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KOMM 6/2023

KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di

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<strong>KOMM</strong><br />

06/<strong>2023</strong>WWW.TK-IT.VERDI.DE<br />

TARIFRUNDE TELEKOM 2024<br />

WIR SUCHEN DICH!<br />

Fotos: Manfred Geneschen<br />

Im kommenden Frühjahr beginnt die Tarifrunde 2024 für eine Mehrheit der<br />

Beschäftigten des Telekom-Konzerns. Die Entgelttarifverträge von insgesamt<br />

13 Telekom-Gesellschaften sind zum 31. März 2024 kündbar. Die Tarifverträge<br />

der Deutschen Telekom Privatkundenvertrieb GmbH (PVG) können erst zum<br />

31. Juli 2024, die der Deutsche Telekom Services Europe SE (DT SE) zum<br />

30. September 2024 und die der T-Systems-Gesellschaften zum 31. Dezember<br />

2024 gekündigt werden.<br />

ver.di hat bereits mit der Vorbereitung der<br />

Tarifrunde begonnen. Wir setzen dabei<br />

auf die Beteiligung unserer Mitglieder<br />

und aller Beschäftigten. Wir möchten die<br />

Tarifrunde gemeinsam angehen – gemeinsam<br />

mit dir, gemeinsam mit deinen<br />

Kolleg:innen, gemeinsam im Konzern.<br />

Noch bis 30. September (nach <strong>KOMM</strong>-<br />

Redaktionsschluss) waren deshalb die<br />

ver.di-Mitglieder in den Telekom-Gesellschaften<br />

aufgerufen, an einer Umfrage<br />

teilzunehmen. Gefragt wurde unter anderem<br />

nach den gewünschten Forderungen,<br />

aber auch nach der Bereitschaft, sich<br />

selbst einzubringen.<br />

Tarifbotschafter:innen gesucht<br />

Du teilst exklusive Infos aber auch gern<br />

mit deinen Kolleg:innen? Dann komm’ ins<br />

Team und werde Tarifbotschafter:in! Tarifbotschafter:innen<br />

werden regelmäßig<br />

von der ver.di-Verhandlungsführung über<br />

alle aktuellen Entwicklungen informiert<br />

und halten den direkten Kontakt zu den<br />

Kolleg:innen in ihren Teams.<br />

Du bist dir noch unsicher, ob das was<br />

für dich ist? Kein Problem! Nimm an einer<br />

kurzen Info-Session deiner ver.di teil –<br />

hier werden wir zeigen, worum es<br />

geht und du kannst all deine Fragen loswerden.<br />

Auf unserer Internetseite zur Tarifrunde<br />

Telekom 2024 kannst du dich als<br />

Tarifbotschafter:in eintragen. Dort informieren<br />

wir aktuell und stellen alle ver.di-<br />

Tarifinfos online.<br />

https://trt.verdi.de


2<br />

Foto: Charles Yunck<br />

INHALT<br />

2 Buchtipp<br />

Heiner Dribbusch: STREIK<br />

3 Editorial<br />

Diese Ausgabe ...<br />

4 Strabag<br />

Tarifwerksreform umgesetzt<br />

Kyndryl<br />

Nach der Tarifrunde<br />

ist Erntezeit<br />

Aufsichtsratswahlen<br />

Strabag PFS<br />

Danke für eure Stimmen!<br />

5 Telekom-Konzernbetriebsrat<br />

Stetiger Wandel<br />

6 1&1 Mobilfunk GmbH<br />

Überraschender Wechsel<br />

7 Mitbestimmung<br />

1&1-Beschäftigte schreiben<br />

Betriebsratsgeschichte<br />

Branchenpolitik<br />

Frequenznutzung soll<br />

verlängert werden<br />

8 Jugend<br />

Duales Studium mit ver.di<br />

Wettbewerb<br />

Jetzt mitmachen!<br />

9 Studie<br />

Krisenerwachsen<br />

10/11 UNI Weltkongress<br />

Kampf für Demokratie und<br />

Gerechtigkeit globalisieren<br />

Solidaritätsmarsch<br />

12/13 ver.di-Bundeskongress<br />

Morgen braucht uns.<br />

14 Besoldungsrunde <strong>2023</strong><br />

Respektabel und nachhaltig<br />

Wirkung der geplanten<br />

Änderungen<br />

15 Beamt:innen<br />

Inflations ausgleichs prämie<br />

kommt<br />

16 ver.di<br />

100 Milliarden für die Bildung<br />

Kindergrundsicherung<br />

Das ist kläglich!<br />

BUCHTIPP<br />

Heiner Dribbusch: STREIK<br />

Arbeitskämpfe und Streikende<br />

in Deutschland seit 2000 – Daten,<br />

Ereignisse, Analysen<br />

376 Seiten | Hardcover | zahlreiche Abbildungen<br />

und Tabellen | <strong>2023</strong> | 29,80 Euro |<br />

ISBN 978-3-96488-121-2<br />

Streiks sind Kristallisationspunkte gewerkschaftlichen<br />

Handelns, in denen sich Konflikte<br />

