28.04.2014 Aufrufe

Volksbühnen-Spiegel 1/2013 - Freie Volksbühne Berlin

Volksbühnen-Spiegel 1/2013 - Freie Volksbühne Berlin

Volksbühnen-Spiegel 1/2013 - Freie Volksbühne Berlin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

den die noch bestehenden etwa 250 Vereine liquidiert<br />

oder durch Mitgliedschaft im nationalsozialistischen<br />

Reichsverband „Deutsche Bühne“ gleichgeschaltet. Die<br />

Reichsorganisation „Deutsche Bühne“ war nicht nur die<br />

Nachfolgerin des Verbandes der deutschen <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Vereine,<br />

sondern auch des parallel dazu bis dahin<br />

existierenden Bühnenvolksbundes.<br />

Albert Brodbeck, der Geschäftsführer des Verbandes,<br />

schrieb in der letzten Nummer der „<strong>Volksbühne</strong>“ im<br />

Juni 1933: „Wir haben gearbeitet und unser Bestes<br />

gegeben, dreizehn Jahre lang. Wir haben, was unser<br />

ärgster Feind nicht bestreiten wird, den entscheidenden<br />

Vorstoß gemacht zur kulturellen Emanzipation der minderbemittelten<br />

Volksschichten. Wir haben gleichzeitig<br />

dem deutschen Theater eine Armee neuer, treuer,<br />

kunstbegeisterter Menschen zugeführt. Wir haben das<br />

theaterlose flache Land der Bühnenkunst erschließen<br />

helfen. Wir haben unsere Pflicht getan und sonst nichts<br />

aus uns gemacht. Was wir geschaffen und geschafft<br />

haben, war nicht umsonst. Das deutsche Theater wird<br />

immer wieder seine lebendigsten Kräfte aus den Quellen<br />

ableiten müssen, die von der deutschen <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Bewegung<br />

erschlossen worden sind. Insofern ist<br />

die deutsche <strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>arbeit nicht tot.“<br />

Die Zitate sind der Darstellung des Verbandes deutscher<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>-Vereine durch Dr. Marlene Gärtner<br />

(Droste Verlag 1978) entnommen. Heinrich Braulich<br />

beschrieb in seinem Buch „Die <strong>Volksbühne</strong>“ (Henschelverlag<br />

1976) „Theater und Politik in der deutschen<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>bewegung“ zwar aus der gefärbten Sicht<br />

damaliger DDR-Ideologie, stellte aber viele Fakten u.a.<br />

auch über die Auflösung der <strong>Berlin</strong>er <strong>Volksbühne</strong> zusammen.<br />

Darum soll es jetzt noch in kurzer Zusammenfassung<br />

gehen.<br />

Die Auflösung der Vereine geschah nicht auf einen<br />

Schlag und hat sich überall etwas anders vollzogen. In<br />

<strong>Berlin</strong> zum Beispiel war die Existenz des Vereins stark<br />

an die der eigenen Theater, der <strong>Volksbühne</strong> am damaligen<br />

Bülowplatz und dem Theater am Nollendorfplatz,<br />

gebunden. Dabei spielte Staatssekretär a. D. Curt Baake<br />

eine Rolle, der Erste Vorsitzende der <strong>Volksbühne</strong><br />

e.V., wie sich der <strong>Berlin</strong>er Verein nannte, und des Verbandes.<br />

Während sich der Verband aufgelöste, nahm die<br />

<strong>Berlin</strong>er <strong>Volksbühne</strong> im Mai 1933 zur neuen Situation<br />

Stellung. Siegfried Nestriepke, der wichtige Mentor der<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>bewegung, hatte sich 1928 als Geschäftsführer<br />

