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Volksbühnen-Spiegel 1/2013 - Freie Volksbühne Berlin

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und vor. Doch die <strong>Volksbühne</strong> ließ sich nicht beirren.<br />

Sie hatte das eine Ziel, nämlich eine Kunstgemeinschaft<br />

der großen Masse zu werden.<br />

Der gute Kontakt zu Theaterdirektor William Büller<br />

und dessen kluge Spielplanpolitik sicherten der Hildesheimer<br />

<strong>Volksbühne</strong> in den ersten zehn Jahren sehr<br />

wesentliche Aufführungen im Schauspiel, daneben<br />

auch einige in der Oper und in der unterhaltenden Operette.<br />

1933 bahnten sich schwere Sorgen an, so dass<br />

nach Professor Vogeler und Handelsschuldirektor Dr.<br />

Münchner der dritte Erste Vorsitzende Heinrich Krebbel<br />

im Jubiläumsheft der Hildesheimer <strong>Volksbühne</strong> schrieb:<br />

„Die Gegenwart lässt wenig erfreuliche Ausblicke<br />

auf die Zukunft offen, besonders in Angelegenheit der<br />

Kunst und Kultur… Gerade jetzt heißt es durchhalten<br />

und kämpfen, sollen nicht unschätzbare Werte verloren<br />

gehen. Es ergeht deshalb am Anfang unseres zweiten<br />

Jahrzehnts an alle wahren Freunde des Theaters der<br />

Ruf: Erhalten wir uns das deutsche Theater durch die<br />

<strong>Volksbühne</strong> und lassen wir Erfüllung werden, was heute<br />

noch Forderung ist: Die Kunst dem Volke!“<br />

Die wirtschaftlichen Entwicklungen Anfang der Dreißiger<br />

Jahre brachten einen starken Rückgang der Mitgliederzahl.<br />

Viele konnten auch die geringen Beiträge<br />

für einen Theaterabend nicht mehr aufbringen. Und<br />

Heinrich Krebbels Befürchtungen wurden wahr: Allen<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>vereinen im damaligen Reichsgebiet wurde<br />

nach Ende der Spielzeit 1932/33 durch die Nationalsozialistische<br />

Partei und ihre neuen, gelenkten Initiativen<br />

die Existenz entzogen.<br />

Wieder auferstanden aus den Ruinen:<br />

Der Neubeginn 1945<br />

Zwölf Jahre später: 1945. Das Hildesheimer Stadttheater<br />

war zerbombt. Schon im September begann in der<br />

umgebauten Aula der Hochschule am Hohnsen der<br />

Theaterbetrieb. Sehr alte Theaterbesucher erinnern<br />

sich noch an die Aufrufe, Holz und Briketts mitzubringen,<br />

damit der Saal geheizt werden konnte.<br />

Die Folgen der Währungsreform im Juni 1948 gestatteten<br />

zunächst nur wenigen, sich nach dem Umtausch<br />

in die Deutsche Mark Kultur noch leisten zu<br />

können. In einem direkten Zusammenhang damit stand,<br />

dass schon zwei Monate später, am 30. August 1948,<br />

im Saal des Gewerkschaftshauses an der Steingrube<br />

die Hildesheimer <strong>Volksbühne</strong> mit 600 spontanern Mitgliedern<br />

wiedergegründet wurde<br />

Dass der durch Bomben zerstörte Wiederaufbau des<br />

Stadttheaters Hildesheim 1949 zu den ersten in den<br />

politisch neu organisierten Westzonen gehörte, ist Bestandteil<br />

der Theatergeschichte. Intendant Walter Zibell,<br />

ein altgedienter <strong>Berlin</strong>er Sozialdemokrat, förderte die<br />

Anfänge der neuen <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>bestrebungen.<br />

Volkshochschuldirektor Karlheinz Klugert wurde ihr<br />

Erster Vorsitzender. Ihm folgte noch einmal Heinrich<br />

Krebbel, der 1933 das Ende der Bewegung vorausgesehen<br />

hatte. Aus beruflichen Gründen konnte Ratsherr<br />

Fritz Minnerup ihm nur kurz folgen. So wurde die Hildesheimer<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>arbeit ab 1957 dann durch den<br />

