Neue Szene Augsburg 2014-03
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52 Cinerama<br />
DIE SCHÖNE KRISTA<br />
Dokumentarfilm von Antje Schneider<br />
und Carsten Waldbauer<br />
Man muss kein Vegetarier sein, um<br />
diesen Film abstoßend zu finden.<br />
Aber es hilft. Die Perversität, dass<br />
wir aus der Masse der Rindviecher,<br />
die wir schlachten und fressen, ein<br />
paar auserkiesen, um die dann auf<br />
Schönheitswettbewerbe über die<br />
Alpen zu karren, wird hier dargestellt<br />
wie ein Werbespot des Landes<br />
Schleswig-Holstein mit Jazzpiano im<br />
Hintergrund. Dass sich die Protagonisten,<br />
die „den Stammbaum ihrer<br />
Kühe besser kennen als den ihrer Familie“<br />
ständig in komplettem Bullshit<br />
(selten hat das Wort so gut gepasst)<br />
ergehen, scheint die Regisseurin gar<br />
nicht zu merken, die seelenruhig<br />
Mähdrescher in der Abendsonne<br />
filmt, während der wohlgenährte<br />
Bauer seine Kuh Krista für die „internationale<br />
Bühne“ vorbereitet.<br />
Klassischer Fall von Bauer sucht<br />
Lebensinhalt und Dokumentarfilmer<br />
Fördermittel, koste es, was es wolle.<br />
Und das Schlimmste an dem Film: Er<br />
ist stinklangweilig. (flo)<br />
<br />
300 – RISE OF AN EMPIRE<br />
Regie: Noam Murro<br />
Mit: Eva Green, Sullivan Stapleton,<br />
Rodriogo Santoro u.a.<br />
Rund sieben Jahre später kommt der<br />
Nachfolger des Comic-Gemetzels<br />
„300“ von Zack Snyder in die deutschen<br />
Kinos, das 2007 ein Riesenerfolg<br />
war und irgendwie ja auch<br />
Spaß gemacht hat. An der Strategie<br />
hat sich nichts geändert, auf die<br />
historischen Begebenheiten wird genauso<br />
geschossen wie auf Weichei-<br />
Forderungen nach sinnträchtigen<br />
Dialogen oder ähnlichem. Diesmal<br />
wird auf See gekämpft, was die<br />
Trickkiste hergibt, und die Dame am<br />
Bug ist keine Galionsfigur, sondern<br />
Ex-Bond-Girl Eva Green. Der guten<br />
Form halber muss noch erwähnt<br />
werden, dass Snyder diesmal nur<br />
produziert hat, aber Comiczeichner<br />
Frank Miller wieder mit im Griechenboot<br />
hockt. Spartanisch geht’s<br />
also auch hier nicht zu, wo Männer<br />
noch Männer sind und Jägermeisterflavoured<br />
Popcorn mit Reißnägeln<br />
gereicht wird. (flo)<br />
<br />
HER<br />
Regie: Spike Jonze<br />
Mit: Joaquin Phoenix, Amy Adams,<br />
Rooney Mara, Olivia Wilde, Scarlett<br />
Johansson u.a.<br />
Der einsame Schriftsteller Theodore,<br />
der seine Kohle eigentlich mit Liebesbriefen<br />
macht, die er als Ghostwriter<br />
für andere verfasst, hat Probleme mit<br />
seinem eigenen Liebesleben, denn<br />
seine Ehe ist in die Brüche gegangen.<br />
Dabei ist er genau der Typ, auf den<br />
viele Frauen stehen, da er witzig,<br />
romantisch und sehr einfühlsam ist,<br />
er weiß wirklich, was die Frauen<br />
wollen. Eines Tages legt er sich ein<br />
neues Handy zu, das mit einer künstlichen<br />
Intelligenz ausgestattet ist. Die<br />
Stimme des Handys gehört Samantha,<br />
die sich wie eine ganz normale Frau<br />
