MUSIK // <strong>RUHR</strong> Fotos: Felix Krüger 56
MUSIK // <strong>RUHR</strong> 2010 landeten die Hattinger Alina Süggeler und Andreas Weizel von Frida Gold ihren ersten Hit und sorgten mit glamouröser Optik für Aufsehen. „Liebe ist meine Religion“ ist ihr zweites Studioalbum. Dafür zogen sie vom Ruhrgebiet nach Berlin. Kultur//Ruhr: Alina, Andreas, laut, prollig, herzlich – das ist das Image des Ruhrgebiets. Glamourös, cool, angesagt – so gebt ihr euch als Frida Gold. Wie geht das zusammen? Alina Süggeler: Wenn wir einen Slot im Fernsehen haben, dann putzen wir uns so gut heraus, wie es nur geht. Wir spielen gern mit Bildern, das macht für uns den Reiz aus. Wieso sollten wir, nur weil wir aus dem Pott kommen, genau so sein wie ein bestimmtes Image der Region? Tatsächlich ist es so, dass wir das Ruhrgebiet jeden Tag vermissen. Es ist nicht so, dass ich denke: Wann kann ich da endlich weg? Ich denke: Den Pott im Herzen Vom Ruhrgebiet aus haben Frida Gold die Charts erobert. Inzwischen leben Alina Süggeler und Andreas Weizel, die Köpfe der Band, in Berlin. Ein Blick zurück in Liebe. Interview: Nina Heitele Wann kann ich dorthin zurück? Das ist unsere Heimat. Kultur//Ruhr: Heimat hat immer auch etwas mit Identität zu tun. Seid ihr im Ruhrgebiet andere Men schen als in eurer Wahlheimat Berlin? Süggeler: Meine Gefühlslage verändert sich abhängig vom Ort. Wenn ich meine Familie um mich herum habe, auf alten Wegen wandle, dann existiert eine ganz andere Vertrautheit. Man geht ge - lassener mit Dingen um. Aber der Mensch, der da in Hattingen oder Bochum herumläuft, ist kein anderer als der in Berlin. Andreas Weizel: Jeder hat in verschiedenen sozialen Umfeldern auch verschiedene Rollen. Das ist bei uns nicht anders. Wenn wir uns innerhalb unserer Familien bewegen, verhalten wir uns natürlich anders als Businesspartnern gegenüber, die wir in Berlin treffen. Zu Hause legen wir unsere Kindrolle nicht ab. Kultur//Ruhr: Was habt ihr im Ruhrgebiet zurückgelassen? Was in Berlin für euch entdeckt? Süggeler: Wir haben als Künstler ein anderes Umfeld gesucht und gefunden. Man könnte sagen, wir hätten das Ruhrgebiet zurückgelassen, unsere Familien; aber so fühlt sich das nicht an. Wir haben in Berlin keinen neuen großen Freundeskreis. Berlin ist unsere neue Arbeitsstation. Wir sind jetzt näher dran an den Menschen, mit denen wir uns kreativ austauschen. Kultur//Ruhr: Also war der Grund für den Umzug rein organi - satorischer Natur? Süggeler: Als sich Anfang 2012 abzeichnete, dass wir in den Albumprozess einsteigen würden, wollten wir ein Szenario kreieren, wie wir es bei unserem ersten Album hatten. Damals waren Andi und ich noch ein Paar und haben gemeinsam in einer Wohnung gelebt. Heute ist das etwas anders. Wir wohnen wieder in einer gemeinsamen Wohnung, aber als WG. Diese menschliche Auseinandersetzung wollten wir: dass wir uns phasen weise nicht ausstehen können und dann wieder ganz großartig finden. Kultur//Ruhr: Wer ans Ruhrgebiet denkt, denkt nicht auf An hieb an große Acts und international erfolgreiche Bands. Provokativ gefragt: Ist der Pott nicht cool genug fürs Popbusiness? Süggeler: Schwierig. Im Ruhr - gebiet gibt es sicherlich keine richtigen Szenen oder Strömungen, denen man sich anschließen kann. Aber man hat die Möglichkeit, im ehrlichen Austausch mit sich selbst zu stehen. Das finde ich für die Gestaltung einer Kunstform total wichtig. Als wir die erste Platte geschrieben haben, haben wir in Bochum gelebt. Wir haben direkt am Schauspielhaus gewohnt, waren dort, wenn wir uns mit etwas füllen mussten, haben uns gleichzeitig aber auch in den ganz normalen Massen im Bermudadreieck verloren – wo man nicht das Ge - fühl hat, sich irgendwie anpassen zu müssen, wo man einfach nur sein kann. Weizel: Die Art, wie wir arbeiten, haben wir von dort, wo wir herkommen. Die Art, wie wir mit Menschen umgehen, wie wir Dinge antreiben, mit welcher Hartnäckigkeit wir an Dingen arbeiten: Das sind alles Dinge, die wir mitgebracht haben. Kultur//Ruhr: Blickt man in die USA, dann kann der Pop gar nicht groß genug sein. Wärt ihr da nicht auch ganz gut auf - gehoben? Immerhin habt ihr euer neues Album „Liebe ist meine Religion“ in Los Angeles produzieren lassen … Süggeler: Die Leidenschaft, auf Deutsch zu texten, ist eine andere. Man fragt sich: Wie erzeuge ich auf Englisch das gleiche Gefühl wie in meiner Muttersprache? Dadurch, dass wir mit internationalen Songwritern geschrieben haben, gibt es manche Songs nun auf Englisch. Aktuell ist es aber vorrangig, in Deutsch land voranzukommen. 57