Friedenslesung 2011 - kultur-kalender.info
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Report<br />
15<br />
Fragen zum Verständnis können im Anschluss gestellt werden, eine<br />
Wertung des Erzählten soll es aber nicht geben. Beim Erzählen geht es<br />
darum, subjektiv Erlebtes – persönlich erlebte Geschichte – an andere<br />
weiter zu geben. Der von mir sehr verehrte Tucholsky sagte einmal:<br />
‚Zuhören ist überhaupt die halbe Lebensweisheit.’ Was natürlich nicht<br />
heißt, dass der Erzählende immer Recht hat. Die Kunst des Zuhörens<br />
und Erzählens bekommt in meinen Salons einen Raum. Bei mir gibt es<br />
aber keinen Erzählzwang, wem das Thema nicht liegt, ist auch nur zum<br />
Zuhören willkommen.<br />
Meine Aufgabe als Salonnière ist es, den Salon zu moderieren und<br />
darauf zu achten, dass Thema und Zeitrahmen eingehalten werden. Falls<br />
jemand doch zu weit ausschweift, zeige ich auf die Eieruhr. Das heißt:<br />
‚Zum Ende kommen.’ Die Reihenfolge wird übrigens ganz spontan im<br />
Publikum entschieden.<br />
Die Themen-Palette ist äußerst vielfältig, so wie das Leben eben. Manche<br />
Themen müssen etwas abgewandelt immer wieder in das Programm<br />
aufgenommen werden, wie ‚Von Deutschland nach Deutschland‘ oder<br />
‚Tanzstundenerlebnisse‘. Zum Thema ‚Mein erster fahrbarer Untersatz“‚<br />
brachte ein Gast neben seiner Geschichte alte Fotos mit, die ihn im<br />
Kinderwagen zeigen. Längst verschüttete Erinnerungen werden wieder<br />
wach und damit auch das Lebensgefühl von damals.<br />
Auch Sonderveranstaltungen finden hin und wieder statt, so gastierten<br />
wir mit einem Salon spezial im Schloss Biesdorf zur Langen Filmnacht im<br />
Rahmen der letzten Kultour à la carte. Zur guten Tradition zählen auch<br />
unsere Sommerausflüge im salonfreien Juli, da haben wir schon das<br />
Modemuseum in Meyenburg und die Schorfheide besucht. Passend zur<br />
Jahreszeit gibt es im August ‚Gewittergeschichten’. Im Herbst plane ich<br />
zusammen mit meinen Gästen die Themen für das Jahr 2012.<br />
Die meisten meiner Besucher kenne ich schon mehrere Jahre, einige sind<br />
von Anfang an dabei. So habe ich viel über die Menschen erfahren und<br />
ihre speziellen Erzählweisen kennen gelernt. Ich selbst erlebte im Laufe<br />
der Zeit, wie sich auch die Qualität des Erzählens zum Positiven verändert<br />
hat. Da brauche ich keine großen Erklärungen über Spannungsbogen oder<br />
Pointe abgeben, die Geschichten werden einfach interessant erzählt. Wer<br />
seine Beiträge aufschreibt, hat bald eine Biografie in Form von Episoden.<br />
Durch das Zuhören habe ich inzwischen einen Erfahrungsreichtum weit<br />
über das eigene Erleben hinaus gewonnen, und den Teilnehmern der<br />
Salons geht es ebenso. Diese Treffen sind ihnen sehr wichtig, darüber<br />
freue ich mich riesig.“<br />
Auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen meint die Salonnière: „Ich<br />
würde gern einmal die schönsten Geschichten – viele sind ja bereits<br />
aufgeschrieben – in einem kleinen Buch veröffentlichen, einfach, damit<br />
sie der Nachwelt erhalten bleiben.“<br />
Informationen zum Erzählsalon erhält man im Schloss Biesdorf unter der<br />
Tel. 5 14 37 36.<br />
Hartmut Gering Kulturring in Berlin e. V.