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Konfliktfähiges Zusammenleben in Familien ... - Familienbildung

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„<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong><br />

- Konfliktfähige Familie“<br />

Dokumentation exemplarischer<br />

<strong>Familien</strong>bildungsangebote<br />

Projekt des AWO-Bundesverbandes e.V.<br />

von 1999 bis 2001


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

______________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

© Januar 2003, Bonn<br />

Herausgeber: Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.<br />

Oppelner Straße 130<br />

53119 Bonn<br />

Bericht: Dr. Heidemarie Wan<strong>in</strong>ger, Mobile Elternschule (MES)<br />

Brigitte W<strong>in</strong>kler, Falkensee<br />

Verantwortlich: Ra<strong>in</strong>er Brückers<br />

Die Mobile Elternschule (MES) und das Zusatzprojekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> von<br />

<strong>Familien</strong> - Konfliktfähige Familie“ werden gefördert vom Bundesm<strong>in</strong>isterium für <strong>Familien</strong>,<br />

Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Bonn<br />

2


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Inhalt<br />

Zur E<strong>in</strong>führung 4<br />

1 Die Kampagne „Mehr Respekt vor K<strong>in</strong>dern“ 4<br />

2 Maßnahmeträger<strong>in</strong> Mobile Elternschule der AWO 5<br />

Seite<br />

3 Das AWO-Projekt “<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ 8<br />

3.1 Ausgangssituation und Begründungszusammenhänge 8<br />

3.1.1 <strong>Familien</strong> 8<br />

3.1.2 Konfliktpotentiale im familialen <strong>Zusammenleben</strong> 8<br />

3.1.3 <strong>Familien</strong>bildung 10<br />

3.2 Projektstruktur 11<br />

3.2.1 Ziele und Zielgruppen 11<br />

3.2.2 Formen, Inhalte und Methoden 13<br />

3.2.3 Projektablauf 14<br />

3.3 Projektdurchführung 15<br />

3.3.1 Auswahl der Veranstaltungsformen 15<br />

3.3.2 Exemplarische Sem<strong>in</strong>arbeschreibungen 18<br />

• E<strong>in</strong>zelveranstaltungen 18<br />

A 18<br />

B 28<br />

• <strong>Familien</strong>bildungswochenenden 32<br />

A 32<br />

B 42<br />

• Fortbildungen für Multiplikator/<strong>in</strong>nen 52<br />

A 52<br />

B 59<br />

4 Zusammenfassendes Resümee 65<br />

3


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Zur E<strong>in</strong>führung<br />

Die Schwierigkeit, <strong>in</strong>nerhalb der Familie so zu kommunizieren, dass unnötige Konflikte, Wut und<br />

Gewalt vermieden werden, gelangt immer mehr <strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> von Eltern. Ebenso schwer ist es, aus<br />

entstandenen oder unvermeidbaren Konflikten heraus konstruktive Lösungswege zu f<strong>in</strong>den, die die<br />

persönlichen Beziehungen zwischen <strong>Familien</strong>mitgliedern möglichst wenig belasten. Das ist schwer,<br />

aber es gibt Möglichkeiten, Konflikten, Wut und Aggressionen vorzubeugen oder auch konstruktive<br />

Lösungswege zu f<strong>in</strong>den, bei denen niemand siegen und niemand unterliegen muss. Konfliktvorbeugung<br />

und Konfliktbewältigungsstrategien kann man erlernen.<br />

Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen der Mobilen Elternschule des AWO Bundesverbandes sammelten im Präventionsprojekt<br />

„<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ Sem<strong>in</strong>arerfahrungen mit <strong>Familien</strong>bildung<br />

und Erzieher<strong>in</strong>nen-Fortbildung <strong>in</strong> ländlich strukturierten Regionen dreier Bundesländer. Die im folgenden<br />

vorgestellten <strong>Familien</strong>bildungsveranstaltungen verdeutlichen, dass <strong>in</strong> der Sem<strong>in</strong>ararbeit zu der<br />

schwierigen, weil äußerst sensiblen Thematik der „Gewaltprävention <strong>in</strong> der Familie“ mit unterschiedlichen<br />

Gruppenkonstellationen, unterschiedlichen Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-Interessen und Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-<br />

Bedürfnisse auch mit unterschiedlichen Formen, Methoden und Intensitäten gearbeitet werden sollte<br />

und gearbeitet werden kann.<br />

<strong>Familien</strong> lassen sich zur <strong>in</strong>tensiven Reflexion des Themenfeldes „Kommunikation – Konfliktvorbeugung<br />

– Konfliktbearbeitung ohne Sieger/<strong>in</strong>nen und Verlierer/<strong>in</strong>nen“ motivieren, wenn sie sich <strong>in</strong> Gesprächs-<br />

oder Lerngruppen grundsätzlich mit ihren elterlichen Alltagssorgen und den wiederkehrenden<br />

Machtkämpfen mit den K<strong>in</strong>dern ernst genommen fühlen.<br />

Der größte Teil der Sem<strong>in</strong>arteilnehmer/<strong>in</strong>nen nahm als teilweise ganz neue Sicht auf Beziehungsprozesse<br />

<strong>in</strong> <strong>Familien</strong> folgende Denkanstöße mit nach Hause:<br />

• E<strong>in</strong>sichten, Haltungs- und Verhaltensänderungen lassen sich weder bei Erwachsenen noch bei<br />

K<strong>in</strong>dern fordernd mit dem pädagogischen Zeigef<strong>in</strong>ger erreichen.<br />

• Der Weg zur konfliktfähigen Familie führt über das Zuhören und gegenseitige Verstehen, über<br />

Zeit für e<strong>in</strong>ander – auch im Rahmen von Bildungsveranstaltungen - und über Aufmerksamkeit,<br />

Austausch und Anerkennung.<br />

Die Projektsem<strong>in</strong>are hatten den Aussagen der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen zufolge grundsätzlich positive, ermutigende,<br />

aktivierende Wirkungen, die über die eigentliche Sem<strong>in</strong>ardauer h<strong>in</strong>aus reichen. Und: Die<br />

Teilnehmer/<strong>in</strong>nen sowohl der Eltern- und <strong>Familien</strong>veranstaltungen als auch der Fortbildungsveranstaltungen<br />

für Erzieher/<strong>in</strong>nen setzten sich für die Fortsetzung/Weiterführung der Gruppenarbeit zu Themen<br />

der Konflikt- und Gewaltprävention e<strong>in</strong>.<br />

1 Die Kampagne „Mehr Respekt vor K<strong>in</strong>dern“ des BMFSFJ<br />

§ 1631 (2) BGB „Recht des K<strong>in</strong>des auf gewaltfreie Erziehung“ und § 16 KJHG „Allgeme<strong>in</strong>e<br />

Förderung der Familie“<br />

In ihrer Koalitionsvere<strong>in</strong>barung von 1998 schreibt sie: „Wir werden die K<strong>in</strong>derrechte stärken. K<strong>in</strong>der<br />

s<strong>in</strong>d eigenständige Persönlichkeiten. Die Rechte von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen werden wir ausbauen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere das Recht von K<strong>in</strong>dern auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich festschreiben. (...) Im Interesse<br />

der K<strong>in</strong>der werden wir die <strong>Familien</strong>bildung und die <strong>Familien</strong>-, Lebens- und Erziehungsberatung<br />

zur Bewältigung von Alltagskonflikten sichern.“<br />

Im Jahre 2000 verabschiedete der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Ächtung der Gewalt <strong>in</strong> der<br />

Erziehung“. Schon vor der Änderung missbilligte § 1631 BGB körperliche Misshandlungen: „Entwürdigende<br />

Erziehungsmaßnahmen, <strong>in</strong>sbesondere körperliche und seelische Misshandlungen, s<strong>in</strong>d<br />

unzulässig.“ Diese Formulierung wurde ersetzt durch:<br />

„K<strong>in</strong>der haben e<strong>in</strong> Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seeli<br />

sche Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen s<strong>in</strong>d unzulässig.“<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Mit dem gesetzlichen Verbot von Gewalt und Körperstrafen folgte nun Deutschland e<strong>in</strong>erseits den<br />

Vorreitern Schweden, Norwegen, F<strong>in</strong>nland, Dänemark und Österreich. Andererseits verwirklichte der<br />

Bundestag – endlich - e<strong>in</strong>e mehr als 20 Jahre alte Forderung zahlreicher deutscher Verbände.<br />

Mit dieser Gesetzesänderung reagierte die Bundesregierung auf die immer noch weite Verbreitung<br />

körperlicher Züchtigung als Erziehungsmittel. Nach Angaben des Deutschen K<strong>in</strong>derschutzbundes<br />

halten auch heute noch mehr als 70 % der Eltern Körperstrafen (<strong>in</strong> besonderen Fällen) für angemessen,<br />

wenngleich <strong>in</strong> zunehmendem Maße Schläge das Gefühl des Versagens und der Ohnmacht bei den<br />

Eltern hervorrufen.<br />

Das Gesetz drängt Eltern und Erziehungsverantwortliche zum Umdenken und zu e<strong>in</strong>er grundlegenden<br />

Haltungsänderung <strong>in</strong> Bezug auf ihr Erziehungsverhalten. Um diesen Prozess zu beschleunigen und<br />

Eltern dabei wirkungsvoll zu unterstützen, wurde zugleich auch die gesetzliche <strong>Familien</strong>förderung um<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen, gewaltpräventiven Zusatz ergänzt. §16 KJHG, der Eltern den Anspruch auf Förderung,<br />

Beratung und <strong>Familien</strong>bildung sichert, wurde erweitert um den konkreten Zusatzauftrag,<br />

<strong>Familien</strong>förderungsmaßnahmen „sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen<br />

<strong>in</strong> der Familie gewaltfrei gelöst werden können.“<br />

Mit der Gesetzesänderung alle<strong>in</strong> war noch weder e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong>swandel noch e<strong>in</strong>e Veränderung der<br />

Erziehungspraxis erreicht. Um das Gesetz auf möglichst breiter Ebene öffentlich bekannt zu machen,<br />

um der hohen Bewertung Ausdruck zu geben, die der Gesetzgeber ihm beimisst, und um Eltern praktische<br />

Hilfestellungen anzubieten, startete das BMFSFJ im Jahr 2000 die bundesweit angelegte Begleitkampagne<br />

„Mehr Respekt vor K<strong>in</strong>dern!“.<br />

Neben zahlreichen Trägern, Verbänden und E<strong>in</strong>richtungen bundesweit beteiligte sich auch der Arbeiterwohlfahrt<br />

Bundesverband mit se<strong>in</strong>er Mobilen Elternschule (MES) daran, Gewaltfreiheit <strong>in</strong> der Erziehung<br />

zum Gesprächsthema zu machen und das Recht der K<strong>in</strong>der auf gewaltfreie Erziehung <strong>in</strong>s<br />

öffentliche Bewusstse<strong>in</strong> zu heben.<br />

2 Maßnahmeträger<strong>in</strong> Mobile Elternschule der AWO<br />

Die Mobile Elternschule (MES) ist für e<strong>in</strong>e solche Projektaufgabe <strong>in</strong> besonderer Weise prädest<strong>in</strong>iert.<br />

Die MES ist e<strong>in</strong>e vom BMFSFJ geförderte familienpädagogische E<strong>in</strong>richtung, die seit über 40 Jahren<br />

praktische Anregungen für <strong>Familien</strong>bildung <strong>in</strong> ländlichen Regionen gibt (Aufbau dezentraler <strong>Familien</strong>bildungsstrukturen)<br />

und gezielt familienpädagogische Aufbau- und Starthilfe leistet.<br />

Im Vordergrund stehen die Kontaktaufnahme zu den Eltern und <strong>Familien</strong> sowie das Bekanntmachen<br />

mit und Motivieren für Begegnungen, Gespräche und Lernen <strong>in</strong> Eltern- und <strong>Familien</strong>gruppen. Sie will<br />

beispielsweise<br />

• e<strong>in</strong>e Vielzahl von Bildungsangeboten für <strong>Familien</strong> entwickeln und bedarfsgerecht durchführen.<br />

So vermittelt sie z.B. Informationen zu Fragen der Entwicklung des K<strong>in</strong>des, der Kommunikation<br />

<strong>in</strong> der Familie und des <strong>Zusammenleben</strong>s von Erwachsenen und<br />

• Die MES will anregen und unterstützen, dass Eltern mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>s Gespräch kommen, sich<br />

austauschen über die D<strong>in</strong>ge des <strong>Familien</strong>alltags und sich so Unterstützung holen und geben.<br />

• Sie will Hilfen zur konfliktfähigen Alltagsbewältigung von <strong>Familien</strong> vermitteln sowie dazu,<br />

die gesellschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen, die familiäre Situationen bee<strong>in</strong>flussen, besser zu verstehen<br />

und damit <strong>Familien</strong>(-mitglieder) zu e<strong>in</strong>er organisierten Vertretung ihrer Interessen auffordern<br />

und befähigen.<br />

Die besonderen Möglichkeiten und Chancen der MES zum Vergleich von Sem<strong>in</strong>arkonzepten<br />

und –methoden<br />

5


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Die <strong>Familien</strong>bildungs-Veranstaltungen der MES s<strong>in</strong>d modellhaft, weil sowohl die E<strong>in</strong>satzphasen<br />

als auch der regelmäßige Standortwechsel permanente Erprobungs- und Korrekturmöglichkeiten, wie<br />

auch die Sammlung themenorientierter Methodenempfehlungen für unterschiedliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

bieten. Es gehört zum Auftrag der MES, ihre Erfahrungen und Empfehlungen kont<strong>in</strong>uierlich<br />

bei jedem neuen E<strong>in</strong>satz vor Ort e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, sie den örtlichen Gegebenheiten entsprechend umzusetzen<br />

und weiterzuvermitteln. Die MES entwickelt und plant, erprobt und korrigiert, überträgt und<br />

ergänzt, veröffentlicht und bietet ihre Erfahrungen an, um gerade <strong>in</strong> bildungsfernen, ländlichen Bereichen<br />

zu <strong>in</strong>tensiver, zielgerichteter <strong>Familien</strong>bildung zu gelangen.<br />

In ihren ganz überwiegend ländlichen E<strong>in</strong>satzgebieten trifft die MES auf sehr unterschiedlich zusammengesetzte<br />

Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-Gruppen mit unterschiedlichen pädagogischen Grund<strong>in</strong>formationen,<br />

Erziehungsvorstellungen, Arbeits- und Lerngewohnheiten. In den drei folgenden Beispielsituationen<br />

beschreiben wir die teilnehmer/<strong>in</strong>nenbzogenen Basiserfahrungen der MES. Sie waren von Bedeutung<br />

für die Veranstaltungsplanungen im Rahmen des Projekts und spiegelten sich auch <strong>in</strong> den Durchführungsverlaufen<br />

wider.<br />

Exemplarische Beschreibung ländlicher <strong>Familien</strong>bildungssituationen– Basiserfahrungen der<br />

MES <strong>in</strong> den Regionen der Projektdurchführung<br />

6<br />

• Beispiel 1: <strong>Familien</strong> und Erzieher<strong>in</strong>nen im ländlichen Umfeld von Lutherstadt-Wittenberg<br />

(MES-E<strong>in</strong>satz 1999/2000).<br />

Die <strong>Familien</strong>bildung muss <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt an DDR-Sozialisation, an e<strong>in</strong> sozialistisches<br />

Menschenbild und an Werte sozialistischer Erziehungsvorstellungen anknüpfen. <strong>Familien</strong>bildungs-Angebote<br />

treffen hier auf Eltern, die bisher nur wenig Erfahrung sammeln konnten,<br />

und kaum Vorbilder <strong>in</strong> ihrem sozialen Umfeld dafür haben, wie vergleichsweise lange geme<strong>in</strong>same<br />

Zeiten <strong>in</strong> und mit der Familie positiv und befriedigend gestaltet werden können,<br />

wo die besonders konfliktträchtigen, sensiblen Punkte liegen (Balance zwischen gewünschter<br />

Nähe und notwendigen <strong>in</strong>dividuellen Freiräumen) und wie diese kommunikativ geklärt, ausgehandelt,<br />

befriedigend gelöst werden können.<br />

In ihrer K<strong>in</strong>dheit und Jugend konnte die heutige Elterngeneration kaum erfahren, dass Eltern<br />

schwierige Erziehungsfragen alle<strong>in</strong> lösen müssen und dass sie vielfältige Entscheidungen des<br />

<strong>Familien</strong>alltags eigenverantwortlich zu treffen haben, um Familie zu e<strong>in</strong>em konstruktiven,<br />

funktionierenden Ort vertrauensvollen sozialen <strong>Zusammenleben</strong>s zu machen. Staatliche Organisationen<br />

zogen K<strong>in</strong>der und großenteils auch Eltern fast lückenlos <strong>in</strong> unterschiedlichsten<br />

Kollektiven zusammen. – <strong>Familien</strong>bildung ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der <strong>in</strong>teressierten Öffentlichkeit (z.B. Eltern,<br />

pädagogische Fachkräfte öffentliche und freie Träger) immer noch distanziert, teilweise<br />

skeptisch wahrgenommener Begriff. Unsicherheiten, Vorsicht und Zurückhaltung s<strong>in</strong>d beobachtbar<br />

und spürbar und werden auch offen ausgesprochen.<br />

• Beispiel 2: <strong>Familien</strong> im ländlichen Umfeld von Ma<strong>in</strong>z-B<strong>in</strong>gen (MES-E<strong>in</strong>satz 2000/2001).<br />

<strong>Familien</strong>bildungsangebote erreichen e<strong>in</strong>erseits Eltern, die auf Grund hohen erzieherischen<br />

Engagements mehr Verhaltenssicherheit gew<strong>in</strong>nen möchten. Ihnen liegen Sachthemen wie<br />

K<strong>in</strong>der und Medien, Verhaltensauffälligkeiten von K<strong>in</strong>dern, Gesundheits- und Suchtprävention<br />

ebenso am Herzen wie Themen der Kommunikation, Beziehungsförderung, Gesprächsführung<br />

und Vertrauenspflege <strong>in</strong> der Familie im S<strong>in</strong>ne präventiver zukunftsgerichteter Hilfen für<br />

K<strong>in</strong>der und Eltern. Andererseits zielen <strong>Familien</strong>bildungs-Angebote vorbei an der großen Zahl<br />

teilweise ger<strong>in</strong>g motivierter Eltern, die zu e<strong>in</strong>er Teilnahme an <strong>Familien</strong>bildungs-Angeboten<br />

nur äußerst schwer und mühsam zu bewegen s<strong>in</strong>d.<br />

• Beispiel 3: <strong>Familien</strong> im ländlichen Umfeld von Berl<strong>in</strong> und Potsdam (MES-E<strong>in</strong>satz<br />

2002/2003).<br />

Angebote s<strong>in</strong>d hier sensibel auszurichten auf e<strong>in</strong>e Durchmischung von<br />

o <strong>Familien</strong> mit <strong>Familien</strong>bildungserfahrungen und konkreten Vorstellungen, die sie aus<br />

Westberl<strong>in</strong>/Westdeutschland mitbr<strong>in</strong>gen und nun auch <strong>in</strong> Brandenburg nachfragen,<br />

und


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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o <strong>Familien</strong> aus Brandenburg, die offen und bereit s<strong>in</strong>d, <strong>Familien</strong>bildungs-Angebote als<br />

Bestätigung und/oder Hilfe für ihr Erziehungshandeln unter veränderten gesellschaftlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen anzunehmen.<br />

Da gibt es die Entschiedenen und Entschlossenen, die mit Selbstsicherheit und nach<br />

<strong>in</strong>zwischen 12-jährigem E<strong>in</strong>leben <strong>in</strong> die veränderten Formen von <strong>Familien</strong>leben hören,<br />

erleben und erfahren wollen, wie andere Eltern mit ihren K<strong>in</strong>dern Familie und<br />

<strong>Familien</strong>beziehungen gestalten.<br />

Und da s<strong>in</strong>d die anderen <strong>Familien</strong>, die von Freunden oder Bekannten „mitgebracht“<br />

(d.h. manchmal zur Teilnahme überredet) werden, oder die sich zur Teilnahme überwunden<br />

haben, weil sie auf Hilfe für aktuelle familiäre Schwierigkeiten hoffen; sie<br />

haben es häufig schwer, <strong>in</strong> der Elterngruppe ihre Verwurzelung mit Erziehungspr<strong>in</strong>zipien<br />

und Maximen aus dem Leben <strong>in</strong> der DDR zu überw<strong>in</strong>den. <strong>Familien</strong>bildung<br />

vermittelt ihnen Erfahrungen und evtl. die Überzeugung, dass schon kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der<br />

Freiheiten und Freiräume, Entscheidungsmöglichkeiten nutzen und gestalten können.<br />

Eltern erfahren und erleben beispielsweise, dass K<strong>in</strong>der Selbstwirksamkeitserlebnisse<br />

mehr brauchen als etwa von Erwachsenen erdachte Vorgaben und Programme, Erwartungen<br />

an unbed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>- und Unterordnung und strikten Gehorsam, um stark,<br />

konfliktfähig und möglichst unverführbar zu werden.<br />

Anders als stationäre E<strong>in</strong>richtungen der <strong>Familien</strong>bildung kann die MES also die pädagogische Arbeit<br />

<strong>in</strong> sehr unterschiedlichen Gruppenkonstellationen e<strong>in</strong>ander gegenüberstellen. Diese Erfahrungen kann<br />

sie anbieten. Die MES kann aufmerksam machen, Ideen und Vorschläge für <strong>Familien</strong>bildungspraxis<br />

anderer Träger und an anderen Orten formulieren.<br />

Ihre besonderen Möglichkeiten und Chancen konnte die MES auch <strong>in</strong> das Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong><br />

<strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Ihre Praxish<strong>in</strong>weise zu Aspekten der Gewaltprävention und<br />

Konfliktbearbeitung können für die <strong>Familien</strong>bildung ausgewertet und trägerübergreifend genutzt werden.<br />

Die MES-Erprobungssem<strong>in</strong>are zur familienbezogenen Kommunikation und Gewaltprävention wurden<br />

<strong>in</strong> 3 unterschiedlichen Regionen durchgeführt:<br />

• Lutherstadt-Wittenberg, Sachsen-Anhalt (MES-E<strong>in</strong>satz 1999/2000)<br />

• Ma<strong>in</strong>z-B<strong>in</strong>gen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz (MES-E<strong>in</strong>satz 2000/2001) und<br />

• Region Potsdam, Brandenburg (MES-E<strong>in</strong>satz 2000 und 2001).<br />

Die Sem<strong>in</strong>are <strong>in</strong> Brandenburg fanden <strong>in</strong> Kooperation mit dem Museum K<strong>in</strong>dertagesstätten <strong>in</strong> Deutschland<br />

– Kita-Museum e.V., Groß Glienicke parallel zu den Veranstaltungen <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt und<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz statt - <strong>in</strong> Vorbereitung des späteren MES-E<strong>in</strong>satzes 2002/2003 im Landkreis Havelland/Brandenburg.<br />

3 Das AWO-Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“<br />

3.1 Ausgangssituation / Begründungszusammenhang<br />

3.1.1 <strong>Familien</strong><br />

<strong>Familien</strong> übernehmen zentrale Aufgaben der privaten und gesellschaftlichen Versorgung, Erziehung<br />

und Bildung zur Bewältigung des Alltagslebens. <strong>Familien</strong>arbeit und Elternschaft tragen entscheidend<br />

zur Schaffung und Erhaltung des geistigen und humanen Vermögens unserer Gesellschaft bei. In der<br />

Familie werden Grundlagen für die Entwicklung <strong>in</strong>dividueller Handlungskompetenzen und für den<br />

Aufbau sozialer Dase<strong>in</strong>skompetenzen gelegt. Der Alltag von <strong>Familien</strong> ist vermehrt durch wirtschaftlichen<br />

oder sozialen Druck, durch Zeitmangel und Stress belastet. Familiären Strukturen und Beziehun-<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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gen werden dadurch hohe Belastungen zugemutet. Beziehungen <strong>in</strong> der Familie müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividualisierten<br />

Gesellschaft <strong>in</strong> zunehmendem Maße S<strong>in</strong>n geben. Familie wird mit Ansprüchen überfrachtet,<br />

denen sie allzu häufig nicht gerecht werden.<br />

8<br />

• Die familialen Lebensformen werden vielgestaltiger. Die Vorstellung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen <strong>Familien</strong>leitbildes<br />

entspricht nicht mehr den <strong>Familien</strong>realitäten.<br />

• Alte familiale Lebens- und Interaktionsmuster haben sich überlebt. <strong>Familien</strong>leben kann nicht<br />

länger durch tradiertes Wissen und eigene K<strong>in</strong>dheitserfahrungen fortgesetzt und befriedigend<br />

gestaltet werden. Der gradl<strong>in</strong>ige Zugriff auf Lebens- und <strong>Familien</strong>modelle der Vergangenheit<br />

wird durch veränderte Beziehungsstrukturen und hohe Anforderungen an Flexibilität <strong>in</strong> allen<br />

Lebensbereichen verwehrt. Erfahrungswissen und Vergleichbarkeit alle<strong>in</strong> reichen für die Bewältigung<br />

der Alltagsaufgaben nicht aus.<br />

• Veränderungen <strong>in</strong> den <strong>Familien</strong>formen und -beziehungen gehen e<strong>in</strong>her mit e<strong>in</strong>em Rückgang<br />

der Orientierungen an weltanschaulichen Wertesystemen.<br />

• Die Vielfalt familialer Lebensformen hängt ganz wesentlich mit der Stabilität von Erwachsenenbeziehungen<br />

zusammen. Das Gesamtbild der <strong>Familien</strong>formen ist heute auch von Scheidungen<br />

und der Auflösung nichtehelicher Partnerschaften geprägt.<br />

• Die Lebenssituationen von K<strong>in</strong>dern s<strong>in</strong>d von den familialen Veränderungen nachhaltig betroffen.<br />

• Die Lebenskonzepte von Männern, <strong>in</strong> zunehmendem Maße auch von Frauen, orientieren sich<br />

an e<strong>in</strong>er Erwerbstätigkeit auf Dauer. Die Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf scheitert jedoch<br />

schon am ungenügenden Angebot adäquater K<strong>in</strong>derbetreuungsmöglichkeiten und am aktuellen<br />

Arbeitsmarkt. Erlernte Rollenbilder und Identitätsmuster stehen zudem häufig e<strong>in</strong>er partnerschaftlichen<br />

Arbeitsteilung konfliktträchtig und verunsichernd im Wege.<br />

Aus dem Zerfall von <strong>Familien</strong>traditionen und –gewohnheiten ergaben sich bezüglich der Erziehung<br />

ihrer K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den letzten Jahren immer höhere Ansprüche an Eltern. Es wird erwartet, dass <strong>Familien</strong><br />

die optimale Förderung der K<strong>in</strong>der gewährleisten, sie effektiv auf die gesellschaftliche Zukunft vorbereiten<br />

und ihnen die erforderliche Sozialkompetenz und Leistungsfähigkeit vermitteln. E<strong>in</strong> großer Teil<br />

der Eltern fühlt sich durch diese Erwartungen überfordert, ohnmächtig, alle<strong>in</strong> gelassen, auch frustriert<br />

und wütend.<br />

3.1.2 Konfliktpotentiale im familiären <strong>Zusammenleben</strong><br />

Die Ursachen von Konflikten, die das familiale <strong>Zusammenleben</strong> belasten, müssen differenziert betrachtet<br />

werden. Ihre Vielfalt und Unterschiedlichkeit ist von Bedeutung für die Entscheidungen über<br />

Formen, Ansätze und Methoden präventiver Maßnahmen.<br />

Zuerst e<strong>in</strong>ige pr<strong>in</strong>zipielle Feststellungen: Wo Menschen zusammen leben, gibt es Interessenunterschiede,<br />

Me<strong>in</strong>ungs- und Bewertungsunterschiede, die zu Ause<strong>in</strong>andersetzungen führen). Wir brauchen<br />

Formen und Wege, Gesprächs- und Umgangsmethoden, Konfliktlösungsstrategien, die uns die Bewältigung,<br />

die konstruktive Lösung von Konflikten ermöglichen. Nur so können vertrauensvolle Beziehungen<br />

und der <strong>Familien</strong>friede entstehen und erhalten bleiben.<br />

Im Gegenzug beschreiben Berichte aus Beratung und Therapie als häufig zu beobachtende Reaktionsmuster<br />

<strong>in</strong> Problemsituationen: Ungelöste Konflikte, unbearbeitete Kränkungen und Enttäuschungen<br />

suchen sich emotionale Auswege und Ausdrucksformen <strong>in</strong> Rückzug und Selbstisolation oder aber<br />

<strong>in</strong> Aggression und Gewalt. Sachbeschädigungen, Aggressionen gegenüber anderen Menschen und sich<br />

selbst können die Folge se<strong>in</strong>.<br />

Aggressionen und Gewaltereignisse entstehen aus e<strong>in</strong>em Zusammentreffen verschiedener ursächlicher<br />

Faktoren. Im konkreten Konfliktfalle lassen sich die auslösenden Anteile der Faktoren nicht klar ermitteln<br />

und vone<strong>in</strong>ander abgrenzen. Dennoch ist e<strong>in</strong>e gedankliche Analyse der „Wurzelstränge“ hilfreich.


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Das soziale Umfeld, die Lebensbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d als Aggressions- und Gewaltauslöser unbedeutend,<br />

wenn sie der Lebensgestaltung der <strong>Familien</strong>mitglieder Freiheiten und gute strukturelle Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

ermöglichen. Treten jedoch stressauslösende Momente wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot,<br />

Armut und Schulden, mangelndes Betreuungsangebot für K<strong>in</strong>der, Suchtverhalten und/oder soziale<br />

Isolation der Familie auf, ist das Beziehungsgefüge der Familie strapaziert und oftmals überfordert.<br />

Können Enttäuschungen und Nervenstress dann nicht auf Hobbies oder andere Felder abgeleitet werden<br />

(Kompensation), muss häufig das schwächste Mitglied als Aggressionsobjekt herhalten. Es ist e<strong>in</strong><br />

Potential an Wut, elterlicher Unausgeglichenheit und Aggressivität entstanden, das (auch) auf die<br />

K<strong>in</strong>der abgeladen wird. Auf diese Weise kann das Gefühl von Überforderung und Hilflosigkeit <strong>in</strong> der<br />

K<strong>in</strong>dererziehung zur Entstehung von Angst und Gewalt <strong>in</strong> der Familie beitragen.<br />

K<strong>in</strong>der können darauf oder auf außerhalb der Familie erlebte Enttäuschungen, Demütigungen oder<br />

Versagenserfahrungen ihrerseits mit Aggressivität den Eltern und Geschwistern gegenüber reagieren.<br />

E<strong>in</strong> Kreislauf von Aggression und Gegenaggression entsteht im <strong>Familien</strong>system.<br />

Die Vielzahl der Darstellungen von Gewalt <strong>in</strong> den Medien unterstützt E<strong>in</strong>stellungen, wonach Gewalt<br />

als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Interessen und Wünschen gilt.<br />

Die genannten Entstehungszusammenhänge wirken umso stärker auf die Entwicklung von Aggressivität<br />

und Gewalt h<strong>in</strong>, je weniger Menschen <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Interessen verbal zu formulieren, Aushandlungsprozesse<br />

aufzunehmen und Konflikte kommunikativ zu klären. Wer mit anderen z.B. über Ängste,<br />

Kränkungen und Überforderung sprechen kann, beugt damit dem Entstehen von Aggression und<br />

Gewalt vor, bzw. hat gute Chancen, diese frühzeitig zu bearbeiten und gewaltlos zu bewältigen.<br />

Kommunikativen Fähigkeiten kommt im Rahmen der Gewaltprävention e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung zu, weil<br />

sie auf alle denkbaren Aggressionsursachen positiv, mildernd, lösend e<strong>in</strong>wirken können.<br />

Neben den genannten eher ursächlich strukturell bed<strong>in</strong>gten Wurzeln s<strong>in</strong>d natürlich die aus der Persönlichkeitsentwicklung<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Person resultierenden Faktoren e<strong>in</strong>zubeziehen. In der K<strong>in</strong>dheit<br />

erlebte, <strong>in</strong>ternalisierte Reaktionsmuster können häufig im Erwachsenenalten nur noch schwer verändert<br />

oder ersetzt werden. Menschen, die <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dheit geschlagen wurden, greifen öfter als andere<br />

auch später <strong>in</strong> der eigenen Familie auf die körperliche Bestrafung zurück.<br />

Sowohl die Gesetzeserlasse als auch Bildungs- und Überzeugungsbemühungen zur endgültigen Abschaffung<br />

von körperlichen Strafen und seelischen Verletzungen leiten sich aus deren negativen Folgen<br />

und Wirkungen ab.<br />

Körper und Seelen, die Gewalt erfahren, reagieren mit unterschiedlichsten psychischen und psychosomatischen<br />

Störungen. Beispiele: Hauterkrankungen, Sprachstörungen, Depressionen, Süchte, Sehnsüchte<br />

(z.B. nach Liebe und Geborgenheit), Versagensgefühle, Fehlen von Geme<strong>in</strong>schaftsfähigkeit<br />

und Wertorientierung. Schon diese wenigen exemplarisch angeführten Beispiele körperlicher und seelischer<br />

Reaktionen weisen auf zahlreiche unmittelbar gesellschaftlich wirksame Folgeentwicklungen<br />

h<strong>in</strong>: die nur angedeuteten Störungen können z.B.<br />

• Zu Beziehungsunfähigkeit, Gewalt <strong>in</strong> der Familie, Trennungen und Scheidungen mit all ihren<br />

negativen Begleitersche<strong>in</strong>ungen für Eltern und K<strong>in</strong>der führen.<br />

• Suchtverhalten, das auch die Suche nach Geborgenheit <strong>in</strong> Sekten, Szenen, rechtsradikalen oder<br />

krim<strong>in</strong>ellen Gruppen e<strong>in</strong>schließt, stört das <strong>Zusammenleben</strong> im sozialen Umfeld.<br />

• Angst kann K<strong>in</strong>der zur Flucht und dann <strong>in</strong> Milieus von Drogenkonsum, Prostitution und Krim<strong>in</strong>alität<br />

treiben.<br />

• Mangelndes Selbstvertrauen bewirkt Unsicherheiten und Ängste, auch die Angst vor Fremdem(n).<br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit und/oder Rassenhass können hier ihren Ausgangspunkt haben.<br />

• Gewalterfahrungen verwischen den natürlichen Bezug zu Recht und Unrecht. Das Schuld- und<br />

Unrechtsbewusstse<strong>in</strong> entwickelt sich nicht.<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

______________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Deutlich wird, dass Gewalt zerstörende und gesellschaftsschädigende<br />

Folgewirkungen hat. Um diese frühzeitig zu bekämpfen, Gewalt möglichst nicht<br />

entstehen zu lassen, setzt <strong>Familien</strong>bildung bei den Ursachen und Wurzeln an.<br />

3.1.2 <strong>Familien</strong>bildung<br />

<strong>Familien</strong>bildung ist lebensweltorientiert und setzt am konkreten <strong>Familien</strong>alltag und Lebensumfeld an.<br />

Sie richtet sich an <strong>Familien</strong> unterschiedlicher Lebensformen, Lebensphasen und Lebenssituationen<br />

und berücksichtigt dabei regionale, lokale und kulturelle Besonderheiten. <strong>Familien</strong>bildung fördert<br />

Initiativen, die auf Lebensrealitäten im Wohnumfeld abzielen sowie Anleitung zur Selbsthilfe <strong>in</strong> vielfältigen<br />

Bereichen geben. Dabei steht das Vermitteln von Kenntnissen und Fähigkeiten gleichberechtigt<br />

neben Kommunikation und Begegnung.<br />

„Familie zu leben“ muss lebenslang und dauerhaft unterstützt gelernt werden. Hier Orientierung zu<br />

geben und Hilfe zu leisten, ist Aufgabe zeitgemäßer <strong>Familien</strong>bildung. Die Erreichbarkeit der Angebote<br />

im Nahbereich und niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten s<strong>in</strong>d wichtige Bed<strong>in</strong>gungen der Arbeit.<br />

