21.03.2014 Aufrufe

GB inet 10-11.pmd - Kirchengemeinde Wöbbel, Belle und Billerbeck

GB inet 10-11.pmd - Kirchengemeinde Wöbbel, Belle und Billerbeck

GB inet 10-11.pmd - Kirchengemeinde Wöbbel, Belle und Billerbeck

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BUCHREZENSION<br />

von Herbert Kuhlmann<br />

„Erst wenn Du widerstehst, weißt<br />

Du, was Dich bewegt.“<br />

Eine Rezension über „Mutige Menschen“<br />

Band II, Chr. Nürnberger<br />

Im Oktober <strong>und</strong> November liegen<br />

zwei Gedenktage, die nicht beiläufig<br />

begangen werden sollten. Ihnen liegen<br />

Geschehnisse zugr<strong>und</strong>e, die das<br />

Denken <strong>und</strong> Leben nachfolgender<br />

Menschen <strong>und</strong> Generationen verändert<br />

haben, auch über unsere nationalen<br />

Grenzen hinaus: der<br />

Reformationstag am 31.Oktober <strong>und</strong><br />

der Volkstrauertag 14 Tage später.<br />

Schon jetzt bekommt das Jahr 2017<br />

als Jubiläumsjahr der Reformation<br />

vor 500 Jahren eine besondere Bedeutung<br />

durch die Wahl von Margot<br />

Käßmann, die dem Jubiläumsjahr<br />

eine gebührende Prägung geben soll.<br />

Der zunächst unbekannte kleine<br />

Mönch <strong>und</strong> spätere Prior mehrerer<br />

Klöster, Martin Luther, hatte den Mut,<br />

der Kirche in zentralen Fragen zu widersprechen.<br />

Durch die Verzahnung<br />

von Staat <strong>und</strong> Kirche wurde er<br />

dadurch zu einem kirchlichen Ketzer<br />

<strong>und</strong> staatlichen Rebell - <strong>und</strong><br />

schließlich zum Reformator. Eine<br />

Sensation.<br />

Eine Symbolfigur für Mut <strong>und</strong> ethisches<br />

Bewusstsein wurde in der Neuzeit<br />

der Widerstandskämpfer im Dritten<br />

Reich Claus Schenk Graf von<br />

Stauffenberg.<br />

Das Dritte Reich sollte ein tausendjähriges<br />

werden. Nach zwölf Jahren<br />

endete es in Schutt <strong>und</strong> Asche <strong>und</strong><br />

mit 55 Millionen Toten. Der Volkstrauertag<br />

erinnert an all die Menschen<br />

<strong>und</strong> Leiden <strong>und</strong> damit auch an die<br />

Widerstandskämpfer gegen das<br />

Hitlerregime.<br />

Was hat die mutigen Menschen bewegt?<br />

Luther ging es zentral um die Frage:<br />

Wie bekomme ich einen gnädigen<br />

Gott? Die römische Kirche hatte Antworten<br />

<strong>und</strong> Praktiken (Ablasshandel)<br />

gef<strong>und</strong>en, die die Menschen entwürdigten,<br />

entmündigten <strong>und</strong> beherrschten.<br />

Der fromme Mönch Luther fand<br />

so keinen Frieden, trotz intensiver<br />

Meditation <strong>und</strong> anstrengender Pilgerreisen.<br />

Als Sprachgelehrter forschte<br />

er in den alten heiligen Schriften <strong>und</strong><br />

kam zu neuen Erkenntnissen. Sein<br />

Gottesbild wandelte sich von einem<br />

herrsch- <strong>und</strong> rachsüchtigen Gott, der<br />

nur durch Reue <strong>und</strong> Buße zu besänftigen<br />

war, zu einem in doppeltem Sinn<br />

gr<strong>und</strong>losen Liebesgott. Die neugewonnene<br />

Heilsgewissheit ließ<br />

Luther die Arme hochreißen vor Freude.<br />

Jetzt konnte ihn nichts mehr anfechten.<br />

Jetzt konnte er Papst <strong>und</strong><br />

Kaiser bis auf`s Blut widerstehen. Er<br />

war nur noch seinem Gewissen <strong>und</strong><br />

dessen Schärfung durch die heilige<br />

Schrift verantwortlich. Der absolute<br />

Herrschaftsanspruch galt nicht mehr<br />

- weder der der Kirche noch der des<br />

Staates. Beide hatten unter den Augen<br />

Gottes den Menschen zu dienen.<br />

Der Staat im „Regiment“ als staatliche<br />

Obrigkeit, die Kirche als kirchliche<br />

Instanz. Diese Trennung, die<br />

