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Ernesto Cardenal - Kulturradio

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Gestern sah ich Dich auf der Straße, Miriam. Und Du erschienst mir so schön, Miriam,<br />

dass – wie erkläre ich Dir, welche Schönheit ich sah? – Nicht einmal Du, Miriam, kannst<br />

solche Schönheit an Dir wahrnehmen, noch Dir vorstellen, dass Du so schön für mich<br />

sein kannst. Und so schön erschienst Du mir, dass ich glaube, keine Frau ist schöner<br />

als Du, Miriam. Und kein Verliebter findet eine Frau so schön, Miriam, wie ich Dich finde.<br />

Und Du selbst, Miriam, bist vielleicht gar nicht mal so schön. Denn soviel Schönheit<br />

kann nicht wirklich sein, wie ich sie an Dir wahrnahm gestern auf der Straße und wie<br />

ich heute glaube, Miriam, an Dir gesehen zu haben.<br />

SPRECHER<br />

Ein Liebender, der in den Frauen das Universum findet, eine transpersonale, eine göttliche<br />

Schönheit. Ein Liebender, der über das Objekt seiner Gefühle hinausfühlt und in<br />

jeder tiefen Liebe eigentlich der Liebe Gottes begegnet. Für viele der buchstäblich Angebeteten<br />

ist der Umfang seiner Liebe eigentlich zu groß. Der Schmerz darum fließen<br />

in Bände voller Liebeslyrik. Der junge <strong>Ernesto</strong> <strong>Cardenal</strong> beginnt zu schreiben und<br />

sehnt sich zugleich nach einem mönchischen Leben mit Gott. Sein Fühlen weitet sich<br />

und lässt ihn spüren, was in seinem Land geschieht, welche Tyrannen es beherrschen<br />

und ausbluten lassen. Das eigene Drama und die Tragödie seines Volkes unter der<br />

50jährigen Diktatur des Somoza-Clans verschwimmen am 2. Juni 1956, als die Eskorte<br />

des Tyrann mit Sirenengeheul an seiner Wohnung vorbeifährt und er in eine Erfahrung<br />

stürzt, die sein Leben ändert.<br />

ZUSPIELUNG Wort 6 Overvoice<br />

Es war eine mystische Erfahrung. Ich habe mich dabei gänzlich Gott hingegeben. Und<br />

ich habe gespürt, dass Gott in mich dringt. Es war die Erfahrung eines unglaublichen<br />

Glücks, eines unheimlichen Genießens.<br />

ZITATOR<br />

Plötzlich fühlt die Seele seine Gegenwart auf eine Weise, die jeden Irrtum ausschließt.<br />

Und will sich verstecken und aus dieser Gegenwart verschwinden und vermag es nicht,<br />

weil sie wie mit dem Rücken zur Wand steht, zwischen Ihm und Ihm steht, und keinen<br />

Fluchtweg findet, denn diese Gegenwart durchdringt Himmel und Erde und durchdringt<br />

auch sie, und sie liegt in Seinen Armen. Und die Seele, die ihr ganzes Leben lang

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