Aufgaben und Ziele s<strong>in</strong>d unter gesellschafts- und sozialpolitischen wie auch unter <strong>in</strong>nerfamilialen<br />

Aspekten zu betrachten. E<strong>in</strong>ige Beispiele:<br />

• Orientierung an Alltagsfragen und Lebensphasen (ke<strong>in</strong>eswegs nur krisenorientiert)<br />

• Individuelle und geme<strong>in</strong>same Bedürfnisse und Interessen der <strong>Familien</strong>mitglieder erkennen,<br />

verstehen und ausdrücken zu können<br />

• <strong>Familien</strong> sollen mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>s Gespräch kommen, sich austauschen über die D<strong>in</strong>ge des <strong>Familien</strong>alltags,<br />

zu Fragen der Entwicklung der K<strong>in</strong>der, der Kommunikation <strong>in</strong> der Familie, etc.,<br />

sich gegenseitig Unterstützung holen und geben<br />

• Qualifizierung für <strong>Familien</strong>arbeit (dabei erworbene Schlüsselqualifikationen bedeuten<br />

zugleich e<strong>in</strong>e Qualifizierung für die Erwerbsarbeit)<br />

• Förderung und Befähigung von <strong>Familien</strong>mitgliedern und <strong>Familien</strong> zur eigen- und selbstverantworteten<br />

Lebensführung und Lebensplanung<br />

• Vermittlung der hierfür erforderlichen Kompetenzen und Kenntnisse, verbunden mit<br />

⇒ der Befähigung, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zwischen öffentlichem und<br />

familialem Leben zu erkennen und<br />

⇒ der Befähigung zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation, <strong>in</strong>sbesondere zur Mitarbeit<br />

<strong>in</strong> Erziehungse<strong>in</strong>richtungen und <strong>in</strong> Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe<br />

Im Rahmen des Projekts „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ wurde besonderes Augenmerk<br />

darauf gelegt, dass die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> ihrer persönlichen Betroffenheit erreicht wurden.<br />

Auch Informationen und Denkanstöße zu vermitteln wäre schon e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Aufgabe gewesen. Die<br />

Projektsem<strong>in</strong>are sollten jedoch auch den konkreten Schritt h<strong>in</strong> zu den Lebenswelten der Menschen tun.<br />

Sie sollten an den Ereignissen, Situationen anknüpfen, an denen die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen tatsächlich von<br />

der Thematik berührt s<strong>in</strong>d und wo die Ause<strong>in</strong>andersetzung damit ihre Aufmerksamkeit und Veränderung<br />

fordert.<br />

Bei der Vorbereitung der Sem<strong>in</strong>arveranstaltungen war daher zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl<br />

der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen erfahrungsgemäß mit stark ergebnisorientierten Erwartungen kommen würde.<br />

Ihr Interesse und die Bereitschaft, sich mit dem sensiblen Thema Konfliktbearbeitung und Gewaltprävention<br />

ause<strong>in</strong>anderzusetzen sollte anerkannt und gut genutzt werden Die Durchführenden waren daher<br />

aufgefordert, sorgfältig darauf achten, dass die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen mit konkreten<br />

Ideen, Anregungen, Handlungsbeispielen entlassen wurden. <strong>Familien</strong>bildungsveranstaltungen sollen <strong>in</strong><br />

optimistischer Atmosphäre enden; sie geben den Teilnehmer/<strong>in</strong>nen die Hoffnung und die Erwartung<br />

mit, dass das <strong>in</strong>dividuelle Engagement aussichtsreich ist und sich lohnt (Selbstwirksamkeitserwartung).<br />

- Verhaltensänderung ist mühsam. Aber das Bemühen um Zuhören, Verstehen, Konfliktbewältigung<br />

und Gewaltverzicht br<strong>in</strong>gen Gew<strong>in</strong>ne für das <strong>Zusammenleben</strong> von Eltern und K<strong>in</strong>dern und für<br />

das soziale Umfeld weit darüber h<strong>in</strong>aus.<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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<strong>Familien</strong>bildung kann das <strong>in</strong>dividuelle Handeln motivieren, anstoßen und – idealer Weise – über längere<br />

Zeit begleiten.<br />

3.2. Projektstruktur<br />

3.2.1 Ziele und Zielgruppen<br />

Grobziele des Projekts „Konfliktfähige Familie“<br />

Herausf<strong>in</strong>den und Erproben, wie <strong>Familien</strong> <strong>in</strong> ländlich strukturierten Gebieten<br />

• zu Themen der Konfliktvorbeugung und Konfliktbearbeitung angesprochen und zum Mitmachen<br />

motiviert (<strong>in</strong>teressiert und aktiviert) werden können und<br />

• wie die familienbildnerische Bearbeitung des Themenfeldes zielgerichtet, jedoch immer flexibel<br />

auf regionale Rahmengegebenheiten und jeweils wechselnde Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-<br />

Gruppenkonstellationen ausgerichtet werden kann.<br />

Das setzt gute pädagogische Qualifizierung der <strong>Familien</strong>bildungs-Fachkräfte voraus. Sie brauchen<br />

die Fähigkeit, die Interessen, Wünsche, Stimmungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-Gruppe<br />

schnell zu erfassen, und auch die eigenen Themenkonzepte spontan anpassen zu können. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d immer die eigenen fachlichen E<strong>in</strong>schätzungen und Standpunkte zu brisanten pädagogischen,<br />

psychologischen und sozialpolitischen Fragestellungen e<strong>in</strong>zubeziehen. <strong>Familien</strong>bildungsfachkräfte<br />

sollen über e<strong>in</strong>en Methodenfundus verfügen, der angemessene Reaktionen,<br />

ggf. das spontane methodische Umdisponieren im S<strong>in</strong>ne des Bildungsziels ermöglicht.<br />

Ziel war die Stärkung vorhandener Ressourcen und Kompetenzen. Der Umgang mit Konflikten, die<br />

Konfliktfähigkeit sollte geübt werden und so zu e<strong>in</strong>er Haltungsänderung führen. E<strong>in</strong>e solche Haltungsänderung<br />

kann nur über e<strong>in</strong>e langfristige Öffentlichkeitsarbeit und e<strong>in</strong>e langfristige Unterstützung<br />

der Eltern, K<strong>in</strong>der und Multiplikator/<strong>in</strong>nen erreicht werden.<br />

In den Angeboten im Rahmen des Projektes g<strong>in</strong>g es um die Beschreibung von Aushandlungs- und<br />

Abstimmungsprozessen zwischen Eltern- und K<strong>in</strong>dern und um die Beantwortung von Fragen wie<br />

• Wann fühlen sich Eltern und K<strong>in</strong>der verstanden und ernst genommen (gegenseitiges Verstehen)?<br />

• Wie f<strong>in</strong>den Eltern und K<strong>in</strong>der die richtige Balance zwischen Freiraum und Grenzen?<br />

• Was erleben Eltern zur Bewältigung der Herausforderungen als unterstützend?<br />

• Welche Formen und Angebote im Bereich der <strong>Familien</strong>bildung erleben Eltern als hilfreich?<br />

• Wie ist die soziale Situation von <strong>Familien</strong>?<br />

• Welche B<strong>in</strong>nendynamik besteht <strong>in</strong> Beziehungen und <strong>Familien</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen Lebensphasen<br />

und <strong>Familien</strong>situationen?<br />

• Welche Haltungen/Werte herrschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Familie vor und wie bee<strong>in</strong>flussen sie die Beziehungen<br />

untere<strong>in</strong>ander?<br />

• Wie möchte ich behandelt werden und wie behandele ich andere?<br />

• Welche Vorbilder und Autoritäten wurden gewählt?<br />

• Welche Strategien zur Vermeidung von Konflikten s<strong>in</strong>d erarbeitet?<br />

• Wie wird mit Konflikten umgegangen / welche Konfliktlösungsstrategien s<strong>in</strong>d vorhanden?<br />

• Was bedeutet Erziehung <strong>in</strong> diesen Zusammenhängen?<br />

• Wieso entsteht Gewalt <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> (materielle Not, Überforderung) und welche unterstützenden,<br />

veränderbaren und vorbeugenden Möglichkeiten gibt es?<br />

mit dem Ziel, <strong>Familien</strong> für den Erziehungsalltag zu sensibilisieren - Eltern und K<strong>in</strong>der - um e<strong>in</strong> stabiles,<br />

wertschätzendes, konstruktiv konfliktfähiges, unterstützendes und gewaltfreies <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong><br />

der Familie zu ermöglichen.<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Begleitendes bzw. folgendes Material / Handreichungen:<br />

Die Dokumentation der e<strong>in</strong>zelnen Veranstaltungen kann Grundlage für die Entwicklung und Erstellung von<br />

Materialien zur Weitergabe und Nutzung für <strong>Familien</strong>bildungse<strong>in</strong>richtungen, Fortbildner/<strong>in</strong>nen, Erzieher/<strong>in</strong>nen<br />

aber auch für die <strong>Familien</strong> selbst se<strong>in</strong>. Vorstellbar s<strong>in</strong>d<br />

12<br />

• Sem<strong>in</strong>arkonzepte (für <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>are und Kursleiter/<strong>in</strong>nen- und Fachkräftefortbildung)<br />

• weitere Elternbriefe (ggf. neue Themenreihe)<br />

• Filme, Bilder (Impuls- und Anschauungsmaterial)<br />

• themenspezifische Arbeitsmaterialien für die Fachkräftefortbildung und für die <strong>Familien</strong>bildung<br />

Im Rahmen des befristeten Projektes waren zunächst nur die Dokumentation der Bildungsveranstaltungen<br />

und die daraus abgeleiteten Konzeptvorschläge für die weitere Umsetzung leistbar.<br />

Zielgruppen der Bildungsveranstaltungen im Projekt<br />

• <strong>Familien</strong>, <strong>Familien</strong>mitglieder und<br />

• Kursleiter/<strong>in</strong>nen, Erzieher/<strong>in</strong>nen bzw. Berater/<strong>in</strong>nen<br />

<strong>Familien</strong>mitglieder sollten thematisch sowohl generationsübergreifend (K<strong>in</strong>der/Eltern/Großeltern) als<br />

auch <strong>in</strong>dividuell als E<strong>in</strong>zelpersönlichkeiten angesprochen werden.<br />

An Kursleiter/<strong>in</strong>nen, auch Erzieher/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>richtungen und Berater/<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der<br />

<strong>Familien</strong>arbeit hohe Anforderungen gestellt, nicht zuletzt auch durch die Vervielfältigung gelebter<br />

Beziehungs- und <strong>Familien</strong>formen mit ihren je eigenen Problem- und Konfliktkonstellationen. Es ist<br />

der Auftrag von Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der <strong>Familien</strong>bildung, Lern- und Problemlösungsprozesse zu fördern<br />

und zu begleiten. Diese Aufgabe erfordert professionelle methodische, kommunikative und fachliche<br />

Kompetenzen der Erwachsenen- und der <strong>Familien</strong>bildung. Ebenso bedeutungsvoll s<strong>in</strong>d die persönliche<br />

Haltung und der <strong>in</strong>dividuelle Umgang mit dem eigenen Normen und Werten.<br />

3.2.2 Themenfelder und Methoden<br />

Themenfelder<br />

Die Themen und Inhalte der Angebote orientierten sich an der o.g. Zielbeschreibung. Die diversen<br />

Veranstaltungsthemen resultierten aus folgenden Aspekten der Projektthematik:<br />

• Gewalt (physische und psychische) als gesellschaftliches Phänomen<br />

• Gegenseitiges Verstehen und Ernstnehmen<br />

• Beziehungsfähigkeit<br />

• Konfliktvorbeugung/Konfliktvermeidung<br />

• Umgang mit Konflikten / Konfliktbewältigung / Konfliktlösungsstrategien<br />

• Förderliche und h<strong>in</strong>derliche Kommunikation<br />

• Soziale Partizipation von K<strong>in</strong>dern<br />

Methoden<br />

Die Bildungs-, Arbeits-, Vermittlungs- und Erlebnisformen <strong>in</strong> der <strong>Familien</strong>bildung s<strong>in</strong>d vielfältig<br />

– so wie es die Vielfalt der Themen und Inhalte, der Fragen und Wünsche, der unterschiedlichen Erfahrungs-<br />

und Lernvoraussetzungen, der Vielfalt der Zielgruppen, der Unterschiedlichkeit möglicher<br />

Zielsetzungen entspricht


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Je nach Zielgruppe unterschieden sich daher die Themenschwerpunkte der Sem<strong>in</strong>are und die jeweiligen<br />

methodischen Umsetzungsformen. Während die Angebote für Kursleiter/<strong>in</strong>nen stärker auf die<br />

kognitive Bearbeitung und Methodenaspekte abhoben, standen bei den <strong>Familien</strong>/<strong>Familien</strong>mitgliedern<br />

die persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen sowie das eigene Erleben im Vordergrund.<br />

Folgende abwechslungsreiche Vielfalt von erwachsenengerechten, k<strong>in</strong>dgerechten und thematisch zielgerichteten<br />

Methoden wurde e<strong>in</strong>gesetzt und für das Themenfeld konfliktfähiges <strong>Zusammenleben</strong> erprobt:<br />

• Theorie<strong>in</strong>puts<br />

• Diskussion<br />

• Übungen (z.B. Gesprächsübungen mit Kassettenrekorder, Videoarbeit)<br />

• Spiele<strong>in</strong>heiten<br />

• Rollenspiele<br />

• Zukunftswerkstätten<br />

3.2.3 Projekt-Ablauf<br />

Projektzeitraum und Projektregionen<br />

Das Projekt war auf die zweijährige Projektlaufzeit von Oktober 1999 bis September 2001 ausgelegt.<br />

In diesem Zeitraum lagen drei MES-E<strong>in</strong>sätze:1999/2000 <strong>in</strong> Lutherstadt-Wittenberg, 2000/2001 im<br />

Landkreis Ma<strong>in</strong>z-B<strong>in</strong>gen, 2001/2002 im Landkreis Holzm<strong>in</strong>den. Vorbereitet wurde für 2002/2003 der<br />

E<strong>in</strong>satz im Landkreis Havelland/Potsdam-Mittelmark. Somit wurden die Sem<strong>in</strong>arveranstaltungen des<br />

Projekts „konfliktfähiges <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ <strong>in</strong> vier ländlichen MES-E<strong>in</strong>satzgebieten entwickelt<br />

und erprobt.<br />

Veranstaltungsdurchführung 1999 bis 2001<br />

Das Projekt wurde zum 30. September 2001 beendet. Insgesamt waren 29 Veranstaltungen geplant. 24<br />

Veranstaltungen wurden durchgeführt, fünf wurden aus unterschiedlichen Gründen abgesagt (Absage/Krankheit<br />

der Referent<strong>in</strong>, zu ger<strong>in</strong>gen TN-Zahl). Es fanden statt<br />

• 11 E<strong>in</strong>zelveranstaltungen für Eltern und <strong>Familien</strong><br />

• 8 Fortbildungsveranstaltungen für pädagogische Fachkräfte<br />

• 6 <strong>Familien</strong>wochenenden für Eltern und <strong>Familien</strong><br />

Bei der Projektbeantragung waren 21 Veranstaltungen vorgesehen:<br />

• 12 E<strong>in</strong>zelveranstaltungen,<br />

• 3 Fortbildungsveranstaltungen und<br />

• 6 <strong>Familien</strong>wochenendsem<strong>in</strong>are.<br />

Demnach wurden 3 Veranstaltungen mehr durchgeführt als ursprünglich vorgesehen. Die genaue Übersicht<br />

mit Angabe der Veranstaltungstitel f<strong>in</strong>det sich zielgruppenspezifisch jeweils unter den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Kapiteln.<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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3.3 Projektdurchführung<br />

3.3.1 Auswahl der Veranstaltungsformen<br />

Für das Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ wurden folgende<br />

3 Veranstaltungsformen/-typen ausgewählt:<br />

• E<strong>in</strong>zelveranstaltung – 2- 3stündige Elternveranstaltungen: Impulsvortrag und Fachreferent/<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> aktivem Gespräch mit den teilnehmenden Eltern<br />

• <strong>Familien</strong>wochenendsem<strong>in</strong>ar – 2,5tägige Veranstaltungen mit <strong>in</strong>ternatsmäßiger Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

und teil<strong>in</strong>tegriertem Programm für Eltern und K<strong>in</strong>der<br />

• Fortbildung – halb- oder ganztägige Arbeitsgruppen für (sozial-)pädagogische Fachkräfte;<br />

professionelle Bearbeitung der professionellen pädagogischen Praxis.<br />

E<strong>in</strong>zelveranstaltungen<br />

Als E<strong>in</strong>zelveranstaltungen (EV) s<strong>in</strong>d hier e<strong>in</strong>zelne Abendveranstaltungen für Eltern bezeichnet. Sie<br />

erreichen – neben den ohneh<strong>in</strong> engagierten Eltern – auch solche Mütter und Väter, die sich aus diffusem<br />

Pflichtgefühl oder aufgrund e<strong>in</strong>er akuten Problem- bzw. Konflikt- oder Entscheidungssituation zur Informationsteilnahme<br />

entscheiden.<br />

EV bilden e<strong>in</strong> wichtiges Element <strong>in</strong> der <strong>Familien</strong>bildung, weil sie e<strong>in</strong>e Chance darstellen, auch solche<br />

Eltern zu erreichen, die e<strong>in</strong>erseits ohne Leidensdruck nicht teilnehmen, sich auf <strong>in</strong>tensivere und stärker<br />

personbezogene Formen der Bildungsarbeit aber erst gar nicht e<strong>in</strong>lassen würden.<br />

EV können bewirken:<br />

• Themenfelder, die im <strong>Familien</strong>alltag e<strong>in</strong>e Rolle spielen, werden außerhalb der familialen Vertrauensbeziehungen<br />

aufgegriffen, thematisiert. Sie werden ent<strong>in</strong>dividualisiert. Eltern erleben,<br />

wie e<strong>in</strong>/e Expert/<strong>in</strong> ihre Frage betrachtet, analysiert, bewertet und daraus schlussfolgert,<br />

• Eltern werden angeregt, nach weiteren Informationen zu suchen, empfohlene Kontakte aufzunehmen,<br />

kle<strong>in</strong>e Verhaltensänderungen auszuprobieren und<br />

• die Erfahrung geme<strong>in</strong>samer Betroffenheit oder auch nur geme<strong>in</strong>samer Interessen mit anderen<br />

Eltern ermutigt Mütter und Väter, eigene Fragen offener auszusprechen oder vielleicht später<br />

selbst gezielt nach Hilfen zu suchen.<br />

EV bieten oftmals die entscheidenden Ersterfahrungen, die Eltern zu weiterer <strong>Familien</strong>bildungs-<br />

Teilnahme, ggf. zur Teilnahme an <strong>in</strong>tensiveren <strong>Familien</strong>bildungs-Formen anregen.<br />

Die EV ist - jenseits von unterschiedlichsten Beratungsangeboten - die kle<strong>in</strong>ste, unverb<strong>in</strong>dlichste Form<br />

der <strong>Familien</strong>bildung. Sie bietet:<br />

• Information und Diskussion<br />

• Kennenlernen von <strong>Familien</strong> <strong>in</strong> ähnlichen Situationen<br />

• Wahrgenommen-werden von anderen (Eltern stellen Pflichtbewusstse<strong>in</strong> unter Beweis oder<br />

signalisieren Beteiligungsbereitschaft)<br />

• Erstkontakt / Ersterfahrung mit <strong>Familien</strong>bildung (Effekt: eigene Probleme werden relativiert)<br />

• Ermutigung, Anregung zur weiteren <strong>Familien</strong>bildungs-Teilnahme<br />

• Öffnung für offensiven Umgang mit eigenen, familienspezifischen Fragen<br />

Diese Beobachtungen gelten <strong>in</strong> ähnlicher Weise auch für E<strong>in</strong>zelveranstaltungen <strong>in</strong> der Fortbildung für<br />

pädagogische Fachkräfte (siehe „Fortbildung“).<br />

Im Rahmen des Projekts wurden folgende 11 EV mit Eltern durchgeführt:<br />

Thema<br />

Ort/<br />

Bundesland<br />

1 Gesprächs- und Info-Abend „vom Schokoladennikolaus etc. ... – K<strong>in</strong>der stark machen“ Wittenberg,<br />

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Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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Sachsen-Anhalt<br />

2 Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen Groß Glienicke,<br />

Brandenburg<br />

3 Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen Großbeeren,<br />

Brandenburg<br />

4/5 Schwierige Situationen <strong>in</strong> der Familie klären – ohne Sieg und Niederlage (Gordon- Brieselang,<br />

<strong>Familien</strong>konferenz, Teil 1 und 2)<br />

Brandenburg<br />

6 Mediation – e<strong>in</strong> partnerschaftlicher Weg, Konflikte zu lösen Brieselang,<br />

Brandenburg<br />

7 Konfliktmanagement <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> B<strong>in</strong>gen,<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

8 Konfliktmanagement <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> B<strong>in</strong>gen,<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

9 Streiten macht Spaß? – Erlebnisvortrag e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>der- und Jugendtherapeuten<br />

Heidesheim,<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

10 K<strong>in</strong>der lieben Fernsehen – und Eltern helfen ihnen beim Umgang damit (Konfliktvorbeu- Budenheim,<br />

gung aus medienpädagogischer Sicht)<br />

11 Mediationskurs für Jugendliche – Konflikte auch anders lösen<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

Brieselang,<br />

Brandenburg<br />

An den Beispielen 2 „Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen“ und 10<br />

„K<strong>in</strong>der lieben Fernsehen – und Eltern helfen ihnen beim Umgang damit (Konfliktvorbeugung<br />

aus medienpädagogischer Sicht)“ werden unterschiedliche <strong>in</strong>haltlich-methodische Ablaufmöglichkeiten<br />

vorgestellt und mit Blick auf die Wirkungen im S<strong>in</strong>ne des Projektziels analysiert und diskutiert.<br />

<strong>Familien</strong>bildungswochenenden<br />

Wohl die <strong>in</strong>tensivste und effektivste Form der <strong>Familien</strong>bildung ist die sog. „<strong>in</strong>ternatsmäßige <strong>Familien</strong>bildung“,<br />

e<strong>in</strong>e Bezeichnung für mehrtägige Bildungsveranstaltungen für ganze <strong>Familien</strong>systeme mit<br />

e<strong>in</strong> bis zwei Übernachtungen (<strong>in</strong>sbesondere Wochenenden) <strong>in</strong> Bildungshäusern mit geeigneten Schlafräumen<br />

für die <strong>Familien</strong>unterbr<strong>in</strong>gung. E<strong>in</strong> Teil der <strong>Familien</strong>bildungs-Träger <strong>in</strong> verschiedenen Bundesländern<br />

bietet darüber h<strong>in</strong>aus auch öffentlich geförderte <strong>Familien</strong>feriensem<strong>in</strong>are über e<strong>in</strong> bis drei<br />

Wochen an. Letztere können erfahrungsgemäß als <strong>in</strong> besonderer Weise präventiv wirksam bezeichnet<br />

werden, weil sie aufgrund der entstehenden Vertrautheit <strong>in</strong> der Eltern-/<strong>Familien</strong>gruppe die Bereitschaft<br />

zur gegenseitigen Öffnung und psychischen Entlastung fördert. In den täglichen Bildungse<strong>in</strong>heiten<br />

können geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong>teressierende Fragestellungen bearbeitet und <strong>in</strong>dividuelle Probleme im Schutz<br />

der Gruppengeme<strong>in</strong>schaft ausgesprochen und mögliche Lösungswege reflektiert und „durchgespielt“<br />

werden.<br />

Sem<strong>in</strong>are dieser Art haben meist tiefgreifende, nachhaltig positiv wirkende Selbsterfahrungseffekte.<br />

Die Sem<strong>in</strong>ararbeit kann soweit führen, dass Möglichkeiten der späteren Weiterbearbeitung von <strong>Familien</strong>problemen<br />

schon im Sem<strong>in</strong>ar durchdacht und erarbeitet werden können. Danach s<strong>in</strong>d die <strong>Familien</strong><br />

gefordert, neue E<strong>in</strong>sichten und Vorsätze <strong>in</strong> die Praxis ihres <strong>Familien</strong>lebens umzusetzen und eigene<br />

Wege der Problemlösung ohne oder mit selbständig <strong>in</strong>itiierten Hilfen von außen zu suchen und zu<br />

f<strong>in</strong>den. Von <strong>in</strong>ternatsmäßiger <strong>Familien</strong>bildung profitieren leider nur vergleichsweise wenige <strong>Familien</strong>.<br />

<strong>Familien</strong>bildungswochenenden und <strong>Familien</strong>feriensem<strong>in</strong>are s<strong>in</strong>d als Form der <strong>Familien</strong>bildung relativ<br />

unbekannt. Sie werden nur <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Umfang öffentlich gefördert und daher bedauerlicher Weise<br />

viel zu selten angeboten und durchgeführt.<br />

Die <strong>Familien</strong>bildungswochenenden im Rahmen des Projekts erreichten sehr verschiedene Zielgruppen<br />

<strong>in</strong> unterschiedlichen Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-Konstellationen. Die Projektsem<strong>in</strong>are bieten sich daher<br />

an, <strong>Familien</strong>bildungs-Pr<strong>in</strong>zipien wie Teilnehmer/<strong>in</strong>nen-Orientierung, Referent/<strong>in</strong>nen-Flexibilität, generationsübergreifendes<br />

Bildungskonzept, zielgruppenspezifische Zieldef<strong>in</strong>ition, Methodenvariation<br />

zu beschreiben und zu erläutern.<br />

15


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

______________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

Im Rahmen des Projekts wurden folgende 6 <strong>Familien</strong>bildungswochenenden angeboten:<br />

Thema<br />

1 „Friede, Freude, Eierkuchen ... !?“<br />

2 „Jetzt kommen die starken Frauen mit ihren K<strong>in</strong>dern“<br />

3 „Strafe muss se<strong>in</strong>, oder ?!?!“<br />

4 „Weihnachtszeit ... Friedenszeit ... ?!!“<br />

5 „... und dann rutscht mir die Hand aus“<br />

6 „... und dann rutscht mir die Hand aus“<br />

Ort/<br />

Bundesland<br />

Radis,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Adenau,<br />

NRW<br />

Radis,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Altle<strong>in</strong>igen,<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

Bollmansruh,<br />

Brandenburg<br />

Neudsedd<strong>in</strong>,<br />

Brandenburg<br />

Für die genauere Beschreibung und Analyse wurden die Beispiele 4 „Weihnachtszeit ... Friedenszeit<br />

... ?!!“ und 6 „... und dann rutscht mir die Hand aus“ (zweimal <strong>in</strong> Brandenburg durchgeführt) ausgewählt.<br />

Fortbildungen für Multiplikator/<strong>in</strong>nen<br />

Der Veranstaltungstyp Fortbildung für pädagogische Fachkräfte ist weniger durch die Form als vielmehr<br />

durch den Adressat/<strong>in</strong>nen-Kreis und die besondere Zielsetzung gekennzeichnet. Zur thematischen<br />

Arbeit <strong>in</strong> Form von Information und Wissensvermittlung, von Selbsterfahrung und Reflexion,<br />

von Haltungs- und Handlungsursachen und Wirkungsanalysen wie <strong>in</strong> der Elternarbeit tritt bei Fortbildungsveranstaltungen<br />

der <strong>Familien</strong>bildung immer als weiterer Aspekt h<strong>in</strong>zu:<br />

Erwerb methodischer Variationsmöglichkeiten, Erwerb von Fertigkeiten für die Weitervermittlung<br />

bzw. für das Setzen von Impulsen und das Begleiten von Lernprozessen <strong>in</strong> der Erwachsenen- und der<br />

generationsübergreifenden <strong>Familien</strong>bildung.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nenfortbildung speziell zum Thema Gewaltprävention und Respekt vor K<strong>in</strong>dern darf sich<br />

nicht etwa darauf beschränken, Methoden und Medien für die Elternarbeit bzw. Spiele, Lieder und<br />

Verhaltensregeln für die Gruppenarbeit mit K<strong>in</strong>der- und <strong>Familien</strong>gruppen zu vermitteln. Ähnlich wie<br />

im familiären <strong>Zusammenleben</strong> geht es auch bei dem Bemühen um vertrauensvolle, konfliktarme Beziehungen<br />

zwischen Erzieher<strong>in</strong> und K<strong>in</strong>dern und im Umgang der K<strong>in</strong>der mite<strong>in</strong>ander um <strong>in</strong>nere Haltungen<br />

und das daraus entspr<strong>in</strong>gende Handeln vor und <strong>in</strong> Problem- und Konfliktsituationen. Fortbildung<br />

muss daher zunächst die eigenen Haltungen und Überzeugungen vom Wesen, von den Fähigkeiten<br />

und Kompetenzen des K<strong>in</strong>des sowie zu Fragen des <strong>Zusammenleben</strong>s nach demokratischen Regeln,<br />

der Wertschätzung und Anerkennung k<strong>in</strong>dlicher Rechte und Freiräume zum Thema machen.<br />

Im Projektrahmen wurden folgende 8 Fortbildungen durchgeführt:<br />

Thema<br />

Ort/<br />

Bundesland<br />

1 Ohnmacht und Gewalt – Was hat das Thema mit mir und me<strong>in</strong>er Arbeit zu tun?<br />

Wittenberg,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

2 Elterngespräche führen<br />

Wittenberg,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

3 Ohnmacht und Gewalt – K<strong>in</strong>der stärken / Eltern stärken<br />

Wittenberg,<br />

Sachsen-Anhalt<br />

4<br />

16<br />

Zukunftswerkstatt 2000 - Zum Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit Wittenberg,


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

______________________________________________________________________________________________________________________________________<br />

5 Trotz, Wut, Aggression <strong>in</strong> der Kita: wie sich Erzieher/<strong>in</strong>nen und Eltern verhalten können<br />

6 Informations-, Gesprächs- und Streitkultur im Kita-Team<br />

7 Gesprächsführung Eltern und Erzieher/<strong>in</strong>nen<br />

8 Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Groß Glienicke,<br />

Brandenburg<br />

Groß Glienicke,<br />

Brandenburg<br />

Brieselang,<br />

Brandenburg<br />

Nieder-Olm,<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

Für die nähere Beschreibung wurden die Beispiele 4 „Zukunftswerkstatt 2000 - Zum Umgang mit<br />

Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit“ und 8 „Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten“ ausgewählt.<br />

3.3.2 Exemplarische Sem<strong>in</strong>arbeschreibungen<br />

E<strong>in</strong>zelveranstaltungen<br />

- Inhalts- und Methodenbeschreibung an zwei Beispielen<br />

1. Elternabend „Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen“,<br />

am 14.09.2000 <strong>in</strong> Groß Glienicke, Brandenburg<br />

durchführt von Dipl. Psycholog<strong>in</strong> Dr. Annegrit Kahle<br />

2. Elternabend „K<strong>in</strong>der lieben Fernsehen - und Eltern helfen ihnen beim Umgang damit“, am<br />

29.05.2001 <strong>in</strong> Budenheim, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

durchgeführt von Christ<strong>in</strong>e Neumann von „Jeronimo – K<strong>in</strong>dergartennetzwerk“<br />

Beispiel A<br />

Verlaufsskizze und Methodendiskussion zum Elternabend<br />

„Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen“<br />

Der Sem<strong>in</strong>arabend für Eltern „Konflikten mit K<strong>in</strong>dern vorbeugen – Konflikte mit K<strong>in</strong>dern lösen“<br />

wandte sich speziell an Eltern von K<strong>in</strong>dergartenk<strong>in</strong>dern und hatte e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Vorgeschichte: Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>er Erzieher<strong>in</strong>nen-Fortbildung zu diesem Thema hatten nach Abschluss ihres Sem<strong>in</strong>ars<br />

e<strong>in</strong>e Veranstaltung zum selben Thema für die Eltern ihrer K<strong>in</strong>der gewünscht. – Sicherlich war dies<br />

e<strong>in</strong> richtiger und wichtiger Gedanke, der dann auch se<strong>in</strong>e Umsetzung fand. - Noch s<strong>in</strong>nvoller, effektiver<br />

und wünschenswerter allerd<strong>in</strong>gs wäre der Wunsch der Erzieher<strong>in</strong>nen nach e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiveren, über<br />

e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum laufenden Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsreihe zur niederlagelosen Gesprächsführung gewesen.<br />

E<strong>in</strong> Themenabend „Konflikten vorbeugen ….“, durchgeführt an e<strong>in</strong>em Abend von 2 bis 4 Stunden,<br />

kann nicht viel mehr leisten, als Bewusstmachung und Basis<strong>in</strong>formation. Es kann nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>blick vermitteln <strong>in</strong> das so sensible weite Feld der zwischenmenschlichen Kommunikation. E<strong>in</strong>e<br />

Abendveranstaltung lässt kaum Zeit zum Erproben und schon gar nicht zum Üben und Tra<strong>in</strong>ieren.<br />

Aber - die Veranstaltung konnte e<strong>in</strong> Verständnis dafür erreichen, dass konstruktive, hilfreiche Kommunikation<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e Sache der Wortwahl ist, sondern dass sie im Wesentlichen aus e<strong>in</strong>er positiven,<br />

e<strong>in</strong>fühlsamen Haltung den Gesprächspartner<strong>in</strong>nen und Gesprächspartnern gegenüber besteht.<br />

Diese aufmerksame, empathische, warme und echte Haltung muss verstanden, empfunden und wirklich<br />

gelebt – auch K<strong>in</strong>dern vorgelebt – werden, um Konflikten wirksam und dauerhaft vorzubeugen<br />

bzw. konstruktiv mit ihnen umzugehen. Eltern lernten und folgten der Referent<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer E<strong>in</strong>schätzung:<br />

Wir selbst können viel tun zur Entwicklung und Festigung guter und dauerhafter Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

Beziehungen. Aber – sie entstehen nicht von alle<strong>in</strong>, sondern kosten Anstrengung, Konsequenz, Durch-<br />

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haltevermögen und das Durchstehen von Misserfolgsgefühlen. Das alles wird nur mit viel Offenheit<br />

und Echtheit erfolgreich se<strong>in</strong>. Es geht um den Willen dazu und den Glauben daran, selbst konstruktive,<br />

befriedigende Problemlösungen f<strong>in</strong>den und mite<strong>in</strong>ander aushandeln zu können.<br />

Die Referent<strong>in</strong> ist Diplompsycholog<strong>in</strong> und frei praktizierende Psychotherapeut<strong>in</strong>. Sie br<strong>in</strong>gt sowohl<br />

Erfahrungen aus ihrer Beratungs- und Therapiepraxis als auch aus der eigenen Familie mit – sie erzieht<br />

drei kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Das ist wichtig, weil die Referent<strong>in</strong> später möglichen kritischen Nachfragen<br />

oder Zweifeln der teilnehmenden Eltern am wirkungsvollsten durch authentische Beispiele und Erfahrungen<br />

begegnen kann. Selbsterlebtes <strong>in</strong> beruflichen und/oder privaten Bereichen hat i.d.R. e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Überzeugungskraft als Appelle, die nicht durch gelebte Praxis untermauert s<strong>in</strong>d.<br />

Vorüberlegungen/Planung<br />

Der Abend soll ke<strong>in</strong>e „Vortragsveranstaltung mit Diskussion“ werden. Er will vielmehr die Elternpersönlichkeiten<br />

auf kognitiver, aber auch emotionaler Ebene ansprechen und sie auch gefühlsmäßig erreichen.<br />

Dies kann bei bildungserfahrenen Gruppen gut durch e<strong>in</strong>e offene Sitzordnung im Stuhlkreis<br />

erreicht werden, e<strong>in</strong>e Anordnung, <strong>in</strong> der jede anwesende Person alle anderen direkt sehen, ansehen<br />

und ansprechen kann. Persönliche Begegnung wird dadurch nicht gefordert, aber erleichtert und nahegelegt<br />

– unterstützt von geeigneten, die unterschiedlichen Individualitäten berücksichtigenden E<strong>in</strong>stiegs-/Kennenlernmethoden.<br />

