Pansenazidosen erkennen - UFA AG
Pansenazidosen erkennen - UFA AG
Pansenazidosen erkennen - UFA AG
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
NUTZTIERE<br />
<strong>Pansenazidosen</strong> <strong>erkennen</strong><br />
BEI EINEM ZU SAUREN MILIEU im Pansen der Wiederkäuer können nicht nur<br />
die Verdauung, sondern auch das Allgemeinbefinden der Tiere und andere Organ -<br />
systeme gestört sein. Die Pansenazidose gehört deshalb zu den sehr ernstzunehmenden<br />
Erkrankungen der Hochleistungskühe und Masttiere. In jedem Fall ist das Tier in<br />
seinem Leistungsvermögen und Wohlbefinden beeinträchtigt.<br />
Heribert<br />
Meiser<br />
Grafik: Einteilung der Kohlenhydrate<br />
pH-Wert erhöhend, stabilisierend<br />
(Speichelfluss und Wiederkau -<br />
aktivität fördernd oder<br />
langsame Energiebereitstellung)<br />
Lignin<br />
Zellu -<br />
lose<br />
Hemi -<br />
zellu -<br />
lose<br />
NDF<br />
(Gerüstsubstanzen)<br />
Wenn der Pansensaft einen pH-<br />
Wert von unter 5.5 aufweist, wird<br />
von einer Pansenazidose (-übersäuerung)<br />
gesprochen. Der pH-<br />
Wert gilt als Massstab für den Säuregrad.<br />
Je tiefer der pH, desto saurer das<br />
Milieu. pH-Werte von 6.0 bis 6.8 liegen<br />
in der gewünschten Norm, den die Pansenbewohner<br />
(Mikro organismen) für<br />
die mikrobielle Verdauung wiederkäuergerechter<br />
Futterrationen benötigen.<br />
Permanent anhaltende pH-Werte von<br />
unter 5.9 sind als suboptimal zu bezeichnen<br />
und anhaltende pH-Werte<br />
zwischen 5.7 und 5.1 sprechen für<br />
leichtere, oftmals chronisch gewordene,<br />
subakute <strong>Pansenazidosen</strong>, die unter<br />
dem Kürzel SAPA oder SARA bekannt<br />
und in ihren negativen Auswirkungen<br />
nicht zu unterschätzen sind. Akute,<br />
starke <strong>Pansenazidosen</strong> weisen pH-Werte<br />
von unter 5.1 auf.<br />
pansenbestän<br />
-<br />
dige<br />
Stärke<br />
pH-Wert erniedrigend<br />
(mittlere bis schnelle<br />
Energie bereitstellung)<br />
Pektine<br />
und org.<br />
Reste<br />
pansenabbau<br />
-<br />
bare<br />
Stärke<br />
NFC<br />
(Nicht-Faser-Kohlenhydrate)<br />
Zucker<br />
Worin liegen die Ursachen? Oftmals<br />
sind es zuviel leicht verdauliche<br />
Kohlenhydrate oder ein übermässig<br />
schneller Verzehr von besonders getreide-<br />
und zuckerreichen Futtermischungen,<br />
die den pH-Wert im Stoffwechsel<br />
des Pansens («metabolische Azidose»)<br />
abfallen lassen. In Kombination dazu<br />
sind häufig zu wenig faserreiche Bestandteile<br />
aus dem Grundfutter in der<br />
gefressenen Tagesration anzutreffen.<br />
Dies führt zusätzlich zu einer verringerten<br />
Wiederkautätigkeit mit einem verminderten<br />
Speichelfluss, der gegen die<br />
Säuren gerichtete Puffersubstanzen enthält<br />
(«Additionsazidose»).<br />
Auch ein verminderter Proteingehalt<br />
oder eine pansenasynchrone Fütterung<br />
kann die Pansenazidose begünstigen.<br />
Krankheitsverlauf und Schäden<br />
Bei einer Pansenübersäuerung kommt<br />
es zur Verringerung von Pansenbakterien,<br />
die für den Abbau von Zellulose,<br />
Hemizellulose in Gras, Heu und anderem<br />
Grundfutter zuständig sind. Gleichzeitig<br />
nehmen aber jene Pansen bak -<br />
terien zu, die für den Abbau der<br />
schnellabbaubaren Kohlenhydrate wie<br />
Stärke und Zucker zuständig sind, wie<br />
Streptococus bovis und Lactobazillen<br />
(Grafik). Dabei wird im Pansen vermehrt<br />
Milchsäure produziert, die wiederum<br />
den pH-Wert noch weiter abfallen lässt.<br />
Liegt der pH-Wert unter 5.0, so ist mit<br />
