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Februar 2014<br />

Deutsche Gebärdensprache (DGS)<br />

und Deutsche Lautsprache<br />

Was das Besondere an der Deutschen Gebärdensprache<br />

ist, schildert Jens Heßmann<br />

für treffpunkt campus. Er ist seit 1998 Professor<br />

für Gebärdensprachdolmetschen<br />

am Standort <strong>Magdeburg</strong> ist. „Für Kinder<br />

gehörloser Eltern ist die Gebärdensprache<br />

die Muttersprache. Es ist die Sprache der<br />

Eltern, mit der das Kind aufwächst“, erklärt<br />

er. Als eigenständige Sprache verfügt die<br />

Deutsche Gebärdensprache über eine vollständige<br />

Grammatik und auch über Dialekte,<br />

die genauso wie in der Deutschen<br />

Lautsprache in verschiedenen Ballungsräumen<br />

entstanden sind. Es gibt jedoch<br />

keine Tempusflexionsformen bei Verben,<br />

also beugende Zeitformen. Stattdessen<br />

wird mit Gebärden für die Begriffe heute,<br />

gestern, morgen usw. gearbeitet. „Eine<br />

weitere wichtige Eigenschaft besteht in<br />

einer ausgeprägten Simultanität, die insbesondere<br />

durch das Zusammenspiel mit<br />

Händen und Armen, sowie Aktionen des<br />

Oberkörpers, Kopfes und Gesichts ermöglicht<br />

wird“, sagt Jens Heßmann.<br />

Gehörlos oder taub?<br />

Immer wieder hört man Diskussionen<br />

über die richtigen Ausdrücke gegenüber<br />

gehörlosen Menschen. „Taubstumm“ sei<br />

dabei ein ungeeigneter Begriff, weil Gehörlose<br />

im doppelten Sinne nicht stumm sind:<br />

„Sie lernen, wenn auch häufig unvollkommen<br />

oder auffällig, zu sprechen, und sie<br />

haben ihre eigene Sprache, die Gebärdensprache“,<br />

erklärt Jens Heßmann. Seit etwa<br />

den 1920er Jahren hat sich der Begriff „gehörlos“<br />

verbreitet, der bis heute allgemein<br />

üblich ist. „Allerdings nehmen jüngere<br />

Gehörlose und Gebärdensprachaktivisten<br />

inzwischen vermehrt Anstoß an dem defizitären<br />

Anklang des Wortes ‚gehörlos‘ und<br />

geben dem Wort ‚taub‘, in Anlehnung an<br />

das international verbreitete Wort ‚deaf‘,<br />

den Vorzug“, führt der Professor aus.<br />

Die Schwierigkeiten des<br />

Dolmetschens<br />

Eine Kollegin von Jens Heßmann ist Prof.<br />

Dr. Regina Leven. Sie selbst hört, ihre Eltern<br />

aber sind gehörlos und somit kennt und<br />

lebt sie die Kultur von Gebärdensprachlern.<br />

Ihr sei es ein persönliches Anliegen<br />

gewesen, sich wissenschaftlich mit der Gebärdensprache<br />

zu beschäftigen, meint sie<br />

im Interview mit treffpunkt campus. Regina<br />

Leven lehrt unter anderem das „Voicen“,<br />

den Transfer der Gebärde in die Deutsche<br />

Lautsprache und bereitet Studierende auf<br />

die Schwierigkeiten des Dolmetschens<br />

vor. Die lägen beispielsweise darin, mit<br />

bestimmten Gesichtsaktivitäten wie Hebung<br />

und Senkung der Augenbrauen Fragen<br />

von Aussagen zu unterscheiden oder<br />

Bedingungssätze zu markieren. Des Weiteren<br />

ließen sich lange und verschachtelte<br />

Sätze besonders schwierig übersetzen, genauso<br />

Redewendungen, wie „Vom Regen<br />

in die Traufe“, sagt Regina Leven. Trotz aller<br />

Schwierigkeiten sei Gebärdensprachdolmetschen<br />

eine Dienstleitung für Hörende<br />

und Gehörlose: Es ginge also nicht darum,<br />

das Ausgedrückte zu interpretieren, sondern<br />

zu dolmetschen, was gesagt wurde.<br />

In ihren Veranstaltungen üben Studierende<br />

auch die Technik des Simultandolmetschens.<br />

„Das ist anspruchsvoll und nicht<br />

allen gelingt das gleichzeitige Hören und<br />

Gebärden gleich gut. Darum erreichen in<br />

jedem Jahr einige Studienanfänger nicht<br />

das Ziel des Studiengangs. Für jene ist es<br />

schade, nicht in das Berufsfeld der literarischen<br />

Übersetzers wechseln zu können,<br />

weil die Gebärdensprache keine Schriftsprache<br />

besitzt“, sagt die Professorin.<br />

Von Muttersprachlern lernt man<br />

am schnellsten<br />

<strong>Zum</strong> Glück sind die Schwierigkeiten für<br />

die Studierenden nicht das Primäre. Jedes<br />

Wintersemester erhalten maximal 16 Studieninteressierte<br />

die Zusage für den Studiengang<br />

Gebärdensprachdolmetschen.<br />

Unter den Studierenden im dritten Semester<br />

befinden sich derzeit Annika Bußmann,<br />

Sabrina Zelder und Nina Mühl. Sie<br />

schätzen vor allem die praxisorientierte<br />

Ausbildung. In den ersten Semestern wird<br />

zunächst die Gebärdensprache und deren<br />

Soziologie und Kultur vermittelt. „Am Anfang<br />

gibt es viele Übungen im Satzaufbau,<br />

in der Grammatik oder in der Raumbeschreibung“,<br />

berichtet Nina. „Die Kurse finden<br />

in kleinen Gruppen statt. Wir halten<br />

immer Blickkontakt und haben die Möglichkeit,<br />

von Muttersprachlern wie Herrn<br />

Neuhäusel oder Frau Fischer zu lernen“,<br />

ergänzt Annika. In höheren Semestern besuchen<br />

die Studierenden unter anderem<br />

Seminare anderer Studiengänge, um dort<br />

für Übungszwecke zu dolmetschen. Das<br />

Ganze wird von einer Kamera aufgezeichnet<br />

und anschließend analysiert. Studieninteressente<br />

sollten neben Grundkenntnissen<br />

in der Gebärdensprache eine gute<br />

Auffassungsgabe, Mut zur Körpersprache<br />

und Geduld mitbringen. „Oftmals haben<br />

Anfänger Probleme mit der Handrichtung.<br />

Wichtig ist, zu wiederholen und zu korrigieren.<br />

Man muss sehen, verstehen und<br />

umsetzen“, fasst Sabrina zusammen.<br />

KATHARINA REMIORZ, NICO PFEIL<br />

Gebärden sind von Region zu<br />

Region unterschiedlich<br />

Annika, Justin und Sabrina zeigen<br />

drei verschiedene Gebärden für das<br />

Wort „Wasser“.<br />

Fotos: Matthias Piekacz<br />

„Wasser“, Region Berlin<br />

„Wasser“, Norddeutschland<br />

„Wasser“, Bayern<br />

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