Warum brauchen wir eine Bürgerversicherung? - SPD ...
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“Gefragt war der Mut, ins kalte Wasser zu<br />
springen ”<br />
AUSGABE 39 - NOVEMBER 2004<br />
ten und glaubhaft machen konnten,<br />
dass sie mit uns für Demokratie<br />
und Freiheit streiten wollten, haben<br />
<strong>wir</strong> die Aufnahme nicht verweigert.<br />
Aktiv beteiligten sich Mitglieder unserer<br />
beiden Gruppen am<br />
15.01.1990 an der Erstürmung der<br />
Stasizentrale in der Normannenstraße.<br />
Wir waren auch bei den Runden<br />
Tischen dabei.<br />
Da die Volkskammer k<strong>eine</strong> demokratische<br />
Legitimation hatte, entstanden<br />
die Runden Tische als Organ<br />
der Beratung und Kontrolle der<br />
Regierung (das erste Mal am<br />
7.12.1989). Am 15.12.1989 fand der<br />
erste Runde Tisch des Stadtbezirks<br />
Friedrichshain statt. Damit wurde<br />
der Forderung der Friedrichshainer<br />
SDP und anderer Bewegungen entsprochen,<br />
auch im kommunalen<br />
Bereich <strong>eine</strong> Kontroll- und Anwaltsfunktion<br />
wahrzunehmen.<br />
Auf der Grundlage <strong>eine</strong>s von der<br />
SDP vorgelegten Entwurfes wurde<br />
die Geschäftsordnung des Runden<br />
Tisches verabschiedet, die als wesentliches<br />
Element den Grundsatz<br />
der öffentlichen Beratungen enthielt<br />
- ein für die DDR geradezu revolutionärer<br />
Grundsatz. Und unter<br />
Vorsitz der SDP fand am<br />
5.1.1990 die zweite Beratung statt.<br />
Von Anfang an dabei waren Helios<br />
Mendiburu und Lorenz Postler, der<br />
bereits in der DDR-Opposition in<br />
der Samariter-Gemeinde aktiv war<br />
und von uns im März 1990 zum<br />
Stadtrat gewählt wurde, obwohl er<br />
damals noch nicht Mitglied unserer<br />
Partei war. Ich selbst war am Runden<br />
Tisch Soziales beteiligt und gehörte<br />
zu den Mitbegründerinnen<br />
der Bürgerinitiative „Integral – für<br />
Menschen mit und ohne Behinderung“.<br />
Darüber hinaus wurde in unseren<br />
Basisgruppen intensiv inhaltlich gearbeitet,<br />
denn das Ziel war die Demokratisierung<br />
des Staates. Wir erstellten<br />
Entwürfe für das Parteiprogramm<br />
und Diskussion um <strong>eine</strong><br />
neue Verfassung der DDR. Wir -<br />
damals ca. 100 Mitglieder in Friedrichshain<br />
- hatten das Gefühl, ernst<br />
genommen zu werden und<br />
<strong>wir</strong>klich etwas bewegen zu<br />
können.<br />
Anders als zum Beispiel Jochen<br />
Vogel oder Willy Brandt,<br />
dessen Vorbild für viele von uns ein<br />
Grund für den Eintritt war, wurden<br />
<strong>wir</strong> von der offiziellen West-<br />
<strong>SPD</strong> lange ignoriert, da <strong>wir</strong> <strong>eine</strong><br />
Neugründung waren und man<br />
selbst teils Kontakte zur SED pflegte.<br />
Der Kontakt wurde zunächst nur<br />
sehr zögerlich aufgenommen.<br />
Wir sahen uns aber fest in der Tradition<br />
der <strong>SPD</strong> verwurzelt. So war<br />
es folgerichtig, dass <strong>wir</strong> unseren Anspruch<br />
auf die Nachfolge von 1946<br />
am 13.1.1990 durch die Umbenennung<br />
in <strong>SPD</strong> noch deutlicher formulierten.<br />
Vom 22.-25.2.1990 fand dann der<br />
erste Parteitag in Leipzig statt und<br />
auch in Friedrichshain hatte das<br />
Folgen: Die Organisationsstrukturen<br />
der <strong>SPD</strong> wurden übernommen,<br />
es kam zur Gründung von sieben<br />
Abteilungen nach Wohngebieten.<br />
Nun kam endlich <strong>eine</strong> enge Zusammenarbeit<br />
mit der Westberliner <strong>SPD</strong><br />
zustande. Zur Vereinigung der beiden<br />
Parteien kam es jedoch erst am<br />
27. September 1990.<br />