massiven Schleimhautläsionen aufgrund<br />
einer Pansenentzündung (Ruminitis) zu<br />
rechnen. Ein grosses Problem stellt dabei<br />
die nur schwer abbaubare D-Form<br />
der Milchsäure dar, die besonders aggressiv<br />
ist. Sie ist im Zentralnervensystem<br />
(ZNS) der Tiere höchstwahrscheinlich<br />
für die vereinzelt bei schweren<br />
Azidosen beobachteten komatösen Zustände<br />
verantwortlich. Die Pansenazidose<br />
schädigt ausserdem die wichtigen<br />
Pansenzotten. Jeglicher Säureanfall<br />
führt zu einem verstärkten Abfluss der<br />
Vorbeugende<br />
Gegenmassnahmen<br />
Wiederkäuer benötigen neben Energie<br />
genug strukturierte Rohfaser und NDF in<br />
der Ration, um die Wieder kauaktivität,<br />
Pansenfunktion und den pH-Wert stabil<br />
zu halten (Grafik, Tabelle).<br />
• Nicht mehr als 1.5 kg reines Kraftfutter<br />
auf einmal verfüttern. Zuteilungsrate<br />
bei der Transponderfütterung be gren -<br />
zen oder ins Grundfutter einmischen.<br />
• Fremdverzehr durch nachlaufende Tiere<br />
am Kraftfutterautomaten vermeiden.<br />
• Keine abrupten Futterwechsel, lang -<br />
same Gewöhnung an energiereichere<br />
Rationen innerhalb drei bis vier<br />
Wochen (Beispiel: Transitfütterung).<br />
• Gute Grundfutterproduktion, damit<br />
ge nügend energiereiches, schmackhaftes<br />
und strukturiertes Grundfutter<br />
vorhanden ist.<br />
• Wohlschmeckendes Heu als Extrazugabe<br />
steigert den Gesamtverzehr.<br />
• Grundfutteranteil nicht unter 50 % der<br />
Gesamtration.<br />
• Futtermittelanalyse vor jeder Futter um -<br />
stellung und die neue Ration berechnen.<br />
• Pansensynchronisation der Futterration<br />
zwischen Energie- und Eiweisskomponenten,<br />
damit freiwerdende Energie im<br />
Pansen zur Eiweissverwertung/-synthese<br />
genutzt werden kann.<br />
• Mehrfache Pansen-pH-Messungen zur<br />
Kontrolle an einzelnen Tieren, die für die<br />
Fütterungsgruppe repräsentativ sind.<br />
Hierfür steht ein pH-Monitoringsystem<br />
zur Verfügung, das durch den Rindergesundheitsdienst<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
dem Hoftierarzt eingesetzt werden kann.<br />
• Bei nicht abänderbaren Rationszusammensetzungen<br />
Na-Hydrogencarbonatpuffer<br />
von täglich 20 bis 100 g<br />
einmischen.<br />
• Futtermittelzusätze (Hefeprodukte,<br />
diverse Kräuter, ätherische Öle u.a.),<br />
die eine pH-Stabilisierung be wirken,<br />
sind möglich.<br />
84 12 2011 · <strong>UFA</strong>-REVUE
NUTZTIERE<br />
Schleichende Pansenübersäuerungen<br />
sind besonders heimtückisch,<br />
weil sie oft unspezifische Symptome<br />
erzeugen. Bild: agrarfoto.com<br />
Tabelle: Empfohlene Rationskennzahlen<br />
Futtergehalte NDF (Gerüst- Rohfaser strukturierte im Pansen abbaubare<br />
in Gewichtsprozenten<br />
substanzen) Rohfaser Stärke und Zuckeranteile<br />
der<br />
Trockensubstanz ≥ 30 ≥18 ≥12 ≤ 25<br />
Säuren aus dem Pansen ins Blut und<br />
zum Einstrom von Wasser. Dies führt zu<br />
einem pH-Wertanstieg im Pansen, der<br />
aber nur bei normalem Säureanfall und<br />
nicht bei der Pansenazidose ausreicht.<br />
Aufgrund der vermehrten energiebetonten<br />
und gleichzeitig rohfaserarmen<br />
Tierernährung mit erniedrigten Essigsäuregehalten<br />
und unter anderem gesteigerter<br />
Propionsäurebildung kommt<br />
es gerade bei der lang anhaltenden,<br />
subakuten, schwer erkennbaren SAPA<br />
zur Körper- und Leberverfettung.<br />
Lange Erholungszeit Die für die<br />
Verdauung wichtigen Pansenmikroben<br />
brauchen nach einer Pansenazidose<br />
meist ein bis drei Wochen, bis sie wieder<br />
