzung dieser<br />
Konzepte und Beschreibungsmittel kann die Package-Unit-Integration<br />
in vollem Umfang realisiert werden,<br />
ohne auf die im FDI-Konzept vorgesehenen<br />
Anhänge ausweichen zu müssen. Dazu ergibt sich<br />
aus dieser Integrationsmethode eine mögliche<br />
Kopplung an <strong>das</strong> FDI Device Package. Erste Ansätze<br />
zur Ableitung von Wartungs- und Diagnoseinformation<br />
aus einem FDI Equipment Package liefert beispielsweise<br />
[4].<br />
1.1 GSD/GSDML<br />
Die Gerätestammdaten-Datei (GSD) beschreibt textuell<br />
die Eigenschaften eines Profibus- oder Profinet-<br />
Feldgerätes. In einer GSD werden neben den Kenndaten<br />
eines Profibusgerätes auch Informationen zu<br />
seiner Kommunikationsfähigkeit sowie Diagnosewerte<br />
verwertet. Für einen rein zyklischen Aus-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
57
HAUPTBEITRAG<br />
tausch von Messdaten und Stellgrößen zwischen der<br />
Package Unit und dem Prozessleitsystem wäre eine<br />
GSD ausreichend [6].<br />
1.2 EDDL<br />
Die in IEC 61804-3 normierte Electronic Device Description<br />
Language (EDDL) erlaubt eine formale Beschreibung<br />
des nach außen sichtbaren Informationshaushalts<br />
eines Feldgeräts (beispielsweise Parameter),<br />
die Definition des Kommunikationsverhaltens, sowie<br />
die Definition von Navigationsstrukturen und von Bediendialogen.<br />
Ergänzt wird dies durch die Definition<br />
von Methoden zur Beeinflussung des Interaktionsverhaltens<br />
(Wizards, Eingabevalidierung) und zum Ablauf<br />
komplexer Vorgänge, wie beispielsweise eine Kalibrierung.<br />
Die EDD-Datei wird von einem Werkzeug wie zum<br />
Beispiel Simatic PDM oder isEDDview eingelesen, interpretiert<br />
und dargestellt, ganz ähnlich wie eine HT-<br />
ML-Datei von einem Browser.<br />
1.3 FDI<br />
Die Sprache EDDL ist eines der Kernelemente des FDI-<br />
Konzepts zur Beschreibung eines Feldgerätes durch ein<br />
einziges FDI Device Package [7]. In [4] wird an zwei<br />
Beispielen überprüft, ob und in welchem Umfang <strong>das</strong><br />
FDI-Konzept sich eignet, Sinneinheiten zu beschreiben,<br />
die aus mehreren intelligenten Feldgeräten zusammengesetzt<br />
sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen<br />
machen deutlich, <strong>das</strong>s die Beschreibung einzelner Aspekte<br />
einer aus vielen Feldgeräten komponierten Einheit<br />
mit FDI möglich ist. Verschiedene Restriktionen<br />
von FDI erfordern jedoch komplexe Kommunikationswege,<br />
beispielsweise über den optionalen OPC-UA-<br />
Dienst eines FDI-Servers.<br />
1.4 Integrationsbedarf<br />
In Tabelle 1 werden die zwischen Package Unit und Leitsystem<br />
zu übertragenden Informationen nach der Auffassung<br />
der Autoren aufgelistet und hinsichtlich einer<br />
möglichen Beschreibung mit EDD und GSD anhand des<br />
Übertragungszeitpunktes während eines Plug-and-produce-Schritts,<br />
den Zugriffsrechten und des Übertragungszyklus<br />
klassifiziert. Dieser Vergleich zeigt auf,<br />
<strong>das</strong>s der Informationsaustausch prinzipiell durch EDD<br />
und GSD beschrieben werden kann. Durch eine einheitliche<br />
Implementierung und gut entwickelte Strukturen<br />
lassen sich Vorlagen <strong>für</strong> eine einheitliche Integration<br />
ableiten. Durch deren Einsatz können Package-Unit-<br />
Daten in automatisierten Prozessen eingelesen und interpretiert<br />
werden.<br />
Dieses Vorgehen erlaubt eine weitgehend automatisierte<br />
Integration einer Package Unit in ein Prozessleitsystem<br />
mit bestehenden Technologien, welche mit den<br />
Entdeckungsmechanismen von FDI zu einem vollständig<br />
automatisierbaren Plug-and-produce-System ausgebaut<br />
werden können.<br />
2. PACKAGE-UNIT-INTEGRATION<br />
Ein integrierbares Modul [5] ist als eine in sich geschlossene<br />
Einheit definiert, die ihre Funktion prinzipiell<br />
unabhängig von der Anlage erbringt. Die Basisautomatisierung<br />
zur Realisierung der Grundfunktionen<br />
ist also Bestandteil des Moduls. Damit die Module als<br />
modulare Anlage zusammenwirken können, müssen<br />
sie <strong>Schnittstellen</strong> anbieten, welche den Informationsaustausch<br />
zu anderen Komponenten der Anlage ermöglichen.<br />
NE 148 geht davon aus, <strong>das</strong>s die Visualisierung<br />
verschiedene Aspekte der Rezeptsteuerung, der Diagnose<br />
und der Archivierung auf einem zentralen Prozessleitsystem<br />
realisiert, prinzipiell ist jedoch auch<br />
eine peer-to-peer-Architektur denkbar. Unabhängig<br />
von der Architektur setzt dieser Ansatz standardisierte<br />
<strong>Schnittstellen</strong> und Beschreibungsmittel voraus, mit<br />
denen statische Information wie Bedienfließbilder,<br />
Funktions- und Rezeptschnittstellen sowie dynamische<br />
Daten wie aktuelle Prozess- und Automationszustände<br />
übermittelt werden.<br />
Als Maßgabe <strong>für</strong> die Funktionsallokation empfiehlt<br />
die NE 148, prozessnahe Funktionen mit sehr kurzen<br />
Reaktionszeiten auf der Basisautomatisierung der Package<br />
Unit zu realisieren. Package-Unit-übergreifende<br />
Rezepte und übergeordnete Funktionen ohne harte<br />
Echtzeitanforderungen sind hingegen im PLS anzusiedeln.<br />
Weiterhin fordert die NE 148 <strong>für</strong> die Übertragung<br />
dieser Information die Definition einer geeigneten<br />
Schnittstelle, ohne diese selbst technisch auszuspezifizieren.<br />
Darüber hinaus werden Zusatzfunktionen definiert,<br />
die <strong>das</strong> PLS bereitstellen muss, um eine Integration<br />
zu ermöglichen:<br />
Steuerung und Regelung von modulübergreifenden<br />
Funktionen: Voraussetzung ist die Steuerung einzelner<br />
Funktionen durch <strong>das</strong> PLS.<br />
Rezeptsteuerung der mit dem PLS verbundenen<br />
Package Unit: Da<strong>für</strong> wird eine geeignete Aufrufschnittstelle<br />
benötigt.<br />
Überwachung der Leistungsgrenzen der Module<br />
und der Infrastruktur: Es muss ein spezifikationsgerechter<br />
Betrieb <strong>für</strong> jede Package Unit sichergestellt<br />
werden.<br />
Package-Unit-Identifikation: Jede einzelne Package<br />
Unit muss eindeutig identifizierbar sein.<br />
Für die Einordnung der einzelnen Integrationsaspekte<br />
in einen Integrationsprozess gibt Bild 1 einen Überblick<br />
über die notwendigen Integrationsschritte einer Package<br />
Unit in ein Leitsystem. In einem ersten <strong>Engineering</strong>-<br />
Schritt werden die einzelnen Funktionen einer Anlage<br />
aus Modulen beziehungsweise einer Package Unit zusammengesetzt.<br />
Hier wird auf Ebene einer verfahrenstechnischen<br />
Funktion, beispielsweise einer Reaktion,<br />
die Auswahl getroffen. In unserem Beispiel wird jedes<br />
58<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Information<br />
Übertragungszeitpunkt<br />
Zugriffsrechte Ü-Zyklus Notwendige<br />
Beschreibungssprache<br />
Stat. Parameter plug lesend 1-malig EDDL<br />
Dyn. Parameter<br />
plug, produce<br />
lesend,<br />
schreibend<br />
1+zyklisch<br />
EDDL<br />
GSD<br />
SFC Struktur plug lesend 1-malig EDDL<br />
SFC Zustand<br />
plug, produce<br />
lesend,<br />
schreibend<br />
Alamierung plug, produce schreibend<br />
1+zyklisch<br />
Ereignisgesteuert<br />
EDDL<br />
GSD<br />
EDDL<br />
TABELLE 1:<br />
Gegenüberstellung<br />
der zu übertragenden<br />
Informationen einer<br />
Package Unit<br />
BILD 1: Schritte<br />
der Integration<br />
einer Package Unit<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
59
HAUPTBEITRAG<br />
Modul vereinfacht über die Anzahl und den Typ der<br />
Ein- und Ausgänge, und die parallel nutzbaren Einheiten<br />
eines Typs beschrieben. Die Modulklasse Tank<br />
(2/2/2) in Bild 1 ist exemplarisch durch zwei Eingänge,<br />
die gleichzeitige Nutzung zweier unabhängiger Tank-<br />
Einheiten in dem Modul sowie zweier Ausgänge charakterisiert.<br />
In diesem Schritt erfolgt eine Spezifizierung<br />
der Module auf Klassen-Ebene, wobei jede Klasse<br />
über einen definierten Satz generischer Eigenschaften<br />
und Funktionen definiert ist.<br />
Im zweiten Schritt, dem modularen Automationsengineering,<br />
wird <strong>das</strong> Gesamtverhalten der Anlage konfiguriert.<br />
Dieser Schritt umfasst die da<strong>für</strong> notwendigen<br />
Teilschritte, beginnend bei der Konfiguration (2.1). Hier<br />
wird zum Beispiel die Kommunikationsschnittstelle<br />
des Moduls mit dem übergeordneten PLS konfiguriert.<br />
Die weiteren Teilschritte (2.2) – (2.4) konfigurieren die<br />
modulübergreifende Logik, die Rezepte und die Bedienbilder.<br />
Aufgrund der Beschreibung der Gesamtfunktion<br />
der Anlage mit Hilfe der Modulklassen und der<br />
entsprechenden generischen Eigenschaften, können<br />
diese Konfigurationen ohne die Kenntnis der konkreten<br />
Modulinstanzen erfolgen. Dies ermöglicht zum einen<br />
ein sehr frühes <strong>Engineering</strong> des Automatisierungssystems<br />
