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Nr. 57 - Soziale Welt

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8 FRAUENTHEMEN - SOZIALE ORGANISATION<br />

Geschenke, Papier & Co. aus dem „SchubLaden“<br />

Neue Verkaufsstelle des Ausbildungsprojektes der FaPrik in Frankfurt Bornheim<br />

Im Schubladen findet man in der Regel allerhand Brauchbares. So auch in dem neuen gleichnamigen Laden der Ausbildungsinitiative<br />

FaPrik in Frankfurt. Geschenkartikel, Stifte, Papier, Kinderspielzeug und Bürobedarf - in der Spessartstraße, in unmittelbarer Nähe zum<br />

Bornheimer Uhrtürmchen gibt es Nützliches und Ausgefallenes.<br />

Der Schubladen setzt neue Akzente in Frankfurt<br />

Bornheim. Ständer mit Gruß- und Geschenkkarten<br />

stehen im Außenbereich des Ladens und bilden<br />

bunte Markierungen. Sie ziehen Neugierige<br />

und potenzielle Käufer in das große Ladenlokal.<br />

Falls die Außentemperaturen es zulassen, sind die<br />

Eingangstüren des Marktes in der Spessartstraße<br />

11 weit geöffnet. Rechts und links des Eingangs<br />

brennen Kerzen in zwei großen roten Kerzenhäuschen.<br />

Über die gesamte Front des Verkaufsraumes<br />

erstrecken sich Schaufenster. Sie lassen viel Licht<br />

herein und geben auch den Vorbeieilenden einen<br />

Einblick in den Laden.<br />

Drinnen ist es hell und geräumig. In weißen<br />

raumhohen Regalen entlang der Wände wird<br />

die Ware präsentiert: Notizbücher, Aktenordner,<br />

Schulhefte, Kalender, Blocks, Stifte, Geschenkpapier<br />

und Fotoalben. Die Ware ist nicht nur<br />

funktional, sondern bietet auch etwas fürs Auge.<br />

Manches ist ausgefallen, kräftige Farben dominieren.<br />

Taschen im bunten, blumigen Schubladen-<br />

Design hängen an einem Ständer. In einer Glasvitrine<br />

liegt Schmuck aus, der im Auftrag verkauft<br />

wird. Tücher werden in einem Wühlkorb angeboten.<br />

Im Hintergrund spielt leise Musik.<br />

An einem runden Tisch kann der Kunde Platz<br />

nehmen und, falls er will, das freundliche Verkaufs-Ambiente<br />

bei einer Tasse Kaffee genießen.<br />

Zu sehen gibt es genug. An der Decke hängen<br />

Lampenschirme aus weißem, grünem, rotem<br />

und orangenem Papier. Auf einem Tisch in der<br />

Der Eingangsbereich von der Spessartstrasse<br />

Mitte des Raumes wird eine kleine Auswahl an<br />

<strong>Welt</strong>musik-Musik-CDs präsentiert. Fingerpuppen<br />

und selbst produzierte Frucht-Seife, die nach<br />

Gewicht verkauft wird, runden das Angebot im<br />

Ausbildungsmarkt ab. Bei der Auswahl der Artikel<br />

achten die Initiatorinnen vor allem im Bereich<br />

der Büroartikel auf eine umweltfreundliche Herstellung<br />

und entsprechende Qualitätssiegel. Seit<br />

Oktober des vergangenen Jahres ist der Schubladen<br />

in der Spessartstraße eröffnet. Zuvor wurde<br />

er jahrelang in der Eichwaldstraße, einer kleinen<br />

Seitenstraße der Berger Straße, betrieben.<br />

„Der neue Laden gefällt mir sehr gut. Der andere<br />

war etwas klein. Hier können wir die Ware<br />

schön präsentieren“, sagt<br />

Jana. Die 18-jährige ist<br />

seit einem Jahr in dem<br />

Ausbildungsprojekt der<br />

FaPrik. Jana ist im zweiten<br />

Lehrjahr und will im<br />

März 2010 die Prüfung<br />

zur Einzelhandelskauffrau<br />

ablegen. „Mit dem<br />

Hauptschulabschluss ist<br />

es heute schwierig, einen<br />

Ausbildungsplatz zu finden“,<br />

lautet ihre Erfahrung.<br />

Sie absolvierte zunächst<br />

ein unentgeltliches<br />

Praktikum und hoffte<br />

darüber einen Einstieg in<br />

die Arbeitswelt zu finden.<br />

Doch ohne Erfolg. Über<br />

eine Freundin stieß sie auf<br />

das überbetriebliche Projekt der gemeinnützigen<br />

Ausbildungs- und Handelsgesellschaft FaPrik.<br />

