03.03.2014 Aufrufe

CAROLINE. Das Theatermagazin März/April 2014

Mit einer ausführlichen Vorschau auf Premieren, Konzerte und andere Highlights, interessanten Interviews, einer Kinderseite, vielen Fotos, Preisrätseln und so einigem mehr, gewährt das Theater Rudolstadt tiefere Einblicke in Spielpläne und Vorhaben. Für alle, die noch näher "dran" sein wollen!

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IM GESPRÄCH 7<br />

DER VERFALL DES GEBILDETEN<br />

KULTURBÜRGERTUMS IST EIN HIRNGESPINST<br />

Starpianist Lev Vinocour über die Zukunft des Konzertpublikums und das Russische in der Musik<br />

Herr Vinocour, wodurch zeichnet sich die<br />

russische Musik aus? Gibt es einen spezifisch<br />

»russischen Ton«?<br />

Die russische Musik ist extrem jung.<br />

<strong>Das</strong> erste Beispiel russischer Musik<br />

im engeren Sinne rechnet man für das<br />

Jahr 1836. Trotz ihrer »Jugend« ist der<br />

relative Anteil der russischen Musik<br />

im internationalen Konzertbetrieb<br />

aber erstaunlich hoch! Der spezifisch<br />

»russische Ton« dieser Musik ist für<br />

mich vor allem durch eine große<br />

Intensität des Klangs charakterisiert,<br />

was nicht zuletzt ihren Erfolg<br />

begründet. Sie ist schlicht mitreißend!<br />

Ist Dmitri Schostakowitschs Konzert für<br />

Klavier, Trompete und Streichorchester<br />

eine Herausforderung an das klassische<br />

Klavierkonzert?<br />

Meines Erachtens ist dieses Werk eher<br />

eine Art Jux – ein witziger Einfall. Stücke<br />

für Solo-Trompete sind in der russischen<br />

Musik seit dem 19. Jahrhundert sehr<br />

verbreitet, woran Schostakowitsch<br />

hier anknüpft. Der schöne zweite Satz<br />

des Werks etwa gehört zum großen<br />

Teil der Trompete. So verbindet<br />

dieses Konzert die Erfahrungen des<br />

jungen Pianisten Schostakowitsch mit<br />

den Besonderheiten der russischen<br />

Musikkultur. Dabei ist es – eingedenk<br />

der enthaltenen musikalischen Zitate –<br />

tatsächlich eine Satire auf die Tradition<br />

des großen romantischen Konzertes.<br />

Nun zu Rachmaninov: Seine Rhapsodie<br />

hat er dem großen »Teufelsgeiger« Niccolò<br />

Paganini gewidmet. Ist sie dementsprechend<br />

teuflisch?<br />

Rachmaninows Rhapsodie ist tief<br />

traurig, ja tragisch und spiegelt die<br />

permanente Endzeitstimmung des<br />

Komponisten. Sie ist zwar opulent<br />

besetzt, aber sehr nüchtern in der<br />

Aussage und damit eben auch äußerst<br />

charakteristisch für die russische<br />

Musiktradition. Rachmaninow<br />

war Misanthrop; sein Vater hat das<br />

Geld versoffen und verspielt, es gab<br />

später etliche Zusammenbrüche und<br />

Misserfolge – seine Musik blieb daher<br />

tragisch. Diese exemplarisch tragische<br />

Hoffnungslosigkeit als Haltung der<br />

meisten russischen Künstler hat sich im<br />

Übrigen bis heute nicht geändert.<br />

Man hört manchmal, dass die russische<br />

Musikkultur als konservativ gilt. Stimmen<br />

Sie zu und wenn ja, was denken Sie, ist damit<br />

gemeint?<br />

Es ist doch vollkommen egal, wie<br />

man hier dazu steht! Die Erfolge der<br />

russischen Schule sprechen für sich.<br />

Viele Dirigenten, die heutzutage in der<br />

Welt erfolgreich auftreten, stammen<br />

vom St. Petersburger Konservatorium<br />

ab: Gergijew, Jansons, Petrenko, Simone<br />

Young, Oliver Weder usw.<br />

Es ist eine konservative Kultur, ja – aber<br />

ohne eine gewisse Gewalt und ohne<br />

Konservatismus schafft man keine<br />

Schule. Ethisch gesehen ist das, ich gebe<br />

es zu, unanständig. Halbherzig aber<br />

kann man nichts erreichen.<br />

Oft wird behauptet, das Interesse der<br />

Gesellschaft an Kunst und Kultur lasse nach.<br />

Können Sie das bestätigen?<br />

Nein. Die Konzerte sind hervorragend<br />

besucht. Die Zuhörer klassischer<br />

Konzerte sind zwar älter, aber ihre<br />

Zahl wird sogar noch größer werden,<br />

eben weil die Lebenserwartung steigt.<br />

Und im Alter von 70 kann man sich<br />

nicht mehr auf dieselbe Art und Weise<br />

amüsieren, wie in jungen Jahren. <strong>Das</strong><br />

Publikum wird grauhaarig bleiben,<br />

aber es wird hingehen. Es ist auch nicht<br />

anders vorstellbar, weil man im Lebens-<br />

»Winter« im Fußballstadion nicht mehr<br />

überlebt. Den Verfall des gebildeten<br />

Kulturbürgertums generell halte ich<br />

für ein Hirngespinst, genauso wie die<br />

jüngste Idee einer kinderfreundlichen<br />

Bundeswehr eins ist.<br />

Ich bedanke mich für das interessante<br />

Gespräch! Von Thomas Grysko<br />

6. SINFONIEKONZERT<br />

Lev Vinocour, Klavier<br />

Evgeny Liatte, Trompete<br />

Musikalische Leitung: Oliver Weder<br />

Pjotr I. Tschaikowsky: »Romeo und<br />

Julia« Fantasie-Ouvertüre / Dmitri<br />

Schostakowitsch: Konzert Nr. 1 für Klavier,<br />

Trompete und Streichorchester / Reinhold<br />

Glière: Ouvertüre »Shakh Senem« / Sergej<br />

Rachmaninow: Rhapsodie über ein Thema<br />

von Paganini für Klavier und Orchester<br />

• 21.03. / 19:30 / Meininger Hof Saalfeld<br />

• 22.03. / 19:30 / Theater Rudolstadt

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