der Gesamtanlage und später einen einfachen<br />
Austausch des Moduls gegen ein anderes, welches die<br />
Fähigkeiten dieser Modulklasse unterstützt. Dieses<br />
Vorgehen kann um Profile, ähnlich wie bei der Integration<br />
von Feldgeräten über Feldbusse, ergänzt werden,<br />
um die Rückwärtskompatibilität zu älteren Modulklassenbeschreibungen<br />
zu gewährleisten. Im dritten Integrationsschritt<br />
wird die Konfiguration auf <strong>das</strong> Automatisierungssystem<br />
der Anlage geschrieben.<br />
Erst in einem vierten Schritt der Integration werden<br />
die konkreten Module, die Modulinstanzen, an <strong>das</strong><br />
überlagerte Automatisierungssystem angeschlossen<br />
(Plug). Nachfolgend werden die Randbedingungen<br />
(zum Beispiel Druckstufen, Grenzwerte) sowie der<br />
Funktionsumfang der angesteckten konkreten Module<br />
gegeneinander überprüft (Check). Bevor die Module in<br />
Betrieb genommen werden können, erfolgt ein Konfigurationsschritt,<br />
in dem die spezifischen Module automatisch<br />
ihre Adressen zugewiesen bekommen oder<br />
entsprechend parametriert werden (Configure). Dieses<br />
Vorgehensmodell implementiert <strong>das</strong> in [12] vorgestellte<br />
Plug-check-configure-and-produce-Konzept <strong>für</strong> die<br />
Prozessindustrie.<br />
2.1 Variablen und Parameter<br />
Die Grundlage jeder Geräteparametrierung bildet die<br />
Beschreibung der Variablen und Parameter. Ziel soll es<br />
sein, auf möglichst einfache und wiederverwendbare<br />
Weise die vollständige Package Unit zu beschreiben.<br />
Diese Beschreibung soll auf ihre Kernkomponenten<br />
abstrahiert und eine einheitliche Bezeichnung eingeführt<br />
werden, so<strong>das</strong>s eine Vorlage <strong>für</strong> die Beschreibungen<br />
einer Package Unit entsteht. Dabei wird zwischen<br />
drei Ebenen der Beschreibung unterschieden:<br />
Ebene 1 – Deklaration aller verwendeten Variablen.<br />
Diese werden vom Package-Unit-Hersteller zur Verfügung<br />
gestellt und in der EDD dokumentiert. Damit auf<br />
Ebene 2 eine Unterscheidung der Variablen möglich ist,<br />
muss die Variablendeklaration folgende Mindestinformation<br />
liefern:<br />
Grundsätzlich wird zwischen statischen und dynamischen<br />
Parametern unterschieden. Darüber hinaus<br />
können dynamische Parameter in zyklische und azyklische<br />
unterteilt werden. Sobald ein Parameter dynamische<br />
Eigenschaften aufweist, wird diese Eigenschaft<br />
im class-specifier festgehalten. Eine weitere Unterscheidung,<br />
sowohl der statischen als auch der dynamischen<br />
Parameter, findet im HANDLING statt. Hier wird definiert,<br />
ob der Nutzer ausschließlich Lese- oder auch<br />
Schreibrechte erhält.<br />
VARIABLE identifier<br />
{<br />
// eindeutige schema-<br />
// tische Bezeichnung<br />
CLASS class-specifier; // beschreibt<br />
// Verwendungsweise<br />
// der Variablen<br />
HANDLING specifier;<br />
TYPE type-specifier;<br />
}<br />
LISTING 1: Eigenschaften einer EDD-Variablen<br />
Ebene 2 – Sinneinheiten: Abhängig von diesen Eigenschaften<br />
und der späteren Verwendung werden sämtliche<br />
Parameter in Ebene 2 in Sammelklassen festgeschrieben.<br />
Eine solche Sammlung von Variablen kann<br />
in EDDL wie folgt dargestellt werden:<br />
COLLECTION OF VARIABLE identifier<br />
{<br />
LABEL string-specifier;<br />
MEMBERS<br />
{<br />
member-specifier; // z. B. Variablen gleichen<br />
// HANDLINGs,<br />
member-specifier; // dynamische/statische<br />
// Eigenschaften,<br />
member-specifier; // gleiche Verwendung<br />
…<br />
}<br />
}<br />
LISTING 2: Package-Unit-Parameter als Teil<br />
einer COLLECTION<br />
Ebene 3 – Kommunikation: Innerhalb der Ebene 3 werden<br />
Kommunikationsregeln festgelegt. Eine EDD-Anwendung-<br />
nutzt <strong>für</strong> die Kommunikation automatisch<br />
Kanal MS02 von Profibus, also eine azyklische Kommunikation<br />
zwischen PLS und der Package Unit. Profibus<br />
ist ein modulbasiertes Kommunikationsprotokoll,<br />
welches die einzelnen Module über SLOT und die genaue<br />
Platzierung innerhalb des Moduls über INDEX<br />
festlegt. Beide Angaben müssen innerhalb der EDD<br />
hinterlegt sein. Darüber hinaus ist es nicht möglich,<br />
60<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Inhalte gleichzeitig zu lesen und zu schreiben. Was zur<br />
Folge hat, <strong>das</strong>s COLLECTIONS, deren Inhalte gelesen<br />
und geschrieben werden können, innerhalb der Kommunikation<br />
in zwei getrennten Paketen behandelt werden<br />
müssen.<br />
Solche Kommunikationspakete werden folgendermaßen<br />
beschrieben:<br />
COMMAND identifier<br />
{<br />
INDEX<br />
SLOT<br />
1…n;<br />
1…254;<br />
OPERATION READ | WRITE;<br />
TRANSACTION<br />
{<br />
REQUEST<br />
{<br />
data-items-specifier;<br />
data-items-specifier;<br />
}<br />
REPLY<br />
{<br />
data-items-specifier;<br />
data-items-specifier;<br />
}<br />
}<br />
}<br />
LISTING 3: Definition eines Kommunikationspaketes<br />
Die zyklische Kommunikation über MS0 wird innerhalb<br />
der GSD-Datei definiert. Dabei wird beschrieben, welche<br />
Adressen der Package Unit in einem zyklischen Datenaustausch<br />
mit dem PLS unterstützt werden – diese<br />
Adressen werden auf <strong>das</strong> Slot/Index-Modell der EDD<br />
abgebildet. Die Zykluszeit wird von den meisten PLS<br />
automatisch generiert.<br />
2.2 Verhalten von Ablaufsteuerungen<br />
Ablaufsteuerungen ermöglichen die Verarbeitung sequenzieller<br />
oder paralleler Funktionen eines zeit- oder<br />
ereignisdiskreten Prozesses. Sie werden zum Koordinieren<br />
von kontinuierlichen Funktionen eingesetzt und<br />
steuern komplexe Prozesse. Diese bestehen im Allgemeinen<br />
aus einer oder mehreren Schrittfolgen. Die technische<br />
Umsetzung wird mit Hilfe der Sequential Function<br />
Charts (SFC) realisiert. Eine Schrittfolge besteht<br />
immer aus einem Start- und einem Endschritt. Dazwischen<br />
befinden sich Schrittfolgen, bestehend aus Aktionsschritten<br />
und Kanten.<br />
Zur formalen Beschreibung von Ablaufsteuerungen<br />
werden neben der Ablaufsprache nach IEC 61131 auch<br />
Zustandsdiagramme oder Petri-Netze verwendet. Ein<br />
Vorteil der Zustandsdiagramme ist deren einfache Möglichkeit<br />
zur Fehlerdiagnose sowie die einfache Transformation<br />
in bereits existierende Programmiersprachen.<br />
Jedoch funktioniert die Beschreibung mit Hilfe<br />
der Zustandsdiagramme ausschließlich <strong>für</strong> einfache<br />
oder alternativverzweigte Sequenzen, nicht <strong>für</strong> parallele,<br />
da sich <strong>das</strong> Diagramm immer in genau einem Zustand<br />
befinden muss.<br />
Betrachtet man nun die Integration der Ablaufsteuerung<br />
einer Package Unit in ein übergeordnetes Leitsystem,<br />
wird folgende Information während des Betriebs<br />
der Package Unit benötigt:<br />
Strukturinformation zur Visualisierung der<br />
Ablaufkette<br />
Anzahl der Plätze, Transitionen,<br />
einheitliches Bezeichnungsschema,<br />
Strukturinformation zu Verzweigungen und<br />
Zusammenführung, Art der Verzweigung<br />
Information über Verklemmungen<br />
Information über aktive Plätze und Transitionen<br />
Die Struktur einer Ablaufsteuerung lässt sich herstellerneutral<br />
mit Hilfe eines bipartiten Graphs abbilden<br />
(Bild 2). Dabei spielt die aktuell gewählte Bezeichnung<br />
nur eine nebensächliche Rolle, da sich die<br />
Struktur des Graphen eindeutig mit Verknüpfungsmatrizen<br />
fassen lässt. Daraus entstehen zwei Matrizen,<br />
welche sich allein auf der Grundlage ihrer binären<br />
Werte 1:1 zum abgebildeten Graphen wiederherstellen<br />
lassen. Eine Matrix beschreibt die Beziehung<br />
jeder Transition zu jedem Platz, eine zweite die<br />
Beziehung vom Platz zur Transition. Sobald eine<br />
direkte Verbindung vorhanden ist, wird eine 1 in der<br />
Matrix hinterlegt, andernfalls erscheint eine 0. Eine<br />
weitere Informationsquelle innerhalb dieser Matrizen<br />
stellt die Aufeinanderfolge von mehreren Plätzen<br />
nach einer Transition dar, beziehungsweise der Folge<br />
ein und derselben Transition nach zwei unterschiedlichen<br />
Plätzen (blau markierter Bereich). Daraus lässt<br />
sich <strong>für</strong> die Parallelverzweigung folgende Regel ableiten:<br />
Folgen aus einer Transition zwei Plätze, öffnet<br />
sich die Parallelverzweigung. Folgt aus zwei Plätzen<br />
dieselbe Transition, schließt sich die Verzweigung.<br />
Aufgrund dieser Regel lässt sich ohne Übermittlung<br />
zusätzlicher Information der Graph aus einfachen<br />
Matrizen wiederherstellen. Ein wesentlicher Vorteil<br />
dieser Darstellung gegenüber anderen, wie beispielsweise<br />
der Adjazenzmatrix, ist die ausschließliche<br />
binäre Kodierung.<br />
Die Beschreibung der aktivierten Schritte kann über<br />
zwei binäre Vektoren mit Lese- und Schreibrechten<br />
übermittelt werden. Je ein Vektor beschreibt dabei die<br />
