Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
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Zeit der Volksrepublik <strong>Polen</strong> mussten sie ihre<br />
Berufsarbeit mit dem Haushalt und der Kindererziehung<br />
verbinden. Heute ziehen sie ihre<br />
Enkelkinder groß und unterstützen die Familie,<br />
auch emotional und materiell, sorgen mithin<br />
für den Erhalt der ganzen Familie. Ihre vieljährige<br />
Erfahrung im eigenen Haushalt unterhält<br />
eine hohe Nachfrage deutscher Haushalte<br />
nach Arbeitskräften gerade dieser Alters-und<br />
Erfahrungsgruppe. Die Situation der Frauen ist<br />
dadurch geprägt, dass sie sich in <strong>Polen</strong><br />
schon nicht mehr im Erwerbsalter befinden,<br />
nun aber in Deutschland einer Erwerbsarbeit<br />
nachgehen. Das Rentenalter in <strong>Polen</strong> erreichen<br />
Frauen ab dem 55. Lebensjahr, durch<br />
Vorruhestand, oder spätestens ab dem 60.<br />
Lebensjahr. Die Besonderheit der nun geleisteten<br />
Arbeit besteht darin, dass eine schwere<br />
körperliche Arbeit, monate- und jahrelang,<br />
trotz fortgeschrittenen Alters ausgeübt wird.<br />
Meistens haben sie keine ausreichenden<br />
Sprachkenntnisse, um eine Beschäftigung in<br />
anderen Tätigkeitsbereichen zu finden. Darüber<br />
hinaus ist die private Haushaltsarbeit dafür<br />
besonders geeignet, sie in der Illegalität zu<br />
halten, weil sie schwer zu entdecken ist. Sie<br />
setzen also in einem Alter, in der die Normalvorstellung<br />
von Lebenslauf erwarten ließe, ihren<br />
Ruhestand anzutreten, ihr Erwerbsleben in<br />
der Migration fort. Dabei entsteht, als eine<br />
von vielen, die erklärungsbedürftige Frage,<br />
was ihre Professionalität ausmacht, die Pflege<br />
und Haushalt überantwortet zu bekommen?<br />
Genauso wichtig ist, welche Rolle biographische<br />
Wissensbestände für das Handeln in einer<br />
Arbeitsbeziehung spielen und welche<br />
Formen sozialer Organisation ihre Tätigkeiten<br />
einführen, denen vielfach durch informelle<br />
Arbeitsverhältnisse entsprochen wird?<br />
Im Vortrag wird diskutiert, welche Komponenten<br />
der national-polnischen, katholischen<br />
und postsozialistischen Weltbildern als »biographische<br />
Ressourcen« mit einer professionellen<br />
Einstellung <strong>zur</strong> Arbeit zusammenhängen,<br />
als auch wie sie in Konfrontation mit einer<br />
westeuropäischen, deutschen, Arbeitsverständnis<br />
neu strukturiert werden. Die Forschung<br />
schließt an aktuelle migrationssoziologische<br />
Untersuchungen <strong>zur</strong> Altenpflege an,<br />
die von einer feminisierten Migration ausgehen<br />
und fokussiert eine Altersgruppe die bis<br />
jetzt nicht erforscht wurde. Die Datenerhebung<br />
basiert auf autobiographischnarrativen<br />
Interviews mit älteren polnischen<br />
Frauen die informell in Frankfurt und Umgebung<br />
als so genannte »live-in« arbeiten, welche<br />
also in der Arbeitgeberfamilie wohnen.<br />
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