verhält. Theodore und Samantha<br />
freunden sich immer mehr an und<br />
schließlich verlieben sie sich ineinander.<br />
Spike Jonze, der nicht nur Regie<br />
führte, sondern auch das Drehbuch<br />
geschrieben hat, ist ein wirklich toller<br />
Film gelungen, irgendwie abgefahren<br />
und SF-mäßig, dennoch sehr realistisch<br />
und menschlich. Klasse gespielt<br />
von Joaquin Phoenix. (cs)<br />
<br />
DAS FINSTERE TAL<br />
Regie: Andreas Prochaska<br />
mit: Sam Riley, Paula Beer, Tobias<br />
Moretti, Hans-Michael Rehberg u.a.<br />
Ein Alpenwestern – schöne Idee! Und<br />
schön anzusehen ist sie, diese österreichische<br />
Produktion mit Sam „Ian<br />
Curtis“ Riley als maulfauler Fremder<br />
in der Kulisse eines Tiroler Bergdorfes.<br />
Während das Setting an „Schlafes<br />
Bruder“ erinnert, kann die bornierte<br />
Bosheit der Einwohner es mit selbiger<br />
der Dorfgemeinschaft von „Das Weiße<br />
Band“ aufnehmen. Die Handlung selber<br />
leider nicht. Die kommt äußerst zäh voran.<br />
Geradezu bleiern schleppt sich die<br />
erste Hälfte des Films dahin. Da passt<br />
es gut, dass der fremde Amerikaner<br />
gerne ein tockendes Metronom schlagen<br />
lässt, wenn er zum Beispiel Fotos<br />
schießt oder sich schlafen legt. Dafür<br />
zerstört der völlig unnötige Gebrauch<br />
von Filmmusik die Atmosphäre. Als<br />
dann der Rachefeldzug beginnt und die<br />
Bösen erbarmungslos dahingemetzelt<br />
werden, ist es eine rechte Freude. Der<br />
Effekt der Spätzündung. Man labt sich<br />
regelrecht an den Gewaltorgien. Und<br />
lernt: ein Repetiergewehr spricht am<br />
längsten. (fs)<br />
<br />
FILM DES MONATS<br />
NYMPHOMANIAC 1<br />
Regie: Lars von Trier<br />
mit: Charlotte Gainsbourg, Stacy Martin, Christian Slater, Uma<br />
Thurman, Willem Dafoe u.a.<br />
Wenn Lars von Trier einen Film über ungezügelte Sexsucht macht, argwöhnen<br />
Kritiker in der Regel erst mal, dem Meister falle eben nichts Besseres<br />
ein, als an seiner notorischen Provokationsmotorik zu kurbeln. Gerade in<br />
Zeiten, in denen wieder einmal über Sinn oder Unsitte von Prostitution<br />
politisiert wird, kommt sein zweiteiliges Epos über die Lebensgeschichte<br />
einer Frau, die Männer im Stundentakt konsumiert, einem Schlag in die<br />
Weichteile der bürgerlichen Moralvorstellungen gleich. Dabei ist er aber<br />
viel mehr als das. Nymph()maniac ist so etwas wie ein universaler Film –<br />
ein ungemein poetischer Erzählfluss, in dem der Sexsinn eine Geometrie<br />
erhält, die von Vergleichen über die Polyphonie in den Kantaten von Bach,<br />
oder die Bedeutung von Fibonacci Zahlen beim Fliegenfischen in Stellung<br />
gebracht wird. Natürlich hält von Trier mit seiner sardonischen Freude an<br />
der Transgression nicht hinterm Berg, aber genau dieser kindliche Impuls<br />
ist es, der diesen so unterhaltsamen Streifen zu einem Meisterwerk macht,<br />
und dabei sämtliche Regiekollegen alt aussehen lässt. Ein Film, dem sechs<br />
Sterne gut stehen. (fs)<br />
<br />
3D