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MAGAZIN<br />
AUSSTELLUNGEN<br />
der Goethe-Universität Frankfurt in der<br />
Nachkriegszeit bekannt, wird Kramer hier<br />
als Designer vorgestellt. Es ist die Reflexion<br />
gesellschaftlicher Entwicklungen, das<br />
Mitdenken des – immer auch sozialen –<br />
Umraumes in einem Prozess des Gestaltens,<br />
der sich speist aus dem Geist einer<br />
veränderten Sicht auf die Welt, es sind Attribute<br />
wie Einfachheit, Klarheit und Benutzbarkeit,<br />
die Kramers Arbeiten ausmachen.<br />
Wie für ein Warenhaus und lange vor<br />
Unternehmen wie IKEA schuf Kramer flexible<br />
Möbel zum Selbst-Zusammenbauen,<br />
modulare Möbelsysteme sowie zerlegbare<br />
Tische und Schränke. Mit über 100<br />
Exponaten – Lampen, Öfen und Kannen<br />
aus den frühen 1920er-Jahren, genormten<br />
Fenster- und Türbeschlägen sowie Kleinund<br />
Typenmöbel aus der Zeit des Neuen<br />
Frankfurt, mit Zeichnungen und Werken<br />
aus der Zeit von Kramers Emigration in die<br />
Das neue Frankfurt, Der Stuhl; Museum Angewandte<br />
Kunst, Frankfurt am Main<br />
■ Einfach, klar und benutzbar<br />
Ferdinand Kramer (1898-1985) gilt als einer<br />
der wichtigsten Architekten und Designer<br />
der deutschen Gestaltungsmoderne.<br />
Mit neuen Vorstellungen vom Gebrauch<br />
der Dinge – den Begriff „Mobil-iar“ nahm<br />
er wörtlich – verlieh Kramer den sich verändernden<br />
Lebensverhältnissen im 20.<br />
Jahrhundert Ausdruck und Gestalt.<br />
Bis 7. September zeigt das Museum Angewandte<br />
Kunst in Frankfurt am Main mit<br />
„Das Prinzip Kramer. Design für den variablen<br />
Gebrauch“ eine umfassende Retrospektive<br />
Kramers. Vielen vor allem als<br />
Architekt von Großprojekten wie dem<br />
„Neuen Frankfurt“ der 1920er-Jahre oder<br />
Ferdinand Kramer, Arbeits- und Konferenztisch aus dem Kd-Programm, mit Eron-Stühlen, um 1959/60 Universitätsarchiv;<br />
Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main<br />
Ferdinand Kramer, Stuhl B 403F, Thonet 1927, Privatbesitz,<br />
Frankfurt; Museum Angewandte Kunst,<br />
Frankfurt am Main<br />
Foto: Martin Pudenz<br />
06 / 14<br />
USA, zahlreichen Beispielen aus dem Inventar<br />
der Goethe-Universität Frankfurt<br />
und seltenen Objekten aus dem Besitz der<br />
Familie – präsentiert diese Ausstellung vor<br />
allem jene Sammlung von Designobjekten<br />
Ferdinand Kramers, die von Gerda Breuer<br />
während ihrer Tätigkeit an der Bergischen<br />
Universität Wuppertal aufgebaut wurde.<br />
Ergänzt werden die historischen Stücke<br />
durch eine Auswahl an in Reedition nach<br />
Original-Entwürfen Kramers gefertigten<br />
Möbeln von e15, die zeigen, dass Kramers<br />
Arbeiten auch für die heutige Designindustrie<br />
aktuell und relevant sind.<br />
Nützlichkeit, Variabilität, Rationalität standen<br />
in den 1920er-Jahren aufgrund der<br />
prekären wirtschaftlichen Situation der<br />
Nachkriegszeit im Vordergrund. Am<br />
Frankfurter Hochbauamt unter der Leitung<br />
des Stadtbaurates Ernst May war der junge<br />
Ferdinand Kramer für Fragen der Normung<br />
zuständig. Er entwarf Öfen, Türdrücker<br />
und Fensterbeschläge, Sperrholztüren,<br />
Möbel für Siedlungen, Schulen<br />
und Kindergärten. Nebenher entwickelte<br />
er Stühle und Schränke für die Firma Thonet,<br />
ähnlich wie sein Vorbild Adolf Loos.<br />
Zugleich war er in vielen einschlägigen<br />
programmatischen Ausstellungen vertreten,<br />
wie 1924 in Stuttgart bei der Werkbund-Ausstellung<br />
„Die Form" oder drei<br />
Jahre später in der Werkbund-Ausstellung<br />
„Die Wohnung" in der Weißenhofsiedlung<br />
Stuttgart, wo er ein Reihenhaus von J. J. P.<br />
Oud und zwei Wohnungen im Haus von<br />
Mies van der Rohe einrichtete.<br />
Nachdem er 1937 aus der Reichskammer<br />
der bildenden Künste ausgeschlossen<br />
und mit Arbeitsverbot belegt worden war,<br />
emigrierte Kramer 1938 in die USA. Dort<br />
faszinierte ihn der mobile Lebensstil der<br />
Amerikaner. Er entwarf Miniküchen auf<br />
Rädern, „Knock-Down-Furniture“ – zerlegbare<br />
Möbel nach dem Vorbild amerikanischer<br />
„Knock-Down-Houses“ –, stapelbare,<br />
zusammenklappbare, fahrbare Möbel,<br />
ganze Wareneinrichtungen nach neuesten<br />
Theorien der Wahrnehmung und sogar<br />
einen Wegwerf-Regenschirm, den eleganten<br />
und erfolgreichen „Rainbelle“.<br />
Max Horkheimer, ab 1951 Rektor der<br />
Frankfurter Universität, holte Kramer 1952<br />
nach Deutschland zurück. Als Baudirektor<br />
der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />
baute Kramer nicht nur das zerstörte Universitätsgelände<br />
mit 23 neuen Gebäuden<br />
wieder auf, sondern übernahm auch deren<br />
Inneneinrichtung. Hier waren flexible Möbel<br />
für den Massenbedarf von Studierenden<br />
gefragt. Mit Wiederauflagen aus den<br />
1920er-Jahren und dem kd-Möbelprogramm<br />
(knock-down), zerlegbaren Tischen<br />
und Schränken in einem modularen<br />
System, verschiedenen Formaten und vielen<br />
Kombinationsmöglichkeiten, schuf er<br />
flexible Gebrauchsmöbel. Er wählte auch<br />
bewährte, industriell gefertigte Einrichtungsgegenstände,<br />
die auf dem Markt<br />
schon vorhanden waren, holte sie aus ihrer<br />
Anonymität heraus, um sie, teils ergänzt<br />
oder verbessert, ohne Rücksicht auf<br />
Status der Personen in allen Räumen der<br />
Universität einzusetzen. Zurückhaltend<br />
und dienend prägten sie sinnfällig eine Atmosphäre,<br />
die von einem aufgeklärten,