zwischen Beschäftigten und Unternehmern<br />

zuspitzen. In buchstäblich tausenden<br />

von Arbeitskämpfen mit mehreren zehntausend<br />

Arbeitsniederlegungen haben<br />

Beschäftigte und ihre Gewerkschaften in<br />

den vergangenen beiden Jahrzehnten um<br />

die Verbesserung ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen<br />

gekämpft. Dabei<br />

haben sie teils große Erfolge erzielt, teils<br />

aber auch Niederlagen erlitten. Heiner<br />

Dribbusch berichtet über beides. Ein Kapitel<br />

widmet sich den Arbeitskämpfen bei der<br />

Deutschen Telekom und der Post.<br />

VER.DI BUNDESFACHGRUPPE IKT<br />

GOES SOCIAL MEDIA<br />

IMPRESSUM<br />

FOLLOW US!<br />

<strong>KOMM</strong> Nr. 6/<strong>2023</strong><br />

23. Jahrgang<br />

#verdiIKT<br />

https://www.facebook.com/verdiikt<br />

#wirsindverdiIKT<br />

https://www.instagram.com/verdiikt/<br />

@verdiikt<br />

https://twitter.com/verdiikt/<br />

ver.di_IKT zur Netzpolitik<br />

https://twitter.com/verdi_Netzpol<br />

Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundes vorstand: Frank Werneke<br />

Christoph Schmitz, Fachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)<br />

Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Telefon: 030 6956-0 Internet: https://ikt.verdi.de<br />

Erscheinungsweise: 8 Ausgaben pro Jahr<br />

Redaktion: Jessica Sauerwald, Silke Leuckfeld (sil) E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Layout: datagraphis GmbH, Wiesbaden-Nordenstadt Internet: https://datagraphis.de<br />

Gedruckt auf GraphoSilk FSC® 80g/m 2<br />

VSA:<br />

Heiner Dribbusch<br />

STREIK<br />

Arbeitskämpfe und Streikende<br />

in Deutschland seit 2000<br />

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Folge uns für Tweets und Posts über die Themen,<br />

die die IT- und TK-Branche bewegen.<br />

Druck: Schaffrath DruckMedien GmbH Auflage: 79 401<br />

Anzeigen und Beilagen: Jessica Sauerwald<br />

Telefon: 030 6956-2442<br />

E-Mail: redaktion.komm@verdi.de<br />

Redaktionsschluss nächste Ausgabe: 27. Oktober <strong>2023</strong>


3<br />

<strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

EDITORIAL<br />

TERMINE DER BETRIEBSGRUPPEN<br />

Diese Ausgabe ...<br />

... berichtet nur kurz über den ver.di-Bundeskongress, der erst<br />

wenige Tage vor dem Druck der <strong>KOMM</strong> begonnen hatte. Dabei<br />

verkündete in seiner Rede zum Geschäftsbericht der ver.di-Vorsitzende<br />

Frank Werneke gute Nachrichten. Er betonte, dass die<br />

kollektive Durchsetzungsfähigkeit zum Maßstab für die Weiterentwicklung<br />

unserer Gewerkschaft gemacht werden müsse. Dies<br />

bedeutet, mit einer starken Mitgliederbasis in den Betrieben unsere<br />

Ziele durchzusetzen. Und ver.di hat Erfolg mit dieser Strategie:<br />

Bis Mitte August waren bereits 140 000 Menschen neu in<br />

ver.di eingetreten, darunter waren fast 35 000 Eintritte, die jetzt<br />

die ver.di-Jugend stärken. Dies ist ein neuer Rekord und die<br />

höchste Eintrittszahl seit der Gründung von ver.di vor nunmehr<br />

22,5 Jahren.<br />

Doch auf diesem Erfolg dürfen wir uns nicht ausruhen. Die<br />

Zukunft hängt maßgeblich von den Auszubildenden und dual<br />

Studierenden ab, die jetzt ins Berufsleben gestartet sind. Deshalb<br />

ist wichtig, die jungen Menschen abzuholen und sie für eine<br />

ver.di-Mitgliedschaft zu gewinnen. Dies gilt für ver.di insgesamt,<br />

aber auch für unsere Fachgruppe. Im kommenden Jahr startet<br />

die Tarifrunde Telekom. Gemeinsam – junge wie erfahrene<br />

ver.di-Mitglieder – werden dann wieder für unsere Ziele kämpfen.<br />

<br />

www.mitgliedwerden.verdi.de<br />

Die <strong>KOMM</strong>-Redaktion<br />

Foto: geralt/pixabay<br />

Sie sind online zu finden unter:<br />

https://tk-it.verdi.de/<br />

Service<br />

Treffpunkte<br />

Oder einfach den QR-Code scannen<br />

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Der Partner für die Mitarbeiter/-innen der Telekom.