Zwei-Reiche-Lehre, hatte f<strong>und</strong>amentale<br />

Folgen.<br />

In „Mutige Menschen“ heißt es: „Seine<br />

scheinbar kleine Änderung am<br />

Verhältnis von Thron <strong>und</strong> Altar führte<br />

zur Entmachtung des Papstes <strong>und</strong><br />

der römischen Kirche. Nach alter katholischer<br />

Lehre stand der Altar über<br />

dem Thron. Der Papst ist es, der den<br />

Kaiser krönt... Die Kirche also ist die<br />

eigentliche Macht, die das letzte Wort<br />

hat <strong>und</strong> darüber entscheidet, wer die<br />

weltliche Macht ausüben darf. Luther<br />

beseitigte dieses Herrschaftsverhältnis,<br />

indem er Thron <strong>und</strong> Altar<br />

auf die gleiche Stufe stellte.“<br />

Weiter schreibt Nürnberger: „...das<br />

ganze Alte Testament kann man von<br />

Anfang bis Ende lesen als ein prinzipielles<br />

Misstrauen gegenüber jeglicher<br />

Macht... Das erste Gebot - Ich<br />

bin der Herr dein Gott, du sollst keine<br />

anderen Götter haben neben mir -<br />

vernichtet für alle Zeiten jeglichen<br />

Totalitätsanspruch menschlicher<br />

Herrschaft.“<br />

„War Jesus ein treuer Untertan?“ fragt<br />

Nürnberger. „Sein strikter Gehorsam<br />

gegen Gott im Himmel zwang ihn zum<br />

Ungehorsam gegen die Götter der<br />

Erde. So entwickelte er sich zum<br />

Rebellen gegen die irdischen Mächte.<br />

Darum musste er sterben.“<br />

Immer wieder sind in den Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

kirchliche <strong>und</strong> weltliche Mächte<br />

der Versuchung erlegen,<br />

miteinander zu liebäugeln, sich<br />

Dienste zu erweisen, um die eigene<br />

Position zu stärken. So z.B. auch im<br />

deutschen Kaiserreich. Der große<br />

Gewinner dieser Entwicklung war in<br />

der „jüngsten Vergangenheit“ Adolf<br />

Hitler. Die Einheit von Thron <strong>und</strong> Altar<br />

„… wurde Deutschland in der<br />

Weimarer Demokratie <strong>und</strong> dann unter<br />

Hitler zum Verhängnis, denn aus<br />

Patriotismus wurde Nationalismus,<br />

aus Kaisertreue Demokratiefeindlichkeit<br />

<strong>und</strong> aus Gehorsam gegen<br />

Gott <strong>und</strong> Kaiser wurde Gehorsam<br />

gegen Hitler:’ Schon bald nach<br />

der Machtergreifung 1933 entpuppte<br />

der Führer sich als Tyrann. Er setzte<br />

die f<strong>und</strong>amentalsten Menschenrechte<br />

außer Kraft <strong>und</strong> verfolgte die, die<br />

ihm widersprachen oder aus anderen<br />

Gründen nicht genehm waren, mit<br />

beispielloser Brutalität.<br />

Die Soldaten hatten einen Eid auf den<br />

Führer abzulegen, wodurch ihr Widerstand<br />

fast <strong>und</strong>enkbar wurde. Viele<br />

Bürger, die der Ideologie von der<br />

Vorherrschaft der arischen Rasse<br />

nicht folgen wollten, blieben stumm -<br />

aus begründeter Angst. Einige, ganz<br />

Mutige, wagten im Untergr<strong>und</strong> als<br />

Einzelgänger der Schlange den Kopf<br />

abzuschlagen, in der Hoffnung auf<br />

einen Neuanfang. Ein halbes Dutzend<br />

mal entging Hitler einem Attentat.<br />

Er wertete das als „Vorsehung“,<br />

sozusagen als überirdische Garantie<br />

der Unverletzbarkeit seiner Person.<br />

Mehrere Widerstandsgruppen hielten<br />

sich über Jahre unentdeckt <strong>und</strong> planten<br />

ein Schattenkab<strong>inet</strong>t, eine neue<br />

Gesellschaftsordnung, Justiz <strong>und</strong><br />

auch Militärführung. Man war überzeugt,<br />

dass einem Ungeheuer sieben<br />

Köpfe nachwachsen, wenn ein Kopf<br />

abgeschlagen wird. Deshalb eine<br />

umfassende Strategie. Aristokraten,<br />

Offiziere, Intellektuelle aus dem bürgerlichen<br />

Leben hatten sich gegen<br />

SEITE 32

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!