Den Ostbezirken wurden Partnerbezirke<br />
aus Westberlin zugeordnet,<br />
die uns bei der politischen Arbeit<br />
unterstützen sollten. Unser Partnerbezirk<br />
war Wilmersdorf. Von<br />
dort erhielten <strong>wir</strong> personelle und<br />
materielle Hilfe, vor allem bei der<br />
Vorbereitung der Wahlen zur<br />
Volkskammer, zur Stadtverordnetenversammlung<br />
und zur Stadtbezirksverordnetenversammlung<br />
am 18. März 1990. Wir hatten<br />
nichts: nicht genügend Papier, k<strong>eine</strong>n<br />
Kopierer, schon gar k<strong>eine</strong>n<br />
PC, einfach gar nichts – nur unseren<br />
Enthusiasmus! Und die Genossen<br />
aus Wilmersdorf halfen<br />
uns mit Rat und Tat: Sie druckten<br />
DIE ROTE BRÜCKE<br />
“Niemand von uns hatte Verwaltungskenntnisse<br />
oder Erfahrung mit politischer Arbeit”<br />
unsere selbst entworfenen Flugblätter,<br />
kopierten das Material zur Verteilung<br />
und stifteten <strong>eine</strong>n Tapeziertisch<br />
und <strong>eine</strong>n <strong>SPD</strong>-Schirm (letzteres<br />
hütet die Abt. 14 bis heute und<br />
so ausgerüstet stehen <strong>wir</strong> noch<br />
immer auf der Straße).<br />
Die Genossen aus Wilmersdorf<br />
machten auch mit uns zusammen<br />
Wahlkampf, standen am Info-<br />
Tisch, verteilten Flugblätter und die<br />
erste Kreiszeitung der Friedrichshainer<br />
<strong>SPD</strong> „Friedrichshainer Stimme“.<br />
Eine große Herausforderung war<br />
für uns auch die Aufstellung von<br />
KandidatInnen: Niemand von uns<br />
hatte Verwaltungskenntnisse oder<br />
gar Erfahrungen mit politischen<br />
Gremien, da die allermeisten von<br />
uns in der DDR aus bewusster Entscheidung<br />
und in Opposition zum<br />
Regime weder in der SED, noch in<br />
<strong>eine</strong>r Blockpartei waren. Eine<br />
große Zahl von KandidatInnen<br />
wurde benötigt, zum<br />
Beispiel für die Stadtverordnetenversammlung,<br />
die damals 100<br />
Mitglieder hatte. Gefragt war also<br />
Mut, ins kalte Wasser zu springen<br />
und die Bereitschaft, sich fast rund<br />
um die Uhr einzubringen und pausenlos<br />
zu lernen. Geholfen haben<br />
auch dabei die Wilmersdorfer und<br />
zum Beispiel das August-Bebel-Institut.<br />
Unser Spitzenkandidat war Helios<br />
Mendiburu. Die Wahlbeteiligung im<br />
März 1990 war für heutige Verhältnisse<br />
unglaublich hoch: Sie betrug -<br />
auch ohne den in der DDR vorher<br />
üblichen Zwang - 93,4 Prozent. Das<br />
zeigt, wie hoch die Erwartungshaltung<br />
der Menschen damals war.<br />
Sieger der Volkskammerwahlen<br />
wurde damals die „Allianz für<br />
Deutschland“ unter Führung der<br />
CDU. Doch in Berlin sah das Ergebnis<br />
für uns deutlich besser aus<br />
und auch im Stadtbezirk wurden<br />
<strong>wir</strong> stärkste Partei.<br />
Mit dem Einzug in die Bezirksverordnetenversammlung<br />
begann für<br />
die Fraktion, zu der damals schon<br />
unter anderem Andreas Borchard,<br />
Holger Langkau, Steffen Schubert,<br />
Dorit Lorenz und andere noch heute<br />
aktive Genossinnen und Genossen<br />
gehörten, unsere Stadträte Lorenz<br />
Postler und Helmut Winkler<br />
und unserem Bürgermeister Helios<br />
Mendiburu <strong>eine</strong> Zeit harter Arbeit,<br />
<strong>eine</strong> Zeit der Umstrukturierung<br />
der gesamten Verwaltung.<br />
Aber vor allem <strong>eine</strong> Zeit, in der alles<br />
im Bezirk hinterfragt, neue Wege<br />
beschritten und Mut zu Veränderungen<br />
bei allen, nicht zuletzt bei<br />
der Bevölkerung geweckt und erhalten<br />
werden mussten. Doch das ist<br />
ein anderes, ebenso spannendes Kapitel.<br />
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