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Visionär: Der vom Bauhaus Luftfahrt<br />
konzipierte Claire Liner. Tragflächen und<br />
Antrieb sind besonders energieeffizient<br />
Foto: P.S.I.BONN/ullstein bild<br />
plexes Produkt. Ein neuer Typ verlangt von der Idee bis zur<br />
Marktreife 20 Jahre Entwicklung, die rund 10 Milliarden<br />
Euro kostet. Um diese Entwicklungskosten hereinzuholen,<br />
müssen Sie 150 bis 200 Maschinen verkaufen. Außerdem<br />
werden Flugzeuge eines Typs mindestens 20 Jahre lang gefertigt.<br />
Der A320 zum Beispiel wird seit 1988 und vermutlich<br />
noch weitere Jahrzehnte gebaut. Oder die Boeing 747,<br />
das ist eine Entwicklung aus den 60er Jahren, ist 1969 erstmals<br />
geflogen und wird – mit neuer Technik und neuen Materialien<br />
– noch weitere zehn Jahre verkauft werden.<br />
Also keine Anleihe bei den schnellen Produktionsprozessen zum<br />
Beispiel der Autoindustrie?<br />
Die Flugzeugindustrie ist ganz anders organisiert, weil die<br />
Stückzahlen viel kleiner sind. Früher ging man bei der Konstruktion<br />
eines Flugzeugs davon aus, dass maximal 500 Maschinen<br />
verkauft werden. Heute rechnet man bei Programmen<br />
vom Typ A350 oder Boeing 787 Dreamliner eher mit<br />
2 000 Flugzeugen. Doch die Branche nähert sich der Autoindustrie<br />
an. Der Verbundstoff CFK zum Beispiel erlaubt<br />
mehr Automatisierung als Metalle, die sehr personalintensiv<br />
verarbeitet werden. Zudem hat heute der Fertigungsprozess<br />
einen größeren Stellenwert bei der Entwicklung neuer<br />
Maschinen gewonnen. Doch auch wenn wir versuchen, die<br />
Fertigung zu beschleunigen, so ist das noch keine industrielle<br />
Massenproduktion wie beim Auto.<br />
Angesichts der Probleme beim A380 und beim Dreamliner:<br />
Beide hatten ja angekündigt, die Zahl der Zulieferer stark zu<br />
begrenzen. funktioniert das?<br />
Das ist schwierig, denn die Zulieferer sind in die Entwicklung<br />
von Flugzeugen eng eingebunden. Den beiden großen<br />
Flugzeugbauern Boeing und Airbus zum Beispiel stehen<br />
drei große Hersteller von Motoren gegenüber: General<br />
Electric, Rolls-Royce und Pratt & Whitney. Bei jeder Neukonstruktion<br />
versuchen Boeing oder Airbus, mindestens<br />
zwei dieser drei dabeizuhaben. Diese müssen garantieren,<br />
in einem bestimmten Zeitraum eine feste Anzahl von Modellen<br />
zur Verfügung zu stellen und möglicherweise weitere<br />
Entwicklungsschritte zu übernehmen. Die Zulieferer haben<br />
also enorme Kosten, die erst nach Jahren wieder reinkommen.<br />
Das bedeutet, dass nur sehr finanzkräftige Zulieferer<br />
eine Chance haben – das ist natürlich gerade in der aktuellen<br />
Finanzkrise ein Problem.<br />
Hinzu kommt, dass es viele Probleme zwischen den Zulieferern<br />
und ihren eigenen Zulieferern gibt. Früher haben<br />
die großen Hersteller über das Know-How im Haus verfügt,<br />
um solche Lieferketten zu kontrollieren. Heute haben sie<br />
diese Kompetenz an Zulieferer abgegeben. Deshalb könnte<br />
es für die Hersteller von Vorteil sein, Teile der Entwicklung<br />
und der Kontrollen in das Unternehmen zurückzuholen.<br />
fertigung: Neue Materialien beschleunigen den Bau von Flugzeugen<br />
Wie sind denn die chancen für neue Hersteller aus china oder<br />
russland?<br />
Unternehmen aus diesen Ländern können technisch gesehen<br />
Flugzeuge bauen. Aber sie müssen den Airlines auf<br />
dem Weltmarkt erst einmal garantieren, dass Probleme bei<br />
den Maschinen rasch und weltweit gelöst werden können.<br />
Das Flugzeug am Boden, das sogenannte AOG, müssen die<br />
Airlines unbedingt vermeiden. Für den Hersteller bedeutet<br />
das, ein weltweites Konzept für Ersatzteile zu entwickeln –<br />
und das treibt natürlich die Kosten am Anfang von Modellreihen<br />
hoch. Es wird also vermutlich noch ein bis zwei Jahrzehnte<br />
dauern, bis sich Produkte aus Russland und China<br />
am Weltmarkt durchsetzen.<br />
Gilt das auch für cargo-Maschinen?<br />
Cargo-Flugzeuge benötigen möglichst ein Front- oder Heckladetor,<br />
um effizient beladen zu werden, das können derzeit<br />
aber nur die Antonow und die Boeing B747, und bei der liegt<br />
es daran, dass sie für die militärische Anwendung entwickelt<br />
wurde. Aber das Frachtflugzeug der Zukunft ist noch<br />
nicht konstruiert. Wir haben beim Bauhaus Luftfahrt ein<br />
Konzept entworfen, den Claire Liner, der vor allem auch als<br />
Frachter denkbar ist. Es ist nicht primär das Ziel der großen<br />
Flugzeugbauer, einen Frachter zu konstruieren. Sie verkaufen<br />
lieber mehr Passagiermaschinen. Diese werden nach<br />
einigen Jahren Flugbetrieb umgerüstet und legen dann als<br />
Frachter eine zweite Karriere hin.<br />
www.bauhaus-luftfahrt.net<br />
Interview<br />
»Bei neuen Flugzeugtypen gehen Hersteller und<br />
Zulieferer jahrzehntelang in Vorleistung.«<br />
Logistics | 27