An diesem Abend bedeutet der Stuhlkreis e<strong>in</strong>e Herausforderung an die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen, und erfordert<br />

den Mut der Referent<strong>in</strong>. Denn – bei eher bildungsungewohnten Personen löst die offene Sitzordnung<br />

gelegentlich e<strong>in</strong> Erschrecken, e<strong>in</strong>e Verunsicherung und dadurch möglicherweise e<strong>in</strong>en Rückzugseffekt<br />

aus, d.h. sie erreicht zunächst nicht den Effekt der persönlichen Öffnung, sondern eher etwas<br />

wie trotzigen Widerstand und Verschlossenheit. Erwachsene, die wenig an Bildungsveranstaltungen<br />

teilnehmen und deshalb methodische Neuerungen und aktuelle Bildungstrends nicht erleben, erwarten<br />

zunächst – wie gewohnt – entweder e<strong>in</strong>en Platz <strong>in</strong> der frontal ausgerichteten, Anonymität sichernden<br />

Stuhlreihe oder aber e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutig def<strong>in</strong>ierten Platz am Tisch. „Ungeübte“ Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

wünschen die Sitzordnung am Tisch, weil der Tisch etwas wie e<strong>in</strong>en Sicherheitsabstand zu<br />

sichern sche<strong>in</strong>t, weil er e<strong>in</strong>en Distanzhalter bildet und die Möglichkeit zu unbeobachtet legerer Körperhaltung<br />

suggeriert, statt den Teilnehmer/<strong>in</strong>nen persönliche Nähe und Öffnung <strong>in</strong> der Gruppe abzuverlangen,<br />

zu der die Bereitschaft vielleicht erst wachsen muss. Zurückhaltende oder e<strong>in</strong>schüchternde<br />

Wirkungen kann die Referent<strong>in</strong> jedoch – wenn sie sich dieses Mechanismus` bewusst ist – abfangen<br />

und sie mit methodischen Mitteln umlenken.<br />

Anfangssituation – Herstellen der Gruppenatmosphäre<br />

Die Referent<strong>in</strong> begrüßt die Gruppe, benennt als erstes noch e<strong>in</strong>mal das Thema, das geme<strong>in</strong>same Interesse,<br />

das die Menschen <strong>in</strong> dieser Runde zusammenführt. Sie stellt sich mit e<strong>in</strong>igen Sätzen zur eigenen<br />

Person vor, erläutert ihren persönlichen Bezug zum Thema. Sie gibt sich nicht nur <strong>in</strong> ihrer beruflichen<br />

Funktion sondern auch als Person zu erkennen, die die Themen, Fragen und Probleme aus eigener<br />

Erfahrung kennt. Diese Offenheit hat e<strong>in</strong>e gewisse Signalwirkung für das Gesprächsklima des Abends:<br />

Eltern erleben – ganz kurz und andeutungsweise -, dass hier Persönliches e<strong>in</strong>en Platz hat, erlaubt und<br />

erwünscht ist.<br />

Die Referent<strong>in</strong> setzt e<strong>in</strong>e dem Zeitrahmen angemessene Methode an den Anfang, um die Teilnehmenden<br />

<strong>in</strong> Kontakt mite<strong>in</strong>ander zu br<strong>in</strong>gen, um Offenheit und Teilnahmebereitschaft herzustellen. Meistens<br />

lässt sich e<strong>in</strong>e lockere Gesprächsatmosphäre erreichen, <strong>in</strong>dem gleich <strong>in</strong> den ersten M<strong>in</strong>uten der<br />

Veranstaltung jede Person e<strong>in</strong>en Augenblick lang die Aufmerksamkeit der Gruppe erhält und spürt.<br />

Jede Person sollte zu Beg<strong>in</strong>n des Abends wenigstens für e<strong>in</strong>en kurzen Augenblick die eigene Stimme<br />

<strong>in</strong> der noch neuen, fremden Umgebung gehört haben; das ist die Gelegenheit, diffuse Anfangsängste,<br />

z.B. <strong>in</strong> der Gruppe zu sprechen, zu überw<strong>in</strong>den. Dies gel<strong>in</strong>gt auch bei sehr zurückhaltenden, unsicheren<br />

Menschen, wenn sie gebeten werden, über etwas ihnen Vertrautes zu sprechen, etwas, das ihnen zu<br />

diesem frühen Zeitpunkt nicht die Offenbarung eigener Sichtweisen und Standpunkte oder <strong>in</strong>tellektuelle<br />

Leistungen abverlangt, sondern etwas Persönliches, das eher gern und bereitwillig auch relativ<br />

fremden Menschen mitgeteilt wird.<br />

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Die Referent<strong>in</strong> legt <strong>in</strong> der Mitte des Kreises Karten mit Begriffen aus, die sie langsam e<strong>in</strong>zeln vorliest<br />

und für alle deutlich sichtbar auf dem Boden ablegt – etwa doppelt so viele Karten wie Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

im Kreis sitzen (Größe etwa e<strong>in</strong> halbes DIN A4-Blatt/längs geschnitten, mit dickem<br />

Filzstift beschriftet, auf jedem Blatt e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Wort). Die vorgegebenen Begriffe können bereits<br />

zum Thema führen (a) oder aber eher dem Lebensumfeld der Teilnehmenden entnommen se<strong>in</strong> (b). Sie<br />

sollten etwa zu gleichen Teilen positiv und eher negativ bewertete Begriffe umfassen, als Signal, dass<br />

alle Gefühlslagen hier akzeptiert und erwünscht s<strong>in</strong>d.<br />

Beispiele zu (a): Wärme – Nachsicht – herzlich – stolz – gutmütig – sorgfältig - konstruktiv – Mut<br />

Wut – Enttäuschung – müde – Schuld – ohnmächtig – gereizt – Angst – eifersüchtig<br />

– hoffnungslos – aggressiv - …..<br />

Beispiele zu (b): Regenbogen – Kerzenlicht – Frühl<strong>in</strong>g – lustvoll – liebevoll - Kuchen – Schmuckpapier<br />

– Blumenstrauß - ….<br />

Regen – Schulden – stürzen – Gewitter – Schmerzen – mühsam – Zahnarzt - verlieren<br />

– Nebel – arrogant – verzweifelt …..<br />

Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen werden aufgefordert, e<strong>in</strong>en Begriff auszuwählen, zu dem sie den anderen Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

irgende<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung, e<strong>in</strong>e persönliche Erfahrung oder auch e<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung erzählen<br />

mögen. (Vorgang: aufstehen, Blatt nehmen und wieder h<strong>in</strong>setzen – alle gleichzeitig, denn für<br />

manche Teilnehmer/<strong>in</strong>nen ist es an dieser Stelle (noch) zu früh, alle<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>zeln vor die Gruppe treten<br />

zu sollen.)<br />

Die Referent<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nt selbst mit ihrem Begriff. Sie dreht das Blatt um, so dass alle im Kreis es lesen<br />

können, und erzählt <strong>in</strong> wenigen Sätzen e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Erlebnis. Sie gibt damit zugleich e<strong>in</strong> Beispiel/ e<strong>in</strong>e<br />

Orientierung h<strong>in</strong>sichtlich der Dauer und der Tiefe des kurzen Beitrags, der hier erwartet wird. Die<br />

nächsten Personen (es muss nicht der Reihe nach gehen!) bittet die Referent<strong>in</strong>, auch ihren Namen und<br />

ihren Herkunftsort zu sagen.<br />

Wenn alle gesprochen haben, folgt e<strong>in</strong>e scherzhafte „Abfragerunde“. Ergebnis: die meisten Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

haben den Begriff, zu dem e<strong>in</strong>zelne Personen gesprochen haben, besser behalten als den<br />

Namen. Diese E<strong>in</strong>stiegsrunde erleichtert es, nachher gegebenenfalls Personen anzusprechen, sie nach<br />

dem Namen zu fragen und über andere D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong>s Gespräch zu kommen.<br />

Der Wert der E<strong>in</strong>stiegsphase für die Atmosphäre und den Verlauf e<strong>in</strong>er Bildungsveranstaltung kann<br />

kaum hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt werden. Natürlich wird auch ohne e<strong>in</strong> solches „Spiel“ im Verlauf e<strong>in</strong>es<br />

Abends gesprochen und diskutiert. Die Gefahr, die besteht, wenn auf den Akt des Geme<strong>in</strong>schaft-<br />

Herstellens, des Sich-Gegenseitig-Aufmerksamkeit-Schenkens zu Veranstaltungsbeg<strong>in</strong>n verzichtet<br />

wird, ist: das Gespräch bleibt flach und oberflächlich oder es treten Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten und<br />

Konfrontationen oder Parteilichkeiten auf. Vor allem besteht die Gefahr, dass nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil der<br />

Gruppe das Gespräch und das gesamte Geschehen bestimmt.<br />

Zur E<strong>in</strong>stiegsphase gehört auch die Überleitung zu den Inhalten. In diesem Falle wird nach dem<br />

Kennenlernen der Veranstaltungstitel noch e<strong>in</strong>mal genannt und thematisiert: „Konflikten vorbeugen“ –<br />

von welchen Situationen <strong>in</strong> der Familie sprechen wir? Was konkret me<strong>in</strong>en wir mit „Konflikt“? Die<br />

Referent<strong>in</strong> fordert auf, <strong>in</strong> lockerer Weise und spontan Beispielsituationen des Alltags stichwortartig<br />

zusammenzutragen (Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g). Die spontanen E<strong>in</strong>würfe und Meldungen aus der Teilnehmer<strong>in</strong>nen-Gruppen<br />

werden an der Tafel oder auf Flipchart notiert (evtl. durch e<strong>in</strong>e freiwillige Teilnehmer<strong>in</strong>)<br />

und zwar ohne Bewertung wirklich alle Wortmeldungen, solange sie nicht absolut identisch im Wortlaut<br />

s<strong>in</strong>d. Beispiele:<br />

• Fahrrad des K<strong>in</strong>des steht immer wieder <strong>in</strong> der Garagenzufahrt, trotz wiederholter<br />

Mahnungen<br />

• Morgens – Streit der K<strong>in</strong>der um die Benutzung des Badezimmers<br />

• Tochter blockiert stundenlang das Telefon<br />

• K<strong>in</strong>d leidet unter Streit bzw. aggressiven K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dergartengruppe<br />

• Der sehnlichst gewünschte Goldhamster wird nun nicht gefüttert und gepflegt<br />

• Unpünktlichkeit<br />

• Fernseh-, PC-Gewohnheiten ....<br />

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Themenbearbeitung<br />

Als e<strong>in</strong>e Grundlage bewussten Umgangs mit Konflikten <strong>in</strong> Entstehung und Bearbeitung erklärt die<br />

Referent<strong>in</strong> nun – mittels e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen grafischen Darstellung – das Pr<strong>in</strong>zip des Problembesitzes<br />

(Verhaltensrechteck nach Gordon).<br />

20<br />

K<strong>in</strong>d besitzt das Problem<br />

Ke<strong>in</strong> Problem<br />

Erwachsene/r besitzt das<br />

Problem<br />

annehmbarer Bereich<br />

unannehmbarer Bereich<br />

Es ist wichtig zu wissen, ob wir als Eltern aktiv werden, um unsere eigenen Probleme mit den K<strong>in</strong>dern<br />

zu klären, oder ob es vielmehr vonnöten ist, dem K<strong>in</strong>d bei der Lösung se<strong>in</strong>er Probleme beizustehen.<br />

In beiden Fällen unterscheidet sich (sollte sich unterscheiden) das Elternverhalten deutlich.<br />

Zum besseren Verständnis und zur E<strong>in</strong>übung dieser Unterscheidung erhalten die Teilnehmer<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong><br />

Arbeitsblatt, das nach dem Pr<strong>in</strong>zip des Problembesitzes aufgebaut ist:<br />

K<strong>in</strong>d „besitzt“ das<br />

Problem<br />

Ke<strong>in</strong> Problem<br />

(„problemfreie<br />

Zone“)<br />

Erwachsene/r<br />

„besitzt“ das<br />

Problem<br />

Verhalten des K<strong>in</strong>- Bezieht sich auf Verhalten des<br />

des bewirkt ProbVerhaltenswei- K<strong>in</strong>des br<strong>in</strong>gt<br />

lem für das K<strong>in</strong>d sen, die nieman- Problem für<br />

selbst.<br />

demSchwierig- die/den Erwachkeiten<br />

bereiten,<br />

weder dem K<strong>in</strong>d<br />

sene/n<br />

Bsp.:<br />

noch der/dem Bsp.:<br />

- K<strong>in</strong>d hat nieman- Erwachsenen - K<strong>in</strong>d ist laut,<br />

den zum Spielen<br />

stört, wenn Erw.<br />

- K<strong>in</strong>d ist mit eige-<br />

etwas tut<br />

nem Aussehen<br />

- K<strong>in</strong>d trödelt,<br />

nicht zufrieden<br />

wenn Erw. <strong>in</strong> Eile<br />

Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen - K<strong>in</strong>d werden fühlt gebeten, sich sich zunächst zu zweit Me<strong>in</strong>ungen ist zu den Fragen zu bilden.<br />

Anschließend sollen diese abgelehnt <strong>in</strong> der Gesamtgruppe besprochen werden.<br />

Aufgabenbeispiele „Wer hat das Problem?“<br />

1. Ihr K<strong>in</strong>d hat Angst, bei e<strong>in</strong>er bevorstehenden Prüfung <strong>in</strong> der Schule durchzufallen.<br />

2. Ihre K<strong>in</strong>der vergessen sehr oft, die Goldfische zu füttern.<br />

3. Ihre Tochter f<strong>in</strong>det das lange Haar ihres Bruders scheußlich und schämt sich für ihn.<br />

4. Ihr K<strong>in</strong>d kommt nicht frühzeitig nach Hause. Sie verpassen Ihren Zahnarztterm<strong>in</strong>.<br />

5. Ihr K<strong>in</strong>d fürchtet sich bei Dunkelheit und kommt nun seit e<strong>in</strong>iger Zeit jede Nacht zu Ihnen <strong>in</strong>s<br />

Bett. Sie und Ihr Partner fühlen sich e<strong>in</strong>geengt und schlafen schlecht.<br />

6. Ihr K<strong>in</strong>d lernt Gitarre spielen und möchte nun, dass Sie ihm beim neuen Akkord, den es gelernt<br />

hat, zuhören.<br />

7. Ihr K<strong>in</strong>d we<strong>in</strong>t jedes Mal, wenn es mit dem gutmütigen, freundlichen Babysitter alle<strong>in</strong> bleiben<br />

soll.<br />

8. Sie f<strong>in</strong>den, dass Zigaretten-Werbung verboten werden sollte, Ihr Sohn f<strong>in</strong>det, dass es <strong>in</strong> der<br />

Verantwortung der Verbraucher/<strong>in</strong>nen liegt, sich von der Werbung ansprechen zu lassen.<br />

9. Ihr Sohn steht oft zu spät auf und bettelt dann, dass Sie ihn zur Schule fahren.<br />

Folgende Aufschlüsselung nach dem Problembesitz wird erarbeitet und diskutiert:


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1 – K<strong>in</strong>d; 2 – Eltern; 3 – K<strong>in</strong>d; 4 – Eltern; 5 – Eltern; 6 – ke<strong>in</strong> Problem; 7 – K<strong>in</strong>d; 8 – ke<strong>in</strong> Problem;<br />

9 – Eltern.<br />

Zurück zur Auflistung der Beispiele von Alltagskonflikten an der Tafel:<br />

Auch diese Beispiele werden nun auf den „Problembesitz“ h<strong>in</strong> analysiert.<br />

Zum größten Teil waren Probleme genannt worden, die Eltern mit ihren K<strong>in</strong>dern haben: K<strong>in</strong>der verhalten<br />

sich nach eigener Lust und Laune. Eltern haben e<strong>in</strong> Problem, wenn sie sich ihrerseits dadurch<br />

gestört, bee<strong>in</strong>trächtigt und genervt fühlen.<br />

Du-Botschaften<br />

Im nächsten Arbeitsschritt werden die Eltern aufgefordert, übliche, häufig wiederkehrende Reaktionen<br />

von Eltern zusammenzutragen, mit denen diese e<strong>in</strong>e Verhaltensänderung der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den genannten<br />

Situationen zu bewirken versuchen.<br />

Auf e<strong>in</strong>em neuen großen Papier an der Wand oder auf dem Boden werden stichwortartig je e<strong>in</strong> bis drei<br />

mögliche Appell-Sätze zu den e<strong>in</strong>zelnen Konfliktsituationen aufgeschrieben.<br />

Beispiele zum Fahrrad vor der Garagentür:<br />

• Du hast De<strong>in</strong> Fahrrad schon wieder vor die Garage gestellt. Nächstes mal schließ ich es für e<strong>in</strong>e<br />

Woche e<strong>in</strong>.<br />

• Stell sofort das Rad <strong>in</strong> den Ständer, sonst flippe ich aus.<br />

• Hast Du das eigentlich immer noch nicht begriffen? Dann müssen wir eben etwas nachhelfen.<br />

• Wenn das Rad da nicht <strong>in</strong> 3 M<strong>in</strong>. verschwunden ist, kannst Du was erleben.<br />

Nächster Schritt: Gesamtbetrachtung der zusammengetragenen Elternreaktionen:<br />

Die TN stellen fest, dass die meisten Äußerungen Anordnungen, Befehle, Strafandrohungen und fast<br />

immer Vorwürfe enthalten und sich grundsätzlich <strong>in</strong> Du-Form an den „Übeltäter“ richten – <strong>in</strong> der Gordon-Sprache:<br />

Du-Botschaften.<br />

Schnitt <strong>in</strong> der thematischen Entwicklungskette: Auf e<strong>in</strong>em weiteren Arbeitsblatt werden die Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

gefragt: „Wie reagieren Sie, wenn ….“ - Sie s<strong>in</strong>d aufgefordert, <strong>in</strong> Partner/<strong>in</strong>nenarbeit zu 15<br />

kurzen Appellsätzen, mit denen sie von imag<strong>in</strong>ären Personen angesprochen werden, jeweils die persönlich<br />

gefühlten Reaktionen zu notieren.<br />

Beispiele:<br />

• Das können Sie doch gar nicht.<br />

• Das ist Dir wohl mal wieder nicht gut genug.<br />

• Wenn Sie den Auftrag nicht pünktlich fertig kriegen, wird das Folgen haben.<br />

• Und wie gedenken Sie, die Sache wieder h<strong>in</strong>zubiegen?<br />

• Das hätten Sie aber wirklich bemerken müssen.<br />

• (Term<strong>in</strong> verpasst.) Na, das haben Sie ja mal wieder toll h<strong>in</strong>gekriegt.<br />

• Sie haben schon wieder vergessen, die Post mitzunehmen.<br />

Der Vergleich und die Auswertung <strong>in</strong> der Großgruppe ergeben:<br />

Fast immer reagieren Erwachsene mit Abwehr, Widerstand, Ärger, Wut. Geme<strong>in</strong>sam werden die Ausgangssätze<br />

(Befehle, Drohungen, Unterstellungen, Interpretationen usw.) auf dem Arbeitsblatt analysiert.<br />

Fazit: Abwehrende, kommunikationsh<strong>in</strong>derliche Reaktionen kommen sehr häufig und oft ganz<br />

unbewusst dann zustande, wenn Anreden folgende, hiermit als Kommunikationsh<strong>in</strong>dernisse erkannte<br />

Formulierungselemente enthalten:<br />

Die 12 Kommunikationssperren nach Thomas Gordon:<br />

1. befehlen,<br />

kommandieren<br />

2. warnen,<br />

drohen<br />

3. moralisieren,<br />

predigen<br />

„Du musst ...“,<br />

„Du hast zu ...“<br />

„Wenn Du nicht ...,<br />

dann …“<br />

„Du solltest ...“,<br />

„Auf De<strong>in</strong>e Verantwor-<br />

Können Furcht oder aktiven Widerstand<br />

hervorrufen; fördert rebellisches Verhalten.<br />

Kann Angst und Unterwerfung hervorrufen;<br />

fordern heraus, die Drohung zu testen.<br />

Kreieren Verpflichtung und Schuldgefühle;<br />

vermitteln Misstrauen <strong>in</strong> das Verantwor-<br />

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4. Vorschläge machen,<br />

Lösungen geben<br />

5. mit Logik „auffahren“,<br />

argumentieren<br />

6. urteilen , kritisieren,<br />

beschuldigen<br />

7. loben,<br />

zustimmen<br />

8. beschimpfen,<br />

lächerlich machen<br />

9. analysieren,<br />

diagnostizieren<br />

10. beruhigen,<br />

übere<strong>in</strong>stimmen<br />

11. forschen,<br />

verhören<br />

12. ablenken, spötteln,<br />

zurückziehen<br />

22<br />

tung“ tungsgefühl des K<strong>in</strong>des.<br />

„Ich empfehle Dir ...“,<br />

„Was ich tun würde, ist<br />

...“<br />

„Tatsache ist aber, ...“,<br />

„Ja, aber ...“<br />

„Das hast Du nicht richtig<br />

überlegt ....“<br />

„Du bist e<strong>in</strong> großartiger<br />

Rechner, weiter so!“<br />

„Schreihals!“,<br />

„Falsch, Du Rechengenie!“<br />

„Was bei Dir nicht<br />

stimmt, ist ...“<br />

„Mach Dir ke<strong>in</strong>e Sorgen,<br />

das wird schon!“<br />

„Wer ...“, „Warum ...“,<br />

„Wie ...“<br />

„Lass uns über was<br />

anderes reden“,<br />

sich abwenden oder<br />

stumm verhalten.<br />

Kann Abhängigkeit und Widerstand auslösen;<br />

kann besagen, dass das K<strong>in</strong>d nicht<br />

fähig ist, se<strong>in</strong>e eigenen Probleme zu lösen.<br />

Provoziert Verteidigung und Gegenargumente;<br />

kann hervorrufen, dass sich das K<strong>in</strong>d<br />

m<strong>in</strong>derwertig vorkommt.<br />

Bedeuten Unfähigkeit, Stupidität, schlechtes<br />

Urteil; bee<strong>in</strong>flusst Mitteilungsbereitschaft<br />

des K<strong>in</strong>des, aus Angst vor negativem Urteil.<br />

Enthalten hohe Erwartungen der Eltern;<br />

kann Beklemmung hervorrufen, wenn die<br />

Selbste<strong>in</strong>schätzung des K<strong>in</strong>des nicht mit Lob<br />

der Eltern übere<strong>in</strong>stimmt.<br />

Führt oft zu verbaler Vergeltung; kann bewirken,<br />

dass sich K<strong>in</strong>der wertlos und ungeliebt<br />

vorkommen.<br />

Können bedrohen und enttäuschen; unterb<strong>in</strong>den<br />

die Kommunikation beim K<strong>in</strong>d aus<br />

Angst vor Entlarvung oder Verdrehung.<br />

Bewirken, dass sich K<strong>in</strong>d missverstanden<br />

fühlt; K<strong>in</strong>der übersetzen diese Botschaft der<br />

Eltern oft mit „es ziemt sich nicht, wenn ich<br />

mich schlecht fühle“.<br />

K<strong>in</strong>der werden ängstlich und furchtsam, weil<br />

sie oft im Dunklen tappen, was die Eltern mit<br />

ihren Fragen erreichen wollen.<br />

Unterdrückt die Offenheit des K<strong>in</strong>des, wenn<br />

es <strong>in</strong> Schwierigkeiten ist; lässt vermuten,<br />

dass Probleme des K<strong>in</strong>des unwichtig, kle<strong>in</strong>lich<br />

oder ungültig s<strong>in</strong>d.<br />

„Du-Botschaften“ haben häufig - langfristig gesehen - ausgesprochen beziehungsbee<strong>in</strong>trächtigende<br />

Wirkungen.<br />

Die Teilnehmenden können sich aufgrund eigener Erlebnisse und Erfahrungen der Zustimmung kaum<br />

entziehen, dass dieser Reaktionsmechanismus so, wie ihn die Erwachsenen empf<strong>in</strong>den, auch auf K<strong>in</strong>der<br />

und Jugendliche zutrifft. Durch Appelle, Drohungen und Zwang werden möglicherweise sehr<br />

kurzfristige, augenblickliche Erfolge erzielt. Langfristig kann sich die häufige Verwendung von<br />

Kommunikationssperren jedoch (manchmal unbemerkt) zu Belastungen, Kränkungen und zum nachhaltigen<br />

Beziehungsrisiko zwischen Eltern und K<strong>in</strong>dern auswachsen.<br />

Da Appelle und Drohungen bisher für viele Eltern das e<strong>in</strong>zige Mittel, den e<strong>in</strong>zigen Weg darstellen,<br />

ihre K<strong>in</strong>der zu verändertem Verhalten zu bewegen, macht sie die Erkenntnis der Unwirksamkeit oder<br />

gar Beziehungsschädlichkeit von Du-Botschaften zunächst betroffen und hilflos. – Was können Eltern<br />

denn sonst noch tun? Was soll an die Stelle des herkömmlichen Elternverhaltens treten? Wie können<br />

Eltern K<strong>in</strong>der bee<strong>in</strong>flussen und erziehen, ohne Widerstände auszulösen, Konflikte zu riskieren und<br />

Beziehungen zu strapazieren?<br />

An dieser Stelle wird e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Pause e<strong>in</strong>geschoben, e<strong>in</strong>e Gelegenheit zu <strong>in</strong>formellen Gesprächen<br />

und dazu, bisher Ungesagtes zum Thema doch noch aussprechen zu können. Zeit zur Kontaktaufnahme<br />

der Eltern untere<strong>in</strong>ander ist wichtig und bedeutsam, auch für die Stimmung und Motivation zur<br />

Weiterarbeit.


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2. Hälfte des Abends<br />

Zwischenkommentar: An dieser Stelle wird die Bedeutung e<strong>in</strong>er sorgfältigen <strong>in</strong>haltlichen Vorbereitung<br />

deutlich, die auch e<strong>in</strong>e aufmerksame und zielbewusste zeitliche Strukturierung des Abends be<strong>in</strong>haltet.<br />

Beim Thema Konfliktvorbeugung darf es nicht vorkommen, dass – evtl. durch das große Interesse<br />

der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen, zeitaufwendige Nachfragen oder Beiträge – zu viel Zeit für die Bearbeitung der<br />

Kommunikationssperren verwendet wird. Im S<strong>in</strong>ne konstruktiver, hilfreicher <strong>Familien</strong>bildung wäre es<br />

unverantwortlich, Eltern mit der Erkenntnis zu entlassen, dass sie mit vielen ihrer täglichen „Erziehungsmethoden“<br />

<strong>Familien</strong>konflikte erst provozieren, ohne ihnen zugleich positive Alternativen aufzuzeigen.<br />

Das H<strong>in</strong>terfragen e<strong>in</strong>gefahrenen, tradierten Elternverhaltens, die Verunsicherung <strong>in</strong> der familiären<br />

Beziehungsrout<strong>in</strong>e ist richtig und wichtig – aber nur, um den Anstoß zu förderlicheren, beziehungsstärkenden<br />

Kommunikationsformen zu setzen. Denn diese s<strong>in</strong>d das eigentliche Ziel und<br />

Thema.<br />

Für moderne, gestresste Eltern ist es mühsam und anstrengend, gewohnte Verhaltensabläufe abzulegen<br />

und diese durch ungewohnte neue Verhaltensweisen zu ersetzen. Auch bei festem Willen und ernsthaftem<br />

Bemühen fällt es Eltern oft schwer, gerade <strong>in</strong> konfliktgeladenen Situationen nicht (dauerhaft)<br />

<strong>in</strong> die alten <strong>in</strong>ternalisierten Umgangsformen zurückzufallen.<br />

Um Eltern zu gewaltarmen Umgangsformen <strong>in</strong> der Familie zu motivieren, reichen Appelle nicht aus.<br />

Es s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>sichten erforderlich, die nicht nur ihr Umdenken, sondern auch e<strong>in</strong> wirkliches Um-Handeln<br />

begründen. Alle<strong>in</strong> diesem Ziel dient die ausführliche Beschäftigung mit kommunikations- und beziehungsstörenden<br />

Haltungen und Sprachformen.<br />

Deshalb muss unmittelbar nach dem aufrüttelnden ersten Lern-Schritt nun der konstruktive zweite<br />

Schritt getan werden, nämlich das Erleben von wirkungsvolleren Alternativen. Das s<strong>in</strong>d Gesprächsverläufe,<br />

die gegenseitige Öffnung, Klärungen, Kompromissbereitschaft signalisieren, Sprachformen,<br />

die Aushandlungsprozesse fördern, anstatt sie abzubrechen, statt den potentielle „Konfliktgegner/<strong>in</strong>nen“<br />

mundtot zu machen.<br />

Wenn an diesem Abend nicht auch ausdrücklich über Möglichkeiten positiv wirkender Erziehungsformen<br />

gesprochen wird, gehen die TN dieser Abendveranstaltung mit dem faden, hilflosen Gefühl<br />

nach Hause, Fehler zu machen und selbst Spannungen <strong>in</strong> der Eltern-K<strong>in</strong>d-Beziehung zu verursachen –<br />

aber ke<strong>in</strong>en Ausweg aus der ungewollten Alltagsrout<strong>in</strong>e zu wissen.<br />

Möglicherweise werden diese Eltern ke<strong>in</strong> zweites Mal an e<strong>in</strong>er ähnlichen Veranstaltung teilnehmen –<br />

nur um sich wieder sagen zu lassen, was sie <strong>in</strong> ihrer Elternrolle alles falsch machen.<br />

Die Impulsfrage für den zweiten Teil des Abends heißt etwa:<br />

• Wie können Eltern auf K<strong>in</strong>der E<strong>in</strong>fluss nehmen und sie verantwortlich erziehen, ohne Widerstände<br />

und Abwehr auszulösen, Konflikte zu riskieren und Beziehungen zu strapazieren?<br />

Erläuternder E<strong>in</strong>schub: In e<strong>in</strong>er Abendveranstaltung fällt dieser konstruktive richtungweisende Teil<br />

zeitlich kürzer aus als der erste eher aufrüttelnde, bewusst und betroffen machende. Der Abend war<br />

erfolgreich, wenn er Eltern für die große Bedeutung der Kommunikation von der Wortwahl bis zum<br />

gesamten Sprach- und nonverbalen Verhalten der Eltern und dessen psychische Wirkungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>derseelen<br />

sensibilisieren konnte, wenn er das Interesse wecken konnte, sich weiter um den Verzicht auf<br />

körperliche Strafen und psychische Demütigung zu bemühen. Das Thema braucht klare Worte über<br />

die prägenden Wirkungen elterlichen Handelns – aber auch Verständnis für deren alltägliche Schwierigkeiten<br />

und Unsicherheiten. Auch Eltern s<strong>in</strong>d nicht durch Vorwürfe und psychische Druckmechanismen<br />

positiv zu motivieren. Es braucht e<strong>in</strong>fach Zeit, bis neues Handeln gel<strong>in</strong>gen und Erfolge zeigen<br />

kann.<br />

Nach der Pause führt die Referent<strong>in</strong> die Aufmerksamkeit zurück zum Gordon’schen „Verhaltensrechteck“.<br />

Ziel <strong>in</strong>nerhalb der familiären Kommunikation ist immer, den Bereich „ke<strong>in</strong> Problem“ auszuwei-<br />

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ten und zu stabilisieren. Genau dies, nämlich vermeidbare Konflikte tatsächlich zu vermeiden, und mit<br />

aufgetretenen Konflikten konstruktiv umzugehen, gel<strong>in</strong>gt offensichtlich mit den landläufigen, kommunikationsh<strong>in</strong>derlichen<br />

Du-Botschaften nicht.<br />

Ich-Botschaften<br />

Die Referent<strong>in</strong> stellt daher nun den unwirksamen oder sogar negativ wirkenden Du-Botschaften den<br />

S<strong>in</strong>n und die aufbauende, beziehungsfördernde Wirkungsweise von Ich-Botschaften gegenüber. Eltern<br />

sollten sich so ausdrücken, dass K<strong>in</strong>der von den elterlichen Bedürfnissen, ihren Empf<strong>in</strong>dungen<br />

und Me<strong>in</strong>ungen e<strong>in</strong> klares, möglichst ehrliches Bild erhalten.<br />

Gordon fordert auf, <strong>in</strong> Form von „Ich-Botschaften“ (I-B) zu sprechen.<br />

24<br />

Aussagende Ich-Botschaften<br />

Antwortende Ich-Botschaften<br />

Vorbeugende Ich-Botschaften<br />

Positive Ich-Botschaften<br />

Konfrontierende Ich-Botschaften<br />

wirken zunächst ungewohnt und fremd.<br />

Sie können gelernt, erprobt und zur Gewohnheit<br />

im zwischenmenschlichen Umgang<br />

werden.<br />

Sie verfehlen ihre positive Wirkung nur<br />

selten, aber, es kostet Geduld und Ausdauer,<br />

sich - allmählich - auf die klaren,<br />

offenen Kommunikationsformen nach<br />

Thomas Gordon umzustellen.<br />

Dem Aufbau und den Formulierungen von I-B schenkt Gordon wegen ihrer positiven Chancen und<br />

Wirkungen viel Aufmerksamkeit und Erarbeitungszeit im Rahmen von Sem<strong>in</strong>aren und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs. Erst<br />

wenn verstanden, akzeptiert und bejaht wird, dass e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stück „Intimität“ den Kommunikationsprozess<br />

enorm fördern kann, beg<strong>in</strong>nt das eigentliche Erproben und Tra<strong>in</strong>ieren.<br />

E<strong>in</strong>e I-B ist e<strong>in</strong>e Art „Selbst-Enthüllung“. Sie gibt über mich als Individuum, als Person Auskunft,<br />

über das, was ich denke und fühle. Durch I-B ist es für andere e<strong>in</strong>facher, das zu sehen und zu hören,<br />

was <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Innern vorgeht, zu erfahren, wer und wie ich wirklich b<strong>in</strong>. Es ist nicht nur Theorie<br />

sondern e<strong>in</strong>e lange bewährte Erfahrung: <strong>in</strong>dem ich auf offene und ehrliche Weise me<strong>in</strong>e Bedürfnisse<br />

mitteile, gew<strong>in</strong>ne ich den Respekt und die hilfsbereite Aufmerksamkeit anderer.<br />

Aufbau e<strong>in</strong>er Ich-Botschaft<br />

1.<br />

Beschreibung des<br />

konkreten Verhalten<br />

des K<strong>in</strong>des<br />

Beispiele:<br />

- wenn Du die Tür an<br />

kalten Tagen offen lässt ...<br />

- wenn Du so laut bist, während<br />

ich telefoniere ...<br />

2.<br />

Folgen des Verhaltens<br />

für mich<br />

- muss ich mehr<br />

Heizkosten bezahlen ...<br />

- kann ich nichts<br />

verstehen<br />

3.<br />

ausgelöstes Gefühl<br />

- Ärger<br />

- Sorge, K<strong>in</strong>d wird krank<br />

- Ärger<br />

Ich-Botschaften bilden auch das entscheidende sprachliche Grundelement für konstruktive Konfliktlösungstechniken.<br />

Klare, ehrliche Aussagen, die Konfliktsituationen transparent machen, s<strong>in</strong>d der<br />

1. Schritt auf e<strong>in</strong>e Lösung h<strong>in</strong>, die alle Beteiligten zufrieden stellt.<br />

Das 2. Element ist das aufmerksame, genaue H<strong>in</strong>hören, die Bereitschaft und Offenheit der oder dem<br />

anderen zuzuhören, d.h. verstehen zu wollen, Konzentration und Aufmerksamkeit auch auf die Empf<strong>in</strong>dungen,<br />

Erlebnisse und Sichtweisen der anderen Konfliktseite zu richten.


