Ernesto Cardenal - Kulturradio
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O Herr, liebe mich gewaltig und liebe mich oft und lang; je öfter Du mich liebst, um so<br />
reiner werde ich; je gewaltiger Du mich liebst, um so schöner werde ich; je länger Du<br />
mich liebst, um so heiliger werde ich hier auf Erden.<br />
SPRECHER<br />
Erlebte Mystik hält sich offenbar nicht an kirchlichen Regeln von Liturgie und Moral.<br />
Auch für <strong>Ernesto</strong> <strong>Cardenal</strong> fließen in dieser Verschmelzung mit Gott die Sehnsucht<br />
nach dem Weiblichen und die Sehnsucht nach Gott zusammen.<br />
ZUSPIELUNG Wort 8 Overvoice<br />
Genauso wie mich zuvor das Weibliche sehr stark erotisch angezogen, so ähnlich hat<br />
mich dann Gott auch erotisch angezogen. Ich habe schon oft gesagt und geschrieben,<br />
dass für die Liebe zu den Frauen eigentlich das selbe ist wie die Liebe zu Gott. Diese<br />
Formen der erotischen Liebe sind sehr ähnlich, auch wenn sie natürlich ganz unterschiedliche<br />
Ziele haben, fühlen sie sich sehr ähnlich an. Am Anfang war es die Liebe zu<br />
der Schönheit der Mädchen. Und danach war es die Liebe zu dem Schöpfer aller<br />
Schönheit. Und man kann auch sagen, dass meine Liebe zu Gott eine erotische Liebe<br />
war. Aber der Begriff ‚Religion’ greift da nicht. Es geht um eine mystische Qualität der<br />
Wahrnehmung. (37:10) Alle Religionen waren überall eigentlich immer Feinde der<br />
Mystiker. Denn sie hatten eine persönliche Beziehung zu Gott. Sie entspricht weder<br />
den Konventionen, noch dem Protokoll.<br />
SPRECHER<br />
<strong>Ernesto</strong> <strong>Cardenal</strong> weiß nun, dass die existentielle Entscheidung zwischen sinnlicher<br />
oder die göttlicher Liebe sich für ihn aufgelöst hat. Nach dieser alle Grundfesten erschütternden<br />
Erfahrung will er nur noch eins: sich von der lauten Welt zurückziehen<br />
und sich ganz dem Leben mit Gott hingeben. Er entscheidet sich dem amerikanischen<br />
Trapistenkloster Gethsemani beizutreten, wo der von ihm verehrte Mystiker Thomas<br />
Merton lebt.<br />
ZITATOR<br />
Am 14. Mai 1957 trat ich ins Noviziat ein, als alles in voller Blüte stand. Es war Frühling<br />
in Gethsemani, die Zeit des Hoheliedes Salomon. Vogelgesang den ganzen Tag