aktiven Plätze und einer die Transitionen. Mit Hilfe<br />
eines Manual Override kann der Operateur, mit den<br />
entsprechenden Berechtigungen, bei Verklemmungen<br />
aktiv eingreifen und die Transition manuell weiterschalten.<br />
Die von der Package Unit mitgelieferte Darstellung<br />
in Matrizenform kann problemlos mit der Sprache<br />
EDDL beschrieben werden. Dazu werden die zwei Matrizen<br />
serialisiert, so<strong>das</strong>s zwei binäre Vektoren übertragen<br />
werden müssen. Darüber hinaus können die<br />
aktiven Plätze und Transitionen ebenfalls über zwei<br />
Vektoren oder auch einzeln übertragen werden (siehe<br />
Listing 4 und 5).<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
61
HAUPTBEITRAG<br />
BILD 2: Darstellung einer Ablaufkette<br />
durch einen Graphen und Matrix<br />
Start<br />
p1<br />
t1<br />
Schritt 1 p2<br />
Schritt 1<br />
p3<br />
t2<br />
Ende<br />
p4<br />
BILD 3: Beispiel HMI der<br />
Formalisierung in Listing 6<br />
VARIABLE PU_AS_PzuT<br />
{<br />
LABEL „Struktur der AS: P zu T“;<br />
CLASS LOCAL;<br />
HANDLING READ;<br />
TYPE BITSTRING;<br />
{<br />
DEFAULT_VALUE „10010110“;<br />
}<br />
}<br />
LISTING 4: Beschreibung der Verbindungen<br />
der Plätze zu Transitionen<br />
VARIABLE PU_AS_TzuP<br />
{<br />
LABEL „Struktur der AS: T zu P“;<br />
CLASS LOCAL;<br />
HANDLING READ;<br />
TYPE BITSTRING;<br />
{<br />
DEFAULT_VALUE „01100001“;<br />
}<br />
}<br />
LISTING 5: Beschreibung der Verbindungen<br />
der Transitionen zu Plätzen<br />
Darüber hinaus muss <strong>für</strong> die Deserialisierung im Prozessleitsystem<br />
Information zur Anzahl an Spalten und<br />
Zeilen der Matrix mit übertragen werden. Dies bedeutet<br />
vier zusätzliche Variablen, die jedoch innerhalb derselben<br />
Kommunikationsgruppe wie die serialisierten Matrizen<br />
übermittelt werden können.<br />
2.3 Bedienfließbild<br />
Ein weiterer Aspekt der Integration einer Package Unit<br />
in ein Leitsystem ist die herstellerneutrale Beschreibung<br />
der Bedienfließbilder einer Package Unit, um diese in<br />
einem übergeordneten Leitsystem automatisch zu instanziieren.<br />
Das dies grundsätzlich möglich ist, zeigen<br />
die Ergebnisse des Projekts autoHMI [8, 9]. Hier wurden<br />
Bedienfließbilder über den Zwischenschritt eines neutralen<br />
Datenformates direkt aus Rohrleitungs- und Instrumentierungsdiagrammen<br />
(P&ID) generiert. Basis<br />
dieser Transformation ist die Überführung des P&ID und<br />
der dort hinterlegten Information in eine graphenbasierte<br />
Beschreibung der Anlagentopologie, in welcher Knoten<br />
durch Prozessobjekte (Geräte und Apparate) und<br />
Kanten durch stoffliche, energetische und informationstechnische<br />
Verbindungen dargestellt werden. Knoten<br />
und Kanten führen Attribute, die <strong>für</strong> die Generierung<br />
des Bedienfließbildes notwendig sind.<br />
Im vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, wie die<br />
als Graph abstrahierte Struktur eines SFC in einer EDD<br />
abgebildet werden kann. Um die Information eines Bedienfließbildes<br />
ebenfalls in einer EDD abbilden zu können,<br />
werden zunächst die Unterschiede zur Ablaufkette<br />
dargestellt:<br />
Für die Bildelemente eines SFC müssen Parallelund<br />
Alternativverzweigungen aus der Topologie<br />
inferiert werden, während die in [9] betrachtete<br />
Struktur der Bedienfließbilder alle Bildelemente<br />
vollständig enthält.<br />
Alle Verbindungen eines SFC werden gleich dargestellt.<br />
Die Verbindungen in Bedienfließbildern<br />
kodieren hingegen die Art der Verbindung (Stoff,<br />
Energie, Information), beispielsweise durch Farben<br />
und Linienstärke.<br />
Alle Visualisierungsobjekte eines SFC werden einheitlich<br />
durch zwei Bildsymbole (Schritt oder<br />
Transition) dargestellt, während in prozessorientierten<br />
Bedienfließbildern Symbolbibliotheken<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Der dynamische Informationshaushalt einer SFC-<br />
Darstellung kann durch eine boolesche Variable<br />
62<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
<strong>für</strong> den Zustand eines jeden Schrittes (Aktiv/Inaktiv),<br />
eine boolesche Variable <strong>für</strong> den Schaltzustand<br />
pro Transition (Frei/Gesperrt) und einer booleschen<br />
Variablen <strong>für</strong> die manuelle Überbrückung<br />
der Transition <strong>für</strong> die meisten Zwecke ausreichend<br />
gut dargestellt werden. Die Bildsymbole der Bedienfließbilder<br />
sind jedoch komplexe Bibliothekselemente,<br />
die typspezifische Informationsstrukturen<br />
erwarten.<br />
Für die formale Beschreibung eines Bedienfließbildes<br />
in EDDL bedeuten diese Unterschiede, <strong>das</strong>s<br />
eine reine Abbildung der Strukturinformation wie<br />
im Abschnitt 2.2. nicht ausreichend ist. Um beispielsweise<br />
die Bildsymbole der Bedienfließbilder<br />
möglichst in einem einheitlichen Look-and-feel bereitzustellen,<br />
müssen die Instanzen der Symbole<br />
durch <strong>das</strong> übergeordnete Leitsystem beziehungsweise<br />
durch eine separat zu konfigurierende Symbolbibliothek<br />
bereitgestellt werden. In dem generisch<br />
auszuliefernden Bedienfließbild der Package Unit<br />
wird dann über eine Klassen- oder Typ-Bezeichnung<br />
die Referenz hergestellt (siehe Listing 6). Das formalisierte<br />
HMI orientiert sich an der in Bild 3 dargestellten<br />
Visualisierung.<br />
COLLECTION OF VARIABLE PU_HMI_BBD1_Tank1<br />
{<br />
LABEL „Alle Informationen eines Tanks“;<br />
MEMBERS<br />
{<br />
Type, PU_HMI_BBD1_Tank1_Type;<br />
XCoord, PU_HMI_BBD1_Tank1_XCoord;<br />
YCoord, PU_HMI_BBD1_Tank1_YCoord;<br />
Connections, PU_HMI_BBD1_Tank1_Connections;<br />
}<br />
}<br />
VARIABLE PU_HMI_BBD1_Tank1_Type<br />
{<br />
LABEL „Klasse des Faceplates Tank“;<br />
CLASS LOCAL;<br />
TYPE ASCII;<br />
{<br />
DEFAULT_VALUE „TANK“;<br />
}<br />
}<br />
VARIABLE PU_HMI_BBD1_Tank1_XCoord<br />
{<br />
LABEL „X-Koordinate Tank1“;<br />
CLASS LOCAL;<br />
TYPE DOUBLE;<br />
{<br />
DEFAULT_VALUE 394.0909;<br />
}<br />
}<br />
LISTING 6: Beschreibung eines statischen<br />
HMI-Elements in EDDL<br />
Jedes Bedienfließbild wird über eine COLLECTION beschrieben,<br />
in der alle darzustellenden Objekte zusammengefasst<br />
werden. Ein Objekt wird über den Typ, Koordinaten<br />
auf dem Bedienfließbild, weitere objektspezifische<br />
Eigenschaften sowie Verbindungen (Variable:<br />
PU_HMI_BBD1_Tank1_Connections) zu anderen Objekten<br />
beschrieben.<br />
Für die Beschreibung der dynamisierten Bildelemente,<br />
also Bildelemente. welche mit Prozessdaten oder<br />
Zuständen der Package Unit verknüpft sind, muss innerhalb<br />
einer entsprechenden Struktur auf die im Variablenhaushalt<br />
der Package Unit definierte Information<br />
referenziert werden (Listing 7).<br />
VARIABLE PU_HMI_BBD1_Valve1_Fbk<br />
{<br />
LABEL „Verweise auf Signal der Rückmeldung“;<br />
CLASS LOCAL;<br />
TYPE ASCII;<br />
{<br />
DEFAULT_VALUE „PU_VAR_Valve1_Fbk_Open“;<br />
}<br />
}<br />
LISTING 7: Beschreibung eines statischen<br />
HMI-Elements in EDDL<br />
Die Darstellung einer Rohrleitung oder auch einer Signallinie<br />
kann nicht alleine über eine X-Y-Koordinate<br />
beschrieben werden. Hier muss der Verlauf der einzelnen<br />
Punkte der Linie mit definiert werden, zum Beispiel<br />
in Form einer einfachen Liste.<br />
Mit den Algorithmen der autoHMI-Transformationskette<br />
[8] wird <strong>das</strong> in der EDD gemäß Listing 6 formal<br />
beschriebene HMI der Package Unit eingelesen und mit<br />
der Symbolbibliothek des Zielleitsystems instanziiert.<br />
Je nach Offenheit des Leitsystems erfolgt dies durch<br />
externe oder in <strong>das</strong> Leitsystem <strong>integrierte</strong> Werkzeuge.<br />
2.4 Verriegelung<br />
Für den Betreiber einer Package Unit ist es notwendig,<br />
während des Betriebs der Anlage die Verriegelungen zu<br />
beobachten und gegebenenfalls zu bedienen. Zur Sicherung<br />
seines Know-hows wird der Package-Unit-Hersteller<br />
jedoch nicht in allen Fällen einen vollständigen Zugriff<br />
auf die genaue Implementierung zulassen wollen. Ein<br />
häufig eingesetztes Beschreibungsmittel der Verriegelungen<br />
ist die prozessleittechnische Ursachen-Wirkungs-<br />
Matrix. Diese Matrix verbindet eine Ursache ‐ binäre<br />
Größen, die eine Aussage über den Zustand einer technischen<br />
Einrichtung oder des Prozesses erlauben – mit<br />
einer Wirkung. Die Wirkung wird ebenfalls als binäre<br />
Größe dargestellt, die einen geeigneten Stelleingriff in<br />
den Prozess zur Folge hat. Eine Ursache kann mehrere<br />
Wirkungen zur Folge haben, ein und dieselbe Wirkung<br />
kann von verschiedenen Ursachen ausgelöst werden.<br />
Einige Hersteller von Prozessleitsystemen bieten <strong>für</strong><br />
ihre Systeme Safety-Matrix-Werkzeuge an (siehe [10,<br />
11]), mit der diese Methode nahtlos in <strong>das</strong> prozessleit-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
