„Das zentrale Thema ist das Doppelleben“ Klaus J. Behrendt
23 Gespräch mit Klaus J. Behrendt Obwohl Sie im Laufe Ihrer Karriere sehr viele unterschiedliche Rollen gespielt haben, werden die meisten Zuschauer Sie als taffen „Tatort“-Kommissar kennen. Nun verkörpern Sie zum ersten Mal einen Homosexuellen. Hatten Sie zunächst Bedenken, ob man Ihnen diesen schwulen Bademeister und gescheiterten Menschen Henrik Bode in „<strong>Einfache</strong> <strong>Leute</strong>“ abnehmen wird? Nein. Mich hat die Herausforderung gereizt, ob es mir gelingt, diese Figur zu knacken, also glaubwürdig darzustellen – auch für die Zuschauer, die schwul sind. Das war meine Antriebsfeder. Die Rolle ist eine Gratwanderung: Macht man zu wenig, ist man feige, macht man zuviel, droht das Klischee. Wie haben Sie sich der Rolle genähert? Nur über mein Bauchgefühl. Ich gehe nicht jeden Tag in Darkrooms, das ist nicht mein Ding. Ich liebe nun mal die Frauen, das ist auch gut so. Meine Fantasie hat mir geholfen: Wie stelle ich mir das Leben dieses Menschen vor? Die Traurigkeit seines Lebens? Es gibt in seinem Leben keine Romantik mehr. Auch die Romantik, sich auf eine gleichgeschlechtliche Beziehung einzulassen, die viel Schönes beinhaltet, existiert für ihn nicht mehr. Es geht nur noch ums Ficken. Waren die Sexszenen in gewisser Weise eine Angstpartie? Eine Angstpartie waren sie nicht. Es war für mich das erste Mal, das ich Sexszenen mit einem Mann gedreht habe und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, so was schüttle ich aus dem Ärmel. Natürlich war ich unsicher. Ich glaube, das wäre jeder gewesen. Haben Sie die Szene geprobt oder sich rein auf die Anweisungen des Regisseurs Thorsten Näter verlassen? Ich habe mich auf mein Gefühl, auf den Mitspieler Sven Fechner, auf die Regie und auf die Kamera verlassen. Kann man heute als Schauspieler eigentlich alles spielen? Oder haben Sie darüber nachgedacht, ob die Rolle Ihr Image schädigen könnte? Es gibt wunderbare Filme, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Wenn man die Filmgeschichte betrachtet, sieht man, dass „Philadelphia“ für Tom Hanks genauso wenig imageschädigend gewesen ist wie „Die Konsequenz“ für Jürgen Prochnow. Wenn man glaubwürdig ist, kann man jede Rolle spielen. Man darf sie nur nicht ins Lächerliche ziehen, sondern muss die Achtung und den Respekt vor ihr bewahren. Das war sicher bei der Figur Henrik Bode schwierig, weil er sich selbst hasst. In einer Szene sagt er: „Mein Leben ist kaputt. Ich bin ein kaputtes Schwein geworden.“ Wie findet man sich als Schauspieler in so eine Figur hinein? Wieder über den Bauch, aber auch über den Kopf, also die Frage, wie weit man diesen Menschen versteht. Henrik Bode ist eine tragische, arme Figur und im Endeffekt auch wahnsinnig einsam. Man darf ja auch nicht vergessen, wo er lebt. In Metropolen wie Hamburg, Berlin, Köln oder Frankfurt ist es oft eine Selbstverständlichkeit, dass Männer ihr Schwulsein ausleben, aber im ländlichen Bereich sieht das anders aus. Es gibt männlich dominierte Berufe wie den Leistungssport – etwa die Bundesliga –, die Polizei oder die Bundeswehr, wo sich nie Männer zu ihrer Homosexualität bekennen, sondern sich leider immer noch in ein Doppelleben flüchten. Das ist ein trauriges Kapitel. Ist aus Ihrer Sicht die Gesellschaft, also der Schwimmverband, für das Scheitern von Henrik Bode verantwortlich oder er selber? Die Gesellschaft übt sicherlich einen gewissen Druck aus, aber es liegt auch am Einzelnen. Wie kräftig er ist und wie sehr er sich dagegen stemmen kann. Henrik ist es nie gelungen, zu seinen Neigungen zu stehen. Wie war es, in einem echten Darkroom zu drehen? Das war interessant. Das ist ja der Vorteil an der Arbeit beim Film, dass man in Räumlichkeiten hineinkommt, zu denen man sonst keinen Zugang hat. Ich war noch nie in einem Darkroom und habe mir immer vorgestellt, dass es nur ein dunkler Raum ist. Tatsächlich ist dieser Darkroom wie ein kleines Labyrinth, und in Schwanzhöhe sind überall in die Wände Löcher gebohrt. Als sein Sohn die Homosexualität des Vaters vehement ablehnt, gibt das Henrik Bode den Rest, er verliert jeglichen Lebensmut. Das ist natürlich auch bitter. Er hängt wie jeder Vater an seinem Sohn. Als die Freunde aus dem Schwimmverein seinem Sohn stecken, wie sein Vater ihnen in der Dusche auf die Hintern starrt, ist Henrik völlig überfordert, sich auszusprechen. Er weiß gar nicht, wo er anfangen soll,