EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
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hob den großen Anteil hervor, den die <strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong>en daran hätten, dass die Aussöhnung zwischen<br />
beiden Ländern auch unter schwierigen Bedingungen vorangekommen<br />
sei - und sich nach dem Zusammenbruch des<br />
Kommunismus sehr rasch weiterentwickeln habe können.<br />
Steinmeier verwies darauf, dass der Dialog der Bürger das<br />
Herzstück der deutsch-polnischen Beziehungen sei, wie sich<br />
gerade in schwierigen Abschnitten wie in diesem Jahr wieder<br />
zeige. Er verhehlte nicht, dass ihn einige Äußerungen und<br />
Handlungen der polnischen Regierung in letzter Zeit irritiert<br />
hätten. „Ich habe auch den Eindruck, dass zuletzt in den<br />
deutsch-polnischen Beziehungen manches vom Schwung der<br />
ersten Jahre nach 1990 wieder verloren gegangen ist.“<br />
Dennoch bildeten selbst in Phasen offizieller Sprachschwierigkeiten<br />
die Beziehungen der Menschen untereinander<br />
ein Band, das niemand mehr trennen könne. „Das ist auch<br />
das besondere Verdienst Ihrer Arbeit in den <strong>Deutsch</strong>-<br />
<strong>Polnische</strong>n <strong>Gesellschaft</strong>en.“ Der deutsche Außenminister<br />
unterstrich, dass er sich die polnischen Nachbarn kraftvoll<br />
und konstruktiv wünsche, um gemeinsam an der Zukunft<br />
unseres Kontinents zu arbeiten. Polen solle den europäischen<br />
Karren mit ziehen! „Der Platz am Ende des Zuges darf nicht<br />
der Platz Polens sein!“ Eine Hoffnung freilich, die schon wenige<br />
Wochen später bei den Verhandlungen um ein Handelsabkommen<br />
mit Russland enttäuscht wurde.<br />
Der frühere polnische Außenminister Prof. Bronis¬aw Geremek<br />
hob in seinem Vortrag hervor, dass die deutsch-polnische<br />
Versöhnung eines der schönsten Ereignisse in seinem<br />
Leben sei. Man dürfe zwar die schlimmen Kapitel der<br />
Geschichte nie vergessen, auch wenn sie Schmerzen bereiteten,<br />
doch Geremek zeigte sich sicher, dass sich das letztendlich<br />
tiefe Gemeinschaftsgefühl der deutsch-polnischen<br />
Interessen nicht ändere. Zum Beleg holte der Historiker weit<br />
in der Geschichte aus und erinnerte an selten erwähnte<br />
Ereignisse wie den Besuch Ottos III. am Grab des Heiligen<br />
Adalbert und an ein Treffen von Mieszko I. und Otto I.<br />
Boles¬aw Chrobry wurde von einem Chronisten als Bruder<br />
und Mitarbeiter des Kaisers bezeichnet.<br />
Geremek verwies auf die hohe Bedeutung von Emotionen im<br />
zwischenstaatlichen Verhältnis; darauf dass Gemeinschaft<br />
nicht nur aus gemeinsamen Interessen bestehen könne, sondern<br />
dass auch Vertrauen dazu gehöre. Gerade nach dem<br />
zweiten Weltkrieg seien die deutsch-polnischen Beziehungen<br />
auf beiden Seiten ideologisch benutzt worden: sie sollten<br />
schlecht sein, um die aufgezwungene Macht zu rechtfertigen.<br />
Erst der Aufruf der polnischen Bischöfe 1965 – „Wir vergeben<br />
und bitten um Vergebung.“ – habe den Anfang gemacht, dieses<br />
Modell der hassvollen Beziehungen zu zerstören und die<br />
Basis für weitere Beziehungen geschaffen. In dieser Hinsicht<br />
sei das Treffen von Mazowiecki und Kohl in Krzy†owa symbolisch<br />
gewesen. Die folgenden Verträge hätten bewiesen, dass<br />
beide Staaten in Frieden miteinander leben wollten: Ohne<br />
