EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
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hängigen polnischen Staat deckt sich mit dem Streben deutscher<br />
Demokraten nach einem einheitlichen und demokratischen<br />
<strong>Deutsch</strong>land. Die mit Spannung erwartete Rede Ludwik<br />
Mieros¬awskis am 3. August 1847 vor Gericht war zweifellos<br />
der Höhepunkt des Prozesses. Durch seine Rede, die er mit<br />
viel Pathos hielt, wurde der polnische Freiheitskämpfer sehr<br />
populär. Überliefert ist auch, dass <strong>Berlin</strong>s vornehme<br />
Damenwelt ihn enthusiastisch verehrte. Am 20. März 1848,<br />
nachdem die revolutionäre Welle <strong>Berlin</strong> erreicht hatte, versammelte<br />
sich am Morgen des 20. März eine Menschenmenge<br />
vor dem Schloss und fordert die Freilassung der Polen.<br />
Friedrich Wilhelm IV. gab nach. Im Triumphzug wurden die<br />
befreiten Polen vom Moabiter Gefängnis durch die Straßen<br />
geführt, allen voran Ludwik Mieros¬awski und Karol Libelt.<br />
Überall hörte man die Rufe »Es lebe Polen«, »Es lebe die<br />
Freiheit«, »Es lebe <strong>Deutsch</strong>land«.<br />
Als sich die Demonstranten dem Schloss näherten, verneigte<br />
sich Friedrich Wilhelm IV. vor den Polen auf dem Balkon.<br />
Einige Male müssen Mieros¬awski und Libelt Ansprachen halten.<br />
<strong>Polnische</strong> Zeitungen berichteten: „Der bekränzte<br />
Mieros¬awski und Libelt wurden von den <strong>Berlin</strong>ern in die<br />
Kutsche getragen..., es wurden eine polnische und eine deutsche<br />
Fahne gebracht, es wurden Hochrufe erhoben: „Es leben<br />
die Polen! ... seid den <strong>Deutsch</strong>en Brüder, so wie von nun an<br />
die <strong>Deutsch</strong>en Eure Brüder werden.“<br />
Die beiden Architekten Silvia Glaßer und Udo Dagenbach<br />
haben in der Gestaltung des Geschichtsparks versucht, an<br />
den historischen Ort zu erinnern - durch verschiedene bauliche<br />
Segmente und behutsame Eingriffe in die Topographie<br />
des Geländes. Es wäre mehr als gerecht, dort auch einen Platz<br />
für die polnischen Freiheitskämpfer zu finden, um deren<br />
wichtige Rolle als Vorkämpfer für die deutsche Einheit im 19.<br />
Jahrhundert zu würdigen.<br />
Christian Schröter<br />
Genauer ist dieses Ereignis nachzulesen in dem Beitrag von<br />
Daniela Fuchs „Der große Polenprozess von 1847 in <strong>Berlin</strong><br />
und Bettina von Arnims Engagement für den angeklagten<br />
Mieros¬awski und seine Mitstreiter“ im Internationalen<br />
Jahrbuch der Bettina-von-Arnim-<strong>Gesellschaft</strong>, Bd. 15<br />
–10–<br />
Reisetipp<br />
Erkundungen in der Neumark<br />
Die Neumark – eine Landschaft, die wieder ins Bewusstsein<br />
der Menschen diesseits und jenseits der Oder gerückt wird, -<br />
viele fragen, wo das eigentlich liegt - eine Landschaft, die östlich<br />
der Oder gelegen früher zur Mark Brandenburg gehörte<br />
und heute zu Polen, wird von aufgeschlossenen polnischen<br />
Bewohnern heute nach der deutschen Vergangenheit hinterfragt.<br />
Es gibt hier deutsch-polnische Zusammenarbeit und<br />
Begegnungen, die fruchtbar sind für Verständigung und<br />
nachbarschaftliches Miteinander.<br />
Angeregt von der Ausstellung „Die Neumark – Begegnung mit<br />
einer historischen Landschaft“, die vom 8. September bis zum<br />
19. Oktober im Heimatmuseum Reinickendorf gezeigt wurde,<br />
organisierte die DPG <strong>Berlin</strong> im September eine 2-tägige Fahrt<br />
in die Neumark, um historische Spuren vor Ort zu erkunden<br />
und auch um Bemühungen und Ansätze für deutsch-polnische<br />
Begegnungen und Zusammenarbeit kennen zu lernen.<br />
Sachkundiger Exkursionsleiter war Gerhard Weiduschat.<br />
Die erste Station unserer Erkundungen war Kostrzyµ – das alte<br />
Küstrin, von dem nur wenige Mauerreste die ehemalige Stadt<br />
erahnen lassen. Nach dem Krieg wurden die Trümmer völlig<br />
überwuchert, später legte man einiges frei. Der ehemalige<br />
Marktplatz ist nur noch eine Wiese, eine Tafel in polnisch und<br />
deutsch erläutert und markiert ihn. Man kann durch einige<br />
Straßen laufen, ehemaliges Pflaster ist unter dem Grün spürbar,<br />
nur zentimeterhohe Mauerreste an beiden Seiten, manchmal<br />
eine Stufe. Die Grundmauern von Schloss und Kirche sind<br />
freigelegt. Die Altstadt war von Mauern und Bastionen eingefasst,<br />
auch deren Reste sind zu sehen. Ein geschichtsträchtiger<br />
Ort, der Archäologen noch viel Arbeit bietet.<br />
Wir fuhren weiter nach Dåbroszyn (Tamsel) – auch hier<br />
Geschichte und Geschichten. Friedrich II., als Kronprinz nach<br />
Küstrin verbannt, besuchte hier des öfteren die schöne junge<br />
Gutsherrin. Das Schloss steht noch, man ist dabei, es zu<br />
renovieren. Ein Wochenende zuvor hatte Frau von der<br />
Lancken zum jährlichen Ball – zwischen Farbtöpfen und<br />
gestapelter Wandverkleidung – geladen, sie ist die Witwe des<br />
Enkels des letzten Besitzers (bis 1945) und hat mit dem<br />
Bürgermeister des Ortes einen Verein gegründet, um Tamsel<br />
zu erhalten. Auch in der Kirche ist einiges renoviert worden,<br />
die Gruft mit historischen Särgen kann besichtigt werden –<br />
man lese bei Fontane nach – und in der Kirche sind seitlich<br />
die barocken Figuren der ehemaligen Herrschaft von Tamsel<br />
in strahlendem Weiß auf orange-ziegelfarbigem Grund zu<br />
sehen. Christian Daniel Rauchs „Viktoria“ im Park sollte noch<br />
erwähnt werden, auch darum ranken sich Geschichten.<br />
Wir steuerten dann Chojna (Königsberg/Neumark) an. Woher<br />
der Name kommt, weiß keiner zu sagen, über die Wahl der jetzigen<br />
polnischen Ortsnamen wird oft gerätselt. Teilweise<br />
wurde übersetzt oder der Klang nachempfunden, mancher<br />
Name ist willkürlich gewählt. Man vermutet, dass nach<br />
Kriegsende 1945 Eisenbahner den einen oder anderen Namen<br />
geprägt haben. Alte polnische Namen gab es nicht, die<br />
Neumark war rund 700 Jahre deutsch besiedelt, es gibt<br />
Spuren der Johanniter und der Templer – davon später.