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Aktiv Zuhören<br />

An diesem Abend kann die „Technik“ des Aktiv<br />

Zuhörens (AZ) nur noch <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Kurzreferats<br />

vorgestellt und beschrieben werden. Für Übungen,<br />

d.h. dafür, die Wirkung des AZ <strong>in</strong> Ansätzen<br />

e<strong>in</strong>mal an sich selbst zu erleben, reicht die Zeit<br />

nicht.<br />

Aber, der entspannende und konfliktlösende Wirkungsmechanismus<br />

ist deutlich, und die Teilnehmenden<br />

dieser Veranstaltung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>teressiert und<br />

neugierig geworden. Es gibt sehr wohl Alternativen<br />

zu Strenge, Härte und Bestrafung, die nach den<br />

Erlebnissen dieses Abends tatsächlich sogar eher<br />

erzieherische Wirkungen versprechen als all die<br />

täglichen Bemühungen bisher.<br />

Auswertung<br />

Die kurze Auswertungsrunde verdeutlicht wieder e<strong>in</strong>mal, dass Eltern <strong>in</strong>teressierbar, lern- und überzeugungsfähig<br />

s<strong>in</strong>d, dass sie jedoch bereits resignieren bei der Vorstellung, mit ihren Veränderungsversuchen<br />

und Alltagsbemühungen um verbesserte Kommunikationsformen demnächst ganz alle<strong>in</strong><br />

dazustehen. Es fehlt die Gelegenheit, im Austausch mit gleichges<strong>in</strong>nten Eltern zu bleiben und die Begleitung<br />

durch fachkompetente <strong>Familien</strong>bildner/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Anspruch nehmen zu können.<br />

In Brandenburg gibt es derzeit bedauerlicherweise weder ausreichend qualifizierte Fachkräfte noch<br />

f<strong>in</strong>anzielle Mittel für die <strong>Familien</strong>bildung <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne, auf die die TN hätten h<strong>in</strong>gewiesen werden<br />

können.<br />

Beispiel B<br />

Verlaufsskizze und Methodendiskussion zum Elternabend<br />

„K<strong>in</strong>der lieben Fernsehen – und Eltern helfen ihnen beim Umgang damit“<br />

Planung<br />

Der Wunsch und die Idee, das „Fernsehen <strong>in</strong> der Familie“ zum Thema e<strong>in</strong>es Elternabends zu machen,<br />

entstand aufgrund aktueller Vorkommnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em katholischen K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong> Budenheim. Bei<br />

Anfragen an die Teams weiterer K<strong>in</strong>dergärten wurden die allgeme<strong>in</strong>e Unsicherheit der Eltern und das<br />

Interesse an e<strong>in</strong>er fachlichen E<strong>in</strong>schätzung und Beratung durch e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der-Medienexpert<strong>in</strong> deutlich.<br />

Mit folgendem kommentiertem Handzettel wurden die Eltern der Budenheimer K<strong>in</strong>dergärten <strong>in</strong>s katholische<br />

Geme<strong>in</strong>dezentrum e<strong>in</strong>geladen:<br />

„K<strong>in</strong>der lieben Fernsehen … und Eltern helfen ihnen beim Umgang damit“ – e<strong>in</strong> Abend für Eltern<br />

im katholischen Geme<strong>in</strong>dezentrum, Referent<strong>in</strong>: Christ<strong>in</strong>e Neumann von „Jeronimo – das K<strong>in</strong>dergarten-Netzwerk“.<br />

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In vielen <strong>Familien</strong> ist der Kampf um Fernsehen, Video und Computerspiele e<strong>in</strong> permanentes Konfliktfeld.<br />

Eltern wollen aber weder Verbote aussprechen noch Spannungen schüren. Sie fragen sich:<br />

• Ist Fernsehen gut für me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d?<br />

• Wann schadet es der Entwicklung?<br />

• Wie viel und was darf me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sehen? Soll es alles das sehen dürfen, was se<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>nen<br />

und Freunde sehen?<br />

• Wie können Eltern die Fernsehgewohnheiten <strong>in</strong> der Familie regeln, ohne durch Konflikte das<br />

<strong>Familien</strong>klima zu gefährden?<br />

Wie sieht es bei Ihnen aus mit dem Streit z.B. um Pokemon und Teletubbies? -<br />

Wir treffen uns zu Informationen und Austausch rund um das Thema „Fernsehen für K<strong>in</strong>der und mit<br />

K<strong>in</strong>dern“, „Tipps für <strong>Familien</strong>-Fernsehen ohne Ohnmachtsgefühle und Tränen“.<br />

Vorbereitung<br />

Bei der Suche nach e<strong>in</strong>er kompetenten Referent<strong>in</strong> gelangten die Organisator<strong>in</strong>nen zu Christ<strong>in</strong>e Neumann,<br />

Mitbetreiber<strong>in</strong> von „Jeronimo – das K<strong>in</strong>dergartennetzwerk“ <strong>in</strong> Edenkoben. Jeronimo ist e<strong>in</strong>e<br />

Institution, die sich ganz gezielt der medienpädagogischen Arbeit mit K<strong>in</strong>dergarten-Teams und K<strong>in</strong>dergarten-Eltern<br />

widmet – und sich entsprechend im Internet präsentiert unter www.jeronimo.de.<br />

Voraussetzung für das Gespräch mit Eltern zum Thema Fernsehen/Video war die Möglichkeit zur<br />

Betrachtung von Video-Ausschnitten, um im Gespräch von geme<strong>in</strong>samen Informationen, Thesen und<br />

Fragestellungen ausgehen zu können. Es konnte e<strong>in</strong> Videobeamer organisiert werden, der das Video-<br />

Bild auf Le<strong>in</strong>wandformat vergrößert und allen TN e<strong>in</strong>e optimale Sicht ermöglicht.<br />

Inhaltliche Vorbereitung/Absprachen mit der Referent<strong>in</strong><br />

In telefonischen Vorgesprächen wurden mit der Referent<strong>in</strong> Inhaltsschwerpunkte und Methodenfragen<br />

geklärt. Im Rahmen des Projekts „Konfliktfähige Familie“ sollte der Arbeitsschwerpunkt bei dem<br />

Themenaspekt „Konfliktherd Fernsehen“ liegen. Folgende, vorrangig zu bearbeitende Aspekte wurden<br />

benannt und abgestimmt:<br />

26<br />

1. Ebene: Umgang mit dem Fernsehen als permanentem/zum<strong>in</strong>dest permanent latentem<br />

Konfliktherd <strong>in</strong> der Familie:<br />

• Wer möchte was, wann, wie oft und wie lange sehen?<br />

• Wer darf was, wann, wie oft, wie lange sehen?<br />

• Wie wird entschieden, was, wann, wie oft, wie lange läuft?<br />

• Was wird durch das Entscheidungsverfahren bei den Beteiligten/Betroffenen ausgelöst?<br />

• Gel<strong>in</strong>gt die Organisation des <strong>Familien</strong>-Fernsehens auch ohne Gefühle von Niederlage<br />

zu produzieren?<br />

• Wie und was können Eltern tun? Warum sollte so genau darauf geachtet werden?<br />

Umgang mit Fernsehgewohnheiten, <strong>Familien</strong>-Entscheidungsrituale bieten e<strong>in</strong> dauerhaftes Experimentier-<br />

und Übungsfeld für demokratische Entscheidungsstrukturen <strong>in</strong> der Familie. Aber wie gelangen<br />

<strong>Familien</strong> zu wirklich konstruktiven Umgangs- und Verhandlungsformen?<br />

In der 1. Ebene sollten am Beispiel Fernsehentscheidungen Fragen der Konfliktvorbeugung und der<br />

konstruktiven Konfliktbewältigung bearbeitet werden. Schwerpunktaspekte:<br />

• Kommunikation, gewaltfreier Umgang mit Medien <strong>in</strong> der Familie<br />

• Mit K<strong>in</strong>dern Regeln aushandeln, festlegen und kontrollieren,<br />

• Über notfalls e<strong>in</strong>seitig von den Eltern gesetzte Regeln (Verbote) unbed<strong>in</strong>gt mit K<strong>in</strong>dern reden,<br />

Überlegungen, Sorgen, Gründe mitteilen, um E<strong>in</strong>sicht bei den K<strong>in</strong>dern bemühen, Transparenz<br />

herstellen. Es gilt: besser E<strong>in</strong>sicht und Zustimmung des K<strong>in</strong>des als e<strong>in</strong>seitige Verbote!<br />

• Vorbildfunktion der Eltern vergegenwärtigen, unterstreichen. K<strong>in</strong>der orientieren sich stärker<br />

am Verhalten als an Worten und Appellen der Eltern.


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2. Ebene: Umgang mit offener (z.B. krim<strong>in</strong>eller) und versteckter (z.B. restriktive Rollenklischees)<br />

Gewalt im Fernsehen.<br />

• Können/sollen Eltern E<strong>in</strong>drücke von Gewalt <strong>in</strong> Film und Fernsehen von K<strong>in</strong>dern fernhalten?<br />

(Verbote?) – Welche Wirkungen werden zu Hause beobachtet? Welche Wirkungen<br />

wurden <strong>in</strong> Forschungsprojekten gefunden?<br />

• Reaktionsunterschiede bei K<strong>in</strong>dern unterschiedlichen Alters?<br />

Thematischer E<strong>in</strong>stieg<br />

Aufgrund der Gruppengröße (25 TN) und des eher als Info-Abend mit Austausch und Diskussion geplanten<br />

Vorgehens, verzichtet die Referent<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong> gegenseitiges Vorstellen/Kennenlernen der TN.<br />

Sie steigt mit e<strong>in</strong>em fachlichen Impulsreferat unmittelbar <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>. Dabei ist sie bemüht,<br />

wissenschaftliche Grundlagendaten grundsätzlich an Beobachtungen aus dem Alltagsverhalten von<br />

K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Familie und K<strong>in</strong>dergarten zu konkretisieren und zu veranschaulichen.<br />

Inhaltliche Erarbeitung<br />

1. Ebene: Konfliktherd <strong>Familien</strong>-Fernsehen<br />

Aus ihrem Impulsreferat von ca. 10 M<strong>in</strong>uten formuliert die Referent<strong>in</strong> konkrete Diskussionsanregungen,<br />

verbunden mit der Bitte an die TN, jetzt gerne eigene Beobachtungen und Erfahrungen <strong>in</strong>s Gespräch<br />

e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Die Diskussion – immer wieder gelenkt und angereichert durch fachspezifische Statements der Referent<strong>in</strong><br />

– verläuft entlang der folgenden Kette von Gesprächsimpulsen:<br />

• Welche Rolle spielt das Fernsehen heute <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>? – Wo hat das Gerät se<strong>in</strong>en Standort?<br />

Offen im Wohnzimmer? Verschlossen an e<strong>in</strong>em zentralen Ort? In e<strong>in</strong>em Nebenraum?<br />

Der Standort signalisiert oft den Stellenwert des Fernsehens. Grundsätzlich wünschenswert im<br />

S<strong>in</strong>ne der Persönlichkeitsentwicklung der K<strong>in</strong>der: Fernsehen soll pr<strong>in</strong>zipiell die 2. Wahl der<br />

Beschäftigung im <strong>Familien</strong>kontext se<strong>in</strong>. K<strong>in</strong>der bevorzugen das Gespräch, Spiel, Arbeiten mit<br />

den Eltern – wenn sie dabei auf deren volle wohlwollende Aufmerksamkeit rechnen können.<br />

• Wie wird der Fernseher <strong>in</strong> der Familie genutzt? Wie machen es die Eltern: gezielte Auswahl<br />

durch Anstreichen im Fernsehprogramm? Oder ungezieltes Zappen? Elternverhalten ist Signal,<br />

Handlungsorientierung für K<strong>in</strong>der.<br />

• Rolle des Fernsehens im K<strong>in</strong>deralltag: psychologische Aspekte – was sehen K<strong>in</strong>der gern?<br />

Liebl<strong>in</strong>gssendungen? Persönlichkeitsentwicklung durch Identifikation mit Medienheld/<strong>in</strong>nen<br />

(Pokemon, Sammelkarten, Serien). Werbung/Verführung<br />

• Wo liegen Konfliktursachen?<br />

o K<strong>in</strong>der möchten fernsehen, wenn sie gerade helfen sollen,<br />

o K<strong>in</strong>der möchten mehr fernsehen, als es die Eltern für gut halten,<br />

o K<strong>in</strong>der möchten Sendungen sehen, die die Eltern nicht mögen oder schlecht f<strong>in</strong>den,<br />

o K<strong>in</strong>der benutzen Fernsehen ungezielt zum Zeitvertreib,<br />

o K<strong>in</strong>der wollen „problematische“ Sendungen sehen, weil die Gleichaltrigen das angeblich<br />

auch dürfen ( Mitreden können)<br />

• Welches Elternverhalten verspricht dauerhafte erzieherische Erfolge?<br />

• Was bewirken Fernsehverbote?<br />

E<strong>in</strong>drücke aus dem Diskussionsverlauf<br />

Die Frage- und Gesprächsbereitschaft der TN ist hoch. Die Referent<strong>in</strong> hat Mühe, auch eher zurückhaltenden<br />

Wortmeldungen Rederaum zu verschaffen. Außerdem hat sie den gesetzten Zeitrahmen von 2,5<br />

Std. im Blick, den sie nutzen will, um <strong>in</strong> der Themenbearbeitung zu weiteren Aspekten zu kommen,<br />

die ihr wichtig ersche<strong>in</strong>en. Die Eltern sollen e<strong>in</strong> gutes Gesamtbild der verschiedenen Blickw<strong>in</strong>kel erhalten<br />

und zugleich mit neuen Handlungsorientierungen und e<strong>in</strong>iger Handlungssicherheit nach Hause<br />

gehen.<br />

Fakten – Thesen – Tipps<br />

In vielen <strong>Familien</strong> ist das Fernsehen zum Mittelpunkt des <strong>Familien</strong>lebens geworden. Eltern fällt es<br />

schwer, andere Beschäftigungen anzubieten, an denen alle <strong>Familien</strong>mitglieder beteiligt se<strong>in</strong> können<br />

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und Spaß haben. Auch vertrauensvolle Situationen mit K<strong>in</strong>dern alle<strong>in</strong> werden nicht für das Gespräch,<br />

das gegenseitige Zuhören, das geme<strong>in</strong>schaftliche Erleben genutzt. In der Diskussion wird als Ziel herausgearbeitet:<br />

• Das Fernsehen sollte wieder zur 2. Wahl der Beschäftigungen <strong>in</strong> der Familie werden. Das<br />

könnte gel<strong>in</strong>gen, wenn auch das Fernsehgerät nicht mehr den Mittelpunkt der Wohnung e<strong>in</strong>nimmt.<br />

Eltern wollen sich vor dem Fernseher entspannen, ablenken, wollen sich unterhalten lassen. Sie treffen<br />

ke<strong>in</strong>e gezielte Auswahl an Sendungen, sondern zappen durch die Programme. K<strong>in</strong>der werden diese<br />

Haltung der Eltern zum Fernsehen übernehmen – auch wenn Appelle und Verbote der Eltern sie zum<br />

bewussten Umgang mit Medien „erziehen“ wollen. Grundsätzlich wirkt das Elternverhalten stärker<br />

auf die Wertorientierungen der K<strong>in</strong>der als Worte und Sanktionen.<br />

Eltern, die Fernsehen als Belohnung und Fernsehverbot als Strafe e<strong>in</strong>setzen, unterstützen und fördern<br />

die überhöhte Bewertung des Fernsehens im K<strong>in</strong>der- und <strong>Familien</strong>alltag.<br />

28<br />

Deshalb sollte gelten: Grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Fernsehverbote. – Statt dessen: das Gespräch,<br />

die Ause<strong>in</strong>andersetzung über und das Aushandeln von Programmauswahl, geschmacklichen<br />

Vorlieben und Themen.<br />

Das Fernsehprogramm wird so zum Gesprächsanlass mit gegenseitiger Aufmerksamkeit für Wünsche,<br />

Begründungen und Kompromisse. Als Risiko und dauerhafte Beziehungsbelastung zwischen Eltern<br />

und K<strong>in</strong>dern kann sich das Ausspielen der elterlichen Entscheidungsmacht auswirken. Wenn Eltern<br />

grundsätzlich über das Fernsehen und das Fernsehprogramm herrschen, bleibt den K<strong>in</strong>dern an diesem<br />

Punkt der Respekt und die Anerkennung der Eltern vorenthalten. Beziehungsspannungen, die aus diesem<br />

Mechanismus erwachsen, können teilweise auf e<strong>in</strong>fachem Wege durch Video-Aufzeichnungen<br />

vermieden werden. Damit wird zudem dem Fernsehprogramm die Macht genommen, die Gestaltung<br />

geme<strong>in</strong>samer Zeiten <strong>in</strong> der Familie zu diktieren oder entscheidend mitzubestimmen.<br />

Das Mitredenkönnen und die Anerkennung unter Gleichaltrigen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergruppe und Schule hat für<br />

K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en besonders hohen Stellenwert. Die „Peergruppe“ bestimmt zeitweise die Persönlichkeitsentwicklung<br />

und das Lebensgefühl der K<strong>in</strong>der stärker als die familiäre Lebenswelt. Das Fernsehen und<br />

dar<strong>in</strong> bestimmte wechselnde Figuren und die Identifikation mit Medienheld/<strong>in</strong>nen spielen für das Ansehen<br />

<strong>in</strong> der Gleichaltrigengruppe und für die Persönlichkeitsentwicklung der K<strong>in</strong>der heute e<strong>in</strong>e zunehmend<br />

große Rolle.<br />

Wenn Eltern ihren K<strong>in</strong>dern nahe bleiben und ihre Entwicklung wirklich begleiten wollen, s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong><br />

diesem Punkt zu großer Aufmerksamkeit aufgefordert. Eltern sollten K<strong>in</strong>dern die Zeit und Aufmerksamkeit<br />

schenken und ihnen den Austausch über Fernsehvorlieben, Fernseh<strong>in</strong>halte und Programmwahlen<br />

immer neu anbieten und vorschlagen. Es „zahlt sich aus“, K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> dieser Weise ernst zu<br />

nehmen, ihre Wünsche, Freuden und Enttäuschungen kennen zu lernen. Auch über das oft leidige<br />

Thema Fernsehen können Eltern Vertrauen und Vertrautheit zu ihren K<strong>in</strong>dern aufbauen und die Beziehung<br />

zu ihnen pflegen – vorausgesetzt, sie ist von E<strong>in</strong>fühlungsvermögen, E<strong>in</strong>fühlungsbereitschaft,<br />

Respekt vor K<strong>in</strong>dern, Wohlwollen und Kompromissbereitschaft geprägt. Erziehung zu „vernünftigem<br />

Medienkonsum“ ist eben nicht über Härte, Anordnung, Verbote und Gebote, Drohung und Strafe zu<br />

erreichen, weil das nur allzu oft Widerstände, Lügen und Verheimlichung zur Folge hat.<br />

2. Ebene: Umgang mit Gewalt im Fernsehen<br />

K<strong>in</strong>der suchen Formen und Wege, Fernseherlebnisse im Spiel und vor allem <strong>in</strong> Bewegung zu verarbeiten.<br />

Um die Verarbeitung nicht zu beh<strong>in</strong>dern oder gar zu verh<strong>in</strong>dern, sollten die Erwachsenen ihnen<br />

Raum und Zeit dazu zugestehen. Szenen oder Held/<strong>in</strong>nen werden nachgespielt – oft kraftvoll und<br />

lautstark. Besonders vor dem Schlafengehen sollte Zeit und Gelegenheit e<strong>in</strong>geplant werden, angestaute<br />

Bewegung abzureagieren und über Erlebtes und Gesehenes zu sprechen, um K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>en erholsamen<br />

Schlaf zu ermöglichen.


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Belastende Spannungszustände können für K<strong>in</strong>der bei Fernsehserien entstehen, bei denen die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Folgen offen, d.h. ungelöst mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spannungsbogen enden. Zum befreienden Abbau von<br />

Spannungen brauchen K<strong>in</strong>der das Happy End – und die Gelegenheit zu Spiel und Bewegung.<br />

Empfehlung der Referent<strong>in</strong>:<br />

Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d noch nach der Sendung Angst hat – erf<strong>in</strong>den Sie e<strong>in</strong> Happy-End!“<br />

Als Orientierung für k<strong>in</strong>dliches Konfliktlöseverhalten ist das Vorbild von Familie, Freund/<strong>in</strong>nen, Bezugspersonen<br />

stärker als die E<strong>in</strong>flüsse der Medien. Auch Gewalt, die z.B. <strong>in</strong> Zeichentrickfilmen im<br />

Kampf des Guten gegen das Böse (auch z.B. Kle<strong>in</strong> gegen Groß) dargestellt wird, bee<strong>in</strong>flusst das Konfliktverhalten<br />

von K<strong>in</strong>dern kaum. Problematisch s<strong>in</strong>d dagegen Gewaltdarstellungen als Selbstzweck,<br />

Gewalt- und Spielfilmszenen, deren Begründung sich K<strong>in</strong>dern nicht erschließt.<br />

Hier ist <strong>in</strong> besonderer Weise das Gespräch, die kommunikative Ause<strong>in</strong>andersetzung mit vertrauten<br />

Erwachsenen notwendig. Das gilt auch für Gewalt- und Zerstörungsszenen <strong>in</strong> Dokumentar- und Nachrichtensendungen.<br />

Abschluss<br />

Das Gespräch der Eltern verlief engagiert und lebhaft. Konkrete <strong>Familien</strong>situationen wurden e<strong>in</strong>gebracht.<br />

Über unterschiedliche Wege und Möglichkeiten, mit Fernsehen im <strong>Familien</strong>leben umzugehen,<br />

wurde mit der Referent<strong>in</strong> diskutiert und berieten sich die Eltern gegenseitig. Es war geplant, E<strong>in</strong>spielungen<br />

aus K<strong>in</strong>dersendungen jeweils <strong>in</strong> direktem Zusammenhang mit vorbereiteten Themenimpulsen<br />

abzuspielen. An diesem Abend bildeten die Filmausschnitte e<strong>in</strong>e anschauliche Zusammenfassung und<br />

den Schlusspunkt e<strong>in</strong>er lebhaften vielseitigen Veranstaltung zum Thema „Fernsehen für und mit K<strong>in</strong>dern“.<br />

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<strong>Familien</strong>bildungswochenenden<br />

- Inhalts- und Methodenbeschreibung an zwei Beispielen<br />

1. <strong>Familien</strong>bildungswochenende „Weihnachtszeit – Friedenszeit“<br />

vom 08. bis 10.12.2000 <strong>in</strong> der Jugendherberge Altle<strong>in</strong><strong>in</strong>gen, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />

durchgeführt von Sozialpädagog<strong>in</strong> Ria Weis-Pirkl und Sozialpädagog<strong>in</strong> Monika Großhenrich zusammen<br />

mit 2 sozialpädagogische Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für das K<strong>in</strong>derprogramm<br />

2. <strong>Familien</strong>bildungswochenende „… und dann rutscht mir die Hand aus!“<br />

vom 28. bis 30.09.2001 <strong>in</strong> der Heimvolkshochschule Neusedd<strong>in</strong>, Brandenburg<br />

durchgeführt von Heilpädagog<strong>in</strong> Ines Eschert zusammen mit den sozialpädagogischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

für das K<strong>in</strong>derprogramm Heike Kubitza (Lehrer<strong>in</strong>) und Dagmar Vrangys (Erzieher<strong>in</strong>)<br />

Beispiel A<br />

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Verlaufsskizze mit Methodendiskussion zum <strong>Familien</strong>bildungswochenende „Weihnachtszeit –<br />

Friedenszeit“<br />

Thema / Ziele<br />

Konflikte <strong>in</strong> <strong>Familien</strong> treten u.a. häufig auf, wenn die Erwartungen und Bedürfnisse der Mitglieder<br />

nicht klar formuliert s<strong>in</strong>d und wenn Grenzen gegenseitig missachtet werden. Besonders <strong>in</strong> der Vorweihnachtszeit<br />

prallen häufig die unterschiedlichen Erwartungen aufe<strong>in</strong>ander:<br />

Der Wunsch nach friedlicher Weihnachtszeit mit Muße, Romantik und viel Zeit für familiäre Unternehmungen<br />

wird <strong>in</strong> vielen <strong>Familien</strong> nicht erfüllt. Die Vorweihnachts-Realität wird vielmehr oft durch<br />

E<strong>in</strong>kaufs- und Konsumstress bestimmt sowie vermehrte Arbeitsbelastungen zum Jahresende im Berufsalltag.<br />

– Die erhoffte Friedenszeit wird so teilweise zur Krisenzeit.<br />

Ziel dieses Sem<strong>in</strong>ars war es daher, <strong>Familien</strong> e<strong>in</strong>en Raum zu geben, ohne Alltagsverpflichtungen Zeit<br />

mite<strong>in</strong>ander zu verbr<strong>in</strong>gen, Möglichkeiten zu schaffen, eigene <strong>Familien</strong>situationen zu reflektieren, sich<br />

über Konfliktlösungsmöglichkeiten auszutauschen, um so die Erziehungskompetenz zu stärken oder<br />

zu modifizieren, aber auch, um mite<strong>in</strong>ander Zeit und Spaß zu haben.<br />

Adressat/<strong>in</strong>nen<br />

Angesprochen waren Eltern mit K<strong>in</strong>dern, ganz gleich ob E<strong>in</strong>-Eltern-, Patchwork- oder traditionelle<br />

<strong>Familien</strong>. Da es das erste Sem<strong>in</strong>ar dieser Art vor Ort war, wurde ke<strong>in</strong>e Altersvorgabe für die K<strong>in</strong>der<br />

gegeben. Die konkrete Programmgestaltung sollte dem Alter der K<strong>in</strong>der angepasst werden. Bei weiteren<br />

<strong>Familien</strong>-Sem<strong>in</strong>arangeboten wäre e<strong>in</strong>e Alterse<strong>in</strong>grenzung jedoch s<strong>in</strong>nvoll, besonders wenn die<br />

K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> das <strong>in</strong>haltliche Sem<strong>in</strong>arprogramm der Eltern e<strong>in</strong>bezogen werden sollen.<br />

Referent<strong>in</strong>nen / Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für das K<strong>in</strong>derprogramm<br />

Beide Referent<strong>in</strong>nen (Sozialarbeiter<strong>in</strong>/Sozialpädagog<strong>in</strong>) s<strong>in</strong>d Mitarbeiter<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er <strong>Familien</strong>bildungsstätte<br />

<strong>in</strong> NRW mit langjährigen <strong>Familien</strong>bildungs-Erfahrungen. Zusatzqualifikationen <strong>in</strong> systemischer<br />

Beratung, Gruppendynamik und <strong>Familien</strong>begleitung trugen zur Qualifizierung der Arbeit mit der <strong>Familien</strong>gruppe<br />

bei. Auch aus der eigenen familiären Lebenssituation br<strong>in</strong>gen die Referent<strong>in</strong>nen Erfahrungen<br />

des <strong>Zusammenleben</strong>s mit kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern mit.<br />

E<strong>in</strong>e der sozialpädagogischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für das K<strong>in</strong>derprogramm ist ebenfalls ausgebildete<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong> und Mitarbeiter<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Familien</strong>bildungsstätte, jedoch noch ohne Vorerfahrung mit<br />

<strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>aren am Wochenende. Die zweite sozialpädagogische Mitarbeiter<strong>in</strong> ist Mutter von 4<br />

K<strong>in</strong>dern und hat bei <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>aren der Referent<strong>in</strong>nen schon häufiger mitgearbeitet.<br />

In der Vorbereitungsphase wurden im Team Absprachen über die Themen, Inhalte und die Gesamtstruktur<br />

des Bildungswochenendes sowie darüber getroffen, wer welche Rolle zu welcher Zeit übernehmen<br />

soll. Zeiten für geme<strong>in</strong>same Teamgespräche wurden festgelegt, um evtl. notwendige Programmänderungen<br />

koord<strong>in</strong>ieren zu können.<br />

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Anmerkung: M<strong>in</strong>destens die Hälfte<br />

des Teams sollte Erfahrung mit dieser<br />

Arbeit haben, so dass Neue<strong>in</strong>steiger/<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>gearbeitet werden<br />

können.<br />

Im Verlauf des Sem<strong>in</strong>ars bewährte<br />

sich die Teamfähigkeit und Flexibilität<br />

der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen. Das Programm<br />

konnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Punkten<br />

unkompliziert bedürfnis- und <strong>in</strong>teressenorientiert<br />

verändert werden.<br />

Veranstaltungsort<br />

Die Jugendherberge (JH) Altle<strong>in</strong><strong>in</strong>gen wurde gewählt, weil sie nah genug zum Wohnort der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

liegt und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>igermaßen pünktliche Anfahrt zum Sem<strong>in</strong>arbeg<strong>in</strong>n am Freitagabend gewährleistete.<br />

Andererseits ist sie weit genug entfernt, um genügend Abstand zum Alltag zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

(Fahrzeit ca. 1 Std.)<br />

Die JH bot laut Ausschreibung und Absprache die Möglichkeit, die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen familiengerecht<br />

unterzubr<strong>in</strong>gen, d.h. jeder Familie stand e<strong>in</strong> eigenes, geräumiges Zimmer mit eigenem Bad zur Verfügung.<br />

Außerdem konnten nach Absprache mit dem Herbergsvater 2 Tagungsräume genutzt werden,<br />

was für die getrennten Aktionen von Eltern und K<strong>in</strong>dern Voraussetzung war (Normalerweise steht <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er JH jeder Gruppe nur 1 Raum zur Verfügung!).<br />

Die JH Altle<strong>in</strong><strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong>e neu renovierte Burg mit e<strong>in</strong>em hohen Jugendherbergsstandard, erwies sich<br />

auch aufgrund der ansprechenden Raum- und Hausgestaltung als für die <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>ararbeit sehr<br />

geeignet. Wünschenswert wäre allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> eigener K<strong>in</strong>derspielraum gewesen, der Gelegenheit zu<br />

viel Bewegung und zum Toben geboten hätte. So musste der vorhandene Aufenthaltsraum mit mitgebrachtem<br />

Material provisorisch gestaltet werden. Das ausgeliehene Spiel- und Bewegungsmaterial<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Familien</strong>bildungsstätte war dabei sehr hilfreich (CD-Player, Schwungtuch, Krabbeltunnel, Bilderbücher,<br />

Stoffe, Deko- und Verkleidungsmaterial, P<strong>in</strong>sel, Scheren...). Verbrauchs- und Bastelmaterialien<br />

wurden vorher von den Referent<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>gekauft.<br />

Die Sem<strong>in</strong>arunterlagen für die Erwachsenen wurden vervielfältigt mitgebracht, um nicht auf e<strong>in</strong>en<br />

funktionierenden Kopierer am Sem<strong>in</strong>arort angewiesen zu se<strong>in</strong>. Der Sem<strong>in</strong>arraum für die Erwachsenen<br />

war professionell für die Bildungsarbeit mit Gruppen ausgestattet. Vorhandene Medien konnten genutzt<br />

werden. Besonders die berufstätigen Väter waren von diesem professionellen Ambiente sehr<br />

angetan. Die direkte Nähe zum Wald war außerdem sehr günstig für Spiele und Aktivitäten im Freien.<br />

Ankündigung/Öffentlichkeitsarbeit<br />

Die Information und Bildungswerbung wurde von der MES <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z/B<strong>in</strong>gen übernommen. E<strong>in</strong> von<br />

der Referent<strong>in</strong> vorbereiteter Flyer wurde an unterschiedliche Institutionen gesandt (Kitas, Jugendamt,<br />

Beratungsstellen etc.). Die stärkste Resonanz brachte jedoch e<strong>in</strong> kurzer Artikel <strong>in</strong> der Presse. Nach<br />

e<strong>in</strong>er ersten telefonischer Auskunft wurden den Interessent/<strong>in</strong>nen dann der Flyer und die Anmeldeunterlagen<br />

zugeschickt.