Polen hätte es keine Wiedervereinigung <strong>Deutsch</strong>lands gegeben,<br />
und durch die Hilfe <strong>Deutsch</strong>lands sei es Polen gelungen,<br />
in die Strukturen der europäischen Gemeinschaft zurückzukehren.<br />
Polen, so Geremek, brauche eine starke EU wie kein<br />
anderes Land. Gleichzeitig gelte: Damit Europa in der Welt<br />
stark bleibe, müsse es solidarisch sein, auch den<br />
Schwächeren gegenüber. Geremek zeigte sich überzeugt<br />
davon, dass das, was <strong>Deutsch</strong>land und Polen in den letzten<br />
Jahren miteinander zu Wege gebracht hätte, letztendlich<br />
–2–<br />
ganz Europa dienen werde und erinnerte in diesem<br />
Zusammenhang an die Arbeit der Stiftung „Pojednanie“.<br />
Der Kongress befasste sich am nächsten Tag im Hotel am<br />
Spreebogen mit einer Reihe von aktuellen Fragen der<br />
deutsch-polnischen Beziehungen. Den Abschluss bildete eine<br />
Abendveranstaltung mit dem Kabarettisten Steffen Möller,<br />
dem bekanntesten <strong>Deutsch</strong>en in Polen, spielt er doch in der<br />
populären Vorabendserie „M jak Mi¬o∂ç“, als liebenswerter<br />
Pechvogel gegen alle <strong>Deutsch</strong>en-Klischees an. In <strong>Berlin</strong> trat<br />
Möller in bester Harald-Schmidt-Tradition auf: stets auf dem<br />
schmalen Grat des politisch Inkorrekten und trotzdem nie<br />
abstürzen. „Dass man freiwillig nach Polen geht, finden sogar<br />
die Polen seltsam“, sagte Möller, der inzwischen seit mehr als<br />
acht Jahren in Warschau lebt. Möller spielt gern mit den<br />
Erwartungen und Vorurteilen seines Publikums. Leichter als<br />
ein deutscher habe es in Polen nur ein russischer Kabarettist.<br />
Steffen Möller mit weiblichen Fans aus dem „Jungen Kreis“<br />
Zum Beispiel ein Auftritt in Sosnowiec bei Kattowitz: „Ich<br />
weiß gar nicht, wie der Ort früher auf <strong>Deutsch</strong> hieß. Das frage<br />
ich am besten von der Bühne. Dann gibt es sicher einige im<br />
Publikum, die sitzen dann da und denken: Was will der denn<br />
jetzt? Will der uns jetzt die alten deutschen Namen verkaufen,<br />
oder wie? Und für diesen Fall erzähle ich dann einen Witz, den<br />
ich vor kurzem gehört habe, einen alten Schlesienwitz aus<br />
den 50er Jahren – antideutsch - und der geht so: Kommt ein<br />
Zug aus <strong>Berlin</strong>. Der Schaffner ruft: Wroc¬aw, Wroc¬aw früher<br />
Breslau. Nächste Station. Der Schaffner ruft: Gliwice, Gliwice,<br />
früher Gleiwitz. Und am nächsten Halt: Zabrze, Zabrze, früher<br />
Hindenburg. Steigt ein alter Pole aus, geht zum Schaffner und<br />
sagt: „Do widzenia – Auf Wiedersehen – Früher: Heil Hitler.“<br />
In „M jak Mi¬o∂ç“ verliebte sich Möller unglücklich in seine<br />
verheiratete Nachbarin. Als er dann endlich die Frau fürs<br />
Leben gefunden hatte, ließ die ihn vor dem Altar stehen.<br />
Damit war das Eis endgültig gebrochen. Dem glücklosen<br />
<strong>Deutsch</strong>en flogen die Herzen der Fans zu, auf der Straße<br />
klopften ihm Wildfremde auf die Schulter. 2005 wurde Möller<br />
mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der<br />
Bundesrepublik <strong>Deutsch</strong>land ausgezeichnet. Er wurde damit<br />
für seinen Einsatz zur Verständigung der Völker <strong>Deutsch</strong>lands<br />
und Polens geehrt. Bei seinem Auftritt in <strong>Berlin</strong> gelang<br />
ihm diese ein weiteres Mal: <strong>Deutsch</strong>e wie Polen lachten<br />
schallend und nicht mal abwechselnd…