63
HAUPTBEITRAG<br />
BILD 4:<br />
Skizze eines<br />
im Leitsystem<br />
generierten<br />
aktiven SFC<br />
technische <strong>Engineering</strong> integriert werden kann. Eine<br />
solche Matrix kann mit Inhalten unterschiedlichen<br />
Datentyps, Länge und Zugriffsrechten in einem Datenpaket<br />
übertragen werden. Wie bereits bei den Ablaufsteuerungen<br />
müssen Mechanismen und Abstraktionsmodelle<br />
entwickelt werden, um die Daten sinnvoll in<br />
EDD zu verpacken und an <strong>das</strong> PLS schicken zu können.<br />
Doch was genau ist eine Safety-Matrix und wie unterscheidet<br />
sich diese von einer Matrix zur Beschreibung<br />
von Struktur der Ablaufsteuerung? Auch diese<br />
Matrix hat eine eindeutige Bezeichnung und besteht<br />
aus einer bestimmten Anzahl an Spalten und Zeilen.<br />
Diese Information muss, wie auch schon bei der Ablaufsteuerung,<br />
separat übergeben werden. Den einzigen<br />
Unterschied stellen die Inhalte dar. Während bei<br />
der Ablaufsteuerung nur binäre Inhalte übergeben<br />
werden, muss an dieser Stelle jeder Inhalt einzeln innerhalb<br />
eines Strings weitergeleitet werden. Selbstverständlich<br />
können diese mit Werkzeugen, welche die<br />
EDD zur Verfügung stellt, gebündelt werden, auch die<br />
Datenrate wird hier erheblich höher sein als bei den<br />
Ablaufsteuerungen. Jedoch bietet diese Methode eine<br />
sichere und einfache Möglichkeit, auch komplexere<br />
Strukturen zu übertragen.<br />
3. INTERPRETATION DER EDD IM LEITSYSTEM<br />
Die Beschreibung der Ablaufsteuerung, der Bedienbilder<br />
und der Verriegelungen einer Package Unit mittels einer<br />
EDD stellt die Hersteller vor eine neue Aufgabe. Bevor<br />
eine Übertragung der Daten stattfinden kann, müssen<br />
beispielsweise die verwendeten Ablaufsteuerungen von<br />
einem da<strong>für</strong> konzipierten Baustein ausgelesen, als bipartiter<br />
Graph interpretiert und in zwei Matrizen überführt<br />
werden. Dieser Schritt unterstützt die Package<br />
Unit Integration im Plug-and-produce und minimiert<br />
manuelle Arbeiten durch den Operator. Darüber hinaus<br />
muss eine einheitliche Serialisierung der ausgelesenen<br />
Daten stattfinden. Auf der Seite des übergeordneten Prozessleitsystems<br />
muss derselbe Vorgang in umgedrehter<br />
Reihenfolge stattfinden.<br />
Wie kann ein solcher Baustein aussehen? Welche Datenmengen<br />
muss er verarbeiten und wie und von wem<br />
kann dieser realisiert werden? Gibt es bereits heute<br />
Möglichkeiten, durch deren geschickte Ausnutzung<br />
solche Daten verarbeitet werden können?<br />
Eine Möglichkeit wäre die Entwicklung eines SPSbasierten<br />
Funktionsblocks, welcher mit den seriellen<br />
Informationen gespeist werden kann und anschließend<br />
aufgrund eines mathematischen Algorithmus unter<br />
Verwendung der Information über die Anzahl von Spalten<br />
und Zeilen eine Matrix generiert. Darauf aufbauend<br />
kann anschließend in einem weiteren Baustein eine<br />
grafische Abbildung (Beispiel siehe Bild 4) der Ablaufsteuerung<br />
mit Hilfe der Information aus den in Abschnitt<br />
3.2 vorgestellten Matrizen generiert werden.<br />
Herausforderung auf Seiten des Package-Unit-Herstellers<br />
wird sein, die Ablaufsteuerung so zu modellieren,<br />
<strong>das</strong>s diese innerhalb der Package Unit mit einem ähnlichen<br />
Baustein in zwei binäre Vektoren interpretiert<br />
werden kann. Vorteil dieser Darstellung ist die Verwendung<br />
von SPS-basierten Funktionsbaublöcken innerhalb<br />
verschiedener Prozessleitsysteme. So können diese in<br />
den meisten Fällen eingelesen und verwendet werden.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Mit diesem Beitrag wurde <strong>das</strong> Potenzial aktueller Beschreibungsmittel<br />
aufgezeigt. Aus den Anforderungen<br />
der Integration von Package Units in übergeordnete Leitsysteme<br />
und der Analyse existierender Beschreibungsmittel<br />
<strong>für</strong> die verschiedenen <strong>Engineering</strong>-Aspekte wurde<br />
ein Konzept zur Beschreibung der identifizierten<br />
<strong>Engineering</strong>-Aspekte mit der bereits etablierten Sprache<br />
EDDL vorgestellt. Das Vorgehen wurde anhand der Modellierung<br />
einer Ablaufkette erläutert und umgesetzt.<br />
Die Synergien zur Beschreibung der Bedienbilder und<br />
der Verriegelungen einer Package Unit wurden aufgezeigt.<br />
Für die Implementierung des vorgestellten Ansatzes<br />
wurde ein Konzept beschrieben und diskutiert.<br />
Noch offen ist die Implementierung des Ansatzes in<br />
aktuellen Leitsystemen, um <strong>das</strong> Konzept praktisch zu<br />
überprüfen. Dabei muss die in diesem Beitrag diskutierte<br />
Praxis der Nutzung von Identifiern zur Beschreibung<br />
von Semantik, die von der EDDL-Maintenance<br />
Group nicht be<strong>für</strong>wortet wird, durch einen merkmalbasierten<br />
Ansatz [3] ergänzt werden.<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
09.12.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
64<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
REFERENZEN<br />
[1] Urbas, L., Bleuel, S., Jäger, T., Schmitz, S., Evertz, L.:<br />
Automatisierung von Prozessmodulen Von Package-Unit-<br />
Integration zu modularen Anlagen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 54(1-2), S. 44–53, 2012.<br />
[2] Obst, M.; Runde, S.; Wolf, G.; Urbas, L.: Integration<br />
Requirements of Package Units - A Description<br />
Approach with FDI. In: Proc. 18th Int. IEEE Conf.<br />
Emerging Techno logies & Factory Automation (ETFA),<br />
[CD]. IEEE 2013.<br />
[3] John, D., Danzer, B., Riedl, M., Zipper, H.: Selbsterklärende<br />
Geräte. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 55(10), S. 56-61, 2013<br />
[4] Theurich, S. Stöß, M., Wollschlaeger, M., Urbas, L.:<br />
Communication and Information <strong>Engineering</strong> of FDI<br />
Equipment Packages. In: Proc. 17th int. IEEE Conf.<br />
Emerging Technologies and Factory Automation (ETFA),<br />
[CD]. IEEE 2012.<br />
[5] NE 148: Anforderungen an die Automatisierungstechnik<br />
durch die Modularisierung verfahrenstechnischer<br />
Anlagen. Namur, 10/2013.<br />
[6] Profibus <strong>Engineering</strong> Flyer, Geräteintegration in der<br />
Feldbustechnik, PROFIBUS-Nutzerorganisation e.V., 2006<br />
[7] Kumpfmüller, H.-G., R. Lange, R.: FDI Device Integration<br />
- Best of Both Worlds. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 52(6), S. 16–19, 2010.<br />
[8] Doherr, F., Drumm, O., Franze, V., Urbas, L.: Bedienbilder<br />
auf Knopfdruck - Modellbasierte Erstellung von<br />
Fließbilddarstellungen. <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> - Automatisierungstechnische<br />
Praxis 53(11), S. 30-39, 2011.<br />
[9] Obst, M., Drumm, O., Doherr, F., Urbas, L.: Integriertes<br />
HMI-<strong>Engineering</strong>. In: Tagungsband GMA-Kongress<br />
Automation 2012, S. 227–230. VDI-Verlag 2012.<br />
[10] Yokogawa: ProSafe-PLC Safety Matrix. 2003<br />
[11] Siemens: SIMATIC Safety Matrix. Proceed with<br />
Confidence. 2007<br />
[12] Urbas, L., Doherr, F., Krause, A., Obst, M.: Modularisierung<br />
und Prozessführung. Chemie Ingenieur Technik<br />
84(5), S. 615-623, 2012<br />
[13] VDI/VDE 3699-5: Prozessführung mit Bildschirmen.<br />
Bedienfließbilder.<br />
AUTOREN<br />
Dipl. Ing. MICHAEL OBST<br />
(geb. 1985) ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter der Professur <strong>für</strong><br />
Prozessleittechnik an der Technischen<br />
Universität Dresden mit<br />
den Schwerpunkten: Informationsmodellierung,<br />
Unterstützungssysteme<br />
<strong>für</strong> modulares Anlagenengineering<br />
und fallbasiertes Schließen.<br />
TU Dresden,<br />
Institut <strong>für</strong> Automatisierungstechnik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 21 62,<br />
E-Mail: michael.obst@tu-dresden.de<br />
ANNA HAHN (geb. 1987) ist<br />
Diplomandin an der Professur<br />
<strong>für</strong> Prozessleittechnik der Technischen<br />
Universität Dresden.<br />
Sie bearbeitet im Rahmen ihrer<br />
Diplomarbeit <strong>das</strong> Thema Vereinfachte<br />
Leitsystemintegration von<br />
Package Units“.<br />
TU Dresden,<br />
Institut <strong>für</strong> Automatisierungstechnik,<br />
D-01062 Dresden,<br />
E-Mail: anna.hahn@mailbox.tu-dresden.de<br />
Prof. Dr.-Ing. LEON<br />
URBAS (geb. 1965) ist<br />
Inhaber der Professur <strong>für</strong><br />
Prozessleittechnik an der<br />
Technischen Universität<br />
Dresden. Seine Hauptarbeitsgebiete<br />
beim<br />
<strong>Engineering</strong> verteilter<br />
sicherheitskritischer<br />
Systeme sind Funktionsintegration, modellgetriebenes<br />
<strong>Engineering</strong>, Modularisierung,<br />
Informationsmodelle der Prozessindustrie<br />
und Middleware in der Automatisierungstechnik.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt bildet<br />
die Gebrauchstauglichkeit von mobilen<br />