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In e<strong>in</strong>em Infoschreiben wurden die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen über die Programmplanung <strong>in</strong>formiert sowie<br />

über organisatorische Details, z.B. über die Anfahrtsstrecke. Die Anfahrt musste selbst organisiert<br />

werden. Nach telefonischer Beratung war dies für die angemeldeten <strong>Familien</strong> jedoch ke<strong>in</strong> Problem.<br />

Sie wurden <strong>in</strong>formiert über die Ausstattung der JH und was mitzubr<strong>in</strong>gen ist. Sie wurden nicht aufgefordert,<br />

etwas zum Sem<strong>in</strong>ar<strong>in</strong>halt mitzubr<strong>in</strong>gen. Zu Folgesem<strong>in</strong>aren könnten die Eltern jedoch z.B. das<br />

aktuelle Liebl<strong>in</strong>gsspielzeug ihrer K<strong>in</strong>der mitbr<strong>in</strong>gen, wenn sie bereit s<strong>in</strong>d, dies mit anderen K<strong>in</strong>dern zu<br />

teilen. Außerdem könnten sie aufgefordert werden, vorhandene Instrumente, Musik oder Spiele <strong>in</strong> die<br />

Wochenend-<strong>Familien</strong>geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

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Ablaufplanung<br />

Schritte Erwachsene<br />

Kennenlernen /<br />

Anwärmphase:<br />

Freitag, 08.12.00<br />

19.00 – 20.00 Uhr<br />

Begrüßung, Vorstellen des<br />

Teams und des zeitl. Rahmens<br />

für den ersten Abend,<br />

Kennenlernspiele / Bewegungsspiele,<br />

Namensspiele,<br />

geme<strong>in</strong>sames Malen e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Familien</strong>wappens<br />

21.00 –22.30 Uhr<br />

Kennenlernrunde der Erwachsenen<br />

mit Spielen,<br />

Abklärung der Erwartungen,<br />

Vorstellen des Teams und<br />

des Sem<strong>in</strong>arablaufes /Ziel-<br />

Formulierung, Absprache<br />

von<br />

Regeln<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Thema<br />

Samstag, 09.12.00<br />

09.30 –12.15 Uhr<br />

geme<strong>in</strong>sames Begrüßungslied,<br />

Orientierungsspiel im Haus,<br />

Vorbereitungen zur Rallye /<br />

Gruppenaufteilung<br />

Nikolausrallye<br />

Themenbearbeitung<br />

15.30 18.00<br />

Erwachsenenrunde:<br />

Gesprächsrunde: “Typische<br />

Konflikt- und Stressauslöser<br />

<strong>in</strong> der Weihnachtszeit“<br />

34<br />

X<br />

X<br />

Geme<strong>in</strong>sa<br />

m<br />

X<br />

X<br />

X<br />

K<strong>in</strong>der Vorbereitung/Materialien<br />

X<br />

Raumgestaltung: großer Stuhlkreis,<br />

weihnachtliche Dekoration <strong>in</strong> der<br />

Mitte, Malpapier und Stifte,<br />

Gitarre und Liedertexte für geme<strong>in</strong>same<br />

Lieder<br />

Raumgestaltung: Tischrunde mit<br />

weihnachtlicher Deko, Getränke,<br />

Programmvorschlag zur E<strong>in</strong>sicht,<br />

themenbezogene Namensschilder,<br />

Schreibzeug, große Pappe zur<br />

Illustration wichtiger Punkte- Erwartungen<br />

Stuhlkreis,<br />

Gitarre, Liedertexte,<br />

Orientierungsrallyebogen, Stifte<br />

Symbolkarten zur Gruppenaufteilung<br />

Vorbereitete Aufgabenstellung,<br />

benötigte Materialien e<strong>in</strong>packen:<br />

Sem<strong>in</strong>arraum mit Tischrunde vorbereiten<br />

Moderatorenkoffer


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K<strong>in</strong>derrunde:<br />

Kreativ- und Theaterwerkstatt<br />

19.15 – 19.45 Uhr<br />

Abends<strong>in</strong>g- und Geschichtenrunde<br />

20.30 – 22.30:<br />

Spieleabend zum Thema<br />

Weihnachten / S<strong>in</strong>gspiele,<br />

Theater, Scharade<br />

Sonntag,10.12.00<br />

09.30-09.45 Uhr<br />

Begrüßungsrunde mit Liedern<br />

09.45 – 12.15.Uhr<br />

Gesprächskreis: Konfliktlösungsmodelle/Übertragbarkeit<br />

auf den Alltag<br />

Spielewerkstatt für K<strong>in</strong>der<br />

Auswertung<br />

14.00 –15.30 Uhr<br />

Gesprächskreis:<br />

Was nehme ich mit und was<br />

kann ich umsetzen?<br />

Sem<strong>in</strong>arauswertung<br />

15.30 –16.00 Uhr<br />

Sem<strong>in</strong>arauswertung für<br />

Groß und Kle<strong>in</strong> / Abschlussrunde<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

Pappe, Folie, etc. zum Sternenbasteln<br />

im Raum vorbereiten,<br />

Tische abdecken<br />

Verkleidungssachen vorbereiten<br />

Evtl. Vorführung des K<strong>in</strong>dertheaters<br />

Raumdekoration, Getränke, vorbereitete<br />

Spiele, Schreibzeug<br />

Stuhlkreis, Liedertexte<br />

Konfliktlösungsmodell nach Fittkau<br />

Stuhlkreis<br />

Fragebogen<br />

„Auswertungshaus“ auf e<strong>in</strong>e große<br />

Pappe malen, „Galerie“ der K<strong>in</strong>der<br />

besichtigen<br />

Vorbereitungen am Veranstaltungsort<br />

Die Absprachen zur Raumnutzung und Zimmerverteilung wurden im Vorfeld telefonisch mit der JH<br />

getätigt und schriftlich bestätigt.<br />

Das Team traf 2 Std. vor Sem<strong>in</strong>arbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>, um sich zu orientieren, die Räume und das Material vorzubereiten<br />

und organisatorische Fragen mit der Hausleitung abzusprechen.<br />

Das Ankommen - erste Orientierung<br />

Die teilnehmenden <strong>Familien</strong> trafen ab 17.00 Uhr nache<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>, wurden persönlich von e<strong>in</strong>em<br />

Teammitglied begrüßt und erhielten hier erste Informationen zur Zimmerbelegung, der ersten geme<strong>in</strong>samen<br />

Mahlzeit und zu Zeit und Ort des ersten Treffens. Insgesamt waren 8 komplette <strong>Familien</strong> er-<br />

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schienen (8 Mütter mit jeweils 1 – 3 K<strong>in</strong>dern im Alter von 2 – 13 Jahren und 7 Väter / 1 neuer Lebenspartner<br />

e<strong>in</strong>er Frau). 2 <strong>Familien</strong> waren geme<strong>in</strong>sam angereist, die anderen kannten sich nicht.<br />

Die erste geme<strong>in</strong>same Aktion war das Abendessen im Rittersaal. Die gute Verpflegung vom Buffet<br />

und der schöne Raum sorgten sofort für e<strong>in</strong>e gute Stimmung.<br />

Um 19.00 Uhr trafen sich alle im Tagungsraum, der bereits vom Team mit Stuhlkreis und weihnachtlicher<br />

Dekoration <strong>in</strong> der Raummitte vorbereitet war. Die 1. Referent<strong>in</strong> begrüßte nochmals alle und gab<br />

e<strong>in</strong>en kurzen Überblick über den geplanten Verlauf des Abends. Dann stellte sich das Team nache<strong>in</strong>ander<br />

kurz mit e<strong>in</strong>igen persönliche Daten dem beruflichen H<strong>in</strong>tergrund u.ä. vor. Zur Auflockerung und<br />

Aufwärmung übernahm e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derbetreuer<strong>in</strong> die Anleitung zu e<strong>in</strong>em Bewegungs- und Begrüßungsspiel.<br />

Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen ließen sich schnell darauf e<strong>in</strong>.<br />

Zum gegenseitigen Kennenlernen wurden die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Familien</strong> gebeten, geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong> „<strong>Familien</strong>wappen“<br />

zu malen, auf dem die Besonderheiten und Stärken der <strong>Familien</strong> zu erkennen se<strong>in</strong> sollten.<br />

Diese Aktion machte allen viel Spaß. Es war zu beobachten, dass sich Eltern bemühten, ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />

den Ablauf mit e<strong>in</strong>zubeziehen. Teils malten K<strong>in</strong>der das Wappen, teils auch Mütter und auch Väter.<br />

Die Wappen wurden dann der Gruppe vorgestellt. Die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Familien</strong>mitglieder wurden zusätzlich<br />

aufgefordert, zur Vorstellung etwas Positives über e<strong>in</strong> anderes Mitglied zu erzählen, z.B. „..das ist<br />

me<strong>in</strong> Papa, der kann besonders gut malen“, oder: “...das ist David, der spielt sehr gerne Fußball“.<br />

Die K<strong>in</strong>der konnten auch an dieser Stelle sagen, was sie an diesem Wochenende „unbed<strong>in</strong>gt“ gern<br />

machen wollten. Zumeist wurde „spielen“ genannt, aber auch „Burg besichtigen, Nachtwanderung,<br />

mit Papa spielen, malen, basteln“. Anschließend wurden die Arbeitsergebnisse wie e<strong>in</strong>e Ahnengalerie<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Burg - passend zur Umgebung - aufgehängt.<br />

Zum Schluss wurden die K<strong>in</strong>der darüber <strong>in</strong>formiert, dass sich ihre Eltern an diesem Abend im Tagungsraum<br />

treffen würden und aufgefordert, sich geme<strong>in</strong>sam noch mal den Weg dorth<strong>in</strong> anzuschauen.<br />

Nach e<strong>in</strong>em letzten Bewegungs- und Namenspiel sowie e<strong>in</strong>em Adventslied wurden alle mit e<strong>in</strong>em<br />

„Rausschmeißlied“ zu ihren Zimmern begleitet.<br />

Die erste Elternrunde<br />

Gegen 21.00 Uhr trafen sich die meisten Eltern wieder im Tagungsraum. Von 2 <strong>Familien</strong> war zum<strong>in</strong>dest<br />

1 Elternteil anwesend, um 21.30 Uhr war die Gruppe vollständig. Die Referent<strong>in</strong>nen starteten<br />

jedoch pünktlich mit der ersten Gesprächsrunde. Vorher hatten sie den Raum umgeräumt und e<strong>in</strong>e<br />

Tischgruppe, an der alle Platz hatten, sowie Getränke von der JH vorbereitet.<br />

Zur Orientierung wurden die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen des Wochenendes erläutert: Träger, F<strong>in</strong>anzierung,<br />

personelle Zusammensetzung, Gruppenregeln, Umgang mit Zeit, ...<br />

Mittels e<strong>in</strong>iger Kennenlernspiele zum Namen und zur eigenen Person erfuhren die Teilnehmer/ <strong>in</strong>nen<br />

allmählich, mit welchen anderen Gruppenmitgliedern sie es an diesem Wochenende zu tun haben, und<br />

mit welchen Erwartungen sie gekommen s<strong>in</strong>d. Bei allen Übungen wurde darauf Wert gelegt, dass Unterschiede<br />

hier vorhanden, erwünscht und wertgeschätzt s<strong>in</strong>d!<br />

1. Partner<strong>in</strong>terview Wer b<strong>in</strong> ich? Woher komme ich? Wie b<strong>in</strong> ich angekommen? Was hat<br />

mich bewogen, an diesem Sem<strong>in</strong>ar teilzunehmen? Wie kann ich beitragen,<br />

dass es e<strong>in</strong> „gutes“ Wochenende wird?<br />

2. Me<strong>in</strong> Name Zum ersten Buchstaben des Vornamens soll e<strong>in</strong> zur Person passendes<br />

Motto und Adjektiv gefunden werden, z.B. „Ich b<strong>in</strong> die rasante Rosie!“<br />

3. Geme<strong>in</strong>samkeiten/ Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen bewegen sich im Raum und entscheiden sich<br />

Unterschiede spontan, zu welcher Gruppe sie sich nach Zuruf stellen, z.B.: Alle Berufstätigen,<br />

alle die <strong>in</strong> Ort XY wohnen, alle, die „freiwillig“ zum Sem<strong>in</strong>ar gekommen<br />

s<strong>in</strong>d, die unter 30 Jahren s<strong>in</strong>d, etc. So entstehen die unterschiedlichsten<br />

Gruppierungen.<br />

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4. Gegensatzpaare Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen bewegen sich im Raum und entscheiden sich wieder<br />

spontan, zu welcher Gegensatznennung sie sich zuordnen können,<br />

z.B.: rund – eckig, Stadt – Land, groß – kle<strong>in</strong>, etc.<br />

Die Moderation wurde abwechselnd von den beiden Referent<strong>in</strong>nen übernommen. Die K<strong>in</strong>derbetreuer<strong>in</strong>nen<br />

nahmen hier eher die Rolle von Teilnehmer<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>. Nach dieser erweiterten Kennenlernphase<br />

wurde zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Thema die Form des „Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>gs“ gewählt. Die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

sollten spontan nennen, was ihnen zu dem Sem<strong>in</strong>artitel „Weihnachtszeit – Friedenszeit“ e<strong>in</strong>fällt. Die<br />

Ergebnisse wurden auf e<strong>in</strong>er Wandzeitung festgehalten. Damit wurde der offizielle Teil des Abends<br />

beendet. In der anschließenden gemütlichen Runde wurde noch <strong>in</strong>formell an e<strong>in</strong>igen Stellen weiter<br />

diskutiert.<br />

Die Eltern beteiligten sich bei allen Aktionen an diesem ersten Tag recht lebhaft und die lockere Atmosphäre<br />

zum Schluss ließ auf e<strong>in</strong>en guten E<strong>in</strong>stieg für den zweiten Tag hoffen. Inhaltlich stimmten<br />

die Erwachsenen dem geplanten Sem<strong>in</strong>arablauf zu. In der <strong>in</strong>formellen Diskussion am Abend wurden<br />

bereits unterschiedliche E<strong>in</strong>stellungen/Me<strong>in</strong>ungen von Müttern und Vätern deutlich.<br />

Eltern–K<strong>in</strong>d-Aktion<br />

Der Samstagmorgen war e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Aktion von<br />

Eltern und K<strong>in</strong>dern vorbehalten. E<strong>in</strong>erseits konnten besonders<br />

die kle<strong>in</strong>eren K<strong>in</strong>der noch mehr Sicherheit <strong>in</strong><br />

der neuen Umgebung und Gruppe erhalten. Andererseits<br />

war schon <strong>in</strong> der Vorstellungsrunde betont worden, dass<br />

es für e<strong>in</strong>ige <strong>Familien</strong> etwas Besonderes ist, e<strong>in</strong>mal geme<strong>in</strong>sam<br />

etwas zu unternehmen (im Gegensatz zu Vater-K<strong>in</strong>d-<br />

oder Mutter–K<strong>in</strong>d-Aktivitäten).<br />

Zur besseren Orientierung im Tagungshaus wurde die<br />

Gruppe nach e<strong>in</strong>em Bewegungsspiel <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen<br />

aufgeteilt, wobei die <strong>Familien</strong> durch Zufallspr<strong>in</strong>zip getrennt<br />

wurden. Kle<strong>in</strong>ere K<strong>in</strong>der konnten jedoch bei den<br />

Eltern bleiben. In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Orientierungsrallye<br />

sollten dann unterschiedliche Aufgaben im Haus gelöst<br />

werden.<br />

Besonders <strong>in</strong> der nachfolgenden Vorstellung der Gruppen<br />

mit e<strong>in</strong>em Lied oder Gedicht konnten die K<strong>in</strong>der<br />

noch mal die e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer/<strong>in</strong>nen und die gesamte<br />

Gruppe wahrnehmen. Das gute Wetter<br />

erlaubte anschließend e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Aktion im Wald: Bei e<strong>in</strong>em Spaziergang wurde an markanten<br />

Stellen Halt gemacht, und es mussten rund um das Thema Nikolaus-Advent-Weihnachten Aufgaben<br />

erfüllt werden. Dabei spielten die Eltern „gegen“ die K<strong>in</strong>der. Bei der Nikolausrallye g<strong>in</strong>g es nicht um<br />

das Gew<strong>in</strong>nen, sondern um den geme<strong>in</strong>samen Spaß bei der Aktion. Eltern erlebten ihre K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>mal<br />

ganz neu oder anders und umgekehrt auch. Der besondere Spaziergang, <strong>in</strong> den Elemente von Bewegung,<br />

Geschicklichkeit und Informationsvermittlung <strong>in</strong>tegriert waren, wurde von den Eltern positiv<br />

bewertet.<br />

2. Gesprächse<strong>in</strong>heit der Erwachsenen<br />

Nach e<strong>in</strong>er langen Mittagspause traf sich die Gesamtgruppe um 15.30 Uhr wieder im Tagungsraum.<br />

Um den K<strong>in</strong>dern die erste Trennung von den Eltern zu erleichtern, wurden die Erwachsenen mit dem<br />

vom Vorabend bekannten „Dumm-di-dei Lied“ aus dem K<strong>in</strong>derraum „geschmissen“, nachdem die<br />

K<strong>in</strong>der erfahren hatten, wo die Eltern zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

Die Erwachsenengruppe wurde nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen E<strong>in</strong>stieg und e<strong>in</strong>er Warm<strong>in</strong>g-up-Phase nach<br />

Geschlechtern getrennt - e<strong>in</strong>erseits, um die große Gruppe zu teilen, andererseits aber auch, um sich im<br />

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ersten Schritt unabhängig von Partner oder Partner<strong>in</strong> zum Thema äußern zu können. Für die folgende<br />

Sem<strong>in</strong>are<strong>in</strong>heit war die Wiederzusammenführung der beiden Gruppen geplant.<br />

Beide Gruppen erhielten die Fragestellung:<br />

• Was s<strong>in</strong>d typische Stress- und Konfliktauslöser <strong>in</strong> der Weihnachtszeit?<br />

• An welchen Stellen ist es bereits gelungen, dafür e<strong>in</strong>e Lösung zu f<strong>in</strong>den?<br />

Die Männerrunde<br />

Die Männerrunde wurde von der Referent<strong>in</strong> als sehr offen und gesprächsbereit erlebt, obwohl es für<br />

die meisten neu war, sich mit anderen Männern über ihre <strong>Familien</strong>situation auszutauschen. Die Männer<br />

waren sehr an e<strong>in</strong>em Erfahrungsaustausch über ihre Rolle als Mann/Vater <strong>in</strong> Bezug auf <strong>Familien</strong>konflikte<br />

<strong>in</strong>teressiert. Durch meist großes berufliches Engagement - die meisten waren Angestellte und<br />

Techniker <strong>in</strong> gehobenen Positionen - aber auch durch e<strong>in</strong>gefahrene Rollenverteilungen <strong>in</strong> der Partnerschaft<br />

wurden ihrer Ansicht nach viele Konflikte „unter den Teppich gekehrt“, und eskalierten dann<br />

manchmal an unglücklichen Stellen. H<strong>in</strong>zu kam oft noch die schwierige Lebenssituation besonders<br />

mit kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern, die noch viel Aufmerksamkeit benötigen und frühere Vorstellungen von Lebensplanung<br />

und Partnerschaft durche<strong>in</strong>ander brachten.<br />

Viel Aufmerksamkeit erhielten die bereits von e<strong>in</strong>zelnen Vätern e<strong>in</strong>geschlagenen Lösungswege. Hier<br />

arbeiteten alle konstruktiv an weiteren Lösungsmöglichkeiten mit, z.B. an der Frage, wie die unterschiedlichen<br />

Bedürfnisse der e<strong>in</strong>zelnen <strong>Familien</strong>mitglieder besser berücksichtigt werden könnten.<br />

Das Thema: “Umgang mit Zeit, mehr Zeit für Partnerschaft, K<strong>in</strong>der, eigene Interessen, Zeit füre<strong>in</strong>ander<br />

<strong>in</strong> der Weihnachtszeit...“ stand dabei im Vordergrund.<br />

Alle Männer betonten, dass es nach anfänglichen Schwierigkeiten angenehm war, sich mit anderen<br />

Männern e<strong>in</strong>mal auf e<strong>in</strong>er persönlichen Ebene auszutauschen.<br />

Die Frauenrunde<br />

In der Frauenrunde wurden als typische Stressauslöser häufig die unterschiedlichen Aufgaben – und<br />

die Art der Rollenverteilung der Partner/<strong>in</strong>nen genannt, mit der sie nicht zufrieden waren. Unausgesprochene<br />

Erwartungen und zu wenige konkrete Absprachen führten nach ihrer Ansicht oft zu Streitsituationen,<br />

wenn es e<strong>in</strong>em der Partner/<strong>in</strong>nen „zu viel“ wird.<br />

Die Frauengruppe blieb eher bei der Darstellung von Situationen und dem Austausch. Sie arbeitete<br />

weniger an Lösungsmöglichkeiten. Die Frauen hatten jedoch auch das „Pech“, dass sie von den K<strong>in</strong>dern<br />

räumlich besser erreichbar waren und so öfter im Gespräch gestört wurden (dies muss bei zukünftigen<br />

Wochenenden besser bedacht werden!).<br />

Sie empfanden den Austausch und das Verständnis von Gleichges<strong>in</strong>nten zwar als angenehm, fühlten<br />

sich aber durch die K<strong>in</strong>der gleich wieder <strong>in</strong> ihre Rolle als Mutter und „sich Kümmernde“ h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gedrängt.<br />

Sie baten für die nächste Gesprächse<strong>in</strong>heit um e<strong>in</strong>e andere Lösung für die K<strong>in</strong>derbetreuung.<br />

Konflikte mit den K<strong>in</strong>dern - Bewertung<br />

In beiden Gruppen wurden die Konflikte mit den K<strong>in</strong>dern als nicht so relevant bezeichnet. Die fehlende<br />

Zeit für die K<strong>in</strong>dern, besonders bei den Vätern, sowie der Mangel an Muße zum Zuhören und etwas<br />

Geme<strong>in</strong>sames zu unternehmen schienen von sehr viel größerer Bedeutung. Kle<strong>in</strong>ere Konflikte mit den<br />

K<strong>in</strong>dern wurden so auch eher mit zu wenig Zeit, sich diesen angemessen zu widmen, begründet.<br />

Das Team beschloss, dem Wunsch der Mütter nach erweiterter K<strong>in</strong>derbetreuung zu entsprechen. Aufgrund<br />

der großen Zahl von Kle<strong>in</strong>stk<strong>in</strong>dern hätte eigentlich von Anfang an e<strong>in</strong>e dritte Betreuungsperson<br />

e<strong>in</strong>geplant werden müssen. Als „Notlösung“ wurde vere<strong>in</strong>bart, dass am nächsten Tag die zweite<br />

Referent<strong>in</strong> mit <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>dergruppe gehen würde.<br />

Die K<strong>in</strong>dergruppe / E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong>s Thema<br />

Während der Gesprächse<strong>in</strong>heiten der Erwachsenen wurde die K<strong>in</strong>dergruppe nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> 2 Gruppen geteilt. Die kle<strong>in</strong>eren (2 – 6 Jahre) begannen – angeleitet durch e<strong>in</strong>e sozialpädagogische<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> - sofort mit e<strong>in</strong>er Bastelaktion von Weihnachtssternen. Nach deren Beendigung<br />

wurden Bilderbücher betrachtet und folgte e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Spaziergang durch das Burggelände. Die Kle<strong>in</strong>en<br />

wurden nicht <strong>in</strong> das Konfliktthema e<strong>in</strong>bezogen.<br />

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Die größeren K<strong>in</strong>der (7 – 13 Jahre) sprachen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Erzählrunde über typische Situationen, <strong>in</strong><br />

denen sie entweder Konflikte beobachtet haben oder an denen sie selbst beteiligt waren. Die sozialpädagogische<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> schlug ihnen vor, diese den Eltern vielleicht später <strong>in</strong> lustiger und übertriebener<br />

Art vorzuspielen. E<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der konnten sich schon klar über Konfliktsituationen und ihre Empf<strong>in</strong>dungen<br />

dabei äußern. Die meisten fanden eher Gefallen am Improvisationstheater mit Verkleiden,<br />

das sie anschließend e<strong>in</strong>übten.<br />

Die Kle<strong>in</strong>en waren stolz auf ihre „Werke“ und die größeren K<strong>in</strong>der konnten nach dem Abendessen<br />

zwei orig<strong>in</strong>elle E<strong>in</strong>lagen über typische <strong>Familien</strong>situationen <strong>in</strong> der Weihnachtszeit aufführen und somit<br />

ihren Eltern e<strong>in</strong>en humorvollen Spiegel vorhalten.<br />

Durch die veränderte personelle Situation <strong>in</strong>nerhalb der K<strong>in</strong>derbetreuung (dritte Betreuungsperson <strong>in</strong><br />

der K<strong>in</strong>dergruppe) konnte am Sonntagvormittag besser auf spezielle Wünsche der K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>gegangen<br />

werden. Zunächst fand sich die komplette K<strong>in</strong>dergruppe zu Bewegungsspielen und Liedern zusammen.<br />

Thematisch wurde mit den K<strong>in</strong>dern nicht weiter gearbeitet. Für weitere Sem<strong>in</strong>are könnte<br />

dafür aber e<strong>in</strong>e spezielle k<strong>in</strong>dgerechte Form gefunden werden. Diese K<strong>in</strong>der schienen den Betreuer<strong>in</strong>nen<br />

noch zu jung für e<strong>in</strong>e thematische Arbeit. Die K<strong>in</strong>der wurden schnell vertraut mite<strong>in</strong>ander und<br />

waren sehr kreativ und fröhlich.<br />

Die Abendgestaltung<br />

Der sem<strong>in</strong>arfreie Abend stand auch eher unter dem Motto „Es darf auch <strong>in</strong> der Weihnachtszeit gelacht<br />

werden!“ (Anmerkung e<strong>in</strong>es Teilnehmers: „Man merkt, dass das Team aus dem Rhe<strong>in</strong>land kommt!)<br />

Rund um das Thema „Weihnachten“ schlugen die Referent<strong>in</strong>nen Spiele, Mitmachaktionen<br />

und Scharaden für Eltern und<br />

K<strong>in</strong>der vor, an denen alle<br />

begeistert teilnahmen. Ziel war<br />

es, auch Erwachsene noch mal erleben<br />

zu lassen, dass es neben Konsum,<br />

Fernsehen, usw. noch andere<br />

Möglichkeiten des Mite<strong>in</strong>anders<br />

gibt, z.B. das gute alte geme<strong>in</strong>same<br />

Spielen.<br />

Die dritte Gesprächse<strong>in</strong>heit<br />

Durch die Umstellung <strong>in</strong> der Teamsituation gelang es am Sonntag, die Gesprächsrunde ungestört zu<br />

gestalten. Die Väter- und die Müttergruppe berichteten von ihren Erfahrungen am Vortag. Jeweils<br />

e<strong>in</strong>/e Gruppenvertreter/<strong>in</strong> fasste die Ergebnisse zusammen, Ergänzungen der jeweiligen Gruppenmitglieder<br />

waren möglich und erwünscht. Dann wurden die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen nach ihren Ressourcen <strong>in</strong><br />

der Konfliktbewältigung befragt: Die Ergebnisse der E<strong>in</strong>zelarbeit wurden auf dem Flipchart gesammelt:<br />

Ich suche / brauche Konflikte ...<br />

� bei der Haushaltsführung (me<strong>in</strong>e Stärke)<br />

� wenn es um me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d geht<br />

� wenn es um Freiräume <strong>in</strong> der Partnerschaft<br />

geht<br />

� ich provoziere gern / um neue Lösungsansätze<br />

zu f<strong>in</strong>den<br />

� bei der Elternarbeit im K<strong>in</strong>dergarten<br />

� beim Volleyball<br />

� bei der K<strong>in</strong>dererziehung<br />

Ich vermeide Konflikte ...<br />

� sensible Themen <strong>in</strong> der Partnerschaft<br />

� beim Stillen<br />

� im Elternhaus<br />

� auf der Arbeit<br />

� meistens<br />

39<br />

� im Freundes- und Bekanntenkreis<br />

� ältere Verwandtschaft<br />

� wenn man immer gleich sagt, was


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Die Auswertung <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen ergab, dass besonders die Frauen, die dachten, sie wären konfliktscheu,<br />

viele Bereiche fanden, <strong>in</strong> denen sie ganz offen Konflikte angehen und auch durchstehen - besonders<br />

für die K<strong>in</strong>der oder andere. Männern fällt es offensichtlich leichter, für eigene Interessen e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Sie vermeiden eher den Bereich Partnerschaft, Freundeskreis und Verwandtschaft. Die Referent<strong>in</strong><br />

ermutigte dazu, diese Fähigkeiten und Ressourcen auch auf andere Bereiche zu übertragen. Es<br />

wurde herausgearbeitet, dass Konflikte leichter zu bewältigen s<strong>in</strong>d, wenn die nötige Ruhe, sie anzugehen<br />

und die Sicherheit, dass „nichts passieren“ kann, gewährleistet ist (Selbst-Sicherheit).<br />

Als Beispiel, wie e<strong>in</strong>e Konfliktbewältigung konkret aussehen könnte, wurde das Konfliktlösungsmodell<br />

nach Fittkau vorgestellt. E<strong>in</strong> Teilnehmer war bereit, e<strong>in</strong>en konkreten aktuellen Fall vorzustellen,<br />

an Hand dessen die e<strong>in</strong>zelnen Lösungsschritte „durchgespielt“ und besprochen wurden.<br />

Die gesamte Gruppe beteiligte sich an der Diskussion.<br />

Auswertung<br />

In der Auswertungsrunde betonten die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen, dass sie es wichtig fanden, sich e<strong>in</strong>mal Zeit<br />

für e<strong>in</strong>en Austausch mit <strong>Familien</strong> <strong>in</strong> ähnlicher Lebenssituation zu nehmen. Es sei s<strong>in</strong>nvoll, das eigene<br />

Konfliktlösungsrepertoire zu erweitern, etwa nach dem Motto: „Mach mal etwas ander(e)s!“ Die Zeit<br />

für diesen Austausch war den meisten jedoch zu kurz. Obwohl das Wochenende auch als Modell dienen<br />

sollte, von der üblichen Hektik des Alltags Abstand zu gew<strong>in</strong>nen und auch das Thema „Zeit“ sehr<br />

häufig thematisiert wurde, hätten viele Teilnehmer/<strong>in</strong>nen noch mehr Programm, besonders mehr Zeit<br />

für Elterngespräche gewünscht.<br />

Das Team empfand das Programm dagegen schon sehr dicht und sah das Wochenende eher als E<strong>in</strong>stieg,<br />

sich weiterh<strong>in</strong> mit der Problematik ause<strong>in</strong>ander zu setzen und es evtl. <strong>in</strong> Folgeveranstaltungen<br />

weiterzuführen. Den Teamer<strong>in</strong>nen war wichtig, auch Zeit und Raum für die Eltern-K<strong>in</strong>d-Aktionen zu<br />

haben.<br />

Das Feed-back der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen war durchweg positiv. Die Atmosphäre <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe<br />

wurde als locker und entspannt bezeichnet. Dazu hat sicherlich auch der Wechsel und die Wahl geeigneter<br />

Methoden beigetragen. Geme<strong>in</strong>same Aktionen mit Bewegung, Musik und Spaß rund um das<br />

Thema „Weihnachten“, e<strong>in</strong> phantasievoller Abend mit darstellendem Spiel für Erwachsene und größere<br />

K<strong>in</strong>der verhalfen zum Aufbau e<strong>in</strong>er Atmosphäre, <strong>in</strong> der sich Eltern und K<strong>in</strong>der wohlfühlten und <strong>in</strong><br />

der sich die Erwachsenen für die <strong>in</strong>haltliche Mitarbeit <strong>in</strong> den Gesprächsrunden öffnen konnten. Lediglich<br />

e<strong>in</strong>e Teilnehmer<strong>in</strong> wollte diese Art des <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>ars <strong>in</strong> nächster Zeit nicht mehr nutzen, da<br />

sie durch die große Inanspruchnahme ihrer kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>der nicht genügend Ruhe für den persönlichen<br />

Austausch fand. Alle waren sich jedoch e<strong>in</strong>ig, dass es sich für Eltern und K<strong>in</strong>der gelohnt hat, sich <strong>in</strong><br />

der Vorweihnachtszeit Zeit füre<strong>in</strong>ander zu nehmen und dass das familiäre <strong>Zusammenleben</strong> gestützt<br />

und gefestigt werden kann durch die Analyse und die Mikroarbeit an Fragen der Konfliktvorbeugung<br />

und Konfliktbewältigung <strong>in</strong> der Familie. Zudem wurde e<strong>in</strong> Blick über den „Tellerrand der eigenen<br />

Kle<strong>in</strong>familie“ als konstruktiv und hilfreich empfunden.<br />

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Das Team machte auf weitere Angebote der MES aufmerksam, <strong>in</strong> denen die Thematik „Konfliktbewältigung“<br />

aufgegriffen und vertieft werden soll. In diesem Sem<strong>in</strong>ar war es mit se<strong>in</strong>er Arbeit sehr<br />

zufrieden und war im Vergleich mit anderen <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>aren auch über die engagierten und aufgeschlossenen<br />

Väter sehr erfreut.<br />

Beispiel B<br />

Verlaufsskizze mit Methodendiskussion zum <strong>Familien</strong>bildungswochenende<br />

„… und dann rutscht mir die Hand aus!“<br />

Ziele / Absichten<br />

Die Ausschreibung verdeutlicht die pädagogische Haltung, die der Sem<strong>in</strong>ararbeit mit der Zielvorstellung<br />

e<strong>in</strong>es konfliktfähigen <strong>Zusammenleben</strong>s <strong>in</strong> der Familie zugrunde lag: das Ernstnehmen sowohl der<br />

K<strong>in</strong>der, ihrer Wünsche und ihrer Rechte, der Familie und der Beziehungen zwischen Erwachsenen und<br />

K<strong>in</strong>dern als auch der Eltern mit ihren Wünschen, Interessen und Hoffnungen. Im erläuternden Ausschreibungstext<br />

heißt es:<br />

„Gelegentlich tun wir im Umgang mit K<strong>in</strong>dern D<strong>in</strong>ge, die wir eigentlich gar nicht tun wollen. K<strong>in</strong>der<br />

reagieren dann gekränkt und beleidigt, weil sie die Erwachsenen nicht verstehen. Vielleicht bedauern<br />

wir selbst unser Handeln. Aber – plötzlich ist etwas zwischen uns; und dann???<br />

Was tun Sie, wenn Sie sich vielleicht <strong>in</strong> besonderen Stresssituationen, bei lästigen Angewohnheiten<br />

oder spontanen Handlungen über K<strong>in</strong>der ärgern? Wie versuchen Sie, die gute Beziehung wieder herzustellen<br />

und doch gleichzeitig auch Ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche geltend zu machen?<br />

K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d wichtig – und Erwachsene s<strong>in</strong>d es auch. Erwachsene müssen nicht herrschen und sie<br />

brauchen nicht immer Opfer zu br<strong>in</strong>gen. Ihre Wünsche werden von den K<strong>in</strong>dern respektiert, wenn<br />

offen und ehrlich darüber geredet wird, wenn Erwachsene und K<strong>in</strong>der sich gegenseitig ernstnehmen<br />

und respektieren.<br />

Wie das gehen kann, d.h. wie wir schwierige Situationen häufiger so meistern können, dass Eltern-<br />

K<strong>in</strong>d-Beziehungen geschützt und geschont werden, und zwar ohne entweder die K<strong>in</strong>der oder aber die<br />

Eltern zu „Verlierern“ werden zu lassen, das wird Ines Eschert anhand der von Ihnen mitgebrachten<br />

Beispiele mit der Elterngruppe erarbeiten und bearbeiten.“<br />

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Adressat/<strong>in</strong>nen<br />

Das Bildungsangebot richtete sich an <strong>in</strong>teressierte <strong>Familien</strong> – ohne Altersvorgabe für die teilnehmenden<br />

K<strong>in</strong>der. Die zu erwartende breite Altersspanne <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dergruppe reduzierte zwar bedauerlicherweise<br />

die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Arbeit am Thema „körperliche Strafen“ e<strong>in</strong>beziehen<br />

zu können. Da Wochenendsem<strong>in</strong>are für <strong>Familien</strong> <strong>in</strong> Brandenburg aber immer noch fremd und neu und<br />

immer noch Pionierarbeit s<strong>in</strong>d, war e<strong>in</strong> Ziel bereits dadurch erreicht, dass sich ausreichend viele Eltern<br />

mit ihren K<strong>in</strong>dern darauf e<strong>in</strong>ließen, sich auch noch an e<strong>in</strong>em Wochenende mit schwierigen Erziehungsthemen<br />

ause<strong>in</strong>ander zu setzen. Hier sollte also ausdrücklich erst e<strong>in</strong>mal nur das Interesse und die<br />

Bereitschaft von Eltern reichen. Nach positiven Ersterfahrungen mit dieser <strong>in</strong>tensiven Form von <strong>Familien</strong>bildung<br />

werden sich weitere Angebote schnell über Mundpropaganda bekannt machen lassen.<br />

Referent<strong>in</strong> und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen für das K<strong>in</strong>derprogramm<br />

Für die Leitung und Durchführung des Bildungswochenendes konnte e<strong>in</strong>e erfahrene Erzieher<strong>in</strong> mit<br />

heilpädagogischer Ausbildung gewonnen werden, die bereits generationsübergreifende Sem<strong>in</strong>are zu<br />

ähnlichen Themenstellungen durchgeführt hat. Das war e<strong>in</strong> erfreulicher Glücksfall, denn es gibt <strong>in</strong><br />

Brandenburg nur wenige Personen, die solche Erfahrungen vorweisen können. Aus früheren <strong>Familien</strong>bildungs-Zusammenhängen<br />

konnte sie gleich auch ihr Wochenend-Wunschteam benennen und zusammenstellen.<br />

Das machte e<strong>in</strong>e unkomplizierte Kooperation zwischen sozialpädagogischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

für das K<strong>in</strong>derprogramm und der Referent<strong>in</strong> des Erwachsenenprogramms möglich und wahrsche<strong>in</strong>lich.<br />

E<strong>in</strong>e gewisse Qualitätssicherheit gab zudem die berufliche Erfahrung der beiden „K<strong>in</strong>der-<br />

Teamer<strong>in</strong>nen“ als Lehrer<strong>in</strong> bzw. Kita-Erzieher<strong>in</strong>. In der Vorbereitung musste jedoch auch hier und<br />

muss bei jedem <strong>Familien</strong>sem<strong>in</strong>ar erneut darauf geachtet und Wert gelegt werden, dass auch die K<strong>in</strong>der-Teamer<strong>in</strong>nen<br />

sich darauf vorbereiten, Sequenzen sicher und kompetent zu gestalten, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>-<br />

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der und Eltern zusammen angeleitet werden müssen. – Im Team dieses <strong>Familien</strong>wochenendes waren<br />

sowohl alle wichtigen Vorerfahrungen vorhanden als auch frühzeitig die nötigen Programmabläufe<br />

und Sem<strong>in</strong>arstrukturen besprochen und abgestimmt worden.<br />

Veranstaltungsort<br />

Die telefonische Anfrage hatte ergeben, dass zum gewünschten Zeitpunkt noch ausreichend freie<br />

Räume und Tagungsmöglichkeiten <strong>in</strong> der Heimvolkshochschule (HVHS) Neusedd<strong>in</strong> am Sedd<strong>in</strong>er See<br />

zur Verfügung standen. Die Referent<strong>in</strong> legte großen Wert darauf, sicher se<strong>in</strong> zu können, dass sowohl<br />

die Unterbr<strong>in</strong>gung der <strong>Familien</strong> als auch die Lage und Beschaffenheit der Tagungsräume den Notwendigkeiten<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Familien</strong>wochenendes für 32 Personen entsprach. Sie reiste <strong>in</strong> eigenem Interesse<br />

zum Tagungsort und traf an Ort und Stelle alle organisatorischen Vere<strong>in</strong>barungen im persönlichen<br />

Gespräch. Diese wurden danach umgehend von Seiten des Hauses <strong>in</strong> schriftlicher Form vertraglich<br />

festgeschrieben und beiderseits durch Unterschrift anerkannt.<br />

Wichtig für die <strong>Familien</strong>wochenendgestaltung ist e<strong>in</strong> Raum, <strong>in</strong> dem die Gesamtgruppe Platz und Bewegungsfreiheit<br />

hat. Später muss Ruhe und Abgeschlossenheit für die Sem<strong>in</strong>ararbeit der Erwachsenen<br />

gewährleistet se<strong>in</strong> und ebenso Aktionsfreiheit für die K<strong>in</strong>der – nicht allzu nah aber doch <strong>in</strong> erreichbarer<br />

