Reader zur Tagung - Deutsches Polen Institut
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Donnerstag, 26.2.2009<br />
xFestvortragx<br />
Prof. Dr. Michel Espagne (Paris)<br />
Zum Konzept des Kulturtransfers<br />
Michel Espagne (geb. 1952) studierte Germanistik, Altphilologie und Kulturwissenschaften in Paris,<br />
Tübingen und Köln. Er promovierte 1977, habilitierte sich 1985 und ist heute Professor an der École<br />
Normale Supérieure (ENS) in Paris. Seit 1989 ist er zudem directeur de recherche am Centre national<br />
de la recherche scientifique (CNRS) in Paris. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören u.a.<br />
die deutsch-französischen Kulturbeziehungen im 18. und 19. Jahrhundert und die Prozesse des<br />
Kulturtransfers. Zuletzt gab er zusammen mit E. Décultot und J. Le Rider ein Dictionnaire du monde<br />
germanique heraus (Paris 2007).<br />
Die Kulturtransferforschung hat sich ursprünglich<br />
im deutsch-französischen Kontext entwickelt.<br />
Es ging zunächst darum, einen deutschen<br />
Anteil an der französischen Geschichte<br />
zu erkennen. Aus dem deutsch-französischen<br />
Beispiel ergibt sich die Möglichkeit, eine europäische<br />
Geschichte zu schreiben, die nicht<br />
nur der Zusammenstellung einzelner Nationalgeschichten<br />
entspricht, sondern die sehr<br />
komplexe Kontaminierungen zeigt, die die<br />
Grundlage dieser gemeinsamen europäischen<br />
Geschichte ausmachen. Vor diesem<br />
Hintergrund könnte die polnische Geschichte<br />
der letzten Jahrhunderte einen exemplarischen<br />
Charakter haben, weil <strong>Polen</strong>, mehr als<br />
andere europäische Territorien, sich mit<br />
fremden Einwirkungen auseinandersetzen<br />
musste.<br />
Die Umdeutung der deutschen Kulturimporte<br />
nach <strong>Polen</strong>, die Geschichte der multikulturellen<br />
Städte <strong>Polen</strong>s, die demographischen Bewegungen<br />
und gar die Teilung oder die Verschiebung<br />
<strong>Polen</strong>s haben Kulturtransfers ausgelöst,<br />
die die ganze europäische Geschichte<br />
mitprägten. Mehr als irgendwo sonst müssen<br />
allerdings im polnischen Falle die bilateralen<br />
Konstellationen auf neue Komponenten<br />
und kompliziertere Gestaltungen erweitert<br />
werden. Der Kulturtransfer lässt sich in einzelnen<br />
Städten beobachten, wo die Kulturimporte<br />
sich in der Architektur aber auch in den<br />
Bibliotheken oder in den verschiedenen kulturellen<br />
Einrichtungen spürbar machten. Die<br />
Kulturtransferforschung konzentriert sich gern<br />
auf territoriale Einheiten, die nicht so umfassend<br />
sind wie die Nation. Die regionalen Unterschiede<br />
in <strong>Polen</strong> sind aufgrund der Teilung<br />
in <strong>Polen</strong> sicher mehr ausgeprägt als sonst. Der<br />
Vortrag soll einerseits die allgemeine Grundlage<br />
der Kulturtransferforschung beschreiben,<br />
andererseits ihre Anwendbarkeit auf die polnische<br />
Geschichte erörtern.<br />
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