„Hier kommen mehr Menschen vorbei als im<br />

alten Laden. Die Lage ist einfach besser,“ sagt Steffi.<br />

„Wir haben jetzt mehr Spielsachen für Kinder<br />

und mehr Kunden.“ Die 21-Jährige ist wie ihre<br />

Kollegin im zweiten Lehrjahr.<br />

Insgesamt sind 20 junge Frauen<br />

in Projekte der FaPrik eingebunden<br />

und werden zurzeit zu Verkäuferinnen<br />

oder zu Einzelhandelskauffrauen<br />

ausgebildet.<br />

Sie arbeiten im Schubladen<br />

und absolvieren darüber hinaus<br />

mehrmonatige Praxisphasen in<br />

einem der externen Partnerbetriebe<br />

der FaPrik. Ab Januar wird<br />

Steffi im Woolworth auf der Berger<br />

Straße im Einsatz sein. Sie<br />

freut sich, über den Schubladen<br />

einen Zugang zum Beruf gefunden<br />

zu haben: „Immer nur Absagen,<br />

das war deprimierend.“<br />

Nach dem Abschluss der Hauptschule<br />

war Steffi lange arbeitslos.<br />

Während eines Berufsvorbereitungsjahres<br />

wurde sie auf die<br />

überbetriebliche Ausbildungsinitiative<br />

der FaPrik aufmerksam.<br />

„Jede macht alles“, skizzieren die jungen<br />

Frauen die Arbeitsteilung im Schubladen. Feste<br />

Zuständigkeitsbereiche beispielsweise für eine<br />

bestimmte Warengruppe gibt es nicht. Kasse machen,<br />

Bestellungen aufgeben, Kunden beraten,<br />

Regale auffüllen und dekorieren - das sind Tätigkeiten,<br />

die im Rahmen eines Arbeitstages anfallen.<br />

Normalerweise sind vier Auszubildende an<br />

einem Verkaufstag im Laden. Fachlich unterstützt<br />

werden sie von einer Ausbilderin.<br />

„Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt<br />

Danielle Frey-Wendel, Ausbilderin im Schubladen.<br />

„Ob wir neue Produkte mit ins Sortiment<br />

Interessante Angebote in angenehmer Athmosphäre<br />

Das Team<br />

nehmen, oder selbst etwas zum Verkauf herstellen,<br />

oder neu dekorieren, der Schubladen wird<br />

sich immer wieder verändern. Die Azubis können<br />

ihre Vorstellungen einbringen.“<br />

Im PC-Raum stehen nicht nur Computer, sondern<br />

auch einige Nähmaschinen zur Verfügung,<br />

an denen die Auszubildenden nach Anleitung die<br />

aktuelle Taschenkollektion aus Stoff herstellen.<br />

Darüber hinaus ist in den neuen Räumlichkeiten<br />

auch Platz für eine moderne Küche, in der<br />

zusammen gekocht werden kann. Das passiert<br />

auch manchmal, denn auch das <strong>Soziale</strong>, der Zusammenhalt<br />

der Gruppe und eine gute Lern- und<br />

Arbeitsatmosphäre, sollen im Schubladen nicht<br />

zu kurz kommen.<br />

Sind keine Kunden zu beraten, bleibt Zeit,<br />

das in der Berufsschule Gelernte mit den Kolleginnen<br />

oder der Ausbilderin nachzuarbeiten oder<br />

sich auf Prüfungen vorzubereiten. Für die Fächer<br />

Mathematik und Deutsch stehen eigens Nachhilfelehrer<br />

zur Verfügung, die den Lehrstoff mit den<br />

Azubis durchgehen. Ein Schwerpunkt der Schulungen<br />

bildet das Training zur Verbesserung der<br />

deutschen Sprachkenntnisse. „Man muss schon<br />

lernen. Wenn man nichts tut, schafft man es<br />

nicht“, sagt Jana. Sie hat die externe Praxisphase<br />

beim Buchhandelsfilialisten Thalia absolviert und<br />

ist überzeugt, dass der Einzelhandel die richtige<br />

Branche für sie ist. Kunden beraten und bedienen,<br />

das mache am meisten Spaß.<br />

„Der neue Laden motiviert ungemein. Wir<br />

haben alle in die Planung, die Renovierung, den<br />

Umzug und die Dekoration einbezogen“, sagt<br />

Ingelore Berndt, Diplom-Sozialpädagogin und<br />

Projektleiterin im Schubladen. Die Erfolgsbilanz<br />

kann sich sehen lassen: 80 Prozent schaffen die<br />

Prüfung und fast alle finden auch einen Arbeitsplatz<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt, sagt Berndt.<br />