Nähe der Erwachsenen, vor allem wenn vier- und unter vierjährige K<strong>in</strong>der dabei s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e wichtige<br />

Grundregel: Je besser die K<strong>in</strong>der versorgt s<strong>in</strong>d und je wohler sie sich fühlen, um so <strong>in</strong>tensiver und<br />

konzentrierter kann die Bildungsarbeit mit den Erwachsenen verlaufen.<br />

Öffentlichkeitsarbeit / Bildungs<strong>in</strong>formation und –werbung<br />

Aufgrund der vergleichsweise kurzfristigen Planung und Ausschreibung des Sem<strong>in</strong>ars kamen im Wesentlichen<br />

zwei Wege der Ankündigung <strong>in</strong> Frage: die Handzettelwerbung und die Information über die<br />

Lokal- und Regionalpresse sowie über die umliegenden Regional-Fernsehsender. – Der Flyer wurde <strong>in</strong><br />

10er-Päckchen gestapelt und an die Kitas der Region <strong>in</strong> solchen Zahlen verschickt, dass jedem K<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong> Blatt mit nach Hause gegeben werden konnte. Die Farben der Anmeldungsabschnitte zeigten an,<br />

dass die Mehrzahl der Eltern sich offenbar aufgrund der Flyer zur Teilnahme entschlossen hatte. E<strong>in</strong>ige<br />

wenige Interessierte meldeten sich aufgrund der Pressemitteilung telefonisch und meldeten sich<br />

dann per Fax oder e-mail verb<strong>in</strong>dlich an.<br />

In der Vorbereitung ist also zu bedenken, dass zunächst Zeit und Geld <strong>in</strong> nicht zu unterschätzender<br />

Größenordnung <strong>in</strong> die Herstellung und den Versand von Informations- und Werbematerialien <strong>in</strong>vestiert<br />

werden müssen.<br />

Inhaltliche und organisatorische Vorbereitung<br />

Die Strukturierung und <strong>in</strong>haltliche Vorbereitung des Bildungswochenendes wurde wie folgt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Planungsübersicht gebracht, die alle an der Organisation und Leitung Beteiligten spätestens e<strong>in</strong>e Woche<br />

vor der Veranstaltung erhalten sollten (Veranstalter, Teamer<strong>in</strong>nen, Tagungshaus).<br />

Freitag<br />

Bis 18.00 h Anreise/Zimmerverteilung/Abendessen<br />

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19.00 h geme<strong>in</strong>same Eltern-K<strong>in</strong>d-Runde<br />

Bewegungsspiele/<strong>Familien</strong>portraits erstellen<br />

Geschichte zur „Guten Nacht“<br />

20.00 h Elternrunde: Bildergalerie zum gegenseitigen Kennenlernen<br />

21.30 h Genogramm / 1. Gesprächsrunde<br />

Regeln der Gruppenarbeit<br />

Samstag<br />

8.00 h Frühstück<br />

8.45 h Aufwärm- und Bewegungsspiele<br />

9.00 h - Erwachsene: thematischer E<strong>in</strong>stieg: K<strong>in</strong>der und ihre Bedürfnisse besser<br />

12.30 h kennen und verstehen lernen!<br />

Er<strong>in</strong>nerungen an eigene K<strong>in</strong>dheitserlebnisse<br />

(E<strong>in</strong>zelarbeit – Plenum – Dokumentation auf Wandzeitungen)<br />

K<strong>in</strong>der: Das Haus und die Umgebung erkunden; Spiele im Freien, Bastelangebote<br />

12.30 h Mittagessen und Zeit für die Familie<br />

15.00 h - Erwachsene: Was gel<strong>in</strong>gt mir heute <strong>in</strong> der Erziehung gut? Was habe ich<br />

18.00 h von me<strong>in</strong>en Eltern übernommen? Was mache ich bewusst anders? Me<strong>in</strong>e Vorbilder <strong>in</strong><br />

Sachen Erziehung?<br />

Was lehne ich ab? Gefühle leben und zeigen! – Welche Sorgen möchte ich am liebsten<br />

hier zurücklassen? – Konfliktesammlung<br />

K<strong>in</strong>der: Wir bauen „Pappstadt“, vorher Sammeln von Naturmaterialien <strong>in</strong> der Umgebung<br />

des Hauses. Spiele<br />

18.15 h Lampionumzug zum See<br />

20.30 h die älteren K<strong>in</strong>der überraschen die Eltern: Geisterstunde<br />

Erwachsene: Geschichten von Gefühlen, Zuwendung und Liebe zum Tagesausklang,<br />

Musik, Malen<br />

Sonntag<br />

8.00 h Frühstück<br />

8.45 h Bewegung zum Munterwerden<br />

9.00 h - Erwachsene: E<strong>in</strong>zelbearbeitung von Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

11.00 h Konflikten/Fallbesprechungen,<br />

Erfahrungsaustausch und Diskussion: wo kann ich mir Hilfe holen?<br />

11.15 h - Rollenspiele zur Bearbeitung konfliktreicher Alltagssituationen<br />

12.45 h<br />

K<strong>in</strong>der: Angebot für die älteren K<strong>in</strong>der: malen und basteln zum Thema:<br />

„Was me<strong>in</strong>e Hand alles kann!“ ... wie sich das anfühlt und was mir besonders gefällt<br />

und nicht gefällt. Was wünschen wir uns von den Händen unserer Eltern, was nicht?<br />

13.00 h Mittagessen und Pause<br />

14.00 h Auswertungsrunde der Erwachsenen: Was nehme ich mit? E<strong>in</strong>en Brief an sich selbst<br />

schreiben.<br />

15.00 h - geme<strong>in</strong>same Abschiedsrunde mit Eltern und K<strong>in</strong>dern<br />

K<strong>in</strong>der stellen ihr Thema vor: „Was ich mir wünsche!“ Ausstellung zum Thema „gewaltfreier<br />

Umgang mite<strong>in</strong>ander“ – „Was me<strong>in</strong>e Hand alles kann!“


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Infobrief<br />

Die teilnehmenden <strong>Familien</strong> wurden mit e<strong>in</strong>em Informations-Brief<br />

noch e<strong>in</strong>mal ausdrücklich e<strong>in</strong>geladen<br />

und durch kle<strong>in</strong>e Bitten und Anfragen um die<br />

aktive Beteiligung an der Sem<strong>in</strong>arvorbereitung gebeten.<br />

Es ist ke<strong>in</strong>e Notlösung oder Sparmaßnahme, wenn die<br />

<strong>Familien</strong> im Vorfeld des <strong>Familien</strong>wochenendes aufgefordert<br />

wurden, z.B. Schere, P<strong>in</strong>sel, Wäscheklammern<br />

und alte Bettlaken zusammenzusuchen und<br />

e<strong>in</strong>zupacken.<br />

Durch die Aufforderung, zur Geme<strong>in</strong>schaftsaktion<br />

beizutragen, bereiten sich Eltern und K<strong>in</strong>der auf e<strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>sames Ereignis vor, stellen sich gedanklich<br />

darauf e<strong>in</strong> und übernehmen e<strong>in</strong> wenig Mitverantwortung<br />

für das Gel<strong>in</strong>gen des <strong>Familien</strong>unternehmens<br />

„Bildungswochenende“. Die Bitte des Bildungsteams<br />

um Mithilfe und Unterstützung wirkt sich positiv und<br />

motivierend auf die Bereitschaft zur Sem<strong>in</strong>armitarbeit<br />

am Sem<strong>in</strong>arort und auf die Lern- und E<strong>in</strong>gliederungsbereitschaft<br />

der TN aus.<br />

Wichtig für die Sem<strong>in</strong>ardurchführung: Es muss darauf geachtet werden, dass die von den TN mitgebrachten<br />

Materialien oder andere vorbereitende Aktivitäten im Verlauf des Sem<strong>in</strong>ars auch tatsächlich<br />

e<strong>in</strong>en angemessenen Stellenwert bekommen; d.h. die mitgebrachten Scheren und P<strong>in</strong>sel sollen<br />

auch wirklich e<strong>in</strong>gesetzt werden (selbst wenn die P<strong>in</strong>sel <strong>in</strong> der Bastelkiste der Referent<strong>in</strong>nen ausreichen<br />

würden) oder: die mitgebrachten Fotos dürfen nicht unbeachtet <strong>in</strong> der Reisetasche liegen bleiben,<br />

sondern müssen wirklich methodisch e<strong>in</strong>bezogen werden. Die „Mühe“ der TN darf nicht umsonst<br />

gewesen se<strong>in</strong>. Wird es versäumt, die häuslichen Vorbereitungen der TN im Sem<strong>in</strong>arverlauf aufzugreifen<br />

und zu würdigen, wird die Beteiligungsmotivation für evtl. spätere Veranstaltungen umgehend<br />

abs<strong>in</strong>ken; die Chance, Eltern und K<strong>in</strong>der auf das geme<strong>in</strong>same Bildungswochenende e<strong>in</strong>zustimmen und<br />

e<strong>in</strong>e gewisse lern- und geme<strong>in</strong>schaftsfördernde Erwartungsspannung aufzubauen, wäre vertan.<br />

Ankommen und „Gruppe bilden“<br />

Der Sem<strong>in</strong>arbeg<strong>in</strong>n am Freitagabend verläuft eher holprig, was die Entwicklung e<strong>in</strong>es Zusammengehörigkeits-<br />

oder Gruppengefühls verlangsamt. Grund dafür ist die Tatsache,<br />

• dass 4 <strong>Familien</strong> erst am selben Tag vormittags ihre Teilnahme absagten,<br />

• dass 2 <strong>Familien</strong> verspätet und e<strong>in</strong>e alle<strong>in</strong>erziehende Mutter mit 2 K<strong>in</strong>dern erst gegen<br />

22.30 h e<strong>in</strong>treffen.<br />

So gehört viel Optimismus und Ideenreichtum des Teams dazu, den Sem<strong>in</strong>arbeg<strong>in</strong>n für die 3 pünktlich<br />

angereisten <strong>Familien</strong> strukturiert und <strong>in</strong> positiver Erwartung zu gestalten.<br />

Das Wochenende beg<strong>in</strong>nt mit dem geme<strong>in</strong>samen Abendessen. Diese Tischgeme<strong>in</strong>schaft bietet Gelegenheit,<br />

erste E<strong>in</strong>drücke von den anderen zu sammeln, erste Kontakte zu erleben, vielleicht schon <strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>e Gespräche mit den Tischnachbarn zu kommen – bevor „es“ losgeht. Für das Gefühl, mit dem<br />

e<strong>in</strong>e Familie später den Geme<strong>in</strong>schaftsraum mit dem großen Kreis aus 30 oder 40 Stühlen betritt, s<strong>in</strong>d<br />

die ersten Blickkontakte beim Abendessen von positiver Bedeutung: man kann bereits e<strong>in</strong>ige Gesichter<br />

wieder erkennen und hat nicht mehr das Gefühl, völlig neu, fremd und alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unbekannte<br />

Gruppe, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ganz neue Situation zu geraten.<br />

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In diesem Falle f<strong>in</strong>den Begrüßung und E<strong>in</strong>stieg gegen 19.30 Uhr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fast <strong>in</strong>timen kle<strong>in</strong>en Eltern-<br />

K<strong>in</strong>d-Runde statt. Die vielen leeren Stühle werden zur Seite geschoben. Alle rücken näher zusammen.<br />

Die anfängliche Scheu und Zurückhaltung ist schnell verflogen, als die Referent<strong>in</strong> – nachdem sie und<br />

die Teamer<strong>in</strong>nen sich kurz vorgestellt haben – erste Bewegungs- und Spielanleitungen für die ganze<br />

Gruppe gibt. Alte bekannte Spiele, z.B. die ‚Reise nach Jerusalem’, ‚Me<strong>in</strong> rechter Platz ist leer’ wechseln<br />

mit unbekannteren Spielen ab. Und immer wieder geht es darum, Namen herauszuf<strong>in</strong>den, Personen<br />

wiederzuerkennen und zu benennen und die Zusammengehörigkeit der <strong>Familien</strong> zu verdeutlichen.<br />

Der Kennenlernabend beg<strong>in</strong>nt mit wenigen Worten und leichten bekannten Spielen, durch die Eltern<br />

und K<strong>in</strong>der Selbstvertrauen und Sicherheit <strong>in</strong> dieser neuen Gruppe gew<strong>in</strong>nen. Durch die Spielanleitungen<br />

der Teamer<strong>in</strong>nen werden die Spiele allmählich immer bewegter und vielleicht auch lauter und<br />

ausgelassener. Die gute optimistische Stimmung wird mit h<strong>in</strong>übergenommen <strong>in</strong> den wieder ruhigeren<br />

Ausklang des ersten geme<strong>in</strong>samen Sem<strong>in</strong>arabends.<br />

Erstellen von <strong>Familien</strong>portraits<br />

Das Team hat dazu e<strong>in</strong>en Kle<strong>in</strong>gruppenauftrag für die <strong>Familien</strong> vorbereitet: es s<strong>in</strong>d bereitgestellt:<br />

• Große DIN A 3-Blätter (Restpapier, e<strong>in</strong>seitig bedruckt)<br />

• Wachsmalstifte, Kreiden und Buntstifte<br />

• F<strong>in</strong>gerfarben<br />

• E<strong>in</strong>e lange Wäschele<strong>in</strong>e im Raum und<br />

• Wäscheklammern.<br />

Auftrag an die <strong>Familien</strong>: Gestaltet auf e<strong>in</strong>em Blatt e<strong>in</strong> Portrait Eurer Familie. Jedes <strong>Familien</strong>mitglied<br />

soll beteiligt se<strong>in</strong>. – Erst geme<strong>in</strong>sam planen, dann geme<strong>in</strong>sam ausführen. E<strong>in</strong> <strong>Familien</strong>portrait soll<br />

etwas erzählen über<br />

• Wer ist hier, wen haben wir zuhause gelassen?<br />

• Wie und <strong>in</strong> welcher Stimmung b<strong>in</strong> ich hier?<br />

Dann noch klären, wer den Anderen die Familie anhand des Portraits vorstellt.<br />

Dann geht’s an die <strong>Familien</strong>arbeit.<br />

Nach 20 M<strong>in</strong>uten hängen 5 farblich e<strong>in</strong>drucksvolle <strong>Familien</strong>portraits mit Wäscheklammern an der<br />

Wäschele<strong>in</strong>e aufgehängt.<br />

Erste vergleichende Blicke, aber dann widmet sich die ganze Gruppe nache<strong>in</strong>ander jeder e<strong>in</strong>zelnen<br />

Familie. So erfährt die Gruppe z.B.<br />

• dass e<strong>in</strong>e Familie schon seit Jahren nicht mehr e<strong>in</strong> ganzes Wochenende lang zusammen verbracht<br />

hat, und dass Laura sich an diesem Wochenende vor allem auf ihren Papa freut.<br />

• dass Manfred (12 J.) hofft, hier auch genug Zeit ohne die Eltern verbr<strong>in</strong>gen zu können, und<br />

dass noch andere Jungs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Alter da s<strong>in</strong>d.<br />

• dass der 17 jährige Thomas nicht mitfahren wollte und nun etwas mit se<strong>in</strong>en Freunden unternimmt.<br />

• dass man Oma schweren Herzens zuhause zurückgelassen hat. Aber sie wollte, dass alle anderen<br />

mitfahren und ihr nachher erzählen, wie es war.<br />

• dass Mutter froh ist, mal nicht über’s E<strong>in</strong>kaufen und Kochen nachdenken zu müssen; und<br />

gleichzeitig Mann und K<strong>in</strong>der so <strong>in</strong> der Nähe zu haben, wie selten. „Das ist e<strong>in</strong> bisschen wie<br />

Urlaub – trotz lernen.“<br />

• dass Papa noch nie so was mitgemacht hat, so über Familie und K<strong>in</strong>der reden. Aber „man<br />

muss das ja erst mal kennenlernen.“<br />

Die <strong>Familien</strong>portraits bekommen noch den Namen der <strong>Familien</strong> und nach e<strong>in</strong>er kuscheligen Gute-<br />

Nacht-Geschichte dürfen die K<strong>in</strong>der ihre <strong>Familien</strong>portraits außen an die Türen ihrer Zimmer kleben,<br />

bevor die Eltern sie <strong>in</strong>s Bett br<strong>in</strong>gen.<br />

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Kennenlernen <strong>in</strong> der Elterngruppe<br />

Gegen 21.30 Uhr s<strong>in</strong>d die K<strong>in</strong>der im Bett und alle Erwachsenen wieder im Geme<strong>in</strong>schaftsraum e<strong>in</strong>getroffen.<br />

Dort s<strong>in</strong>d jetzt e<strong>in</strong> paar Tische gedeckt, Kerzen machen die Atmosphäre gemütlich. (Von nun<br />

an macht alle halbe Stunde abwechselnd e<strong>in</strong> Elternteil die Runde, um an allen Türen zu horchen, ob<br />

die K<strong>in</strong>der ruhig s<strong>in</strong>d und schlafen.)<br />

In dieser Runde geht das nochmalige Kennenlernen weit über das bloße Namen nennen h<strong>in</strong>aus. Nach<br />

e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Phantasiereise malen alle ihren Namen auf e<strong>in</strong> DIN A 4-Blatt, so wie sie ihn gerade eben<br />

<strong>in</strong> der Phantasie auf e<strong>in</strong>er großen K<strong>in</strong>ole<strong>in</strong>wand vor sich sahen. Die Namensbilder werden nache<strong>in</strong>ander<br />

vorgestellt und e<strong>in</strong> wenig erläutert. Die Gruppe erfährt z.B. was e<strong>in</strong> Bild über die jeweilige Person<br />

aussagt, was es z.B. für die betreffende Person bedeutet,<br />

• dass ihr Name ausschließlich <strong>in</strong> dunkelroten Buchstaben ersche<strong>in</strong>t.<br />

• dass der Name zwar aus mehrfarbigen aber sehr starren senkrecht angeordneten Buchstaben<br />

besteht.<br />

• dass grünes Gras unter dem Namenszug wächst, und die Sonne sche<strong>in</strong>t.<br />

• dass kle<strong>in</strong>e Blätter aus den Buchstaben sprießen.<br />

• dass die Buchstaben hüpfend kreuz und quer auf dem Papier angeordnet s<strong>in</strong>d.<br />

Die TN erfahren viel Persönliches vone<strong>in</strong>ander, sie erzählen freiwillig und spontan, weil manche/r<br />

schon lange nicht mehr soviel Interesse und konzentrierte Aufmerksamkeit für die eigene Person gespürt<br />

hat, wie <strong>in</strong> diesem Augenblick von den Eltern der Sem<strong>in</strong>argruppe. In diesen M<strong>in</strong>uten wird die<br />

Grundlage für das offene Gespräch <strong>in</strong> den folgenden Elternrunden gelegt, für das Interesse an Rückmeldungen<br />

und für die Bereitschaft, Kritik und Anregungen anzunehmen.<br />

Regeln der Gruppenarbeit<br />

Bei allem gegenseitigen Interesse ist es immer wichtig, dass die Referent<strong>in</strong> durch demonstrative Akzeptanz<br />

und auch explizit formuliert: Die <strong>in</strong>dividuelle Offenheit <strong>in</strong> Problemgesprächen ist freiwillig<br />

und selbstbestimmt. Der Grad der Offenheit und Intimität ist von Person zu Person unterschiedlich<br />

und soll hier so akzeptiert werden, wie es der augenblicklichen Verfassung, den Wünschen und Bedürfnissen<br />

jeden e<strong>in</strong>zelnen Gruppenmitglieds entspricht. E<strong>in</strong>e vertrauensvolle Atmosphäre kann persönliche<br />

Öffnung erleichtern, aber sie soll e<strong>in</strong>em/e<strong>in</strong>er Teilnehmer/<strong>in</strong> niemals durch den Druck der<br />

Sem<strong>in</strong>arleitung oder der Gruppe abgefordert werden.<br />

Über dieses Pr<strong>in</strong>zip wird <strong>in</strong> der Gruppe offen gesprochen, weil es die Sicherheit vermittelt, nicht zu<br />

persönlichen Aussagen gezwungen oder verführt zu werden. Damit wird e<strong>in</strong> entlastender Schutz vor<br />

e<strong>in</strong>em imag<strong>in</strong>ären Gruppendruck <strong>in</strong>stalliert, der das Ernstnehmen und den Respekt vor der <strong>in</strong>dividuellen<br />

Willensentscheidung der e<strong>in</strong>zelnen Gruppenmitglieder festschreibt. – Häufig bewirkt die offene<br />

Aussprache und die „Garantie“ des respektvollen Umgangs mit dem freientschiedenen Grad der persönlichen<br />

Offenheit e<strong>in</strong>e weitere vertrauensvolle Öffnung gerade bei eher zurückhaltenden Personen.<br />

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Als weitere Regeln für die Gruppenarbeit werden grundlegende Pr<strong>in</strong>zipien z.B. aus der TZI und der<br />

Gesprächsführung nach Rogers und Gordon besprochen, wie<br />

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� Äußere de<strong>in</strong>e Interessen<br />

� Störungen haben Vorrang<br />

� Eigene Me<strong>in</strong>ungen statt Fragen<br />

� „Ich“ statt „man“ oder „wir“<br />

� ke<strong>in</strong>e Vorwürfe<br />

� sei de<strong>in</strong> eigener chaiman<br />

� bitte bei defensiver Kommunikation<br />

um e<strong>in</strong>e Pause<br />

� gib feedback, wenn du das<br />

Bedürfnis hast<br />

� wenn du feedback erhältst, hör<br />

ruhig zu<br />

Der Abend kl<strong>in</strong>gt im geselligen Beisammense<strong>in</strong> mit vielfältigen <strong>in</strong>formellen Gesprächen aus.<br />

Samstag<br />

Zum Frühstück treffen Eltern, K<strong>in</strong>der und <strong>Familien</strong> nach und nach e<strong>in</strong>. Gegen 8.30 h s<strong>in</strong>d alle da, und<br />

die K<strong>in</strong>der erwarten als erste um 8.45 h den geme<strong>in</strong>samen Tagesbeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong> der großen Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

Runde. Auf der Wiese leiten die Teamer<strong>in</strong>nen Aufwärm- und Bewegungsspiele an:<br />

• e<strong>in</strong> wenig rhythmische Gymnastik mit Musik<br />

• e<strong>in</strong> paar Spiele mit dem Luftballon und<br />

• Großgruppenspiele mit dem echten seidenen Fallschirm. Spiele, die bewegt und stürmisch beg<strong>in</strong>nen<br />

und sanft und fe<strong>in</strong>fühlig zum Ause<strong>in</strong>andergehen von Eltern und K<strong>in</strong>dern überleiten.<br />

In e<strong>in</strong>em rhythmischen Spiel mit Gesang begleiten die K<strong>in</strong>derpädagog<strong>in</strong>nen die Kle<strong>in</strong>en zunächst <strong>in</strong><br />

den K<strong>in</strong>derraum, um dort die grundlegenden Pr<strong>in</strong>zipen und Regeln der K<strong>in</strong>dergruppe zu besprechen,<br />

Zuständigkeiten der Teamer<strong>in</strong>nen zu erklären und die K<strong>in</strong>der dann auf das vorbereitetet Gelände- und<br />

Erkundungsspiel e<strong>in</strong>zustimmen.<br />

1. Elternrunde zum Thema<br />

Die Referent<strong>in</strong> knüpft an der Gesprächsatmosphäre und den Themen vom Vorabend an. In Partner/<strong>in</strong>nenarbeit<br />

und gegenseitigen Interviews werden die manchmal recht gegensätzlichen Bedürfnisse<br />

und Gefühle von Eltern und K<strong>in</strong>dern herausgearbeitet. Im 2. Schritt erhält jedes Elternteil Moderationskärtchen<br />

und e<strong>in</strong>en Stift. Nache<strong>in</strong>ander heften sie ihre persönlichen Themen (auch Probleme und<br />

Sorgen) an die zu „Bäumen der Sorgen und Konflikte“ deklarierten Baumstämme.<br />

E<strong>in</strong>ige Beispiele:<br />

• Mir fehlen die Nerven für me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der<br />

• Drangsalieren mich die K<strong>in</strong>der mit Absicht?


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• Ich b<strong>in</strong> hilflos und gestresst und wütend – die Folge ist dann manchmal e<strong>in</strong>e Ohrfeige,<br />

• Was kann ich für mich tun, ohne das Gefühl zu haben, e<strong>in</strong>e Rabenmutter zu se<strong>in</strong>?<br />

• Wie f<strong>in</strong>de ich den Mittelweg zwischen strenger und demokratischer Erziehung?<br />

• Wie entlaste ich mich, um die K<strong>in</strong>der nicht anzuschreien?<br />

• Ich will Gespräche führen und Erfahrungen austauschen<br />

• Me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> der Pubertät. Muss ich alles auf die „Goldwaage“ legen?<br />

• Die Geschwister streiten sich vor allem, wenn ich mal ausspannen will.<br />

• Me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hat Lernprobleme.<br />

• Wie kann ich die Bedürfnisse der K<strong>in</strong>der besser verstehen und auch me<strong>in</strong>e erfüllen?<br />

• Ich will nicht die Nerven verlieren und losbrüllen.<br />

Der Rahmen für die Elterngesprächsrunden ist damit großflächig abgesteckt. Im Laufe des Austauschs<br />

werden 2 geschlechtsspezifische Problem-/Themenschwerpunkte immer deutlicher:<br />

• Mütter sprechen ihre Sorge aus, durch Beruf und <strong>Familien</strong>alltag aufgefressen zu werden und<br />

dadurch allzu leicht den K<strong>in</strong>dern gegenüber ungerecht und genervt zu reagieren.<br />

• Väter bedauern, nur zu wenig Zeit mit ihren <strong>Familien</strong> verbr<strong>in</strong>gen zu können. Hier wünschen<br />

sie sich, zunächst nicht allzu stark gefordert zu werden, erst mal nur dabei se<strong>in</strong>, und den Überlegungen<br />

der Mütter zum Thema „elterliches Strafverhalten“ zuhören zu dürfen.<br />

Die Referent<strong>in</strong> muss <strong>in</strong> dieser Situation, bei dieser Konstellation der TN-Gruppe flexibel umdisponieren.<br />

Sie stellt die vorbereitete Vermittlung von Techniken des Aktiv Zuhörens und der Ich-Botschaften<br />

zurück, um den Eltern den gewünschten Raum zur Diskussion über Verhaltensmöglichkeiten <strong>in</strong><br />

konkreten familiären Konfliktsituationen zu geben. Sie achtet auf E<strong>in</strong>haltung der Gesprächs- und<br />

Gruppenregeln, schafft den eher Zurückhaltenden die Möglichkeit, <strong>in</strong> der Gruppe gehört zu werden,<br />

sie br<strong>in</strong>gt Fragen und Positionen auf den Punkt und fasst Me<strong>in</strong>ungen und Sichtweisen zu Thesen zusammen.<br />

2. Sem<strong>in</strong>are<strong>in</strong>heit<br />

Erst <strong>in</strong> der 2. Sem<strong>in</strong>are<strong>in</strong>heit am Samstagnachmittag kann sich die Konzentration ganz auf Fragen<br />

der Konfliktlösung richten. Dazu werden aus der Elterngruppe Situationsbeschreibungen sowohl wiederkehrender<br />

als auch besonderer, e<strong>in</strong>maliger Konflikte gesammelt. Die Gruppe selbst entscheidet,<br />

welche drei Alltagssituationen <strong>in</strong>tensiv besprochen und <strong>in</strong> Rollenspielen bearbeitet werden sollen:<br />

• Der Vater kommt von der Arbeit und möchte ausspannen. Die Mutter und das K<strong>in</strong>d wollen<br />

se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit.<br />

• Der Vater möchte den Nachmittag mit den K<strong>in</strong>dern verbr<strong>in</strong>gen. Sie lehnen se<strong>in</strong>e Vorschläge<br />

ab. Wie kommt die Familie zu e<strong>in</strong>er für alle annehmbaren Lösung?<br />

• Vater und Mutter wollen e<strong>in</strong>en entspannten Abend. Die Kellner<strong>in</strong> macht Stress. Wie e<strong>in</strong>igen<br />

sich die Eltern? Wie kann e<strong>in</strong> Kompromiss entstehen, wenn Eltern sich streiten?<br />

Eltern äußern später ihre Fasz<strong>in</strong>ation von der tiefgehenden Analyse der Konfliktwurzeln und Konfliktbewältigungsmöglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>erseits und der Lust und zeitweise ausgelassenen Heiterkeit bei<br />

deren spielerischer Darstellung und Bearbeitung andererseits. Die Referent<strong>in</strong> hat statt des nüchternen<br />

Lern- und Übungs-Rollenspiels, das i.d.R. fast ohne Requisiten auskommt, hier die Form des Theaterspiels<br />

mit farbenfroher Kulissen- und Kostümgestaltung gewählt. Die elterliche Konfliktdarstellung<br />

ist hier konzeptionell als animierende Form der E<strong>in</strong>beziehung von K<strong>in</strong>dern vorgesehen. Die Theaterspiele<br />

der Eltern eröffnen den geme<strong>in</strong>samen Eltern-K<strong>in</strong>d-Abend. Jedes Spiel regt die K<strong>in</strong>der zur<br />

eigenen Stellungnahme an. Teilweise nehmen sie bereits während der Aufführung lautstark Anteil an<br />

den Spielereignissen. Die Eltern erfahren und erleben <strong>in</strong> dieser „gespielten Livesituation“ Ansichten<br />

und Me<strong>in</strong>ungen ihrer K<strong>in</strong>der, die sie im häuslichen Gespräch vermutlich nie kennen gelernt hätten.<br />

Das Spiel der Eltern verschafft den K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Sem<strong>in</strong>ararbeit der Erwachsenen. Die<br />

Eltern ihrerseits spüren an dieser Stelle das Bemühen und die Methode der Referent<strong>in</strong>, K<strong>in</strong>der ernst<br />

zu nehmen, ihre Reaktionen zu respektieren und mit Ernsthaftigkeit zu beantworten. Eltern teilen<br />

sich ihren K<strong>in</strong>dern mit – e<strong>in</strong>e vertrauensbildende Maßnahme im S<strong>in</strong>ne von „Mehr Respekt vor K<strong>in</strong>dern!“<br />

Diese Überraschungsaktion der Eltern motiviert die K<strong>in</strong>der, am nächsten Tag den Anregungen<br />

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der sozialpädagogischen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen zu folgen, die vorschlagen, die K<strong>in</strong>der könnten auch den<br />

Eltern sagen und zeigen, wie sie sich Elternverhalten bei Konflikten vorstellen.<br />

Die K<strong>in</strong>dergruppe bereitet e<strong>in</strong>e künstlerische Ausstellung für die Abschlussrunde vor unter dem Titel<br />

„Wie ich b<strong>in</strong>“ und „Was die Hand alles kann“ (und was habe ich gern, was ist angenehm und was<br />

nicht?) Die Erläuterungen der K<strong>in</strong>der zu ihren e<strong>in</strong>drucksvollen Exponaten führen die gesamte Gruppe<br />

am Ende der Veranstaltung noch e<strong>in</strong>mal ganz gezielt zum Thema „gewaltfreier Umgang mite<strong>in</strong>ander“<br />

zurück. Sie überraschen die Eltern und h<strong>in</strong>terlassen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> manchen Fällen heilsame Betroffenheit.<br />

Auswertung<br />

E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Fragebogenauswertung der Erwachsenen, abschließende Gespräche <strong>in</strong> der Elternrunde wie<br />

auch vielfältige <strong>in</strong>formelle Gespräche unter Eltern <strong>in</strong> den Sem<strong>in</strong>ar-Pausen und auch die Abschlussrunde<br />

mit den K<strong>in</strong>dern ließen deutlich werden:<br />

50<br />

Die <strong>Familien</strong>-Sem<strong>in</strong>ararbeit hatte e<strong>in</strong>en hohen Wert, e<strong>in</strong>e familienunterstützende Bedeutung<br />

und e<strong>in</strong>en Lern- und Erfahrungsgew<strong>in</strong>n für die Eltern, der auch das Thema des Wochenendes<br />

betraf, <strong>in</strong>sgesamt aber wohl weit darüber h<strong>in</strong>ausreicht.<br />

• Die Erwachsenen erlebten die Unterschiedlichkeit von <strong>Familien</strong> und ihrer <strong>in</strong>dividuellen<br />

Kommunikations- und Umgangsformen. Sie gewannen dadurch das Selbstbewusstse<strong>in</strong> und<br />

das Vertrauen, sich <strong>in</strong> den Elternrunden, zum<strong>in</strong>dest aber im <strong>in</strong>formellen Austausch zu öffnen,<br />

über sich selbst, über eigene <strong>Familien</strong>erfahrungen, Erziehungs- und Partner-Sorgen oder auch<br />

wirtschaftliche Schwierigkeiten zu sprechen. – Dieses Geschehen ist sehr wertvoll, weil es als<br />

„positive Ersterfahrung“ mit <strong>Familien</strong>bildung oftmals auch die Väter für e<strong>in</strong>e spätere Teilnahme<br />

an <strong>Familien</strong>- und Elternveranstaltungen aufschließt.<br />

• Die Erwachsenen erlebten <strong>in</strong> der Gruppenarbeit <strong>in</strong> der Referent<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kommunikationsmodell.<br />

Sie erlebten durch Beobachtung und „am eigenen Leib“ e<strong>in</strong>en akzeptierenden, aufmerksamen,<br />

respektvollen, geduldigen, aber auch klaren und konfrontierenden Gesprächs- und<br />

Umgangsstil – und auch dessen motivierende, vertrauenstiftende Wirkung <strong>in</strong> der Gruppe. –<br />

Dieser Kommunikationsstil wurde zudem im Gruppengespräch beschrieben, reflektiert und<br />

auf bekannte familiäre Alltagssituationen übertragen. Die konflikt- und gewaltvorbeugenden<br />

Wirkungen wurden sozusagen körperlich spürbar, konnten von den Beteiligten unmittelbar<br />

wahrgenommen werden.<br />

Als Lernergebnis und neue Gewissheit nehmen die Eltern die Erkenntnis mit, dass <strong>Familien</strong>leben<br />

gewaltfrei ablaufen kann und dass sie selbst zur Verwirklichung konfliktreduzierender/konfliktlösender<br />

Umgangsformen durchaus <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d. Zugleich spüren und wissen<br />

sie jedoch: e<strong>in</strong>e Veränderung des <strong>Familien</strong>lebens h<strong>in</strong> zu partnerschaftlichen, respektvollen<br />

Grundhaltungen ist nicht ohne Mühen, Übung, Rückfälle und Durchhaltevermögen zu realisieren.<br />

Der strikte, pr<strong>in</strong>zipielle Verzicht auf elterliche Gewaltanwendung, das Bewahren von Toleranz<br />

und Respekt <strong>in</strong> der Familie setzt die permanente, niemals endende, echte gegenseitige<br />

Aufmerksamkeit füre<strong>in</strong>ander voraus. Aufmerksamkeit ist als „Zugewandtheit“ e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Haltung, nicht nur e<strong>in</strong>e tra<strong>in</strong>ierbare Kommunikations-Technik. – Diese Erfahrung und<br />

dieses Wissen be<strong>in</strong>halten Hoffnung und Optimismus. Zugleich bedeuten sie e<strong>in</strong>e neue Verantwortung<br />

und den Appell, die positiven Erfahrungen nun auch für die Familie nutzbar zu<br />

machen – fordern also echtes Elternbemühen, Umstellung und – Aufmerksamkeit.<br />

• <strong>Familien</strong> erlebten am „Modell“ des Sem<strong>in</strong>ar-Teams, was es bedeutet, K<strong>in</strong>der wirklich ernstzunehmen<br />

– ohne Herablassung, ohne Belustigung und ohne Genervtheit. Sicherlich ist die<br />

Sem<strong>in</strong>arsituation nicht mit dem häuslichen <strong>Familien</strong>leben vergleichbar. Dennoch registrierten<br />

die Eltern, <strong>in</strong> welcher Form den K<strong>in</strong>dern Respekt, Ehrlichkeit und Offenheit entgegengebracht<br />

wurden, und wie K<strong>in</strong>der darauf reagierten: Elternpaare waren überrascht und verblüfft über<br />

Leistungen und Äußerungen ihrer K<strong>in</strong>der, die sie hier erstmals erlebten und die sie ihnen nicht<br />

zugetraut hätten.


