EUR - Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin
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Chojna: Unsere Fahrt war so gelegt, dass wir am letzten<br />
August-Wochenende dort anlässlich des Stadtfestes die<br />
deutschen Initiatoren und Unterstützer des Wiederaufbaus<br />
der backsteingotischen Marienkirche (erbaut ab 1389 von<br />
Heinrich Brunsberg) trafen. Der in Hannover ansässige<br />
Architekt Kumkar, (er ist vor kurzem verstorben) der in<br />
Königsberg/Neumark geboren wurde und bis 1945 dort aufwuchs,<br />
hat einen Förderverein für den Wiederaufbau der<br />
Marienkirche e.V. initiiert und begründet, 6 Institutionen sind<br />
inzwischen Mitglieder des Vereins. Außerdem gibt es jetzt<br />
auch eine Stiftung nach polnischem Recht für den gleichen<br />
Zweck. Es ist bereits viel Arbeit geleistet worden, das Dach<br />
der kriegszerstörten Kirche wurde wieder hergestellt, Pfeiler<br />
hochgezogen und Bögen gemauert, und die Marienkapelle,<br />
der älteste Teil der Kirche, wurde restauriert. Aber es gibt<br />
noch viel zu tun in polnisch-deutscher Zusammenarbeit. Das<br />
schöne gotische Rathaus wurde schon früher von Polen wieder<br />
aufgebaut. Auf den großen Platz zwischen Kirche und<br />
Rathaus kehrt allmählich urbanes Leben zurück. Neugierige<br />
Touristen, vor allem aus <strong>Deutsch</strong>land, täten der kleinen Stadt<br />
gut, so wie es an einem strahlenden Septembersonntag 2003<br />
war, als die Brandenburgischen Sommerkonzerte in mehreren<br />
Bussen Gäste zum Konzert und Stadtrundgang brachten.<br />
Templerkirche in Chwarszczany<br />
Für unser Mittagessen in Chojna war auch gut gesorgt,<br />
danach ging es über Sarbinowo (Zorndorf) und Mieszkowice<br />
(Bärwalde) zu den Spuren der Templer. In Chwarszczany<br />
(Quartschen) steht die von ihnen im 12./13.Jahrhundert<br />
errichtete Backsteinkirche, eine einschiffige Hallenkirche, die<br />
an der Westfront von zwei schlanken, runden Türmen flankiert<br />
wird, sie leuchtete für uns im Abendsonnenschein. Im<br />
Inneren sind Fresken aus dem 13. Jahrhundert zu bewundern,<br />
die erst vor kurzer Zeit freigelegt wurden. Hier finden regelmäßig<br />
Gottesdienste statt, eine alte Frau betreut die Kirche<br />
–11–<br />
und schloss sie uns auch auf. Von der ehemaligen<br />
Klosteranlage steht noch ein jetzt restauriertes<br />
Wirtschaftsgebäude, das kulturellen Zwecken dienen soll.<br />
Quartschen war den Templern von der Herzogin Hedwig (seit<br />
1267 Hl.Hedwig) geschenkt worden. Das Eigentum der<br />
Templer ging nach deren Auflösung 1312 an den<br />
Johanniterorden über. Die Entwicklung der Neumark wurde<br />
wesentlich durch die Johanniter bestimmt.<br />
Weiter ging es nach Witnica (Vietz), zunächst zum<br />
Ausspannen und Übernachten. Am nächsten Vormittag lernten<br />
wir dann im Ort eine erstaunliche Initiative kennen: Der<br />
über achtzigjährige ehemalige Lehrer Zbigniew Czarnuch hat<br />
durch jahrelanges Engagement und Sammeln von Zeugnissen<br />
und Gegenständen aus der deutschen Zeit die Vergangenheit<br />
wach gehalten und viel für die polnisch-deutsche<br />
Verständigung geleistet. Sichtbar ist seine Arbeit in einem<br />
Park der Technik-Geschichte und – das ist das Bemerkenswerte<br />
– in einem Denkmal für alle Vertriebenen, für die<br />
<strong>Deutsch</strong>en, die aus Vietz vertrieben wurden, und für die<br />
Polen, die aus Ostpolen vertrieben und hier angesiedelt wurden.<br />
Die Orte, aus denen sie kamen, und die Orte, in denen die<br />
<strong>Deutsch</strong>en Zuflucht fanden, sind im Pflaster rund um den<br />
Erinnerungsbaum dokumentiert. Seine private Sammlung von<br />
Erinnerungsstücken ist heute in einer restaurierten<br />
Fabrikantenvilla zu sehen, man erfährt hier vieles aus der<br />
Geschichte des Ortes. Seine Bemühungen um eine realistische<br />
Aufarbeitung der Geschichte und um deutsch-polnische<br />
Verständigung brachten Zbigniew Czarnuch in der<br />
Vergangenheit viele Anfeindungen und Verbote ein, heute<br />
kann er seine Arbeit stolz präsentieren.<br />
Gorzów Wielkopolski. (Landsberg/Warthe) ist nicht weit entfernt<br />
von Witnica. Auf den ersten Blick wirkte die Stadt auf<br />
mich grau und wenig einladend, auch von der Aussichtshöhe<br />
betrachtet entstand kein besseres Bild. Erst am Marktplatz<br />
mit seiner neuen Bebauung, die im Stil versucht, an alte<br />
Giebelhäuser zu erinnern, und an der gotischen Marienkirche<br />
wirkt die Stadt einladender. Es sind ja immer nur flüchtige<br />
Eindrücke, wenn man ca. 2 Stunden in einer Stadt verbringt,<br />
aber auch ein Restaurantbesuch gehört zu den Erkundungen.<br />
Wir kehrten im Restaurant „S¬upska“ ein, auf der Speisekarte<br />
standen kaschubische Gerichte – vielleicht kommt der Wirt<br />
aus dem Norden? Kein Vertriebener, aber ein Zugereister?<br />
Wie dem auch sei, das Essen schmeckte. Übrigens: Christa<br />
Wolf ist in Landsberg geboren und aufgewachsen, sie<br />
schreibt darüber in „Kindheitsmuster“.<br />
Zu Kaffee und Kuchen waren wir eingeladen nach Marwice<br />
(Marwitz), ein Dorf in der Nähe. Hier hat Witold Pronobis, ein<br />
Pole, einen ehemaligen Hof gekauft, um ein polnisch-deutsches<br />
Begegnungszentrum einzurichten. Das Wohnhaus an<br />
der Straße lässt ahnen, dass hier ein gut situierter Besitzer<br />
lebte, Haustür und Fenster sind stuckverziert und gut proportioniert,<br />
eine Renovierung ließe es wieder erstrahlen.<br />
Wichtiger als diese Verschönerung war aber erst einmal die<br />
Herrichtung von Schlaf- und Aufenthaltsräumen für<br />
Jugendgruppen und Schulklassen, die auf dem Grundstück<br />
auch Platz für Spiel und Sport haben. Anmeldungen liegen<br />
schon vor, wie Witold Pronobis erzählte, er erzählte auch von<br />
seiner Arbeit, seinen Bemühungen um gegenseitiges