auf das ursprüngliche Niveau an Artenzusammensetzung<br />
und Bakteriendichte<br />
gelangt sind. Daher ist es enorm<br />
wichtig, auf eine Pansenazidose sofort<br />
zu reagieren. Dazu muss sie jedoch<br />
möglichst schnell erkannt werden.<br />
Symptome Im Folgenden sind einige<br />
typische Merkmale am Einzeltier und<br />
im Bestand aufgezeigt:<br />
• Verschlechterter Allgemeinzustand<br />
und Unruhe der Tiere, die mitunter<br />
auf der Stelle «trippeln».<br />
• Gehäuftes Auftreten von Klauenrehe<br />
und sich daraus weiterentwickelnde<br />
Klauenerkrankungen.<br />
• In der Regel tieferer Milchfettgehalt.<br />
• Herabgesetzte Pansenkontraktionen<br />
und eine verminderte Wiederkauaktivität.<br />
• Meist dünnbreiiger Kot (Durchfall),<br />
hell und er kann etwas säuerlich riechen.<br />
• Futterselektion: Heraussuchen von<br />
energiebetonten Komponenten aus<br />
der Mischung, ausschliesslich Grundfutterreste<br />
im Futtertrog.<br />
• Verminderter Futterverzehr.<br />
• Festliegen der Tiere bei besonders<br />
schwerwiegenden, akuten <strong>Pansenazidosen</strong>.<br />
• Schlachttierbefund: Verkürzte (unter<br />
7mm), wenige, teils abgestorbene<br />
Zotten sowie Verhornung (Hyperkeratose).<br />
• Blutuntersuchung: Stark negativer Basenexzess-Wert<br />
von unter –3mmol/l<br />
im venösen Blut, weil die Säurepuffer<br />
(Basen) nahezu erschöpft sind.<br />
• Urinuntersuchung: ein nur knapp<br />
über 7.0 liegender pH-Wert, eine<br />
Netto-Säure-Basenausscheidung<br />
(NSBA) im Mittel von unter<br />
50mmol/l aufgrund der erhöhten<br />
Säureausscheidung im Harn. (Werte<br />
nach G.F. Schusser, 2011; W. Kraft<br />
und U.M. Dürr, 2005)<br />
Blut- und Harnproben können<br />
nur bei stark anhaltenden <strong>Pansenazidosen</strong><br />
einen Hinweis geben, weil bei leichteren<br />
<strong>Pansenazidosen</strong> sich die Werte<br />
nicht sicher genug von den Werten<br />
gesunder Kühe unterscheiden und<br />
auch andere Krankheiten zu veränderten<br />
Werten führen können. Genauer<br />
sind:<br />
• Meist Mikroskopische Pansensaftuntersuchung:<br />
verminderte Anzahl an<br />
beweglichen Panseninfusorien (Ciliaten<br />
und Flagelaten) und viele abgestorbene<br />
Bakterien im Pansensaft.<br />
• Pansensaftuntersuchung: erniedrigter<br />
pH-Wert von unter 5.6 in der untersuchten<br />
Pansenflüssigkeit bei einmaligen<br />
oder sicherer bei wiederholten<br />
Messungen. So können auch leichte<br />
Formen erkannt werden.<br />
Therapiebehandlung Beim Vorliegen<br />
der subakuten Pansenazidose mit<br />
pH-Werten zwischen 5.1 bis 5.7 muss<br />
eine Reduktion der pansenfermentierbaren<br />
Kohlenhydrate erfolgen. Dazu<br />
sollte die Ration neu berechnet und die<br />
in der Tabelle angegebenen Eckdaten<br />
befolgt werden.<br />
Bei einer akuten Pansenazidose (pH-<br />
Wert unter 5.0) muss zusätzlich, je nach<br />
Schweregrad, der Pansen gespült oder<br />
entleert werden. Anschliessend sollte<br />
Pansensaft von gesunden Tieren und etwas<br />
gehäckseltes Heu eingegeben werden<br />
(W. Klee, 2011). Ausserdem werden<br />
intravenöse Infusionen oder<br />
wässrige Eingaben in den Pansen mit<br />
basisch wirkenden Komponenten oder<br />
Pansenstimulans empfohlen. <br />
Autor Heribert Meiser,<br />
PD Dr. med. vet.,<br />
ist Mitarbeiter des<br />
Rindergesundheitsdienstes<br />
(RGD) und<br />
betreut die Fachbereiche<br />
Tierhaltung und<br />
Bestandesdiagnostik<br />
sowie Toxikologie und<br />
Fütterung.<br />
www.rgd.ch<br />
INFOBOX<br />
www.ufarevue.ch 12 · 11<br />
<strong>UFA</strong>-REVUE · 12 2011 85