aus der Verbandsarbeit und nun auch als Generalsekretär<br />

aus dem Verein sowie als Verwaltungsdirektor<br />

aus dem Theater am Bülowplatz zurückgezogen.<br />

Curt Baake eröffnete am 19. Dezember 1933 eine<br />

Hauptversammlung mit der Feststellung, dass er auf die<br />

Einberufung einer Mitgliederversammlung und auf Wahlen<br />

verzichte. „An die Stele des Wahlsystems ist überall<br />

das Prinzip der straffen, verantwortlichen Führung<br />

getreten. Es muss auch für uns gelten.“ In einer neuen<br />

Satzung bekam der Erste Vorsitzende das Recht, die<br />

weiteren Positionen zu besetzen.<br />

Offenbar versuchte Baake durch Anpassung, den<br />

Verein zu retten. 1932 hatte Heinz Hilpert die Leitung<br />

des Theaters am Bülowplatz übernommen und setzte<br />

auf besonders prominente Darsteller, nicht auf politisches<br />

Engagement. Er wechselte 1934 ans Deutsche<br />

Theater, das Max Reinhardt dem deutschen Volke ü-<br />

bergeben hatte.<br />

Nicht nur die Weltwirtschaftskrise hatte den Mitgliederbestand<br />

schrumpfen lassen, jetzt traten auch<br />

Privattheater und Abonnementsgesellschaften mit niedrigen<br />

Eintrittspreisen als Konkurrenten auf. Das veranlasste<br />

den Verein, für 1934/35 vom Reichsministerium<br />

6<br />

für Volksaufklärung und Propaganda eine bedeutende<br />

finanzielle Unterstützung zu erbitten. Gleichzeitig wurde<br />

der Vorstand der <strong>Volksbühne</strong> veranlasst, in einer neuen<br />

Satzung die Mitwirkung des Reichsministeriums festzuschreiben.<br />

Der geschäftsführende Vorstand der <strong>Volksbühne</strong> trat<br />

am 26. Februar 1926 zurück. Curt Baake teilte dem<br />

Reichskulturamtsleiter Moraller mit, dass der Vorstand<br />

ihn am 8. April 1935 zum Ersten Vorsitzenden berufen<br />

habe. Am 14. September wurde dem Amtsgericht ein<br />

nunmehr politisch besetzter Vorstand mitgeteilt.<br />

Moraller dankte Baake, der von nun an eine Pension<br />

erhielt, in einem Brief vom 21. Oktober 1935. Daraus<br />

ein Auszug: „Ich weiß, dass Ihre Arbeit für die Entwicklung<br />

des Vereinsnicht vergeblich gewesen ist… Mit Ihnen<br />

hoffe ich, dass es der <strong>Volksbühne</strong> auch in Zukunft<br />

gelingen wird, ihre kulturellen Aufgaben zum Wohl der<br />

Allgemeinheit zu erfüllen. In diesem Sinne drücke ich<br />

Ihnen wärmstens die Hand und verbleibe mit deutschem<br />

Gruß und Heil Hitler gez. Moraller.“ DH<br />

Über die <strong>Volksbühne</strong> zu<br />

„Theater heute“<br />

In<br />

memoriam<br />

Henning<br />

Rieschieter<br />

Am 22. Mai <strong>2013</strong> starb in <strong>Berlin</strong> im Alter von 86 Jahren<br />

Prof. Dr. Henning Rischbieter. In Hannover geboren,<br />

studierte er nach seiner Verwundung im Krieg, die ihm<br />

seinen linken Unterarm kostete, in Göttingen Geschichte<br />

und Germanistik. Seine Dissertation schrieb er über<br />

die vom Preußisch-Französischen Handelsvertrag von<br />

1862 ausgelöste Zollvereins-Krise. Zum Theater fand er<br />

über die <strong>Volksbühne</strong>. Hier entstand 1960 „Theater heute“,<br />

die heute noch bestehende Zeitschrift, mit der er<br />

elementar neue Strömungen unterstützte und die ihr in<br />

Insiderkreisen den Namen „Theater Bremen“ einbrachten.<br />

Von Bremen brach PeterStein zur neuen „<strong>Berlin</strong>er<br />

Schaubühne“ auf. Mit „Theater heute“ trug Rischbieter<br />

1964 zur Gründung des <strong>Berlin</strong>er Theatertreffens bei.<br />

Von 1977 bis 1995 avancierte er zum Professor für<br />

Theaterwissenschaft an der <strong>Freie</strong>n Universität <strong>Berlin</strong>.1994<br />

wurde er Mitglied der Akademie der Künste.<br />

Das Internationale Theater-Institut widmete ihm in diesem,<br />

seinem Todesjahr den jährlich vergebenen Preis.<br />

Auf Henning Rischbieter gehen etliche Publikationen<br />

zurück. 2009 schrieb er seine Erinnerungen „Schreiben<br />

Knappwurst abends Gäste“, die im Kampen Verlag,<br />

Springe, erschien und in der er auch seinen Einstieg in<br />

die Theaterwelt durch die <strong>Volksbühne</strong> Hannover und<br />

das Entstehen der Zeitschrift „Theater heute“ in seinem<br />

dortigen Geschäftszimmer schilderte. Dass er den<br />

<strong><strong>Volksbühne</strong>n</strong>verband als zögerlich beschrieb, die Zeitschrift<br />

zu übernehmen, muss man aus der Zeit heraus<br />

verstehen. Immerhin ermöglichte die <strong>Volksbühne</strong> den<br />

Start mit einem Darlehen von 30.000 DM.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!