4<br />

STRABAG<br />

Tarifwerksreform umgesetzt<br />

In der Tarifrunde 2022 hatten sich ver.di und STRABAG neben allgemeinen<br />

Entgeltsteigerungen und der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auf<br />

eine umfangreiche Reform des Tarifwerks in der STRABAG PFS verständigt.<br />

Die Vereinbarung zur Tarifwerksreform<br />

betraf im Kern eine Verringerung der Anzahl<br />

der einzelnen Tarifverträge, eine<br />

Überarbeitung des Eingruppierungs- und<br />

Entgeltsystems sowie eine Vereinheitlichung<br />

der Regelungen für die Beschäftigten<br />

der STRABAG PFS, STRABAG RPS, der<br />

ehemaligen BAM und für die Angestellten<br />

der STRABAG BIS. Diese Verhandlungen<br />

konnten erfolgreich abgeschlossen werden.<br />

Damit ist für die Angestellten der<br />

STRABAG BIS nun erstmalig eine Tarifbindung<br />

hergestellt worden.<br />

Die politischen Kernelemente der Tarifwerksreform<br />

umfassen zahlreiche Punkte.<br />

Die Entgeltgruppenstruktur mit zehn Entgeltgruppen<br />

bleibt unverändert und gilt<br />

zukünftig für alle Kolleg:innen für die<br />

STRABAG PFS gleichwertig. Die Tätigkeitsmerkmale<br />

wurden überarbeitet und<br />

beinhalten eine konsequente Gleichstellung<br />

von beruflich fachlicher Entwicklung<br />

und akademischer Ausbildung. Die Entgeltgruppenstufen<br />

wurden von fünf auf<br />

drei reduziert. Individuelle, bereits heute<br />

bekannte Stufensprünge (Exspek tanz)<br />

wurden abgesichert. Es wird die 38-Stunden-Woche<br />

bei vollem Lohnausgleich für<br />

ehemalige Beschäftigte der HVB, für alle<br />

bei der STRABAG RPS, für gewerbliche<br />

Arbeitnehmer:innen der STRABAG PFS<br />

und für Angestellte der BIS und der BAM<br />

eingeführt. Damit hat ver.di eine Arbeitszeitverkürzung<br />

für rund 600 Kolleg:innen<br />

durchgesetzt und dies bei vollem Lohnausgleich.<br />

Für gewerbliche Arbeitnehmer:innen<br />

der STRABAG PFS erhöht sich<br />

der Stundenlohn um 5,45 Prozent. Es<br />

wird für alle bei der PFS ein neues Modell<br />

der betrieblichen Altersversorgung über<br />

SOKA Bau eröffnet. Die Tarifverträge der<br />

STRABAG PFS werden für alle Beschäftigten<br />

bei PFS gleichermaßen anwendbar.<br />

Besitzstände gesichert<br />

Ein gesonderter Tarifvertrag stellt Einführungsregelungen<br />

zu den neuen Tarifverträgen<br />

bereit und sichert materielle Besitzstände<br />

aus Altverträgen dauerhaft ab. Die<br />

Tarifwerksreform umfasst eine weitreichende<br />

Überarbeitung des Manteltarifvertrags<br />

der STRABAG PFS. Die Regelungen<br />

des bisherigen Entgeltrahmentarifvertrags<br />

wurden überarbeitet und in den Manteltarifvertrag<br />

übernommen. Zukünftig sind<br />

die Tätigkeitsmerkmale durchlässiger und<br />

die Richtbeispiele stärker an der Organisationslogik<br />

im STRABAG-Konzern orientiert.<br />

Die grundsätzliche Struktur des<br />

Entgeltsystems wurde erhalten, erreicht<br />

werden konnte eine konsequente Gleichstellung<br />

von beruflich, fachlicher Qualifikation<br />

und akademischen Ausbildung.<br />

Ausführliche Informationen:<br />

https://kurzelinks.de/w4p4<br />

AUFSICHTSRATSWAHLEN STRABAG PFS<br />

Danke für eure<br />

Stimmen!<br />

Bei den Aufsichtsratswahlen für die STRA-<br />

BAG PFS gingen beide Sitze für die Gewerkschaftsvertreter:innen<br />

an ver.di. Gewählt<br />

wurden Tarifsekretär Pascal Röckert<br />

und Gewerkschaftssekretär Sven Weiger.<br />

„Ich werde mich für eine Unternehmenspolitik<br />