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Die familienpädagogischen Lerneffekte von <strong>Familien</strong>-Wochenendsem<strong>in</strong>aren resultieren nicht alle<strong>in</strong><br />

aus dem Sem<strong>in</strong>argeschehen und den Programme<strong>in</strong>heiten. Es ist die Erfahrungswirkung des gesamten<br />

„Sett<strong>in</strong>gs“, das <strong>Familien</strong> positive Verhaltensalternativen erleben lässt, sie aufrüttelt und ihnen<br />

optimistische Anstöße mit auf den Weg gibt. Es wäre wünschenswert, dass es irgendwann e<strong>in</strong>mal gel<strong>in</strong>gt,<br />

derart „angestoßene“ <strong>Familien</strong> auf dem schwierigen Weg der Umsetzung ihrer Erfahrungen weiter<br />

zu begleiten, ihnen Bestärkung und Unterstützung zu geben <strong>in</strong> schwierigen Situationen, dort an<br />

ihrem Wohnort oder <strong>in</strong> langfristig geplanten Austausch- und Auffrischungssem<strong>in</strong>aren.<br />

Fortbildungen für Multiplikator/<strong>in</strong>nen<br />

- Inhalts- und Methodenbeschreibung an zwei Beispielen -<br />

1. Zukunftswerkstatt „ Zum Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit“<br />

am 20.06.2000 <strong>in</strong> Wittenberg, Sachsen-Anhalt<br />

durchgeführt von Dipl. Pädagog<strong>in</strong> Dr. Heidemarie Wan<strong>in</strong>ger<br />

2. Tagessem<strong>in</strong>ar „Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten“<br />

am 28.05.2001 <strong>in</strong> Nieder-Olm, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz,<br />

durchgeführt von Dipl. Sozialpädagog<strong>in</strong> Daniele Darmstadt<br />

Beispiel A<br />

Verlaufsskizze mit Methodendiskussion zur Zukunftswerkstatt<br />

„Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit“<br />

Grundlegendes zu den Prämissen, Zielen und Pr<strong>in</strong>zipien der Zukunftswerkstattarbeit<br />

Das typische methodische Vorgehen der Zukunftswerkstatt (ZW) verb<strong>in</strong>det sich im deutschsprachigen<br />

Raum mit dem gleichnamigen Buch der Zukunftsforscher Robert Jungk und Norbert R. Müllert. Sie<br />

haben die erste Auflage ihrer „Anleitung zum Selbermachen“ genannt: „Wege zur Wiederbelebung<br />

der Demokratie“. Die zweite Auflage trägt den Titel „Mit Fantasie gegen Rout<strong>in</strong>e und Resignation“.<br />

Diese wie auch die vielen weiteren Veröffentlichungen und Erfahrungsberichte zum Thema Zukunftswerkstatt<br />

wollen zur Erprobung von ZW im S<strong>in</strong>ne von „weiterzuentwickelnden Demokratisierungs<strong>in</strong>strumenten“<br />

anregen.<br />

Ziel der Arbeit <strong>in</strong> Zukunftswerkstätten ist es, Bürger/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dungen e<strong>in</strong>zubeziehen,<br />

die sonst Politiker/<strong>in</strong>nen, Expert/<strong>in</strong>nen, Planer/<strong>in</strong>nen vorbehalten s<strong>in</strong>d.<br />

„Seit Jahren wird über die Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit der Staatsbürger geklagt. Diese<br />

Haltung verschw<strong>in</strong>det, wenn die Menschen erfahren, dass sie wirklich mitentwerfen und mitentscheiden<br />

können. Als sofortige psychologische Wirkung kann man beim Vorgehen nach der Methode der<br />

Zukunftswerkstatt feststellen:<br />

• Die Teilnehmer, gewöhnt daran, dass ihre Me<strong>in</strong>ungen als ‚unqualifiziert’ beiseite geschoben<br />

werden, gew<strong>in</strong>nen Selbstvertrauen;<br />

• Sie geben nach und nach ihre passive und reisignative Haltung auf und beg<strong>in</strong>nen, sich als aktive<br />

Teilnehmer am kommunalen, regionalen, nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Geschehen zu<br />

begreifen;<br />

• Ihre eigenen für e<strong>in</strong>e humane Zukunftsgestaltung unersetzlichen Lebenserfahrungen werden<br />

endlich gehört und ernstgenommen;<br />

• Die durch autoritäre Erziehung und fehlende Herausforderung verschütteten Phantasiequellen<br />

beg<strong>in</strong>nen wieder zu fließen;<br />

• Weil sie <strong>in</strong> dieser neuen demokratischen E<strong>in</strong>richtung nicht nur zuhören, sondern auch sprechen<br />

können, weil sie nicht nur aufnehmen und h<strong>in</strong>nehmen, sondern auch geben, s<strong>in</strong>d sie viel<br />

eher bereit, von außen kommende e<strong>in</strong>schlägige Informationen und Ratschläge für sich zu nutzen,<br />

d.h. zu lernen und entsprechend zu handeln;<br />

• Das geme<strong>in</strong>same Entwickeln konkreter Zukunftsvorstellungen schafft zwischen den Teilnehmern<br />

e<strong>in</strong>e starke Erlebnisgeme<strong>in</strong>schaft.“<br />

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(vgl. Jungk / Müllert, S. 20 f.)<br />

Planung der Veranstaltung<br />

Die methodische Form Zukunftswerkstatt wurde <strong>in</strong> Wittenberg für e<strong>in</strong>e Gruppe von Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

aus unterschiedlichen sozialen Arbeitsfeldern gewählt, die im Rahmen des laufenden Gesamtprojekts<br />

zur Gewaltprävention bereits <strong>in</strong> früheren Sem<strong>in</strong>arveranstaltungen an der geme<strong>in</strong>samen Thematik gearbeitet<br />

hatten. Die ZW sollte e<strong>in</strong>e Abrundung und Perspektiveröffnung, e<strong>in</strong>e Klammer zwischen isolierten<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>itiativen bilden. Sie sollte möglichst dauerhafte, zukunftsträchtige Formen/Projekte zur<br />

Umsetzung und Verstetigung gewaltpräventiver Aktivitäten im örtlichen Umfeld von Wittenberg zum<br />

Ergebnis haben.<br />

Die ZW-Moderator<strong>in</strong> startete also mit dem Auftrag, die Ideenf<strong>in</strong>dung und -konkretisierung zu e<strong>in</strong>em<br />

Netz möglichst dauerhafter <strong>in</strong>stitutionsübergreifender Maßnahmen der Gewaltprävention zu moderieren.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne war auch die Veranstaltungsankündigung formuliert:<br />

„Zukunftswerkstatt 2000 – Zum Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit. E<strong>in</strong> Workshop für<br />

alle <strong>in</strong>teressierten Bürger/<strong>in</strong>nen, Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen aus der Sozial- und Kommunalarbeit, denen das<br />

Thema „Umgang mit Aggressionen, Konflikten und Gewalt <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>, <strong>in</strong> Institutionen und <strong>in</strong> der<br />

Öffentlichkeit“ am Herzen liegt“.<br />

Vorbereitung<br />

ZW-Arbeit braucht, da sie die musisch-kreativen Ausdrucksformen von Nicht-Expert/<strong>in</strong>nen locken<br />

und unterstützen will, e<strong>in</strong>e entsprechend vielfältige Ausstattung. Im Raum bzw. <strong>in</strong> dessen Nähe sollten<br />

bereitstehen:<br />

• möglichst Makulaturpapierrollen, ggf. Reste von Zeitungsdruckereien<br />

• e<strong>in</strong> Stapel e<strong>in</strong>seitig bedrucktes DIN-A4 Papier, viel weißes oder graues Papier, möglichst aber<br />

auch farbige Blätter<br />

• e<strong>in</strong> Stapel e<strong>in</strong>seitig bedrucktes DIN-A3 Papier<br />

• alte Plakate <strong>in</strong> DIN-A2 oder DIN-A1 Format<br />

• Filzstifte, möglichst schadstoffarm und wenig st<strong>in</strong>kend<br />

• Scheren, Klebstoffe<br />

• evtl. Wachsmalstifte und/oder Ölkreiden<br />

Für die lebendige ZW-Arbeit werden zudem für wiederkehrende Kle<strong>in</strong>gruppenarbeiten grundsätzlich<br />

zwei bis drei zusätzliche Räume bzw. Gruppenarbeitsmöglichkeiten gebraucht.<br />

Der E<strong>in</strong>stieg / die Anfangsphase<br />

Zur E<strong>in</strong>stiegsrunde im Stuhlkreis wurden <strong>in</strong> der Kreismitte Fotos und Bilder ausgebreitet. Sie können<br />

aus Illustrierten zufällig und unsystematisch ausgeschnitten und z.B. auf DIN-A4 Blätter aufgeklebt<br />

werden. Sie s<strong>in</strong>d dann als Bildersammlung wieder verwendbar.<br />

Die Bilder sollen an dieser Stelle nichts weiter als <strong>in</strong>dividuelle Assoziationen, Er<strong>in</strong>nerungen auslösen.<br />

Sie werden weder analysiert noch <strong>in</strong>terpretiert. Sie erhalten hier nur die unverwechselbaren eigenen<br />

Bedeutungen, die sie bei den auswählenden Personen gerade jetzt <strong>in</strong> diesem Augenblick auslösen.<br />

Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Gesprächsanlass, mit dem mögliche Sprechhemmungen <strong>in</strong> der noch fremden<br />

Gruppe spontan überwunden werden können. In dieser nur wenige M<strong>in</strong>uten beanspruchenden E<strong>in</strong>stiegsrunde<br />

erhält jede Person e<strong>in</strong>mal die volle Aufmerksamkeit der Gruppe, wird als Gruppenmitglied<br />

wohlwollend wahrgenommen und erfährt persönliche Wertschätzung.<br />

Die tatsächliche Ausgangssituation am Sem<strong>in</strong>artag<br />

Im anschließenden E<strong>in</strong>stiegsgespräch stellte sich heraus, dass – anders als erwartet und <strong>in</strong> der Vorbereitung<br />

zugrunde gelegt – nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Teilnehmer<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em der vorausgegangenen MES-<br />

Sem<strong>in</strong>are zum Thema „Umgang mit Gewalt <strong>in</strong> der Familie“ teilgenommen hatte. Das Interesse der<br />

Gesamtgruppe lag also nicht dar<strong>in</strong>, mit der Methode ZW Formen zur Weiterführung, Verbreitung und<br />

Umsetzung der bereits <strong>in</strong>haltlich erarbeiteten Thematik „Gewaltprävention“ zu entwickeln. Vielmehr<br />

kamen die Frauen aus sehr unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen und privaten Motivatio-


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nen hierher, um von der Referent<strong>in</strong> Neues zu hören und zu lernen. Die Ausschreibung, die <strong>in</strong> knapper<br />

Form, aber e<strong>in</strong>deutig ZW als Arbeitsmethode mit festgelegtem Phasenschema zur gruppenzentrierten<br />

Erarbeitung von Inhalten vorstellte, war offensichtlich nicht gründlich gelesen oder nicht wahrgenommen<br />

worden. Vielleicht wurde sie nicht verstanden, weil die Mehrzahl der Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />

Formen selbständiger Erarbeitung von Ergebnissen bisher kaum erlebt hat und daher ke<strong>in</strong>e Vorstellung<br />

entwickeln konnte.<br />

Es galt also, mit folgenden ungünstigen Ausgangspunkten den Fortbildungstag doch noch konstruktiv<br />

und effektiv zu gestalten:<br />

• Unerwartet waren nur acht Frauen zur ZW erschienen. Der Reichtum der ZW speist sich aber<br />

gerade aus den Erfahrungen, Ideen und Assoziationen der teilnehmenden Personen. E<strong>in</strong>e<br />

Gruppengröße von 15 – 20 Personen ist daher ideal.<br />

• Die Erwartung, Inhalte vermittelt zu bekommen und daher e<strong>in</strong>e eher abwartend rezeptive Arbeitshaltung<br />

bei den meisten Teilnehmer<strong>in</strong>nen erforderte viel Überzeugungskraft von seiten<br />

der Moderator<strong>in</strong>, bis sich die Teilnehmer<strong>in</strong>nen auf die Methode e<strong>in</strong>lassen und persönlichen<br />

Gew<strong>in</strong>n daraus ziehen konnten.<br />

• Die une<strong>in</strong>heitliche bzw. fehlende Grundlage für die <strong>in</strong>haltliche Zusammenarbeit, verlangte <strong>in</strong><br />

der Kritik- und Phantasiephase zusätzliche erläuternde Kommentare und e<strong>in</strong> besonders vorsichtiges<br />

Vorgehen beim Bündeln und Rubrizieren der Stichworte.<br />

Spontan umdisponieren<br />

Dieser ungeplant e<strong>in</strong>geschobene Klärungsprozess verzögerte den Beg<strong>in</strong>n der ZW und verr<strong>in</strong>gerte den<br />

verbleibenden Zeitumfang. Dennoch erlebten die Teilnehmer<strong>in</strong>nen, wie aus e<strong>in</strong>er chaotisch anmutenden<br />

Anfangssituation unterschiedlicher TN-Voraussetzungen, TN-Motivationen, TN-Vorstellungen,<br />

TN-Ziele zielstrebig nach e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Nenner gesucht wurde. Sie erlebten – als Beispiel für<br />

ihre eigene Klärungs- und Handlungspraxis <strong>in</strong> Gruppen – e<strong>in</strong> offenes, respektvolles, akzeptierendes<br />

Klären und Aushandeln der Absichten und Ziele. Schließlich gelang bei konstruktiver Arbeitshaltung<br />

und gutem Gruppenklima der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ZW-Arbeit.<br />

Bei dieser unerwarteten Ausgangssituation war es unmöglich, e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Problemverständnis<br />

zu vergegenwärtigen und zügig darauf aufzubauen. Für die ZW-Arbeit hier musste der Themenrahmen<br />

erst erarbeitet und musste aus dem <strong>in</strong> dieser Weise grob umrissenen Komplex „Situationen, Formen<br />

und Ursprünge von Gewalt <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit“ heraus das ZW-Ziel, die Verwirklichungsaufgabe<br />

herausformuliert werden.<br />

Der darauf folgende ZW-Ablauf wird hier plakativ skizziert. Wir verweisen auf die früheren, detailliert<br />

dokumentierten Zukunftswerkstätten, die z.B. im Rahmen von <strong>Familien</strong>bildungswochenenden des<br />

Bundesverbandes Neue Erziehung, Bonn durchgeführt wurden.<br />

Kritikphase<br />

1. Schritt: Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g - spontane, unsystematische Sammlung von Kritikpunkten, Beschwerden,<br />

Bedauernswertem h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es couragierten Auftretens gegen <strong>in</strong>ner- und<br />

außerfamiliäre Gewalt im sozialen Umfeld der Teilnehmer<strong>in</strong>nen.<br />

Die Kritikpunkte wurden <strong>in</strong> Dreiergruppen auf DIN A4-Blättern notiert und dann im<br />

Plenum für alle sichtbar zusammengetragen und ausgelegt.<br />

2. Schritt: Ordnung, Zusammenfassung der Kritikpunkte zu Kritikthemenkreisen:<br />

• Mangelndes Selbstwertgefühl: mangelnde Wertschätzung durch andere, mangelndes Vertrauen<br />

<strong>in</strong> die eigene Kraft<br />

* Fehlender Mut, Hilfe zu suchen und nachzufragen<br />

* Unflexibilität der Eltern (fehlendes Bemühen um Hilfe)<br />

* Menschen nehmen ke<strong>in</strong>en Rat an<br />

* Ke<strong>in</strong> Vertrauen <strong>in</strong> Hilfsangebote<br />

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* Gleichgültigkeit der Eltern gegenüber Hilfsangeboten<br />

* Gleichgültigkeit<br />

* Gegenseitiges Des<strong>in</strong>teresse<br />

* Eltern haben zu wenig Mut<br />

* Fehlende Toleranz zwischen Eltern und K<strong>in</strong>der, zwischen Partnern und anderen<br />

Menschen gegenüber<br />

• Schwierige Lebensverhältnisse: negatives Lebensgefühl, problematisches Verhalten anderen<br />

gegenüber<br />

* Aggressivität * Frustration<br />

* Selbstisolation, Streit der Eltern vor den K<strong>in</strong>dern * Hilflosigkeit<br />

* mangelndes Selbstbewusstse<strong>in</strong> * Angst<br />

* Alkohol(missbrauch), Drogensucht > Depressionen * Außenseiterrolle<br />

* Aufopferungshaltung * Schamgefühl<br />

* Zurückhaltung, Bescheidenheit * Schuldgefühle<br />

• Ungünstige äußere Faktoren: fehlende Initiative, fehlender Mut, Kraftlosigkeit<br />

* Fehlende Ansprechpartner<br />

* Was nix kostet, is auch nix<br />

* Eltern s<strong>in</strong>d nachlässig<br />

* Eltern nehmen sich ke<strong>in</strong>e Zeit für sich selbst und die Familie<br />

* Fehlende Hilfe bei Formalitäten – fehlende Information<br />

* Probleme, wenn neue Partner <strong>in</strong> getrennte <strong>Familien</strong> kommen<br />

* Probleme aus dem Besuchsrecht für getrennt lebende Partner


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• Probleme durch Beruf und Arbeit<br />

* Erwerbslosigkeit * Geldmangel<br />

* Arbeitslosigkeit * Neid<br />

* Schlechte Wohnverhältnisse * zu viel Arbeit<br />

* Fehlende Grenzen * zu viel Ablenkung<br />

* Mangel an privater Zeit<br />

3. Schritt: Kle<strong>in</strong>gruppenarbeit – die Kritikpunkte bzw. Kritikthemenkreise werden wortlos nur<br />

mit Stift, Schere und Kleber auf großen Plakatbögen veranschaulicht und po<strong>in</strong>tiert<br />

dargestellt.<br />

Pause und Übergang zur Phantasiephase<br />

Nach der Auflockerung durch e<strong>in</strong> fröhliches Spiel mit Freude und Gelächter wird mit den Kritikdarstellungen<br />

weitergearbeitet – nun aber ausdrücklich aus positiven Blickw<strong>in</strong>keln:<br />

Die Gesamtgruppe betrachtet e<strong>in</strong>e Kritik-Darstellung nach der anderen mit der Aufgabe, alle (Kritik-<br />

)Aussagen der Plakate umzuwenden <strong>in</strong>s Positive. Notiert werden nun die Positivwendungen, die die<br />

Teilnehmer<strong>in</strong>nen – kreativ und assoziativ – aus den Darstellungen herauslesen. Diskutiert wird nicht.<br />

Beim Auslegen der Ideenzettel entsteht e<strong>in</strong>e viele Meter lange Spirale quer durch den Raum:<br />

• Seniorenpatenschaften für junge Alle<strong>in</strong>erziehende<br />

• Vere<strong>in</strong> für K<strong>in</strong>der und Jugendliche „Mite<strong>in</strong>ander aufmerksam se<strong>in</strong>“<br />

• Interessen der Eltern nutzen für geme<strong>in</strong>same Vorhaben<br />

• Alte Menschen gew<strong>in</strong>nen für unterschiedliche D<strong>in</strong>ge<br />

• Konstruktive Kommunikation<br />

• Selbstbewusstse<strong>in</strong> und Selbstvertrauen der Menschen<br />

• Optimismus<br />

• Zuversicht und Geduld<br />

• Liebe zur Natur<br />

• K<strong>in</strong>dern freundlich begegnen, ihnen Freude vermitteln<br />

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• Intakte Familie, Geborgenheit und Zufriedenheit <strong>in</strong> der Familie<br />

• Positives Denken<br />

• Gegenseitige Akzeptanz, gegenseitiges Interesse<br />

• Selbstbewusstes Auftreten für eigene Interessen und die Interessen anderer<br />

• Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt<br />

• Zusammenhalt<br />

• Sich verstanden fühlen<br />

• Mitgefühl, auch Mitfreude<br />

• Akzeptanz gegenüber anders Lebenden<br />

• Entspannung, Ausgleich<br />

• Ziel erreicht: Stolz und Freude<br />

• Aufmerksamkeit für andere<br />

• Zuneigung nicht nur fühlen, sondern auch zeigen<br />

• Lachen, Lockerheit entspannt<br />

• Fröhlichkeit mit anderen * Nähe zulassen und geben<br />

• Jemand e<strong>in</strong> Geschenk machen * Ausruhen genießen dürfen<br />

• Andere aufnehmen, mitmachen lassen * Neue Perspektiven sehen<br />

• Farbigkeit, Vielfalt zulassen, unterstützen * Kameradschaft<br />

• Mite<strong>in</strong>ander reden * sich gegenseitig zuhören<br />

• Nachbarn kümmern sich um K<strong>in</strong>der * und Haustiere<br />

• Sich austauschen, sich mitteilen,<br />

andere teilhaben lassen<br />

• Spaß haben beim Spiel mit K<strong>in</strong>dern,<br />

aber auch unter Erwachsenen<br />

• Neubeg<strong>in</strong>nen wollen, können, dürfen * vom Traumhaus träumen<br />

• Freizügigkeit * Durchhaltevermögen<br />

• Zukunftshoffnung * Urlaub des Vaters<br />

• Von vorn anfangen mit Optimismus * Aufmerksamkeit schenken<br />

• K<strong>in</strong>derträume erfüllen können (Spielzeug) * mit anderen teilen<br />

• E<strong>in</strong>en neuen Anfang setzen * neue Freundschaften<br />

• Liebevoller Umgang untere<strong>in</strong>ander * das K<strong>in</strong>d steht im Mittelpunkt<br />

• Hilfe annehmen * Hilfe anbieten und gerne geben<br />

Zu zweit, mit e<strong>in</strong>er selbst gewählten Partner<strong>in</strong>, sollte nun e<strong>in</strong> Blatt, e<strong>in</strong>e Idee, e<strong>in</strong> Aspekt ausgewählt<br />

werden, der nachfolgend zur Vorbereitung e<strong>in</strong>es konkreten Projektes weiterbearbeitet werden sollte.<br />

Verwirklichungs- und Realisierungsphase<br />

Der Leitgedanke wurde formuliert als die Suche nach Unterstützungsmöglichkeiten für <strong>Familien</strong>, <strong>in</strong><br />

denen Konflikte und Gewalt herrschen.<br />

Bedauerlicher Weise musste die Verwirklichungsphase jedoch zu e<strong>in</strong>em mutmachenden Gruppenberatungsgespräch<br />

umfunktioniert werden. Nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Teilnehmer<strong>in</strong> war bereit, die begonnene Arbeit<br />

an diesem Punkt konsequent fortzuführen und konkrete, umsetzbare Schritte für ihre weitere gewaltpräventive<br />

Arbeit daraus zu entwickeln. Alle anderen äußerten Mut- und Kraftlosigkeit und wenig<br />

Zuversicht, dass ihre <strong>in</strong>dividuellen Bemühungen Erfolge haben könnten.<br />

Die Moderator<strong>in</strong> erahnte die Antriebslosigkeiten, Frustrationen und Ängste, die die Frauen sogar<br />

schon vor e<strong>in</strong>er weiteren Konkretisierung ihrer Handlungsideen hemmten. In ihren Argumentationen<br />

sprachen sie von beruflichen und privaten Belastungen, von der Befürchtung, für die Umsetzung<br />

„wieder“ alle<strong>in</strong> zuständig und verantwortlich se<strong>in</strong> zu müssen, von den strukturellen H<strong>in</strong>dernissen, die<br />

alle Mühen zum Scheitern br<strong>in</strong>gen würden, von der Unzugänglichkeit und Motivationslosigkeit der<br />

Menschen, die es zu aktivieren gilt.<br />

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Ohne es wirklich offen auszusprechen, vermittelte das Gespräch, das sozusagen an Stelle der Verwirklichungsphase<br />

stand, e<strong>in</strong>en bedauerlichen E<strong>in</strong>druck davon, dass die Mehrzahl der teilnehmenden Frauen<br />

tief geprägt war von dem Gefühl, kle<strong>in</strong> und schwach <strong>in</strong> ihrem sozialen Umfeld zu se<strong>in</strong>, zu kraftlos,<br />

etwas Neues zu versuchen, und vor allem ohne die Zuversicht, Mitstreiter/<strong>in</strong>nen, Unterstützer/<strong>in</strong>nen zu<br />

f<strong>in</strong>den und von unten heraus etwas Positives bewirken zu können.<br />

Diese drei Faktoren machten sich im Verlauf der ersten beiden Arbeitsphasen (Kritik- und Phantasiephase)<br />

kaum bemerkbar. Nach e<strong>in</strong>er gründlichen E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Idee und die Arbeitspr<strong>in</strong>zipien<br />

e<strong>in</strong>er ZW ergab sich e<strong>in</strong>e lebendige, offene und <strong>in</strong>tensive Werkstattatmosphäre. - Umso stärker überraschte<br />

vor der Verwirklichungsphase die Ablehnung von 7 der 8 Teilnehmer<strong>in</strong>nen, Aspekte ihrer<br />

positiven Phantasien zu konkret umsetzbaren Projekten auszuarbeiten.<br />

Die e<strong>in</strong>zige Ausnahme bildete e<strong>in</strong>e nicht erwerbstätige Frau, die ihr ehrenamtliches Engagement ganz<br />

auf die Schule und auf Kommunikationsangebote für K<strong>in</strong>der und Eltern richten wollte. Sie will weitere<br />

Eltern suchen und gew<strong>in</strong>nen, die sich <strong>in</strong> oder auch außerhalb der Schule K<strong>in</strong>dern und Eltern als<br />

Gesprächspartner/<strong>in</strong>nen anbieten. In den Klassen ihrer eigenen K<strong>in</strong>der ist sie konfrontiert mit <strong>Familien</strong><br />

und k<strong>in</strong>dlichen Lebenssituationen, <strong>in</strong> denen vor allem Gespräch, Vertrauen, Zuwendung, Aufmerksamkeit<br />

und Akzeptanz fehlen, Grundlagen, die K<strong>in</strong>der zu starken Persönlichkeiten werden lassen.<br />

Selbstbewusste, sozial anerkannte, geliebte K<strong>in</strong>der suchen i.d.R. nicht Macht und Gewalt über Schwächere<br />

oder grundsätzlich Durchsetzung mit Mitteln von psychischer und physischer Gewalt.<br />

Ihr konnte die Gruppe e<strong>in</strong>ige wichtige Überlegungen und Ideen mitgeben. Die konkrete Projekterarbeitung<br />

wurde jedoch durch die resignative Haltung der anderen Teilnehmer<strong>in</strong>nen beh<strong>in</strong>dert und letztlich<br />

abgebrochen. Es wäre schade gewesen, ihren optimistischen Ansatz durch allzu viele Bedenken<br />

und E<strong>in</strong>schränkungen der anderen zu belasten.<br />

Das Projekt e<strong>in</strong>er nichterwerbstätigen Mutter von Schulk<strong>in</strong>dern hieß<br />

„Eltern zuhören“<br />

• Wo: <strong>in</strong> der Schule, z.B. <strong>in</strong> der Bibliothek oder<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kostenlos zur Verfügung gestellten Raum außerhalb der Schule<br />

• Wann: 2 – 3mal wöchentlich ca. 1,5 Stunden<br />

• Wer: verschiedene Eltern im Wechsel, sodass gesprächsuchende<br />

Eltern selbst wählen können, mit wem sie gern reden möchten.<br />

Zuerst müssen weitere Eltern als Gesprächspartner/<strong>in</strong>nen gewonnen werden. Evtl.<br />

werden auch Omas und Opas gern als Gesprächspartner/<strong>in</strong>nen angenommen. Wichtige<br />

Voraussetzung: Verschwiegenheit über das, was e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> den Gesprächsstunden<br />

anvertraut wird.<br />

• Wie: Zugang zu den Eltern über die K<strong>in</strong>der: Eltern stellen sich als<br />

Gesprächspartner/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Schulklassen vor. 1. Schritt z.B. alle 5. Klassen.<br />

Kontaktaufnahme mit ratsuchenden Eltern evtl. auch über geme<strong>in</strong>same Aktivitäten<br />

für K<strong>in</strong>der und Eltern.<br />

Fazit<br />

Durch die verordnete Form stichwortartiger Bennennungen und nur kurzer Erläuterungen konnte <strong>in</strong><br />

der Kritik- und der Phantasiephase e<strong>in</strong>e erstaunliche Vielzahl von Aspekten zu Fragen des gewaltpräventiven<br />

Umgangs <strong>in</strong> Familie und Öffentlichkeit zusammengetragen werden. Vielfältige Denkanstöße<br />

und Anregungen haben die Teilnehmer<strong>in</strong>nen auf diesem Wege erreicht, und wurden von ihnen auch so<br />

erkannt und wertgeschätzt.<br />

Die gesuchten konkreten Formen e<strong>in</strong>er regionalen Weiterarbeit am Thema Gewaltprävention konnten<br />

– leider – nicht erarbeitet werden. Aber – die Teilnehmer<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d sensibilisiert und ermutigt worden,<br />

sich zu engagieren und selbst aktiv für ihre Ideen e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Beispiel B<br />

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„Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten – Formen von Elterngesprächen und ihre Wirkungen“<br />

Spektakuläre Gewaltereignisse, z.B. aktuell der Amoklauf e<strong>in</strong>es 19jährigen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Erfurter Schule im<br />

April 2002, Jugendkrim<strong>in</strong>alität oder die Sucht- und Suizidgefährdung von K<strong>in</strong>dern weisen nachdrucksvoll<br />

auf Missstände und Nöte <strong>in</strong> der zwischenmenschlichen Beziehung Erwachsener zu ihren<br />

K<strong>in</strong>dern h<strong>in</strong>. Aus unterschiedlichen Motiven heraus werden Konflikte, Gefahrenpotentiale von Erwachsenen<br />

verdeckt gehalten. Erst wenn sie als Katastrophen offenkundig werden, müssen sich Erwachsene<br />

– wieder e<strong>in</strong>mal – den Mangel an persönlichem Kontakt, an Aufmerksamkeit, Anerkennung<br />

und zugehender Unterstützung von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen als mitauslösendes Moment e<strong>in</strong>gestehen<br />

– e<strong>in</strong> immer wiederkehrender Ablauf, dem bislang wenig Konsequenzen gefolgt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e logischkonsequente<br />

Forderung, die sich ableitet aus den längst bekannten Wurzeln von Aggressivität und<br />

Gewaltbereitschaft bei K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen, ist e<strong>in</strong>e ernsthafte Erziehungspartnerschaft zwischen<br />

Eltern und professionellen Erzieher/<strong>in</strong>nen.<br />

E<strong>in</strong>e stabile Erziehungspartnerschaft aller am Erziehungsprozess Beteiligten vom Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter an<br />

hat e<strong>in</strong>e reale Chance, sowohl die k<strong>in</strong>dliche Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsstärkung<br />

als auch präventive und kurative Maßnahmen für K<strong>in</strong>der frühzeitig, hilfreich und konsequent, <strong>in</strong> Kita<br />

und Elternhaus zu verwirklichen. – Allerd<strong>in</strong>gs muss Erziehungspartnerschaft<br />

• von den Beteiligten gewollt und mitgetragen se<strong>in</strong>,<br />

• <strong>in</strong>itiativ von K<strong>in</strong>dergarten oder K<strong>in</strong>dertagesstätte ausgehen<br />

• von zielsicheren, kompetenten kommunikationserfahrenen pädagogischen Fachkräften <strong>in</strong>itiiert,<br />

ausgebaut und gepflegt und<br />

• kont<strong>in</strong>uierlich thematisiert und neuen Situationen flexibel angepasst werden. Erziehungspartnerschaft<br />

muss offen und transparent, aber auch mit Rücksicht auf Intimitätsbedürfnisse von<br />

Eltern und K<strong>in</strong>dern gestaltet werden.<br />

Planungsüberlegungen zum Fortbildungssem<strong>in</strong>ar<br />

Wenn es um das gewaltfreie, von konstruktiver beziehungsförderlicher Kommunikation getragene<br />

Aufwachsen von K<strong>in</strong>dern geht, haben Erzieher<strong>in</strong>nen hohe E<strong>in</strong>wirkungschancen. Dazu brauchen sie die<br />

<strong>in</strong>teressierte Aufmerksamkeit und die aktive Mitarbeit der Eltern. Denn: Familie und K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>richtungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den ersten Lebensjahren die Hauptsozialisationsfelder für K<strong>in</strong>der. Beide Institutionen<br />

sollen daher über ihr Vorbildverhalten und ihre Erziehungse<strong>in</strong>flüsse kommunizieren, diese abstimmen,<br />

um K<strong>in</strong>dern möglichst zuverlässige Wertorientierungen anzubieten. Beide müssen sich damit den<br />

K<strong>in</strong>dern gegenüber verantworten.<br />

Die Referent<strong>in</strong> und ihre persönlichen Ambitionen<br />

Die Referent<strong>in</strong> ist ausgebildete Dipl. Sozialpädagog<strong>in</strong> und als Fachberater<strong>in</strong> für kommunale K<strong>in</strong>dertagesstätten<br />

des Landkreises Ma<strong>in</strong>z-B<strong>in</strong>gen tätig. Seit 1983 ist sie Mitarbeiter<strong>in</strong> des Kreisjugendamtes<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en Sozialen Dienst. Aus ihrem beruflichen Erfahrungsspektrum heraus hatte sie großes<br />

Interesse, die vorgeschlagene Thematik e<strong>in</strong>mal gründlich mit Erzieher<strong>in</strong>nen zu bearbeiten. Den Veranstalter<strong>in</strong>nen<br />

(MES) und der Referent<strong>in</strong> war dabei wohl bewusst, dass e<strong>in</strong>e Tagesveranstaltung zu<br />

e<strong>in</strong>em derart grundlegenden, alle Aspekte des beruflichen Erzieher<strong>in</strong>nen-Alltags berührenden Thema<br />

lediglich Aufmerksamkeit und Anstöße bewirken kann. Mit der Sem<strong>in</strong>arplanung verband sich die<br />

Hoffnung, dass die Erzieher<strong>in</strong>nen – e<strong>in</strong>mal aufgerüttelt und mit machbaren Wegen der Gestaltung von<br />

Erziehungspartnerschaft bekannt gemacht – sich anschließend aktiv um weitere Übungs-, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs-<br />

und Umsetzungsmöglichkeiten bemühen werden.<br />

Sem<strong>in</strong>arankündigung<br />

Den Ausschreibungstext hatte die Referent<strong>in</strong> wie folgt vorbereitet:<br />

„Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten – Formen von Elterngesprächen und ihre Wirkungen“.<br />

– E<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>artag für Erzieher/<strong>in</strong>nen<br />

Alltagserfahrungen: viele Eltern – <strong>in</strong>sbesondere gut ausgebildete und qualifizierte Eltern – haben<br />

heute hohe Ansprüche an die Qualität „ihres“ K<strong>in</strong>dergartens. Gleichzeitig zeigen sie e<strong>in</strong>e hohe Bereitschaft<br />

zur Mitarbeit – oft auch bei der Ausarbeitung und Gestaltung der Konzeption. Um diese<br />

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Ressourcen optimal für die E<strong>in</strong>richtung nutzen zu können, wird es künftig immer wichtiger, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

gleichberechtigten Erziehungspartnerschaft neue Kooperationsformen zwischen Erzieher/<strong>in</strong>nen und<br />

Eltern zu erproben. – Das setzt <strong>in</strong>sbesondere bei der Erzieher<strong>in</strong> Klarheit und Sicherheit sowohl im<br />

fachlichen als auch im problem- oder sogar konfliktgeladenen Gespräch mit Eltern voraus.“<br />

Verlaufsskizze<br />

Ausgangsüberlegungen der Referent<strong>in</strong>:<br />

„Die Grobstruktur der Fortbildungsveranstaltung für Erzieher<strong>in</strong>nen konzipierte ich unter der Thematik<br />

