GB inet 10-11.pmd - Kirchengemeinde Wöbbel, Belle und Billerbeck
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ANDACHT<br />
Respekt. Respekt? Respekt!<br />
Was hören Sie bei dem Wort „Respekt“?<br />
Als biblische Gr<strong>und</strong>lage verbinde<br />
ich mit Respekt zunächst die<br />
Gottesebenbildlichkeit des Menschen.<br />
Gott gibt allen Menschen die<br />
gleiche Würde. Nicht nur Adam,<br />
sondern die Menschheit ist Gottes<br />
Ebenbild (1. Mose 1, 26 + 27). Deshalb<br />
gilt gr<strong>und</strong>sätzlich die Gleichwertigkeit<br />
aller Menschen. Gr<strong>und</strong>sätzlich,<br />
so lesen wir es dann eben<br />
auch im Gr<strong>und</strong>gesetz als „logische“<br />
Konsequenz: „Die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar.“ (Artikel 1<br />
Absatz 1 Gr<strong>und</strong>gesetz der B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland)<br />
Ob nun in der Konfirmandenarbeit,<br />
in der Familie, in der Kommunalpolitik,<br />
im Umgang mit der Natur <strong>und</strong><br />
den Tieren, zwischen den Völkern<br />
<strong>und</strong> in den einzelnen Ländern, weltweit<br />
<strong>und</strong> in meinen vier Wänden:<br />
überall stellt sich die Frage nach<br />
dem respektvollen Umgang.<br />
Was wir alle nicht am eigenen Leib<br />
erleben wollen, sind ja wohl Missachtung,<br />
Rücksichtslosigkeit, Frechheit…<br />
die Kehrseite der Medaille.<br />
Also, wir wünschen bzw. erwarten<br />
einen respektvollen Umgang<br />
miteinander: Achtung, Anerkennung,<br />
Rücksicht, …<br />
Nach meinem Verständnis gehört<br />
eine respektvolle Lebensgr<strong>und</strong>haltung<br />
zu den wichtigsten Erziehungs-<br />
<strong>und</strong> Lebensidealen, die wir<br />
weitergeben <strong>und</strong> leben können.<br />
Manchmal verzweifele ich in dieser<br />
Hinsicht bereits an den Kleinigkeiten,<br />
genauso wie an menschlichen<br />
Misserfolgen weltweit. Einige Beispiele:<br />
Die Welt produziert Nahrung<br />
für über 11 Milliarden Menschen <strong>und</strong><br />
schafft es nicht, 8 Milliarden zu sättigen.<br />
Völker werden von ihren „Regierungen“<br />
terrorisiert. Statt dem Wohl des<br />
Volkes zu dienen, wird die Würde<br />
der Menschen gewalttätig missachtet.<br />
Aber auch die Frage im Umgang mit<br />
dem ungeborenen Leben fordert die<br />
Frage nach dem nötigen Respekt<br />
heraus. Ist prognostiziertes behindertes<br />
oder leicht versehrtes oder<br />
bedingt eingeschränktes Leben tatsächlich<br />
„lebensunwert?“<br />
Es gibt auf solche Fragen keine einfachen<br />
Antworten. Aber als Kirche<br />
<strong>und</strong> Gesellschaft müssen wir uns in<br />
der Breite mit diesen Themen beschäftigen.<br />
Entscheidet die Leistungsfähigkeit<br />
heimlich doch über<br />
den Wert eines Menschen <strong>und</strong> das<br />
Aussehen <strong>und</strong> die Fähigkeiten über<br />
die Liebeswürdigkeit eines Menschen?<br />
Eins sollte klar sein: Mein Umgang<br />
mit dem anderen ist augenblicklich<br />
<strong>und</strong> auch für künftige Begegnungen<br />
prägend für den Umgang des anderen<br />
mit mir. Anders gesagt: Wie man<br />
in den Wald ruft, so schallt es zurück.<br />
Dazu eine Geschichte von den Brüdern<br />
Grimm: Der alte Großvater <strong>und</strong><br />
der Enkel:<br />
„Es war einmal ein steinalter Mann,<br />
dem waren die Augen trüb geworden,<br />
die Ohren taub, <strong>und</strong> die Knie<br />
zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische<br />
saß <strong>und</strong> den Löffel kaum halten<br />
konnte, schüttete er Suppe auf das<br />
Tischtuch, <strong>und</strong> es floss ihm auch<br />
etwas wieder aus dem M<strong>und</strong>. Sein<br />
Sohn <strong>und</strong> dessen Frau ekelten sich<br />
davor, <strong>und</strong> deswegen musste sich<br />
der alte Großvater endlich hinter den<br />
Ofen in die Ecke setzen, <strong>und</strong> sie<br />
gaben ihm sein Essen in ein irdenes<br />
Schüsselchen <strong>und</strong> noch dazu<br />
nicht einmal satt; da sah er betrübt<br />
nach dem Tisch, <strong>und</strong> die Augen wurden<br />
ihm nass. Einmal auch konnten<br />
seine zitterigen Hände das<br />
Schüsselchen nicht fest halten, es<br />
fiel zur Erde <strong>und</strong> zerbrach. Die junge<br />
Frau schalt, er sagte aber nichts<br />
<strong>und</strong> seufzte nur. Da kauften sie ihm<br />
ein hölzernes Schüsselchen für ein<br />
paar Heller, daraus musste er nun<br />
essen. Wie sie da so sitzen, so trägt<br />
der kleine Enkel von vier Jahren auf<br />
der Erde kleine Brettlein zusammen.<br />
‘Was machst du da?’ fragte der Vater.<br />
‘Ich mache ein Tröglein,’ antwortete<br />
das Kind, ‘daraus sollen Vater <strong>und</strong><br />
Mutter essen, wenn ich groß bin.’ Da<br />
sahen sich Mann <strong>und</strong> Frau eine Weile<br />
an, fingen endlich an zu weinen,<br />
holten alsofort den alten Großvater an<br />
den Tisch <strong>und</strong> ließen ihn von nun an<br />
immer mit essen, sagten auch nichts,<br />
wenn er ein wenig verschüttete.“<br />
Respekt. Respekt? Respekt!<br />
Auf die Frage eines Schriftgelehrten<br />
nach dem wichtigsten Gebot antwortet<br />
Jesus:<br />
„Das erste ist: Höre, Israel, der Herr,<br />
unser Gott, ist der einzige Herr. Darum<br />
sollst du den Herrn, deinen Gott,<br />
lieben mit ganzem Herzen <strong>und</strong> ganzer<br />
Seele, mit all deinen Gedanken<br />
<strong>und</strong> all deiner Kraft.<br />
Als zweites kommt hinzu: Du sollst<br />
deinen Nächsten lieben wie dich<br />
selbst. Kein anderes Gebot ist größer<br />
als diese beiden.“<br />
Wenn Gott als einigende Mitte, als<br />
Schöpfer der Welt, von den Geschöpfen<br />
erkannt <strong>und</strong> anerkannt wird, ist<br />
von hier aus auch ein neuer, ein von<br />
Gott befriedeter Umgang miteinander<br />
möglich. Unterschiede bleiben,<br />
Verschiedenartigkeit ist schöpfungsgemäß<br />
<strong>und</strong> kann als Ergänzung wahrgenommen<br />
<strong>und</strong> genossen werden.<br />
Auch Konflikte wird es weiterhin geben.<br />
Aber eines bleibt gewahrt: der<br />
Respekt vor dem anderen als dem<br />
von Gott geliebten Geschöpf.<br />
Holger Postma<br />
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