EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
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Kleine Fortschritte<br />
Besuch des polnischen Premierministers<br />
Jaros¬aw Kaczyµski in <strong>Berlin</strong><br />
Anfang November trafen sich in <strong>Berlin</strong> der polnische<br />
Premierminister Jaros¬aw Kaczyµski und Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel, um verschiedene Fragen der gegenseitigen<br />
Beziehungen zu erörtern. Der Antrittsbesuch Kaczyµskis in<br />
<strong>Berlin</strong> galt als schwierig in einer Zeit, da es um das deutsch-<br />
polnische Verhältnis alles andere als gut bestellt ist. Das<br />
deutsch-russisches Pipeline-Projekt durch die Ostsee sorgt<br />
ebenso für Ärger wie Entschädigungsforderungen von<br />
Vertriebenen. Auf der anderen Seite sehen viele Polen in einer<br />
<strong>Berlin</strong>er Ausstellung zum Thema „Vertreibung in Europa“ eine<br />
Relativierung deutscher Verbrechen unter Nazi-Herrschaft.<br />
Hinzu kommen Unstimmigkeiten im deutsch-polnischen<br />
Jugendwerk oder der Vorwurf Warschaus, <strong>Berlin</strong> wolle<br />
zusammen mit Paris die EU dominieren. Mit Kaczyµski selbst<br />
tritt noch eine persönliche Komponente hinzu: der 57-jährige<br />
Jurist, Zwillingsbruder des Staatspräsidenten Lech, steht im<br />
Ruf, nicht unbedingt ein Freund der <strong>Deutsch</strong>en zu sein.<br />
Dennoch erreichten Merkel und Kaczyµski kleine Fortschritte.<br />
Auf der Pressekonferenz wurden die Probleme des<br />
<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n Jugendwerk als behoben bezeichnet.<br />
Dem DPJW waren vom polnischen Erziehungsministerium<br />
ausstehende hohe Beträge lang nicht überwiesen worden.<br />
Dadurch gerieten viele bereits geplante Projekte in Gefahr.<br />
Durch dieses Austauschprogramm haben sich bereits mehr<br />
als 1,5 Millionen junge <strong>Deutsch</strong>e und junge Polen kennen<br />
gelernt.<br />
Vor allem bei den beiden Kernproblemen kamen sich die beiden<br />
kaum näher. Kaczyµski beharrte bei dem eineinhalbstündigen<br />
Treffen auf der Forderung, die Eigentumsansprüche der<br />
Vertriebenen gegenüber Polen müssten per Vertrag zwischen<br />
<strong>Deutsch</strong>land und Polen aufgehoben werden. Die Bundeskanzlerin<br />
machte ein weiteres Mal deutlich, dass die deutsche<br />
–6–<br />
Regierung die Forderungen der Preußischen Treuhand<br />
ablehnt und diese in keiner Weise unterstützt. Merkel beharrte<br />
jedoch auch darauf, keine weiteren Abkommen zu einem<br />
Entschädigungsverzicht anzustreben, da dieses Thema<br />
bereits in früheren Jahren einvernehmlich in Abkommen<br />
behandelt wurde. Hintergrund ist die Befürchtung auf deutscher<br />
Seite, die Vertriebenen könnten bei einem solchen<br />
Staatsvertrag gegen die Regierung auf Entschädigung klagen.<br />
Demgegenüber sah Jaros¬aw Kaczyµski das Thema als noch<br />
nicht abgeschlossen an und meldete weiteren Gesprächsbedarf<br />
an.<br />
Ähnlich stehen sich Warschau und <strong>Berlin</strong> auch weiterhin bei<br />
der Ostsee-Pipeline gegenüber. Kaczyµski bekräftigte die<br />
Ablehnung des Projekts, das auch bereits seine<br />
Vorgängerregierung verärgert hatte. Die Kanzlerin entwarf als<br />
Lösungsmodell, die Vision eines einheitlichen europäischen<br />
Energiemarktes, der auch die Strom- und Gasversorgung<br />
Polens sichere. Nach Worten Merkels wird sich nun eine<br />
deutsch-polnische Arbeitsgruppe um „die technische Dinge“<br />
dieses einheitlichen Energiemarktes kümmern. Ergebnisse<br />
könnten schon beim EU-Rat im kommenden März präsentiert<br />
werden. Kaczyµski verlangte erneut, dass „Energiepolitik<br />
nicht als politisches Druckmittel gegenüber Polen angewandt<br />
werden dürfe“. Allerdings bezeichnete er die offenen<br />
Energiefragen als „lösbare technische Probleme“ und betonte,<br />
wie sehr ihm daran gelegen sei, auch gute persönliche<br />
Beziehungen aufzubauen. Daran anschließend betonte<br />
Angela Merkel, auf beiden Seiten wollten neue Personen in<br />
den Regierungsämtern eine gute Beziehung zueinander entwickeln.<br />
Obwohl der polnische Premierminister auch in<br />
Zukunft Meinungsunterschiede hinsichtlich der Ostseepipeline<br />
ausmacht, sieht er dadurch die offene Gesprächsatmosphäre<br />
nicht gestört. Seine stärker an polnischen<br />
Interessen orientierte Politik sei auf keinen Fall gegen<br />
<strong>Deutsch</strong>land gerichtet, sondern bewege sich im üblichen<br />
Rahmen der Europäischen Union. Die sehr entspannt wirkende<br />
Kanzlerin versicherte dem zurückhaltend auftretenden<br />
Staatsgast hier noch einmal, „dass kein Mitgliedsstaat der EU<br />
durch ein Projekt eines anderen Mitgliedsstaats geschädigt<br />
werden soll.“<br />
gh<br />
Zitat<br />
„Noch nicht für voll genommen“<br />
Der frühere polnische Präsident Aleksander Kwa∂niewski<br />
sagte am 8. November 2006 im <strong>Berlin</strong>er Tagesspiegel zum<br />
deutsch-polnischen Verhältnis:<br />
„Historisch gesehen sind die Beziehungen hervorragend. Wir<br />
sind Nato-Verbündete, EU-Partner, <strong>Deutsch</strong>land ist Polens<br />
größter Handelspartner, immer mehr Polen lernen <strong>Deutsch</strong>.<br />
Darüber muss man reden, nicht über das Vertriebenenzentrum.<br />
Zu den deutschen Fehlern gehört die Art, wie die<br />
deutsch-russische Pipeline zustande kam, ohne Einbeziehung<br />
Polens. Generell hat man den Eindruck: Die Beziehungen<br />
zu Polen sind für <strong>Deutsch</strong>land mehr Pflicht als Wunsch.<br />
Wir werden noch nicht für voll genommen.“