Informationssystemen <strong>für</strong> die Prozessindustrie,<br />
Analyse, Gestaltung und Bewertung<br />
von Alarmierungs- und Unterstützungssystemen<br />
sowie Methoden der Benutzermodellierung<br />
zur prospektiven Gestaltung von<br />
Mensch-Technik-Interaktion.<br />
TU Dresden,<br />
Institut <strong>für</strong> Automatisierungstechnik,<br />
D-01062 Dresden, Tel. +49 (0) 351 46 33 96 14,<br />
E-Mail: leon.urbas@tu-dresden.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
65
HAUPTBEITRAG<br />
Trainingssimulation in der<br />
Prozessindustrie<br />
Umfrageergebnisse zur Anwendung von Trainingssimulatoren<br />
Der Beitrag stellt eine Umfrage des Namur Arbeitskreises 2.2 vor, mit der untersucht<br />
wurde, wie die Prozessindustrie im deutschsprachigen Raum Trainingssimulatoren<br />
einsetzt. Die Ergebnisse sprechen <strong>für</strong> eine Akzeptanz der Trainingssimulation. Sie<br />
zeigen aber Unsicherheiten bei der Implementierung und den Möglichkeiten dieser<br />
Systeme über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage auf. Vom Autor werden die<br />
Ergebnisse erörtert, der didaktische Kontext beleuchtet und Schlussfolgerungen <strong>für</strong><br />
die betriebliche Praxis gezogen.<br />
SCHLAGWÖRTER Operator Training Simulator / Operator Training / Prozessindustrie<br />
Training Simulation in the Process Industry –<br />
Results of a Survey showing the Use of Training Simulators<br />
The paper reports a survey conducted by the Namur working group 2.2, looking for<br />
the use of Operator Training Simulators in the process industry in German speaking<br />
countries. The results show an acceptance of training simulation, however, also<br />
identify some uncertainties in the use of these systems in all phases of the life cycle.<br />
The results are reflected in the didactic context, and some conclusions for the industrial<br />
practice are given.<br />
KEYWORDS operator training simulator / operator training / process industry<br />
66<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
KARSTEN SCHULZE, Linde <strong>Engineering</strong> Division<br />
Die Rolle des Anlagenfahrers in der Prozessindustrie<br />
hat sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />
grundlegend geändert. Bedingt<br />
durch einen immer höheren Automatisierungsgrad<br />
hat sich die Funktion vom reinen<br />
Operator zum Supervisor gewandelt. Parallel dazu sind<br />
die Anlagen im Sinne einer optimalen Stoff- und Energienutzung<br />
komplexer und prinzipiell schwieriger zu<br />
bedienen. Diese Zusammenhänge wurden bereits in<br />
den 1990er-Jahren in vielfältigen Analysen untersucht,<br />
siehe zum Beispiel [1].<br />
In dieser Dekade hat die Technologie von Operator<br />
Training Simulatoren (OTS) große Fortschritte gemacht.<br />
Während am Anfang die Thematik noch Gegenstand<br />
der Forschung war, galt sie am Ende in einigen Industriebereichen<br />
bereits als Standard. Einen Überblick<br />
über die Technologie geben [2-4]. Schon sehr früh stellte<br />
sich die Frage, wie Projekte zur Trainingssimulation<br />
abzuwickeln sind. Die Diskussion führte zur ersten<br />
Ausgabe des Namur Arbeitsblatts NA 60 [5-6].<br />
Natürlich ist diese Entwicklung in den letzten 15 Jahren<br />
nicht stehen geblieben. Die Systeme haben in Bereiche<br />
Einzug gehalten, <strong>für</strong> die sie vor einigen Jahren noch als<br />
zu komplex und zu teuer galten. Eine Ursache <strong>für</strong> die<br />
Verbreitung liegt darin, <strong>das</strong>s in der Automatisierung vermehrt<br />
Standard-komponenten verwendet werden. Während<br />
in der Anfangsphase von Trainingssimulatoren die<br />
<strong>Schnittstellen</strong>problematik beherrschend <strong>für</strong> die Entwicklung<br />
eines Systems war, und der Umfang des Prozessmodelles<br />
durch die Rechenkapazität bestimmt wurde, stellen<br />
sich diese Fragen heute kaum noch. Dies zeigt sich<br />
auch in der Anwendung von Trainingssimulation in<br />
Deutschland: Aus einer Umfrage aus dem Jahr 2003 zum<br />
Einsatz von Computer-based Training (CBT) wird in [7,<br />
S. 46], festgestellt: „In Deutschland setzt knapp die Hälfte<br />
der Unternehmen der Teilnehmer CBT bei der Schulung<br />
von Anlagenfahrern ein. Operator Trainingssimulation<br />
wird nicht eingesetzt, wohl aber am PLS geschult.“<br />
Um einen Überblick über die aktuelle Verbreitung von<br />
Trainingssimulatoren in der Prozessindustrie zu erhalten,<br />
hat der Namur-Arbeitskreis T 2.2 in 2013 eine entsprechende<br />
Umfrage in deutschsprachigen Unternehmen<br />
durchgeführt. Eine im gleichen Zeitraum gemachte<br />
Umfrage im internationalen Umfeld durch die ARC Advisory<br />
Group (im Folgenden ARC) liegt dem Autor vor,<br />
ist jedoch bislang nicht veröffentlicht. Ergebnisse der<br />
ARC-Umfrage werden daher nur vergleichend herangezogen,<br />
aus rechtlichen Gründen jedoch nicht im Detail<br />
dargestellt. Anhand der Resultate der jüngsten Namur-<br />
Umfrage werden fünf Thesen entwickelt, die durchaus<br />
eine kontroverse Diskussion auslösen sollen.<br />
1. OPERATOR TRAINING AUS DIDAKTISCHER SICHT<br />
Operator Training ist mehr als die reine Wissensvermittlung<br />
bezüglich Prozessverhalten und Orientierung im<br />
Leitsystem. Der Anlagenfahrer ist nicht in der Messwarte,<br />
um <strong>das</strong> Prozesslayout erläutern zu können. Er ist derjenige,<br />
der da<strong>für</strong> sorgt, <strong>das</strong>s die Anlage <strong>das</strong> produziert, wo<strong>für</strong><br />
sie gebaut wurde. Dies beinhaltet die Aufgabe, die Anlage<br />
ruhig und ökonomisch sinnvoll zu betreiben, wobei die<br />
Erfahrung zeigt, <strong>das</strong>s oft die ruhige Fahrweise Priorität<br />
hat. Die weit anspruchsvollere Aufgabe besteht jedoch<br />
darin, bei einer Störung die Anlage in möglichst kurzer<br />
Zeit wieder in den ordnungsgemäßen Zustand zu bringen.<br />
Hier sind Kompetenzen gefragt, die über <strong>das</strong> Wissen um<br />
Prozess und Leitsystem hinausgehen. In [8] wird in diesem<br />
Zusammenhang die Problemlösekompetenz diskutiert,<br />
über die ein Anlagenfahrer verfügen muss.<br />
Entsprechende Fähigkeiten müssen als Richtziele im<br />
Operator Training vermittelt werden. Dabei dienen diese<br />
Richtziele als Leitfaden <strong>für</strong> die anfängliche Ausbildung<br />
und als Zielsetzung in der Weiterbildung. Das von<br />
Linde <strong>Engineering</strong> erprobte Trainingskonzept beinhaltet<br />
beispielsweise die Vermittlung folgender Kompetenzen:<br />
Fachkompetenz: Der Operator muss sicher die Funktion<br />
der Anlage und ihrer Steuereinrichtungen kennen sowie<br />
mit allgemeiner Bezeichnung und Tagnummer benennen<br />
können. In den Steuereinrichtungen eingeschlossen sind<br />
DCS-Grafiken, Alarme, Abschaltungen, lokale und remote<br />
Bedieneinrichtungen, Schlüsselschalter.<br />
Handlungskompetenz: Der Operator muss sicher in seinen<br />
Handlungsabläufen werden. Dies umfasst die Kennt-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
67
HAUPTBEITRAG<br />
nis der vorgesehenen Prozeduren <strong>für</strong> die verschiedenen<br />
Betriebsfälle und <strong>das</strong> Vertrauen darin, <strong>das</strong>s die vorgesehenen<br />
Aktionen zu einem guten Ergebnis führen und der<br />
Operator weder in Abwarten noch in Aktionismus verfällt.<br />
Problemlösekompetenz: Der Operator muss aufgrund<br />
der Kenntnis von Alarmen und Prozessverhalten in der<br />
Lage sein, die Ursache einer Störung zu identifizieren<br />
und zu beheben.<br />
Teamfähigkeit: Der Operator muss in die Lage versetzt<br />
werden, die anstehenden Aufgaben mit Hilfe von Anderen<br />
(Anlagenfahrer, Feldoperator, Mitarbeiter der<br />
Instandhaltung, Betriebsingenieur) zu lösen.<br />
Verantwortungsbewusstsein: Der Operator muss Bewusstsein<br />
<strong>für</strong> den sicheren Betrieb der Anlage erlangen.<br />
Dies gilt gleichermaßen <strong>für</strong> Sicherheit im Sinne von<br />
Vermeidung und Beherrschung gefährlicher Situationen<br />
wie <strong>für</strong> den unterbrechungsfreien Betrieb der Anlage.<br />
1.1 Lernumgebung <strong>für</strong> <strong>das</strong> Operator Training<br />
Die Richtziele müssen durch eine geeignet gestaltete Lernumgebung<br />
unterstützt werden. In den Sozialwissenschaften<br />
betont [9, S. 269] die Bedeutung des computergestützten<br />
Lernens in der industriellen Praxis in Hinblick auf die<br />
Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Produktionsanlagen.<br />
Wichtig ist dabei die Fähigkeit des Mitarbeiters, als<br />
Problemlöser zu agieren. Damit steht die diagnostische<br />
Kompetenz der Anlagenfahrer im Vordergrund.<br />
Weiterhin werden dort fünf Leitlinien <strong>für</strong> die Gestaltung<br />
der Lernumgebung formuliert, die sich unmittelbar<br />
auf <strong>das</strong> zu erstellende Trainingskonzept <strong>für</strong> Operateure<br />
anwenden lassen:<br />