ehemaligen Zweiten und nunmehr Ersten Vorsitzenden<br />

Helmut Barth geprägt.<br />

Als ich 1962 für sieben Spielzeiten in das Leitungsteam<br />

des Hildesheimer Theaters kam, war Helmut<br />

Barth, der damalige Leiter der Volkshochschule des<br />

Landkreises, bereits 5 Jahre Vorsitzender der <strong>Volksbühne</strong><br />

und sollte es weitere 20 Jahre bleiben. Zu ihm<br />

und der „guten Seele“ im Vorstand, der Geschäftsführerin<br />

Helene Knoop, entwickelte sich ein wachsendes<br />

freundschaftliches Verhältnis.<br />

4<br />

Wie gingen wir damals mit der modernen Theaterliteratur<br />

für ein sehr konservatives Publikum mit fünf<br />

„Landringen“, die in Bussen herbeigekartwurden, um?<br />

In meinem Anstellungsgespräch fragte mich Intendant<br />

Zibell, was ich von Eugène Ioneco hielte. Hätte ich<br />

ihm damals geantwortet, ohne ihn könne man keinen<br />

Spielplan gestalten, hätte er mich nicht engagiert. Wir<br />

hatten vielmehr ein sehr intensives Gespräch darüber,<br />

in dem wir die Aufgaben trennten: In der Annnestraße<br />

haten wir ein Studio, in dem Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“<br />

als eine der frühesten Auführungen<br />

in der damaligen Bundesrepublik nicht zuletzt auch<br />

durch die Mitinitiative der <strong>Volksbühne</strong> zu einem „Renner“<br />

wurde. Dazu haten wir eine sogenannte Lesebühne,<br />

eine Initiative des Theaters, der Volkshochschule<br />

und der <strong>Volksbühne</strong>. Ich leitete diesen Zweig unseres<br />

Stadttheaters, richtete die Stücke ein und arrangierte<br />

die halbszenischen Lesungen. Wir brachten nicht nur<br />

alle wichtigen Ionescos, sondern viele andere aktuelle<br />

Stücke. Manche mussten wegen des Publikumsinteresses<br />

wiederholt werden. Ein ganz besonderes Ereignis<br />

wurde am Totensonntag im November 1965 die szenische<br />

Lesung desOratoriums „Die Ermitlung“ von Peter<br />

Weiss, das den Auschwitzprozess von 1963 bis 1965<br />

mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters thematisierte.<br />

Die Uraufführung hatte einen Monat zuvor an<br />

der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> <strong>Berlin</strong> und zeitgleich an 14 anderen<br />

Theatern stattgefunden, 3 in Westdeutschland,<br />

10 in der DDR und eine in London. Im vollen Zuschauerraum<br />

des Stadttheaters Hildesheim saßen viele<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>mitglieder.<br />

Mit Helmut Barth habe ich 1963 die Herausgabe der<br />

„Theaterskizzen“ der <strong>Volksbühne</strong> initiert und inhaltlich<br />

unterstützt sowie die 40-Jahr-Feier der Hildesheimer<br />

<strong>Volksbühne</strong> vorbereitet. Der niedersächsische Kultusminister<br />

und 1. Vorsitzende des Verbandes deutscher<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Vereine, Richard Voigt, warb für einen<br />

ausgewogenen Spielplan, in dem auch mit Gegenwartskunst<br />

der Bewältigung der Probleme unserer Zeit<br />

Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Das formulierte<br />

damals Erwin Piscator schärfer. Ich zitiere ihn wie<br />

vorhin schon aus einem Beitrag in der Festausgabe<br />

Nummer 6 der „Theaterskizzen“: „Und heute? Die Gegensätze<br />

haben sich abgerundet. Wir sprechen nicht<br />

mehrvon Klassenkampf… Die geistigen Inhalte haben<br />

sich verwischt. Was sich heute Avantgardismus nennt,<br />

ist dekadentes Bürgertum… Wir haben die Kunst heute<br />

in einem Massenstab–im Fernsehen, im Film, überal…<br />

Wir brauchen kein Lehrtheater, wir brauchen ein Suchtheater.<br />

Wir müssen suchen, wir müssen die Probleme<br />

auffinden.“ - Wir schrieben 1963. Was hat sich bis heute<br />

verändert?<br />

Tausende von Unterschriften<br />

begründeten den Begriff meiner Bürgerinitiative<br />

Für mich ging 1969 der Weg von Hildesheim an das<br />

Theater der <strong>Freie</strong>n <strong>Volksbühne</strong> in <strong>Berlin</strong> und zwei Jahre<br />

später als einer der drei Geschäftsführer in den Bundesverband<br />

der deutschen <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Vereine. In<br />

dieser Eigenschaft kam ich Mitte Februar 1973 als Mitinitiator<br />

zum 50-jährigen Jubiläum der hiesigen <strong>Volksbühne</strong><br />

wieder nach Hildesheim.<br />

Hier tagten aus diesem Anlass Vorstand und Verwaltungsrat<br />

des Verbandes. Dabei erlebten diese<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>vertreter aus der ganzen Bundesrepublik,<br />

wie eine Hildesheimer Bürgerinitiative tausende von<br />

Unterschriften sammelte, um für den Erhalt des eigenen<br />

Theaters einzutreten. Helmut Barth unterstützte als<br />

Stadtrat, als <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Vorsitzender und mit seinen<br />

Verbindungen zu den Gewerkschaften erfolgreich die

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