Nicht selten leisten die angehenden Verkäuferinnen<br />

und Einzelhandels-Kauffrauen in den externen<br />

Partnerunternehmen überzeugende Arbeit<br />

und werden nach Abschluss der Ausbildung eingestellt.<br />

Die hohe Motivation der Teilnehmerinnen,<br />

endlich den Einstieg in die Arbeitswelt zu<br />

schaffen, in Verbindung mit der gezielten Betreuung<br />

und Unterstützung sind Schlüsselfaktoren<br />

für den Erfolg der überbetrieblichen Ausbildung.<br />

Die jungen Frauen werden mit ihren Problemen<br />

und Themen nicht allein gelassen. Ingelore<br />

Berndt ist im Schubladen die Ansprechpartnerin<br />

für alle sozialen Themen. „Das können familiäre<br />

Probleme sein, Beziehungsprobleme oder auch<br />

Schwierigkeiten in der Schule“, sagt Berndt. Bei<br />

Bedarf führt sie entsprechende Beratungsgespräche<br />

und vermittelt je nach Problemlage auch an<br />

externe Beratungsstellen in der Stadt weiter. „Wir<br />

wollen mit der sozialpädagogischen Betreuung<br />

die Belastungen mindern und die jungen Frauen<br />

in die Lage versetzen, die Ausbildung durchzuhalten<br />

und erfolgreich abzuschließen.“ Die Unterstützung<br />

ist weitreichend: So wird bei Bedarf<br />

auch mal eine Ernährungsberatung organisiert,<br />

oder die Verbraucherberatung zu einem Vortrag<br />

über Handy-Verträge ins Haus geholt. Doch bei<br />

aller Förderung ist eines klar: „Wir lassen uns<br />

nicht auf der Nase rumtanzen. Wir fragen gezielt<br />

nach, wenn jemand beispielsweise oft zu spät<br />

kommt“, sagt Berndt. Falls notwendig werden als<br />

letzte Mittel auch Abmahnungen und Kündigungen<br />

ausgesprochen.<br />

Als Projektleiterin für die laufenden Ausbildungsgänge<br />

ist Ingelore Berndt auch die Kontaktperson<br />

für die externen Ausbildungspartner.<br />

Neben Thalia und Woolworth bieten Karstadt,<br />

Meder und Idee den Azubis des Schubladens die<br />

Möglichkeit, in andere Bereiche reinzuschnuppern<br />

und Erfahrung in einem Unternehmen des<br />

Azubis, die im neuen Laden arbeiten werden<br />

so genannten ersten Arbeitsmarktes zu sammeln.<br />

Aktuell laufen zwei Ausbildungsprojekte im<br />

Schubladen. Neben acht jungen Frauen im zweiten<br />

Lehrjahr ist im Sommer 2009 ein weiterer<br />

Ausbildungsgang mit zwölf Teilnehmerinnen gestartet.<br />

Finanziert werden die überbetrieblichen<br />

Bildungsmaßnahmen gemeinsam vom Land Hessen,<br />

der Stadt Frankfurt und dem Europäischen<br />

Sozialfonds oder, wie beim jüngsten Projekt, vom<br />

Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt.<br />

„Man kommt gerne zur Arbeit. Die Atmosphäre<br />

ist toll hier“, sind sich Steffi und Jana einig.<br />

Das Einzige, was nicht passt, ist das insgesamt<br />

niedrige Azubi-Gehalt. Große Sprünge, wie beispielsweise<br />

eine eigene Wohnung zu unterhalten,<br />

sind damit natürlich nicht möglich. Doch das<br />

Problem kennen alle Auszubildenden.<br />

si. auch S.9 unten links FaPrik<br />

Liz<br />

(Fotos: Britta Jagusch/FaPrik)

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