1 | Situiert und anhand authentischer Probleme lernen.<br />
Die Ausbildung muss anhand der praxisrelevanten<br />
Aufgabenstellungen erfolgen. Dem Bedienerhandbuch<br />
kommt damit eine besondere Bedeutung<br />
als Leitlinie <strong>für</strong> <strong>das</strong> Training zu.<br />
2 | In multiplen Kontexten lernen.<br />
Jedes Szenario sollte in verschiedenen Kontexten<br />
trainiert werden, zum Beispiel Lastreduktion unter<br />
verschiedenen Randbedingungen.<br />
3 | Unter multiplen Perspektiven lernen.<br />
Der Operator muss lernen, eine Problemstellung<br />
aus verschiedenen Perspektiven zu sehen.<br />
4 | Im sozialen Kontext lernen.<br />
Das Training muss bewusst auf Kooperation setzen<br />
und den Teamgeist fördern. Deshalb müssen<br />
Experten im Trainingsteam vertreten sein.<br />
5 | Mit instruktionaler Unterstützung lernen.<br />
Die Operateure müssen bei Bedarf Unterstützung<br />
vom Trainer oder aus der Lernumgebung, beispielsweise<br />
computerbasiertes Lernen, erhalten.<br />
Es muss sichergestellt sein, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> zur Problemlösung<br />
erforderliche Wissen bereitgestellt wird.<br />
In Bild 1 sind die Elemente dargestellt, die als Methoden<br />
<strong>für</strong> ein effizientes Operator Training zur Verfügung stehen.<br />
Die Berücksichtigung der Richtziele und Leitlinien<br />
führt zum Schluss, <strong>das</strong>s die Bausteine aufeinander abgestimmt<br />
sein müssen, damit Inhalte von theoretischer<br />
wie praktischer Seite vermittelt und Sachverhalte und<br />
Prozeduren in verschiedenen Kontexten eingebettet<br />
werden können. Dem OTS als simulatorbasierte Trainingsmethode<br />
kommt damit weder eine herausragende<br />
noch eine zu vernachlässigende Rolle zu. Er ist ein<br />
Werkzeug, <strong>das</strong>s in ein übergeordnetes Trainingskonzept<br />
einzubetten ist.<br />
2. AUSWERTUNG DER NAMUR-UMFRAGE<br />
Die Umfrage wurde in Form eines Online-Fragebogens<br />
an die Namur Mitgliedsfirmen im deutschsprachigen<br />
Raum geschickt. Geantwortet haben 32 Unternehmen.<br />
Den Teilnehmern war freigestellt den Namen ihres Unternehmens<br />
zu nennen.<br />
BILD 1: Elemente des Operator Trainings<br />
Classroom Training<br />
Fragebogen<br />
Planspiele<br />
Praxis Training<br />
computerbasiertes Training<br />
simulatorbasiertes Training<br />
Trainingabteilung/Ausbilder<br />
MSR/PLT<br />
Betriebsleitung<br />
Meister<br />
Anlagenfahrer<br />
BILD 2: Akzeptanz von OTS in<br />
verschiedenen Gruppen<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />
hoch mittel nicht vorhanden unbekannt<br />
68<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
Die meisten dieser Unternehmen sind in der Spezialchemie<br />
(24) tätig. Ein geringerer Anteil ordnet sich<br />
auch den Bereichen Petrochemie (5), Zellstoff/Papier<br />
(6) Energie (4), Pharma (3) und Lebensmittelindustrie<br />
(1) zu (Mehrfachzuordnungen waren möglich). Zwei<br />
der Antwortenden stammen aus dem Bereich IT/Automatisierungstechnik.<br />
Von den Umfrageteilnehmern<br />
hatten 22 Erfahrungen mit einem OTS, 18 davon setzen<br />
mindestens ein eigenes System ein. 18 Teilnehmer nutzen<br />
OTS im Zusammenhang mit kontinuierlichen Anlagen,<br />
8 Teilnehmer gaben auch Batchprozesse an.<br />
Aufgrund der geringen Anzahl von Rückläufern , aber<br />
auch der freien Wahl, an der Umfrage teilzunehmen,<br />
kann <strong>das</strong> Ergebnis nicht als repräsentativ angesehen<br />
werden. So ist davon auszugehen, <strong>das</strong>s von den rund 100<br />
angeschriebenen Unternehmen vorwiegend diejenigen<br />
antworteten, die Erfahrungen mit einem OTS haben.<br />
2.1 Akzeptanz eines OTS<br />
Eine Aussage, <strong>das</strong>s basierend auf den zuvor genannten Zahlen<br />
18 von 32, also 56% der Unternehmen in der Prozessindustrie<br />
den OTS in der Ausbildung nutzen, ist nicht seriös.<br />
Dennoch lassen sich Rückschlüsse auf die Akzeptanz von<br />
OTS ziehen: In einer weiteren Frage wurde nach der Anzahl<br />
der in den letzten fünf Jahren installierten Systeme gefragt.<br />
In 13 von 18 Fällen wurden mehr als zwei Systeme in diesem<br />
Zeitraum realisiert. Und 16 der 18 Befragten gaben an,<br />
<strong>das</strong>s sich der Einsatz eines OTS immer gelohnt habe; lediglich<br />
<strong>für</strong> zwei Unternehmen war der Nutzen eher selten. In<br />
praktisch allen Unternehmen, die ein OTS im Einsatz haben,<br />
ist die Akzeptanz in allen Gruppen mittel bis hoch,<br />
siehe Bild 2; die fehlende Zustimmung zu OTS ist bei den<br />
Befragten die Ausnahme. Ein sehr ähnliches Bild lässt sich<br />
aus den Antworten der ARC-Umfrage ableiten.<br />
Aus den vorgestellten Zahlen ergibt sich die erste<br />
These zur Akzeptanz von Trainingssimulatoren in der<br />
Prozessindustrie:<br />
These 1: OTS sind ein anerkanntes Mittel in der Ausbildung<br />
von Anlagenfahrern.<br />
2.2 Technische Umsetzung<br />
Auf die Frage, wer denn einen OTS spezifiziert (Mehrfachnennungen<br />
waren erlaubt), antworten 17 Teilnehmer mit<br />
„Experten der technischen Services“, und nur 10 nennen<br />
den „Betreiber“. Anlagenbauer oder externe Dienstleister<br />
bilden mit zwei beziehungsweise einer Nennung die Ausnahme.<br />
Die genauere Analyse zeigt, <strong>das</strong>s von den 17 Unternehmen,<br />
die den Entwurf den Experten der technischen<br />
Services übertragen, 7 Unternehmen ohne Beteiligung des<br />
Betreibers konzeptionieren und 8 Unternehmen den Entwurf<br />
in Kooperation mit dem Betrieb erstellen.<br />
Nun definiert „Experte in technischen Services“ sicher<br />
nicht eindeutig Fachgebiet und spezifisches Wissen<br />
des Mitarbeiters. Dennoch erstaunt es, <strong>das</strong>s rund<br />
die Hälfte der Befragten ihr Betreiberwissen und ihre<br />
Anforderungen an <strong>das</strong> Training nicht in den Entwurf<br />
einfließen lassen – zumindest wenn davon ausgegangen<br />
wird, <strong>das</strong>s in den technischen Services kein Betreiberwissen<br />
vorhanden ist und keine Vorgaben aus Betrieb<br />
oder Trainingsabteilung kommen. Unter dieser Prämisse<br />
folgt die zweite These dieser Erörterung, die sich mit<br />
den Erfahrungen des Autors aus einer Reihe von Simulatorprojekten<br />
deckt:<br />
These 2: Bei der Spezifikation eines OTS steht die Technik<br />
im Vordergrund, nicht <strong>das</strong> Training.<br />
Ausgehend von diesen Antworten stellt sich die Frage,<br />
ob mit dem OTS ein technisches System definiert und<br />
dann an den Nutzer übergeben wird mit den Worten<br />
„Nun mach mal was draus!“. Oder anders ausgedrückt,<br />
ob dem Design des Trainingssimulators ein adäquates<br />
Design des Trainings gegenübersteht. Tatsächlich wird<br />
in einigen globalen Unternehmen die Devise diskutiert,<br />
Antwortmöglichkeit<br />
Anzahl<br />
Schnellere Lernkurve bei neuen Prozessen / Produkten oder neuen Mitarbeitern 16<br />
Testen einer neuen Leitsystemprogrammierung 11<br />
Regelungstechnische Optimierung 8<br />
Know-how-Verbesserung / -Transfer 5<br />
Verkürzung von An-/Abfahrvorgängen sowie Produktwechsel 4<br />
Erhöhung der Anlagensicherheit 4<br />
Prozessstabilisierung 2<br />
Erprobung unterschiedlicher Fahrweisen 2<br />
Harmonisierung der Betriebsweise 1<br />
Ausbeutemaximierung 0<br />
Reduzierung Energieverbrauch 0<br />
Durchsatzsteigerung 0<br />
TABELLE 1:<br />
Antworten zur<br />
Frage „Welchen<br />
Hauptnutzen<br />
sehen Sie im<br />
Einsatz von OTS?“<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
69
HAUPTBEITRAG<br />
Gleiche Bedineoberfläche wie im PLS<br />
Beschreibt <strong>das</strong> stationäre Verhalten<br />
Simulation von Betriebsstörungen<br />
Simulation des Normalbetriebs und Laständerungen<br />
Simulation von An- und Abfahrvorgängen<br />
Beschreibt <strong>das</strong> dynamische Verhalten<br />
Leichte Adaptierbarkeit bei Prozessänderungen<br />
Qualitative Übereinstimmung mit der realen Anlage<br />
Freie Wahl der Simulationsgeschwindigkeit<br />
Exakte Übereinstimmung mit der realen Anlage<br />
Simulation des Einflusses von externen Bedingungen<br />
Simulation des Verbrauchs von Hilfmedien<br />
Simulation von Langzeiteinflüssen<br />
BILD 3:<br />
Anforderungen<br />
an ein OTS<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
Unverzichtbar wünschenswert weniger wichtig unklar<br />
Zu teuer<br />
Wurde noch nie diskutiert<br />
Zu hoher Pflegeaufwand<br />
Zu hoher Modellierungsaufwand<br />
Nein, 7<br />
Sonstiges<br />
Kein Know-how vorhanden<br />
Ja, 10<br />
Vorwiegend Multi-Purpose Anlagen<br />
Kein erkennbarer Nutzen<br />
Schlechte Erfahrungen<br />
Fehlende Informationen<br />
Nur mit messbaren<br />
Garantiewerten, 1<br />
0 1 2 3 4 5 6<br />
BILD 4: Gründe <strong>für</strong> die Nicht-Nutzung eines OTS<br />
BILD 5: Hilfestellung<br />
durch eine Richtlinie<br />
<strong>das</strong>s bis zu 25% des Budgets eines Trainingssystems <strong>für</strong><br />
den Entwurf des Trainings reserviert werden sollten.<br />
