Zum Download - Hochschule Magdeburg-Stendal
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treffpunkt campus<br />
Foto: Vorlautfilm<br />
absolventen<br />
interview<br />
Stefanie Sens hat Gebärdensprachdolmetschen studiert<br />
„Ich bin am Leben meiner Kunden<br />
ganz nah dran.“<br />
Im Jahr 2008 beendete Stefanie Sens ihr<br />
Studium des Gebärdensprachdolmetschens.<br />
Direkt danach machte sie sich hier<br />
in Sachsen-Anhalt selbständig und begleitet<br />
seitdem gehörlose Menschen als<br />
Dolmetscherin durch den Alltag.<br />
Warum haben Sie sich für den Studiengang<br />
Gebärdensprachdolmetschen<br />
entschieden?<br />
Ich bin beim Tag der offenen Tür auf diese<br />
Studienrichtung aufmerksam geworden.<br />
Mich haben die Sprache und Art der Kommunikation<br />
sehr fasziniert und ich fand die<br />
berufliche Perspektive sehr spannend.<br />
Wie lang hat es gedauert, bis Sie die<br />
Gebärdensprache beherrschten?<br />
Es ist möglich diesen Studiengang mit unterschiedlichen<br />
Grundlagen anzufangen.<br />
Es gab in meinem Semester Kommilitonen,<br />
die keine Gebärdensprachkenntnisse<br />
besaßen, wiederum aber auch welche, die<br />
bereits vor dem Studium Volkshochschulkurse<br />
besucht hatten. Ich habe vor Beginn<br />
des Studiums einen Volkshochschulkurs<br />
absolviert. Dort konnte ich bereits einige<br />
Basiskenntnisse erlangen. Man bekommt<br />
hier während des Studiums eine Art „Werkzeugkasten“,<br />
um die Grundlagen zu schaffen<br />
und alles, was darüber hinaus geht,<br />
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muss man in Eigenarbeit lernen und festigen.<br />
Das heißt, man muss Weiterbildungen<br />
besuchen und immer dran bleiben, denn<br />
auch die Gebärdensprache entwickelt sich<br />
im Laufe der Zeit immer weiter.<br />
Welche praktischen Erfahrungen<br />
konnten Sie während Ihres Studiums<br />
sammeln?<br />
Das Studium ist sehr praxisorientiert angelegt<br />
und beginnt mit einem Orientierungspraktikum.<br />
Ich war sechs Wochen in einer<br />
Beratungsstelle für Menschen mit Hörbehinderung<br />
tätig, einerseits in der Administration<br />
und andererseits in der Begegnungsstätte,<br />
wo Gehörlose zu verschiedenen<br />
Veranstaltungen zusammengekommen<br />
sind. Das vierte Semester besteht komplett<br />
aus einem Hospitationspraktikum. Dort<br />
haben wir Dolmetscher bei ihrer Arbeit begleitet<br />
und beim Zuschauen gelernt. Dieses<br />
Praktikum habe ich in Dublin verbracht<br />
und habe dort mit einer Kommilitonin zusammen<br />
Dolmetscher begleitet. Ich habe<br />
einen guten Einblick in die Vielfältigkeit<br />
des Berufs bekommen, besonders in die<br />
unterschiedlichen Stile der Dolmetscher<br />
und auch in die Sprache verschiedener Regionen.<br />
Im siebten Semester habe ich noch<br />
einmal ein Praktikum gemacht, in dem ich<br />
20 Wochen in verschiedenen deutschen<br />
Städten gearbeitet habe.<br />
Wie ging es für Sie direkt nach dem<br />
Studium weiter?<br />
Nach dem Studium habe ich mich 2008<br />
selbständig gemacht. Ich wollte unbedingt<br />
in Sachsen-Anhalt bleiben. Das war für<br />
mich schon ein kleines Abenteuer, weil ich<br />
nach dem Studium nicht genau wusste, wie<br />
das alles mit der Selbständigkeit funktioniert.<br />
Ich habe mich in dieser Zeit mit vielen<br />
Kollegen ausgetauscht, die mir mit Rat<br />
und Tat zur Seite standen.<br />
Warum sind Sie nach dem Studium<br />
hier in der Region geblieben?<br />
Ich bin aus zwei Gründen hier geblieben.<br />
Erstens war ich zur richtigen Zeit am richtigen<br />
Ort. Das heißt einfach, dass ich den<br />
Bedarf an Gebärdensprachdolmetschern<br />
in Sachsen-Anhalt erkannt habe. Zu dieser<br />
Zeit gab es hier nicht viele Gebärdensprachdolmetscher<br />
mit Abschluss. Und zweitens<br />
bin ich der Liebe wegen geblieben.<br />
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?<br />
Ich bekomme Anfragen von gehörlosen<br />
Kunden, zum Beispiel per sms, in denen sie<br />
mich bitten, sie zu Terminen zu begleiten,<br />
um dort zu dolmetschen. Das können ganz<br />
unterschiedliche Termine sein. Von der Behörde<br />
bis zum Arzt ist alles dabei. Wenn ich<br />
einmal keine Zeit habe, vermittle ich die<br />
Menschen an andere Kollegen weiter. Dann<br />
gibt es eine Vermittlungsstelle, bei der ich<br />
als Dolmetscherin gelistet bin, die mich bei<br />
Bedarf auch anrufen können. Meine Wochen<br />
und dementsprechend auch meine<br />
Arbeitszeit gestalten sich also immer unterschiedlich.<br />
Welche Dienstleistungen bieten Sie<br />
Ihren Kunden genau an?<br />
Ich begleite meine Kunden als Dolmetscherin<br />
zu ganz verschiedenen Terminen oder<br />
Anlässen. Das sind Arzttermine, Termine<br />
bei Ämtern oder Behörden, aber auch Hochzeiten<br />
und Vorlesungen. Darüber hinaus<br />
koordiniere ich auch Aufträge, indem ich<br />
beispielsweise einen Co-Dolmetscher engagiere,<br />
falls die Termine über mehrere Stunden<br />
oder auch Tage gehen. Dort wechseln<br />
wir uns dann beim Dolmetschen ab, um<br />
eine perfekte Begleitung zu gewährleisten.<br />
Was ist das Besondere an Ihrem Beruf?<br />
Das Besondere an meinem Beruf ist, dass<br />
ich immer mit ganz unterschiedlichen<br />
Menschen zu tun habe, und auch Teil ihres<br />
Lebens bin. Durch die Begleitung der<br />
Menschen in bestimmten Situationen ihrer<br />
Alltagswelt bin ich natürlich auch ganz nah<br />
am Leben meiner Kunden dran. Das kann<br />
durchaus auch schwierig für mich sein,<br />
wenn ich jemanden zum Beispiel zum Arzt<br />
begleite, und derjenige bekommt eine negative<br />
Diagnose.<br />
Was würden Sie Studierenden Ihrer<br />
Fachrichtung während und nach<br />
dem Studium raten?<br />
Wichtig ist für mich an erster Stelle das<br />
Sammeln praktischer Erfahrungen. Sie<br />
sollten auch Angebote von außerhalb nutzen,<br />
wie zum Beispiel Vorträge oder den<br />
wöchentlichen Stammtisch, bei dem sich<br />
gehörlose und hörende Menschen in einer<br />
Bar treffen und austauschen.<br />
Das Interview führte Nancy Wöhler