Erziehungspartnerschaft im K<strong>in</strong>dergarten mit dem Schwerpunkt Elterngespräche, weil sich hier die<br />

größten Ängste, Unsicherheiten und Defizite der Erzieher<strong>in</strong>nen sammeln. Es ersche<strong>in</strong>t daher notwendig,<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>sbesondere h<strong>in</strong>sichtlich der Elterngespräche zu schulen und ihnen damit Sicherheiten<br />

zu vermitteln. Das Sem<strong>in</strong>ar soll folgende Arbeitsblöcke enthalten:<br />

1. Visualisieren und Austausch über die Formen der Elternarbeit<br />

2. Theorie: Referat zur Erziehungspartnerschaft<br />

3. Übungen zum Thema Elterngespräche unter E<strong>in</strong>beziehung von theoretischen und praktischen<br />

Erkenntnissen bekannter Kommunikations- und Gesprächsführungsmodelle“.<br />

Ziele<br />

Mit diesen drei Themenblöcken wird auf folgende Ziele h<strong>in</strong>gearbeitet:<br />

1. K<strong>in</strong>dertagesstätten haben e<strong>in</strong>e familienergänzende und –unterstützende Funktion, <strong>in</strong> deren<br />

Kontext die Kooperation zwischen K<strong>in</strong>dertagesstätte und Familie neue Bedeutung gew<strong>in</strong>nen<br />

muss. In diesem Zusammenhang tauschen sich die Teilnehmer<strong>in</strong>nen über ihnen bekannte<br />

Formen der Elternarbeit aus und erhalten neue Impulse aus der Praxis von Kolleg<strong>in</strong>nen.<br />

2. Es gilt, e<strong>in</strong>e neue Sichtweise der Kooperation zwischen <strong>Familien</strong> und K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu erarbeiten. Dies soll <strong>in</strong>sbesondere anhand der Fachveröffentlichung „Erziehungspartnerschaft<br />

– e<strong>in</strong>e neue Qualität <strong>in</strong> der Beziehung zwischen K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung und Familie“<br />

erfolgen.<br />

3. Erzieher<strong>in</strong>nen benötigen zur Partnerschaft mit <strong>Familien</strong> dr<strong>in</strong>gend zusätzliche Fach-, Kommunikations-<br />

und Konfliktlösungskompetenzen, um <strong>Familien</strong> besonders <strong>in</strong> Konfliktsituationen<br />

hilfreich begleiten zu können. Deshalb wird der Vermittlung grundlegender Kommunikationsmodelle<br />

hohe Bedeutung beigemessen.<br />

4. Erzieher<strong>in</strong>nen brauchen grundlegende Kenntnisse, aber unbed<strong>in</strong>gt auch Erfahrungen, Praxis,<br />

um schwierige Elterngespräche konstruktiv gestalten zu können. Der Sem<strong>in</strong>artag soll verdeutlichen,<br />

dass es weiterer <strong>in</strong>tensiver Diskussions- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit seitens der Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

bedarf, damit Erziehungspartnerschaft nicht nur e<strong>in</strong> hoffnungsvolles Wort bleibt, sondern<br />

K<strong>in</strong>dern für e<strong>in</strong> gesundes, persönlichkeitsstabilisierendes Aufwachsen spürbar zu Gute<br />

kommt.<br />

E<strong>in</strong>stieg<br />

Da sich die TN aus anderen beruflichen Zusammenhängen kennen, kann die Referent<strong>in</strong> die Kennenlern-<br />

und Gruppenbildungsphase kurz halten. Beim Ankommen steht Kaffe für die Gruppe bereit.<br />

Die Selbstbedienung, das Tätigwerden mit dem Geschirr, dem Getränk und den Zutaten und dann<br />

etwas <strong>in</strong> der Hand halten zu können (das kann natürlich auch e<strong>in</strong> kaltes Getränk se<strong>in</strong>) entspannt die<br />

Anfangssituation, besonders wenn sich Sem<strong>in</strong>arteilnehmer/<strong>in</strong>nen noch nicht untere<strong>in</strong>ander kennen.<br />

Dieses Tätigwerden erleichtert e<strong>in</strong> erstes unverb<strong>in</strong>dliches Aufe<strong>in</strong>ander-Zugehen der TN, ermöglicht<br />

es, erstmals <strong>in</strong> der ganz neuen Situation zu sprechen, statt stumm und untätig den offiziellen Beg<strong>in</strong>n<br />

abzuwarten.<br />

Im Stuhlkreis wird die bereits offene, freundliche Atmosphäre durch die kurze gegenseitige Vorstellung<br />

<strong>in</strong> den offiziellen Sem<strong>in</strong>arablauf übertragen. Die Frauen s<strong>in</strong>d bereits im Gespräch mite<strong>in</strong>ander.<br />

Die Referent<strong>in</strong> kommt ohne weitere Umschweife direkt zum Thema: Erziehungspartnerschaft. Zu<br />

e<strong>in</strong>er Partnerschaft gehören immer 2 oder mehr Beteiligte. Hier soll die Beziehung der professionellen<br />

Erzieher/<strong>in</strong>nen zu Eltern und <strong>Familien</strong> analysiert und auf konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten h<strong>in</strong><br />

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beleuchtet werden – ausgehend von den üblichen, bekannten Formen und den bisherigen Erfahrungen<br />

der TN mit Elternarbeit von der K<strong>in</strong>dertagesstätte aus.<br />

Auf e<strong>in</strong>er Bodenzeitung werden Nennungen und Stichworte mit dickem Filzstift <strong>in</strong> großer Schrift<br />

notiert. Damit wird e<strong>in</strong> Überblick für alle und werden anregende Merkpunkte festgehalten, aus denen<br />

jede TN später ihre eigenen Assoziationen und Anstöße ziehen kann. – Schon bei der Sammlung bisher<br />

praktizierter Formen der Elternarbeit gelangen die TN zu e<strong>in</strong>em befruchtenden Fachaustausch.<br />

Großes Interesse f<strong>in</strong>det das Modell e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>dergartens, der sehr <strong>in</strong>tensiv darum bemüht ist, Eltern zu<br />

regelmäßigen Entwicklungsgesprächen e<strong>in</strong>zuladen. Auch h<strong>in</strong>sichtlich des E<strong>in</strong>richtens e<strong>in</strong>es Elterncafés<br />

traf die berichtende Kolleg<strong>in</strong> auf lebhafte Resonanz. In der hier vorgestellten E<strong>in</strong>richtung wird<br />

nach dem Konzept der offenen Arbeit im K<strong>in</strong>dergarten gearbeitet.<br />

Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen der Gruppe verfügen überwiegend über e<strong>in</strong> breites Erfahrungsspektrum <strong>in</strong> der<br />

Elternarbeit. Das Bedürfnis zum kritischen H<strong>in</strong>terfragen der eigenen Position ist daher groß und erfolgte<br />

<strong>in</strong> dieser Runde <strong>in</strong> großer Offenheit und vertrauensvoller Atmosphäre.<br />

Erarbeitungsphase<br />

In Form e<strong>in</strong>es Impulsreferates stellt die Referent<strong>in</strong> das Modell Erziehungspartnerschaft vor. Hier<br />

e<strong>in</strong>ige Thesen:<br />

60<br />

1. Familie und K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung s<strong>in</strong>d die wichtigsten Institutionen, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>der ihre<br />

ersten Orientierungen erhalten. Sie haben die Funktion mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>teragierender Werte-<br />

und Verhaltensmodelle, wobei das Ausmaß der Überlappung durch das Verhalten beider Seiten<br />

bestimmt wird.<br />

2. Alle Mitglieder beider Institutionen wirken auf die k<strong>in</strong>dliche Entwicklung e<strong>in</strong>. Erziehungspartnerschaft<br />

impliziert, dass Familie und K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung gleichberechtigt s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em „Bündnis“ die geme<strong>in</strong>same Verantwortung für die Erziehung der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

ihrer Beziehung zue<strong>in</strong>ander stellen.<br />

3. Erziehungspartnerschaft realisiert sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dynamischen Kommunikationsprozess, <strong>in</strong> der<br />

wechselseitigen Öffnung von Familie und K<strong>in</strong>dertagesstätte. Das dazu erforderliche Vertrauen<br />

und der gegenseitige Respekt zwischen Eltern und Erzieher/<strong>in</strong>nen wirken sich orientierend<br />

und vorbildhaft auf die Persönlichkeitsentwicklung der K<strong>in</strong>der aus.<br />

4. Erziehungspartnerschaft bedeutet mehr als den Austausch von Informationen über das Verhalten,<br />

die Entwicklung und Erziehung des K<strong>in</strong>des im jeweiligen System. Familie und K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung<br />

versuchen, ihre Erziehungsziele, -methoden und –bemühungen auf e<strong>in</strong>ander<br />

abzustimmen, den Erziehungsprozess geme<strong>in</strong>sam zu gestalten, zu Kooperation und Kont<strong>in</strong>uität<br />

zwischen beiden Lebensbereichen zu gelangen.<br />

5. Die Entstandardisierung familialer Lebensläufe, d.h. die zunehmende Vielfalt der <strong>Familien</strong>formen<br />

setzt e<strong>in</strong>e Vielfalt an Methoden und Kommunikationskanälen, unterschiedliche Arten<br />

von Aktivitäten und Mitwirkungsformen für das Zusammenspiel zwischen Eltern und Erzieher/<strong>in</strong>nen<br />

voraus.<br />

6. Formen der Elternarbeit, die der Realisierung von Erziehungspartnerschaft dienen, lassen sich<br />

<strong>in</strong> sechs Kategorien fassen:<br />

• Formen, die den wechselseitigen Austausch über die Entwicklung und Erziehung e<strong>in</strong>es<br />

K<strong>in</strong>des sowie die Abstimmung von Verhaltensweisen ermöglichen, z.B. Tür-und-Angel-<br />

Gespräche, Telefonate, Gesprächsterm<strong>in</strong>e.)<br />

• Angebote, die der Öffnung der K<strong>in</strong>dertagesstätte zur Familie h<strong>in</strong> dienen, z.B. schriftliche<br />

Konzeption der Kita, Elternbriefe, Pläne und Fotos, die den Alltag <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung veranschaulichen,<br />

Ausstellungen usw.


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• Angebote, die die Mitarbeit von Eltern <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>dertagesstätte ermöglichen, z.B. Mitwirkung<br />

der Eltern bei Projekten, Ausflügen, Gartenarbeit, Gestaltung von Innen- und Außenräumen,<br />

auch E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Eltern <strong>in</strong> die pädagogische Arbeit.<br />

• Angebote, die der Bee<strong>in</strong>flussung der <strong>Familien</strong>erziehung dienen, z.B. psychologische, pädagogische,<br />

ärztliche Vorträge, Veranstaltungen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit <strong>Familien</strong>bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

Elternbriefe, Freizeiten usw.<br />

• Formen der Mitbestimmung, z.B. Mitarbeit bei der Weiterentwicklung der E<strong>in</strong>richtungskonzeption,<br />

Jahresplanung, Engagement über die Belange der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung h<strong>in</strong>aus<br />

(Kommunalpolitik, Eltern- und <strong>Familien</strong>verbände, Initiativen).<br />

7. Erziehungspartnerschaft bed<strong>in</strong>gt, dass Erzieher/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> generelles Interesse am Wohl der<br />

<strong>Familien</strong> der ihnen anvertrauten K<strong>in</strong>der entwickeln. Qualitativ hochwertige Elternarbeit wird<br />

damit zur <strong>Familien</strong>arbeit. Erziehungspartnerschaft bedeutet also auch, Erzieher/<strong>in</strong>nen unterstützen<br />

<strong>Familien</strong> <strong>in</strong> ihrer Erziehungsverantwortung und bei der Lösung familiärer Probleme,<br />

die Belastung oder Gefährdung für die K<strong>in</strong>der bedeuten. Die K<strong>in</strong>dertagesstätte unterstützt <strong>Familien</strong><br />

bei Selbsthilfeengagement, bei der Organisation von Babysitter-Diensten, Second<br />

hand- oder Spielzeugbörsen, vermittelt psycho-soziale Hilfe, weist auf hilfreiche Literatur,<br />

Broschüren und Veranstaltungen für <strong>Familien</strong> h<strong>in</strong>. Auf diese Weise trägt sie zur Vernetzung<br />

von sozialen Diensten und <strong>Familien</strong>angeboten bei.<br />

8. Erziehungspartnerschaft zielt auf e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>flussnahme auf die <strong>Familien</strong>erziehung ab.<br />

Sie geht davon aus, dass Eltern die Hauptverantwortung für ihre K<strong>in</strong>der tragen, dass das Eltern-K<strong>in</strong>d-Verhältnis<br />

alle anderen Beziehungen des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> Priorität, Dauer, Kont<strong>in</strong>uität,<br />

Bedeutung, Ausmaß, Intensität, Durchdr<strong>in</strong>gung und Festigkeit übertrifft, und dass die Familie<br />

den weitaus größten E<strong>in</strong>fluss auf die k<strong>in</strong>dliche Entwicklung ausübt. E<strong>in</strong>e Verbesserung der<br />

<strong>Familien</strong>erziehung stellt sicher, dass die k<strong>in</strong>dliche Entwicklung allseitig gefördert wird, Entwicklungsstörungen<br />

frühzeitig erkannt werden und die Arbeit der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und Schulen ergänzt wird. Es soll erreicht werden, dass Eltern ihr Wissen über die Entwicklung,<br />

Pflege und Erziehung von K<strong>in</strong>dern erweitern, dass sie Beobachtungsfertigkeiten entwickeln,<br />

so dass sie ihr K<strong>in</strong>d alters- und bedürfnisgerecht fördern können, dass sie Erziehungsmethoden<br />

e<strong>in</strong>setzen, durch die positive Verhaltensweisen verstärkt und Erziehungsprobleme<br />

vermieden werden, dass sie ihrem K<strong>in</strong>d bewusst Lernerfahrungen im Gespräch, im Haushalt<br />

oder Spiel vermitteln, sowie e<strong>in</strong>en dem Alter ihres K<strong>in</strong>des entsprechenden Sprachstil verwenden<br />

und se<strong>in</strong>e Kommunikationsfertigkeit fördern.<br />

9. E<strong>in</strong> besonders <strong>in</strong>tensives, aber auch arbeits- und zeitaufwendiges Angebot s<strong>in</strong>d Elternsem<strong>in</strong>are,<br />

die <strong>in</strong> Kooperation mit <strong>Familien</strong>bildungse<strong>in</strong>richtungen durchgeführt werden können. Da<br />

Elternsem<strong>in</strong>are i.d.R. nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Kreis engagierter <strong>Familien</strong> erreichen, können Ton-<br />

bzw. Filmaufnahmen nichtteilnehmenden <strong>Familien</strong> E<strong>in</strong>drücke und Impulse aus der Sem<strong>in</strong>ararbeit<br />

vermitteln.<br />

10. Voraussetzungen e<strong>in</strong>er Erziehungspartnerschaft:<br />

• Auf beiden Seiten muss Zeit, müssen Freiräume für das Gespräch und die Zusammenarbeit<br />

geschaffen werden.<br />

• Pädagogische Fachkräfte brauchen gutes Fachwissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, <strong>in</strong>sbesondere<br />

zu den erziehungsrelevanten Bereichen Entwicklungspsychologie, Frühpädagogik,<br />

<strong>Familien</strong>forschung, Erwachsenenbildung und Sozialarbeit sowie Beobachtungsfertigkeiten,<br />

kommunikative Kompetenz, Konfliktlösungsfertigkeiten. Auf Seiten der Eltern s<strong>in</strong>d die<br />

Bereitschaft zur Öffnung und der Wille zur Reflexion eigener Erziehungsziele, -<br />

vorstellungen und -methoden e<strong>in</strong>e notwendige Voraussetzung.<br />

11. Das Ziel sollte se<strong>in</strong>, qualitativ m<strong>in</strong>derwertige K<strong>in</strong>derbetreuung so unakzeptabel wie Trunkenheit<br />

am Steuer zu machen. Um qualitativ m<strong>in</strong>derwertige Betreuung ausmerzen zu können,<br />

muss die Öffentlichkeit fähig se<strong>in</strong>, qualitativ hochwertige K<strong>in</strong>derbetreuung zu erkennen und<br />

auszuwählen.<br />

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62<br />

12. Erziehungspartnerschaft vergrößert die Zufriedenheit der Erzieher/<strong>in</strong>nen mit ihrer Situation,<br />

führt zu e<strong>in</strong>er besseren pädagogischen Arbeit <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung und wirkt sich positiv auf die<br />

Entwicklung der K<strong>in</strong>der aus.<br />

Die Reaktionen der Sem<strong>in</strong>arteilnehmer<strong>in</strong>nen spiegelten die Anerkennung des hohen Anspruchs an die<br />

Elternarbeit wider. Zugleich wurde jedoch der Zweifel an der Realisierbarkeit dieses Ansatzes deutlich.<br />

Offenbar war für die meisten TN aufgrund der Arbeitsstrukturen <strong>in</strong> der eigenen E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e<br />

Erziehungspartnerschaft auf dem dargestellten Niveau kaum vorstellbar. E<strong>in</strong> Erfolg des Fortbildungstages<br />

liegt schon alle<strong>in</strong> dar<strong>in</strong>, dass das Thema Erziehungspartnerschaft e<strong>in</strong>mal ausführlich vorgestellt<br />

und von den TN mit Zustimmung aufgenommen wurde. E<strong>in</strong>e Weiterarbeit im S<strong>in</strong>ne des Gesamtkonzeptes<br />

wird aber wohl nur gel<strong>in</strong>gen, wenn die Fachberater<strong>in</strong> Erziehungspartnerschaft zum dauerhaften<br />

Thema <strong>in</strong> der Erzieher<strong>in</strong>nenfortbildung und E<strong>in</strong>richtungsbegleitung sowie zum Ziel für die Qualitätsentwicklung<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagesstätten machen kann.<br />

Nächster Arbeitsschritt -<br />

Rolle der Erzieher<strong>in</strong> bei der Konfliktbearbeitung im Elterngespräch<br />

Die zu bearbeitenden Teilaspekte formuliert die Referent<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer Vorbereitung folgendermaßen<br />

• Wie gestalte ich e<strong>in</strong> Elterngespräch?<br />

• Negativ besetzte Ausdrücke <strong>in</strong> positive umformulieren<br />

• Fragen nach dem Muster gescheiterter Konfliktgespräche<br />

• Rollenspiel hierzu<br />

• Theoretischer Input: Kommunikationsmodelle und Übungen<br />

• Aktives Zuhören, Ich-Botschaften und Du-Botschaften<br />

• Umformulieren von Du-Botschaften <strong>in</strong> Ich-Botschaften<br />

• Fallbesprechungen<br />

• Gestaltung e<strong>in</strong>es Elterngesprächs<br />

Ausgehend von konkreten Gesprächssituationen und immer wieder angereichert von kle<strong>in</strong>en Situationsbeschreibungen<br />

stellt die Referent<strong>in</strong> das Kommunikationsmodell nach Thomas Gordon vor.<br />

Dazu bedient sie sich e<strong>in</strong>es Tageslichtschreibers, um auch durch die visuelle Wahrnehmung von Skizzen<br />

und Grafiken <strong>in</strong>dividuelle Assoziationen zu befördern und das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen <strong>in</strong> Gesprächssituationen<br />

zu erleichtern. Zur Analyse von Gesprächsverläufen nimmt sie auch andere Kommunikationsmodelle<br />

wie das der „Vier-Ohren-Kommunikation“ nach Friedemann Schulz-von-Thun zu Hilfe.<br />

Die Wirkung der persönlichen Öffnung und Interessiertheit an Kontaktpartner/<strong>in</strong>nen verdeutlicht sie<br />

anhand des Johari-Fensters: Personen, die sich zu anderen Menschen h<strong>in</strong> weit öffnen, können enge<br />

Beziehungen mit Vertrautheit und emotionaler Nähe herstellen; zugleich werden sie dadurch jedoch<br />

angreifbar und verletzlich. – Eltern, die sich ihren K<strong>in</strong>dern gegenüber persönlich und emotional öffnen,<br />

leisten e<strong>in</strong>en Vertrauensvorschuss, der <strong>in</strong> den meisten Fällen durch gegenseitigen Respekt und<br />

gegenseitige Anerkennung – auch der K<strong>in</strong>der den Eltern gegenüber – beantwortet wird. Verschlossenheit<br />

der Eltern be- oder verh<strong>in</strong>dert Vertrauen und Vertrautheit <strong>in</strong> der Eltern-K<strong>in</strong>d-Beziehung.<br />

In diesen kommunikationstheoretischen Grundlagen<strong>in</strong>formationen zieht sich das Ziel e<strong>in</strong>er möglichst<br />

aggressionsarmen Kommunikation ohne Verletzung, Demütigung, Sieg und Niederlage als roter Faden<br />

durch.<br />

In der Ause<strong>in</strong>andersetzung der Teilnehmer<strong>in</strong>nen-Gruppe mit den Formen und Wirkungen zwischenmenschlicher<br />

Kommunikation gelang es der Referent<strong>in</strong>, an die Stelle e<strong>in</strong>er argumentativen Diskussion<br />

zunächst die konkretere Arbeit an vorbereiteten Arbeitsblättern zu stellen. Damit wurden die TN sehr<br />

viel näher an persönliche Erfahrungen und an das Erleben von Kommunikationswirkungen herangeführt.<br />

Ergebnis: Am Ende wurde weniger über Kommunikationstheorie und Kommunikationsmodelle diskutiert.<br />

Vielmehr befassten sich die TN mit persönlichen E<strong>in</strong>sichten und den neuen Gesprächserlebnissen.<br />

Jetzt standen Fragen im Vordergrund wie:


Bundesverband e.V., Projekt „<strong>Konfliktfähiges</strong> <strong>Zusammenleben</strong> <strong>in</strong> <strong>Familien</strong>“ von 1999 bis 2001<br />

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• Welche Wirkungen kann e<strong>in</strong> verändertes Sprachverhalten <strong>in</strong> Alltagssituationen haben?<br />

• Wie kann es zur „Rout<strong>in</strong>e“ der Erzieher<strong>in</strong> werden? Und<br />

• Wie kann es auch den Eltern nahe gebracht werden?<br />

Die Erarbeitung des Aspekts „Gespräche mit Eltern“ erfolgte <strong>in</strong> konzentrierter Weise direkt mittels der<br />

Arbeitsblätter – <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel-, Paar- und Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit.<br />

Klarheit über die Vorgänge und Wirkungen kommunikativer Umgangsformen bilden die Grundlage<br />

für e<strong>in</strong>e gute, Konflikten vorbeugende Gesprächsführung mit Eltern. Die Referent<strong>in</strong> analysierte mit<br />

der Sem<strong>in</strong>argruppe<br />

• Phasen e<strong>in</strong>es Gesprächsablaufs<br />

• Formen und Formulierungen und deren Wirkung<br />

• deeskalierendes Reagieren auf provokante Äußerungen.<br />

An Beispielen wurden die Schritte erläutert, nach denen e<strong>in</strong> gutes Elterngespräch ablaufen könnte,<br />

besonders, wenn es sich konfliktträchtig und schwierig gestaltet. Um Ursachen und Wirkungen<br />

sprachlicher Formen zu verdeutlichen und erfahrbar zu machen, und um auch die Aussagen der Kommunikationsmodelle<br />

verstehen und umsetzen zu lernen, regte die Referent<strong>in</strong> die Erprobung <strong>in</strong> Form<br />

von Rollenspielen an. Diese wurden durch verschiedene kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelübungen vorbereitet und später<br />

vertieft. Die Erzieher<strong>in</strong>nen erlebten und sprachen es <strong>in</strong> der Auswertungsrunde aus: die Anwendung des<br />

Gehörten im eigenen Tun (Übungen, Rollenspiel) schaffte tiefere E<strong>in</strong>sichten als es lange Gespräche,<br />

Diskussionen oder Vorträge erreichen könnten.<br />

Zwei Problemsituationen wurden im Rollenspiel <strong>in</strong>tensiv bearbeitet. Die Fallbearbeitung wurde zu<br />

e<strong>in</strong>em wesentlichen Lerngew<strong>in</strong>n, weil die Gruppe unkompliziert und zielstrebig mit den vorgeschlagenen<br />

Übungs- und Darstellungsformen umg<strong>in</strong>g. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. Vielfach<br />

müssen Referent/<strong>in</strong>nen erst e<strong>in</strong>mal viel Kraft und Energie aufwenden, die TN von der S<strong>in</strong>nhaftigkeit<br />

und Lerneffektivität solcher aktiver Übungsformen zu überzeugen.<br />

Im 1. Rollenspiel wurde e<strong>in</strong>e Hort-Mutter zum Thema, die sich mit überhöhten Erwartungen an die<br />

Erzieher<strong>in</strong> wendet.<br />

Im 2. Spiel g<strong>in</strong>g es um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zuschulendes K<strong>in</strong>d, speziell um die Möglichkeit der Erzieher<strong>in</strong>, sich<br />

gegenüber den Aufträgen abzugrenzen, die Eltern an sie herantragen.<br />

Fazit<br />

Wie erhofft und gewünscht, äußerten die Teilnehmer<strong>in</strong>nen ihr großes Interesse an vertiefenden<br />

Gesprächsübungs- und –tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmöglichkeiten. In ihrer Funktion als Praxisberater<strong>in</strong> konnte die Referent<strong>in</strong><br />

bereits hier an Ort und Stelle Term<strong>in</strong>e <strong>in</strong> zwei E<strong>in</strong>richtungsteams vere<strong>in</strong>baren. Sie gab zudem<br />

die Zusicherung, sich im Amt für die aufbauende Weiterarbeit am Thema Erziehungspartnerschaft<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. Mit dem lebhaften Interesse der Gruppe ist also der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die zielgerichtete Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dem Thema gelungen.<br />

Im S<strong>in</strong>ne des Projektziels wurden vor allem das Verständnis und die E<strong>in</strong>sicht erreicht, dass das professionelle<br />

Gespräch der Erzieher<strong>in</strong> mit Eltern hohe beziehungsförderliche Chancen hat, wenn es aufmerksam,<br />

e<strong>in</strong>fühlsam und gut geführt wird. Dass es aber auch zur Belastung von Beziehungen, zu<br />

Spannungen und Problemen beitragen kann, manchmal „nur“ aus der Unkenntnis darüber, wie simple<br />

sprachliche Alltagsformulierungen etwa <strong>in</strong> Stresssituationen aufgenommen werden und wirken können.<br />

Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen erfuhren, dass viel Übung, wohlwollende Kritik und gegenseitige Beratung<br />

dazu gehört, den eigenen Gesprächsstil konstruktiv zu verändern, und ihn kont<strong>in</strong>uierlich selbstkritisch<br />

zu überprüfen.<br />

Erziehungspartnerschaft, die an der Beziehungs- und Entwicklungsförderung der <strong>in</strong> Familie und Kita<br />

aufwachsenden K<strong>in</strong>der ausgerichtet ist, kann unmittelbar auf positive, gewaltfreie Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong><br />

beiden Sozialisationsfeldern h<strong>in</strong>wirken. Aufgrund der ermutigenden Erfahrungen des Sem<strong>in</strong>artags ist<br />

<strong>in</strong>zwischen fest geplant, dem Thema Erziehungspartnerschaft auch im Rahmen der Ausbildung von<br />

Praktikant/<strong>in</strong>nen und Praxisanleiter<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es festen Platz im Landkreis e<strong>in</strong>zuräumen. Bereits die<br />

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Berufsanfänger/<strong>in</strong>nen sollen befähigt werden, den Aufbau der Erziehungspartnerschaft mit den Eltern<br />

von Anfang an professionell und engagiert voranzutreiben.<br />

4. Zusammenfassendes Resümee<br />

• Da sich das Projekt ausdrücklich mit familienpädagogischen Formen der Gewaltprävention befassen<br />

sollte, wurde auf das Wort „Gewalt“ sowohl <strong>in</strong> den Themenformulierungen als auch <strong>in</strong> den<br />

Ausschreibungen und <strong>in</strong> den Veranstaltungen selbst weitestgehend verzichtet. Die Projektverantwortlichen<br />

bemühten sich vielmehr grundsätzlich um positive Formulierungen, mit denen e<strong>in</strong> positives<br />

Erziehungsleitbild gekennzeichnet se<strong>in</strong> sollte. Wo Gewaltereignisse zur Sprache kamen,<br />

nahm das Thema vergleichsweise wenig Raum e<strong>in</strong>. Erforderlich wurde es <strong>in</strong>sbesondere, um begriffliche<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung über Formen und Faktoren von physischer und psychischer Gewalt zu<br />

erzielen. Immer lag der Bildungsschwerpunkt aber auf der Frage nach dem Entstehen von Gewalt<br />

und Gewaltbereitschaft und nach den Möglichkeiten, Gewaltereignissen durch geeignete Formen<br />

alltäglichen Beziehungs- und Erziehungsverhaltens vorzubeugen.<br />

• Auch kurze Sem<strong>in</strong>are vergegenwärtigten die Wirkungszusammenhänge zwischen Eltern-K<strong>in</strong>d-<br />

Beziehung – elterlichen Kommunikationsformen – k<strong>in</strong>dlicher Persönlichkeitsentwicklung – zwischenmenschlichem<br />

Umgang und dem sozialen Verhalten, das K<strong>in</strong>der im Umgang mit den ihnen<br />

nahestehenden Erwachsenen erleben und lernen. In Abhängigkeit von der Sem<strong>in</strong>ardauer und den<br />

Veranstaltungsformen gelang dies <strong>in</strong> unterschiedlicher Intensität. Aber es gelang, weil die Veranstaltungen<br />

mit den Referent/<strong>in</strong>nen grundsätzlich so vere<strong>in</strong>bart und vorbereitet waren, dass Vorträge<br />

von mehr als 15 – 20 M<strong>in</strong>. vermieden wurden und immer angemessen viel Raum für das Gespräch<br />

und den Austausch zur Verfügung stand. Teilnehmende erfuhren Aufmerksamkeit und Anteilnahme<br />

an persönliche Betroffenheiten und Erfahrungen, was als motivierend und stärkend<br />

empfunden wurde.<br />

• Erfahrungen der Teilnehmer/<strong>in</strong>nen, auch Text- und Filmbeispiele der Referent/<strong>in</strong>nen hoben die<br />

Vorbildwirkung elterlichen Verhaltens hervor. Die Sem<strong>in</strong>arreihe bewirkte e<strong>in</strong>e Sensibilisierung<br />

der Teilnehmenden für die Rolle als Erziehungsverantwortliche/r.<br />

• Jedes der durchgeführten Sem<strong>in</strong>are erreichte e<strong>in</strong>e andere Teilnehmer/<strong>in</strong>nengruppe. Im Laufe des<br />

Projekts konnten daher viele Erziehungsverantwortliche mit Themenaspekten der Gewaltprävention<br />

<strong>in</strong> Familie und Erziehung angesprochen werden.<br />

• E<strong>in</strong>e Beobachtung, die sich <strong>in</strong> allen drei Projektregionen neu bestätigte: es gibt e<strong>in</strong>e breitere Teilnahmebereitschaft<br />

der Eltern an Elternabenden für Veranstaltungen, deren Titel nicht auf die<br />

Bearbeitung von Beziehungs- und Kommunikationsthemen h<strong>in</strong>weist. So waren die Sem<strong>in</strong>are zur<br />

Computer-Spielberatung und zum Thema Fernsehen <strong>in</strong> der Familie erheblich größer und besser<br />

besucht, als etwa Elternabende zum Thema „Streiten“ oder die Fortbildung zur „Erziehungspartnerschaft“.<br />

• Väter können leichter zur Teilnahme an <strong>Familien</strong>bildungs-Wochenenden als an anderen Sem<strong>in</strong>arformen<br />

gewonnen werden. Sie geben zwar auch dort an, lediglich der Frau oder den K<strong>in</strong>dern zu<br />

Liebe mitgefahren zu se<strong>in</strong>. In der Sem<strong>in</strong>ararbeit zeigen sie sich jedoch regelmäßig sehr <strong>in</strong>teressiert,<br />

aktiv und am Ende dankbar für die neuen, bisher meist ungewohnten Gesprächserfahrungen.<br />

• Methodische Vergleiche zwischen verschiedenen Sem<strong>in</strong>arabläufen bestätigten die positiven Wirkungen<br />

von vertrauenbildenden E<strong>in</strong>stiegssequenzen. Sie erreichen Angstabbau, stärken Lernbereitschaft<br />

und Lerneffektivität – <strong>in</strong>sbesondere, wenn es um eher personenbezogenes, selbsterfahrungsorientiertes<br />

Lernen geht. Für die Bildungsarbeit an Aspekten von Konflikt und Gewalt sche<strong>in</strong>en<br />

sie fast unverzichtbar.<br />

• Dies gilt für Sem<strong>in</strong>argruppen sowohl <strong>in</strong> den alten als auch <strong>in</strong> den neuen Bundesländern. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

geben Gruppen <strong>in</strong> den neuen Bundesländern deutlich ihre Abneigung/Ablehnung gegenüber<br />

spielerischen Methoden und Lern-Formen zu verstehen, die für die Teilnehmer/<strong>in</strong>nen nicht als<br />

direkt themenbezogen zu erkennen s<strong>in</strong>d. Hier wird häufig der Wunsch nach unmittelbar <strong>in</strong>haltsbezogenen,<br />

eher traditionell vermittelnden Sem<strong>in</strong>armethoden geäußert. Das begünstigt Kenntnisvermittlung<br />

und Wissenserwerb, erschwert aber das offene, an persönlichen Betroffenheiten anknüpfende,<br />

selbsterfahrungsorientierte Lernen.<br />

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• Die Fortbildungsangebote, die <strong>in</strong> Titelformulierung und/oder Ausschreibungstext auf die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit dem Gewaltthema h<strong>in</strong>weisen, bleiben kle<strong>in</strong>. Und selbst die Personen, die sich zur<br />

Teilnahme entschieden haben(Beispiel: Zukunftswerkstatt <strong>in</strong> Sachsen Anhalt), berichten über<br />

- die Furcht, gegen Gewalt <strong>in</strong> der eigenen E<strong>in</strong>richtung aktiv zu werden,<br />

- die Angst, bestehende Vertrauensbeziehungen zu Vorgesetzten oder Kolleg/-<strong>in</strong>nen dadurch<br />

aufs Spiel zu setzen,<br />

- die Scheu vor der Verantwortung und dem Kraftaufwand, vor dem zu befürchtenden Alle<strong>in</strong>gang<br />

und davor, ungewollt von anderen <strong>in</strong> den Vordergrund gerückt zu werden, die Angst vor<br />

dem Versagen.<br />

Es gehört offenbar Mut dazu, sich offen gegen Gewaltersche<strong>in</strong>ungen im eigenen sozialen Umfang<br />

e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

• Die Fasz<strong>in</strong>ation z.B. der Vorstellung von e<strong>in</strong>er funktionierenden Erziehungspartnerschaft zwischen<br />

Elternhaus und K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>richtung wurde überlagert vom Mangel an Vertrauen <strong>in</strong> die Realisierbarkeit<br />

und die eigene Gestaltungsfähigkeit. – Vielen Teilnehmenden fehlten überzeugende<br />

Selbstwirksamkeitserlebnisse und daher auch die nötigen Selbstwirksamkeitserwartungen.<br />

• Erzieher<strong>in</strong>nen bitten um Unterstützung, um das nötige Durchhaltevermögen aufzubr<strong>in</strong>gen.<br />

• Die Projekterfahrungen haben über die Impulse vor Ort h<strong>in</strong>aus wertvolle Inhalts- und Methoden-H<strong>in</strong>weise<br />

- sowohl Empfehlungen als auch Warnungen - für die Weiterführung gewaltpräventiver<br />

Bildungsarbeit mit <strong>Familien</strong> erbracht. Die MES führt sie als dauerhaftes Schwerpunktthema<br />

<strong>in</strong> ihrer Aufbauarbeit fort und engagiert sich im Rahmen ihrer Fortbildungstätigkeit für die<br />

Verbreitung und Ausweitung gewaltpräventiver <strong>Familien</strong>bildung <strong>in</strong> ihren E<strong>in</strong>satzgebieten.<br />

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