2.3 OTS-Nutzung<br />
Ein weiterer Fragenbereich betrifft die Nutzung des OTS.<br />
Wichtigster Punkt hieraus ist die Frage nach dem Hauptnutzen.<br />
Bis zu drei der in Tabelle 1 gelisteten Antworten<br />
konnten angekreuzt werden. Das Ergebnis zeigt den Fokus<br />
auf die Lernkurve bei neuen Anlagen oder Teilanlagen sowie<br />
neuen Mitarbeitern. Ein repetierendes Training scheint<br />
nicht die Regel zu sein, sondern der Trainingssimulator<br />
wird nach dem ersten Training verstärkt von der regelungstechnischen<br />
Wartung genutzt. Diesen Schluss legt die Auswertung<br />
der Antworten auf die Frage nach der Nutzungsdauer<br />
nahe: Rund 70% der Systeme werden nach spätestens<br />
4 Jahren außer Betrieb genommen, nur 5 von 18 Unternehmen<br />
gaben an, den OTS fünf oder mehr Jahre zu betreiben.<br />
Tabelle 1 zeigt ferner, <strong>das</strong>s ein OTS <strong>für</strong> die ökonomische<br />
Verbesserung des Anlagenbetriebes nur wenig<br />
genutzt wird. Die Verkürzung von Anfahrvorgängen ist<br />
ebenso wenig im Fokus eines OTS wie die Harmonisierung<br />
von Betriebsweisen oder die Erprobung unterschiedlicher<br />
Fahrweisen, um so eine Best Practice in<br />
der Bedienmannschaft auszubilden.<br />
Dass sich ein OTS auch da<strong>für</strong> verwenden lässt, Konzepte<br />
zur Anlagenoptimierung zu nutzen, ist gemäß<br />
den erhaltenen Antworten völlig unbekannt – ein<br />
Punkt, der in der weiteren Erörterung wieder aufgegriffen<br />
wird. Zunächst die dritte These:<br />
These 3: Trainingsszenarien konzentrieren sich auf die<br />
reine Wissensvermittlung, weniger auf Kompetenzen.<br />
Der These liegt die Argumentation zugrunde, <strong>das</strong>s sich<br />
Kompetenzen gerade durch Wiederholung ausbilden, durch<br />
die Anwendung von bereits gelerntem Wissen in anderen<br />
Zusammenhängen. Hierzu gehört insbesondere der spielerische<br />
Aspekt, <strong>das</strong> mehrfache Probieren. Interessant ist in<br />
diesem Zusammenhang, <strong>das</strong>s sich in der erwähnten internationalen<br />
Umfrage eine deutliche längere Nutzungsdauer<br />
70<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
des Trainingssimulators ergibt, während sich hinsichtlich<br />
der Nutzung ein ähnliches Bild abzeichnet.<br />
2.4 Anforderungen an ein OTS<br />
Eine weitere Gruppe von Fragen hat die Anforderungen<br />
an ein OTS zum Thema. Naturgemäß hängen diese eng<br />
mit den Nutzungszielen zusammen, und dementsprechend<br />
ergibt sich ein ähnliches Bild. Ganz oben auf der<br />
Liste der Wünsche, siehe Bild 3, steht die gleiche Bedienoberfläche<br />
wie im realen PLS. Dies erklärt sich aus dem<br />
Wunsch, ein möglichst realitätsnahes Umfeld <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
Training zu schaffen. Mit der allgemein üblichen Verwendung<br />
der Grafiken aus dem PLS im OTS ist dieser Forderung<br />
leicht nachzukommen. Von hoher Bedeutung ist <strong>für</strong><br />
viele Umfrageteilnehmer die Simulation des Normalbetriebs,<br />
obwohl dieser Zustand Bestandteil der täglichen<br />
Arbeit ist und der Trainingseffekt sich somit primär auf<br />
den neuen Mitarbeiter an diesem Prozess beschränkt.<br />
Trotz der Forderung nach Realitätsnähe ist der Wunsch<br />
nach einer exakten Übereinstimmung mit der realen<br />
Anlage weniger ausgeprägt. Offensichtlich sind die Unternehmen<br />
bestrebt, nur die <strong>für</strong> <strong>das</strong> Training relevanten<br />
Teile der Anlage abzubilden. Denn höher eingestuft sind<br />
die Forderungen nach stationärer und dynamischer Genauigkeit<br />
der Simulation. Ebenfalls von reduzierter<br />
Wichtigkeit ist die leichte Adaptierbarkeit bei Prozessänderungen.<br />
Hier drückt sich die erwartete geringe Nutzungsdauer<br />
aus, denn bei kurzer Nutzungsdauer benötigt<br />
<strong>das</strong> System keine Anpassung an Umbauten in der<br />
Anlage, oder die Anpassung erscheint in der Kosten-<br />
Nutzen Analyse als zu teuer, so<strong>das</strong>s ein OTS deswegen<br />
außer Betrieb genommen wird. Hier fehlen sicher Konzepte,<br />
die ein Mitwachsen des OTS attraktiver machen.<br />
Bei der Frage nach dem Lebenszyklus der Anlage, in dem<br />
sich ein OTS besonders lohnt, schneidet die Phase des Neubaus<br />
einer Anlage als klarer Favorit ab. Alle Antwortenden<br />
haben zu diesem Aspekt ein „Lohnt sich sehr“ angekreuzt.<br />
Für bestehende Anlagen geht diese Zustimmung deutlich<br />
zurück, es sei denn, es steht eine Leitsystemmigration an,<br />
wo einige einen Vorteil in der Verwendung des OTS sehen.<br />
Bei Initiativen zu Kapazitätserweiterungen oder zu Operational<br />
Excellence wird der Vorteil eines OTS nicht so<br />
deutlich gesehen. Zusammen mit den geringen Antwortzahlen<br />
zu betrieblichen Aspekten in der Nutzung, siehe<br />
Tabelle 1, führen diese Ergebnisse zur vierten These:<br />
These 4: OTS werden nicht in ihrer gesamten Bandbreite<br />
genutzt, nicht alle Möglichkeiten sind bekannt.<br />
2.5 Nicht-Nutzer eines OTS<br />
Die kleinere Gruppe der Rückläufer der Umfrage stammt<br />
von den Nicht-Nutzern eines OTS. Diese wurden gebeten,<br />
die Gründe hier<strong>für</strong> darzulegen siehe Bild 4. Während<br />
die Häufigkeit der Antwort „zu teuer“ nicht überrascht,<br />
haben sieben von zehn entweder kein entsprechendes<br />
Know-how, oder die Thematik wurde noch nie diskutiert.<br />
Das bedeutet allerdings auch, <strong>das</strong>s sich nur drei der<br />
zehn Unternehmen bewusst gegen den Einsatz von Trainingssimulation<br />
entschieden haben. Dabei wurde nicht<br />
näher untersucht, ob die Aussagen, die einen zu hohen<br />
Aufwand betonen, tatsächlich auf einer internen Diskussion<br />
beruhen. Erfreulich an dem Spektrum der Antworten<br />
ist, <strong>das</strong>s der Nicht-Einsatz von OTS nicht auf schlechten<br />
Erfahrungen in der Vergangenheit beruht.<br />
In einer Frage werden die Nutzer eines OTS gebeten,<br />
darzulegen, ob eine Richtlinie bei der Projektierung<br />
eines Trainingssimulators helfen würde, siehe Bild 5.<br />
Die Antworten sind mit 10 „Ja“ von 18 überraschend<br />
deutlich, existiert doch bereits ein Namur-Arbeitspapier<br />
zur Abwicklung von Trainingssimulator-Projekten.<br />
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich gemeinsam mit<br />
den vorherigen Erörterungen als Schlussfolgerung eine<br />
weitere These:<br />
These 5: Es besteht hohe Unsicherheit beim Entwurf und<br />
in der Projektierung eines OTS.<br />
3. DISKUSSION<br />
Die im deutschsprachigen Raum durchgeführte Umfrage<br />
zum Einsatz von Trainingssimulation hat eine gute Akzeptanz<br />
von OTS gezeigt. Offensichtlich sind besonders<br />
die Nutzer eines OTS von den Möglichkeiten überzeugt.<br />
Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, <strong>das</strong>s, wenn in<br />
einem Betrieb eines Unternehmens die Trainingssimulation<br />
genutzt wird, diese Technologie auch in anderen<br />
Betrieben des Unternehmens eingesetzt wird. Dies<br />
spricht <strong>für</strong> eine weitere Verbreitung von Trainingssimulation<br />
in der Prozessindustrie in den nächsten Jahren.<br />
Auf diesen Trend müssen sich die Unternehmen auch<br />
in anderem Zusammenhang einstellen, denn der Einsatz<br />
von Simulation in der Ausbildung von Anlagenfahrern ist<br />
kein Selbstläufer. Neben den in den letzten Jahren publizierten<br />
Herausforderungen [11-13] muss die Trainingssimulation<br />
in ein übergeordnetes Trainingskonzept einbettet<br />
sein, in inhaltlicher Hinsicht und aus der organisatorischen<br />
Perspektive. Inhalte, die im theoretischen Rahmen<br />
vermittelt werden, müssen in der Praxiseinheit aufgegriffen<br />
und vertieft werden. Umgekehrt sind Praxiseinheiten<br />
am OTS in anderen Einheiten vorzubereiten. Die enge<br />
Verzahnung von Wissensvermittlung im Frontalunterricht<br />
oder Gruppenarbeit und praktischer Ausbildung an einem<br />
Trainingssimulator hat jedoch ihren Preis: Ein signifikanter<br />
Anteil des Gesamtbudgets <strong>für</strong> die Einführung eines<br />
Trainingssimulators muss <strong>für</strong> den Entwurf des Trainings<br />
und des übergeordneten Konzeptes reserviert sein.<br />
Um der herausragenden Möglichkeit eines OTS, Betriebsabläufe<br />
spielerisch zu erarbeiten, Rechnung zu<br />
tragen, muss der entsprechende zeitliche Rahmen gegeben<br />
werden. Dies betont nicht nur die fortlaufende Wiederholung<br />
einer Praxiseinheit am Trainingssimulator,<br />
sondern auch die Möglichkeit <strong>für</strong> den Anlagenfahrer,<br />
im Selbststudium am OTS Abläufe zu probieren – und<br />
hier<strong>für</strong> neben der technischen Möglichkeit und der Aufforderung<br />
ein gewisses Zeitbudget zur Verfügung zu<br />
haben. Diese Art des Trainings sollte regelmäßig erfolgen,<br />
beispielsweise in Zeiten geringer Alltagsanforde-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014<br />
71
HAUPTBEITRAG<br />
