SPRACHROHR 2/2013
Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.
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8 Bundeswehr und Gewerkschaften<br />
sprachrohr 2 | 13<br />
Fotos: (v.l.n.r) Bundeswehr, Bundeswehr/Berns, Bundeswehr/Marx, Bundeswehr/Berns. Linke Seite : (alle) arbeiterfotografie.com<br />
DGB-Bundesvorstand und Verteidigungsministerium streben »engere Zusammenarbeit« an.<br />
Der ver.di-Fachbereichsvorstand 8 in Berlin-Brandenburg ist dagegen. Es geht um Grundfragen<br />
im Verhältnis von Bundeswehr und Gewerkschaften.<br />
Wir widersprechen!<br />
Mit Flyern und der Losung<br />
»Wir widersprechen!«<br />
empfangen Aktivisten um<br />
die Frauenfriedenskonferenz<br />
in München den DGB-Vorsitzenden<br />
zu seiner 1.-Mai-<br />
Ansprache. Hunderte Kolleginnen<br />
und Kollegen von<br />
ver.di, IG Metall und<br />
GEW unterstützen den<br />
Aufruf per Unterschrift.<br />
Es sollte ein Treffen werden, das<br />
Normalität ausstrahlt: Am 5. Februar<br />
trafen sich der DGB-Vorsitzende<br />
Michael Sommer und Verteidigungsminister<br />
Thomas de Maizière (CDU)<br />
in Berlin, um eine »engere Zusammenarbeit<br />
zwischen Bundeswehr und Gewerkschaften«<br />
zu vereinbaren. Am<br />
18. März meldete sich der ver.di-Landesfachbereichsvorstand<br />
8 Berlin-<br />
Brandenburg mit einem einstimmig<br />
gefassten Beschluss: »Wir widersprechen<br />
Michael Sommer!«<br />
De Maizière war einer Einladung des<br />
DGB-Bundesvorstands gefolgt. Es war<br />
das erste Treffen zwischen DGB-Spitze<br />
und einem Verteidigungsminister seit 30<br />
Jahren. »Es war ein gutes und nachdenkliches<br />
Gespräch«, sagte Sommer.<br />
Demnächst wolle man »eine gemeinsame<br />
Erklärung von Bundeswehr und Gewerkschaften<br />
erarbeiten«. Das Verhältnis<br />
zwischen Militär und Arbeiterbewegung<br />
sei »historisch belastet« gewesen,<br />
aber: »Das ist es heute nicht mehr.«<br />
Ohne Widerspruch ging das nicht<br />
durch. Am 18. März gab der Fachbereichsvorstand<br />
8 eine Erklärung ab. »Die<br />
Bundeswehr, aufgebaut von Nazi-Generalen,<br />
entgegen dem Potsdamer Abkommen<br />
und gegen den Widerstand der Gewerkschaften,<br />
ist kein Teil der Friedensbewegung«,<br />
heißt es darin. »Im Gegenteil.<br />
Sie war und ist ein Instrument der<br />
deutschen Banken und Konzerne, um<br />
ihre Interessen durchzusetzen und ihre<br />
Herrschaft aufrechtzuerhalten.« Die<br />
Bundeswehr sei »keine Verteidigungsarmee<br />
mehr, sondern entgegen ihrem<br />
grundgesetzlichen Auftrag eine weltweite<br />
Einsatzarmee, die in 12 Ländern mit<br />
fast 9000 Soldaten Krieg führt«. Und<br />
unmissverständlich: »Wir wollen keine<br />
gemeinsame Erklärung von DGB und<br />
Bundeswehr.«<br />
Vier Tage später antwortete der DGB.<br />
»Es gibt keine neue Politik oder Neuausrichtung<br />
des DGB in Sachen Bundeswehr«,<br />
schrieb Konrad Klingenburg,<br />
Abteilungsleiter Grundsatzangelegenheiten<br />
und Gesellschaftspolitik, im Namen<br />
von Michael Sommer. Deshalb gebe<br />
es »öffentlich auch nichts zurückzunehmen<br />
oder gerade zu rücken«. Der<br />
Besuch de Maizières sei »nur auf den<br />
ersten Blick ungewöhnlich«. Schließlich<br />
sei »die Bundeswehr einer der größten<br />
Arbeitgeber der Bundesrepublik«. Der<br />
DGB habe die Interessen aller Arbeitnehmer<br />
zu vertreten. »In den Vordergrund<br />
gerückt« sei »die Integration von<br />
ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten<br />
in den Arbeitsmarkt«. Klingenburg<br />
weist darauf hin, dass der Anteil der bei<br />
Auslandseinsätzen geschädigten Militärs,<br />
Polizisten und Zivilbeschäftigten<br />
»zwischen fünf und zehn Prozent« liegt.<br />
»Wir reden hier also auch über tausende<br />
Menschen und ihre Familien«, und:<br />
»Zu sagen, damit haben wir nichts zu<br />
tun, weil wir die Einsätze insgesamt ablehnen<br />
– das ist zu einfach.« jboe<br />
Mit den Waffen des Geistes gegen<br />
den Geist der Waffen<br />
Die Bundeswehr ist nicht nur ein großer<br />
Arbeit-, sondern auch ein zweifelhafter<br />
Geldgeber. Die Militarisierung<br />
der Außenpolitik schlägt sich in Bildung,<br />
Wissenschaft und Forschung nieder, wie<br />
der entsprechende ver.di-Fachbereich<br />
feststellt: Mindestens 47 Hochschulen<br />
erhielten Aufträge durch das Bundesverteidigungsministerium<br />
– Tendenz steigend.<br />
Das reicht bis zu direkten Rüstungsentwicklungen.<br />
Dass auch Teile des<br />
geheimen staatlichen Programms »zivile<br />
Sicherheitsforschung« an Universitäten<br />
bearbeitet werden, untergräbt die<br />
verfassungsmäßige Freiheit von Forschung<br />
und Lehre. Dagegen regt sich<br />
Widerstand. An Dutzenden Universitäten<br />
wurden – auch mit ver.di-Unterstützung<br />
– Initiativen für »Zivilklauseln« gegründet.<br />
Diese sollen in den Grundordnungen<br />
der Hochschulen sichern, dass<br />
Forschung, Lehre und Studium keinen<br />
militärischen Zwecken dienen. An den<br />
Unis Tübingen und Rostock gibt es sie<br />
be reits, andere, etwa die TU Berlin, haben<br />
zumindest Klauseln gegen Kriegsforschung.<br />
Inzwischen gibt es eine bundesweite<br />
Initiative »Hochschulen für den<br />
Frieden – JA zur Zivilklausel«. Sie vernetzt<br />
sich mit der Kampagne »Schulfrei<br />
für die Bundeswehr«, in der die GEW aktiv<br />
ist und die sich gegen die offensive<br />
Militär-Werbung an Schulen wendet.<br />
Bildung und Forschung dürfen nicht zu<br />
»Kriegsdienstleistern« verkommen. neh<br />
Infos: www.zivilklausel.org