rungen, um so den Vorteil zu nutzen, <strong>das</strong>s der Anlagenfahrer<br />
einmal alles mit seiner Anlage machen kann.<br />
Die kontinuierliche Nutzung eines OTS erfordert die<br />
entsprechende Wartung des Systems. Ebenso wie die<br />
reale Anlage im Laufe der Zeit an ein sich änderndes<br />
Umfeld angepasst wird, muss <strong>das</strong> OTS diesen Umbauten<br />
folgen. Praktischerweise wird daher parallel zu<br />
Umbauten der Anlage der OTS aktualisiert. Idealerweise<br />
erfolgt der Update des OTS sogar zeitlich vorher (vergleichbar<br />
einer Neuanlage), denn dann kann die Bedienmannschaft<br />
noch vor der Wiederinbetriebnahme<br />
geschult werden. Die Wartung verursacht auch Kosten:<br />
In [13] wird der Aufwand <strong>für</strong> den zehnjährigen Betrieb<br />
in derselben Größenordnung beziffert, wie <strong>für</strong> die ursprüngliche<br />
Realisierung des Systems.<br />
FAZIT<br />
Trotz einer guten Akzeptanz der Technologie zeigt die<br />
Namur-Umfrage, <strong>das</strong>s im Umgang mit dem OTS Unsicherheiten<br />
bestehen. Dies betrifft alle Phasen im Lebenszyklus<br />
des Systems. In der Auslegung und Projektierung<br />
wünscht sich ein Großteil der teilnehmenden Unternehmen<br />
eine Unterstützung durch eine Richtlinie oder Empfehlung.<br />
In der Nutzung eines OTS <strong>für</strong> <strong>das</strong> Training<br />
werden scheinbar nicht alle Möglichkeiten genutzt, denn<br />
der positive Effekt von Wiederholungen im Training wird<br />
oft nicht ausreichend berücksichtigt. Auch die Nutzung<br />
eines solchen Systems über <strong>das</strong> Training hinaus <strong>für</strong> andere<br />
betriebliche Belange, wie der Verbesserung der<br />
Fahrweise, wird offensichtlich vernachlässigt.<br />
Der Arbeitskreis 2.2 der Namur wird sich dieser Thematik<br />
annehmen und die NA60 hinsichtlich einer Erweiterung<br />
oder einer Ergänzung durch Empfehlung oder<br />
Richtlinie diskutieren.<br />
AUTOR<br />
MANUSKRIPTEINGANG<br />
10.12.2013<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Dr. KARSTEN SCHULZE<br />
(geb. 1958) ist seit über zwanzig<br />
Jahren tätig in den Bereichen<br />
Advanced Process Control und<br />
Trainingssimulatoren. Seit 2013<br />
leitet er die Funktionseinheit<br />
„Support on Plant Operations<br />
Petrochemical Plants“ bei Linde<br />
<strong>Engineering</strong>. Hauptarbeitsgebiete<br />
sind Studien zum Erhaltungszustand und zur Engpassbeseitigung<br />
in petrochemischen Anlagen, Implementierung<br />
von gehobenen Automationslösungen sowie<br />
Operator Training inklusive Trainingssimulatoren.<br />
Linde AG <strong>Engineering</strong> Division,<br />
Dr.-Carl-von-Linde-Str. 6-14, D-82049 Pullach,<br />
Tel. +49 (0) 89 74 45 43 99,<br />
E-Mail: karsten.schulze@linde-le.com<br />
REFERENZEN<br />
[1] Urbas, L.: Entwicklung und Realisierung einer Trainingsund<br />
Ausbildungsumgebung zur Schulung der Prozeßdynamik<br />
und des Anlagenbetriebs im Internet.<br />
Dissertation TU Berlin, Düsseldorf 1999<br />
[2] Schaich, D., Friedrich, M.: Operator-Training Simulation<br />
(OTS) in der chemischen Industrie – Erfahrungen und<br />
Perspektiven. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische Praxis<br />
45 (2), S. 38–48, 2003<br />
[3] Kroll, A.: Trainingssimulation <strong>für</strong> die Prozessindustrien:<br />
Status, Trends und Ausblick – Teil 1. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 45 (2), S. 50–57, 2003<br />
[4] Kroll, A.: Trainingssimulation <strong>für</strong> die Prozessindustrien:<br />
Status, Trends und Ausblick – Teil 2. <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 45 (3), S. 55–60, 2003<br />
[5] NA 60: Management von Trainingssimulatorprojekten.<br />
Namur, www.namur.de<br />
[6] Göttmann, O., Holl, P.: Management von Trainingssimulator-Projekten.<br />
<strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 38 (12), S. 11–26, 1996<br />
[7] Kroll, A.: Zum Einsatz von computerbasierter Schulung<br />
bei Anlagenfahrern in Deutschland und in den USA –<br />
Umfrageergebnisse, <strong>atp</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis 48(9), S. 45-49, 2006<br />
[8] Heuer, J: Mentale Modelle komplexer Prozesse. Möglichkeiten<br />
zur Qualifikationsförderung und –erhaltung in Prozess -<br />
leit warten durch Simulation und Hypertext-Handbücher.<br />
Dissertation Universität Kassel, 2002<br />
[9] Schaper, N.: Gestaltung und Evaluation arbeitsbezogener<br />
Lernumgebungen. Habilitationsschrift Ruprecht-Karls-<br />
Universität, Heidelberg, 2000<br />
[10] Badke-Schaub, P.; Hofinger, G.; Lauche, K. (Hrsg.): Human<br />
Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen.<br />
Springer 2012<br />
[11] Schaich, D., Hanisch, F.: Einsatz von Operator-Training-<br />
Simulatoren (OTS) über den Lebenszyklus von Anlagen.<br />
In Tagungsband Automation 2010, S. 255-256. VDI 2010<br />
[12] Schulze, K.: <strong>Engineering</strong> von Operator Training Simulatoren.<br />
Erfahrungen aus einem Großprojekt. In: Tagungsband<br />
Automation 2010, S. 247-250. VDI 2010<br />
[13] Klatt, K.-U.: Trainingssimulation. Erfahrungen und Perspektiven<br />
aus Sicht der chemisch-pharmazeutischen Industrie. <strong>atp</strong><br />
– Automatisierungstechnische Praxis 51(1-2), S. 66-71, 2009<br />
72<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
1-2 / 2014
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DIV Deutscher Industrieverlag GmbH, Arnulfstr. 124, 80636 München<br />
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IMPRESSUM / VORSCHAU<br />
IMPRESSUM<br />
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Verlagsleiterin:<br />
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Anne Purschwitz geb. Hütter<br />
Herausgeber:<br />
Dr.rer.nat. Thomas Albers<br />
Dr. Gunther Kegel<br />
Dipl.-Ing. Hans-Georg Kumpfmüller<br />
Dr.-Ing. Wilhelm Otten<br />
Beirat:<br />
Dr.-Ing. Kurt Dirk Bettenhausen<br />
Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich<br />
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Epple<br />
Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay<br />
Prof. Dr.-Ing. Michael Felleisen<br />
Prof. Dr.-Ing. Georg Frey<br />
Prof. Dr.-Ing. Peter Göhner<br />
Dipl.-Ing. Thomas Grein<br />
Prof. Dr.-Ing. Hartmut Haehnel<br />
Dr.-Ing. Jörg Kiesbauer<br />
Dipl.-Ing. Rolf Marten<br />
Dipl.-Ing. Gerald Mayr<br />
Dr. Jörg Nothdurft<br />
Dr.-Ing. Josef Papenfort<br />
Dr. Andreas Wernsdörfer<br />
Dipl.-Ing. Dieter Westerkamp<br />
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Organschaft:<br />
Organ der GMA<br />
(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />
Automatisierungs technik)<br />
und der NAMUR (Interessengemeinschaft<br />
Automatisierungstechnik<br />
der Prozessindustrie).<br />
Redaktion:<br />
Anne Purschwitz geb. Hütter (ahü)<br />
(verantwortlich)<br />
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E-Mail: purschwitz@di-verlag.de<br />
Aljona Hartstock (aha)<br />
Telefon + 49 (0) 89 203 53 66 78<br />
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Einreichung von Hauptbeiträgen:<br />
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<strong>für</strong> die Hauptbeiträge)<br />
Technische Universität Dresden<br />
Fakultät Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik<br />
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D-01062 Dresden<br />
Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />
E-Mail: urbas@di-verlag.de<br />
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Dr.-Ing. Michael Blum<br />
Dipl.-Ing. Heinrich Engelhard<br />
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Dr.-Ing. Niels Kiupel<br />
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Hrsg. L. Urbas, 1. Auflage 2014, 112 Seiten, Broschur<br />
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Band 4 – ISBN: 978-3-8356-3226-4 <strong>für</strong> € 59,– (zzgl. Versand)<br />
Band 5 – ISBN: 978-3-8356-7113-3 <strong>für</strong> € 59,– (zzgl. Versand)<br />
Band 6 – ISBN: 978-3-8356-7115-7 <strong>für</strong> € 59,– (zzgl. Versand)<br />
Vorname, Name des Empfängers<br />
Straße / Postfach, Nr.<br />
Land, PLZ, Ort<br />
Antwort<br />
Vulkan-Verlag GmbH<br />
Versandbuchhandlung<br />
Postfach 10 39 62<br />
45039 Essen<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Telefax<br />
Branche / Wirtschaftszweig<br />
Widerrufsrecht: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B.<br />
Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform.<br />
Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH,<br />
Versandbuchhandlung, Huyssenallee 52-56, 45128 Essen.<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden,<br />
<strong>das</strong>s ich vom DIV Deutscher Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht über interessante, fachspezifische Medien und Informationsangebote informiert und beworben werde.<br />
Diese Erklärung kann ich mit Wirkung <strong>für</strong> die Zukunft jederzeit widerrufen.<br />
PAATPK2014