im Sinne der Arbeitnehmer:innen<br />

engagieren. Ich setze mich für<br />

Aus- und Fortbildung, nachhaltige Geschäftsentwicklung<br />

und gute Arbeitsbedingungen<br />

für alle im Unternehmensbereich<br />

4S ein“, kündigte Pascal Röckert<br />

an. Für Sven Weiger war bereits vor der<br />

Wahl klar: „Ich kandidiere, damit die Interessen<br />

der Beschäftigten und Azubis<br />

nicht zu kurz kommen.“<br />

Wir gratulieren den Kollegen zu ihrer<br />

Wahl und wünschen viel Erfolg für die<br />

kommende Arbeit.<br />

VODAFONE DEUTSCHLAND<br />

Mehr Geld ab 1. September<br />

Im September bekommen alle Mitarbeiter:innen<br />

und Auszubildenden in<br />

der Vodafone Deutschland und der<br />

Vodafone West, die mittelbar oder<br />

unmittelbar an ver.di-Tarifverträge<br />

gebunden sind, 5,2 Prozent mehr<br />

Geld. Bereits im Mai wurde auf<br />

Grundlage des Tarifabschlusses eine<br />

Inflationsausgleichsprämie in Höhe<br />

von maximal 1500 Euro ausgezahlt.<br />

Die neuen Tariftabellen stehen bei<br />

ver.di online: https://kurzelinks.<br />

de/z9p0<br />

KYNDRYL<br />

Nach der Tarifrunde ist Erntezeit<br />

Seit 1. Juli <strong>2023</strong> haben alle ver.di-<br />

Mitglieder bei Kyndryl einen unmittelbaren<br />

Rechtsanspruch auf 3,5<br />

Prozent tabellenwirksame Entgelterhöhung.<br />

Rückwirkend wurde diese<br />

im August ausgezahlt. Und das ist<br />

noch nicht alles.<br />

Parallel zur Erhöhung der Tariftabellen<br />

wird zum 1. Juli <strong>2023</strong> auch das individuelle<br />

Gehaltserhöhungsprogramm umgesetzt.<br />

Dank der Stärke der ver.di-Mitglieder<br />

bei Kyndryl gilt: Der Sockelbetrag für<br />

Anspruchsberechtigte liegt bei mindestens<br />

zwei Prozent respektive 160 Euro.<br />

Damit wirkt die Sockelerhöhung bei allen<br />

Entgelten bis 8000 Euro überproportional.<br />

Das Abteilungsbudget für das individuelle<br />

Gehaltserhöhungsprogramm beträgt<br />

4,8 Prozent der Summe der Monatseinkommen<br />

der anspruchsberechtigten<br />

Tarifbeschäftigten pro Abteilung. Die Planungsbreite<br />

liegt jeweils zwischen mindestens<br />

zwei Prozent und maximal sieben<br />

Prozent. Das Gehaltsprogramm umfasst<br />

alle Bands, inklusive der 10.<br />

Das zwischen ver.di und Kyndryl verhandelte<br />

Gehaltsabkommen entspricht<br />

damit einem Gesamtvolumen von rund<br />

fünf Prozent bei einer Laufzeit von zwölf<br />

Monaten.<br />

Gesundheitsbudget<br />

Im Zuge der Tarifverhandlungen im Mai<br />

einigten sich ver.di und Kyndryl zudem<br />

auf das Gesundheitsbudget <strong>2023</strong>. Dieses<br />

beträgt 215 000 Euro. Im Rahmen des<br />

Tarifvertrags für ein konzernweites<br />

Gesundheitsmanagement steht dieses<br />

Gesundheitsbudget für Maßnahmen des<br />

Gesundheitsschutzes der Beschäftigten<br />

bereit.RED


5 <strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

TELEKOM-KONZERN BETRIEBSRAT<br />

Stetiger Wandel<br />

Moderator Kai Döhring, stellvertretender<br />

Vorwärts-Chefredakteur, Professor Bertolt<br />

Meyer, Kerstin Marx, KBR-Vorsitzende<br />

Deutsche Telekom, und SPD-Generalsekretär<br />

Kevin Kühnert. (v.l.n.r.)<br />

Foto: Dirk Bleicker<br />

Der Vorwärts-Verlag brachte bei<br />

seinem Sommerfest das politische<br />

Berlin zusammen. Kerstin Marx,<br />

Vorsitzende des Telekom-Konzernbetriebsrats,<br />

diskutierte mit Kevin<br />

Kühnert und Professor Bertolt Meyer<br />

über das Thema „Transformation“.<br />

In der ersten Sitzungswoche des Bundestages<br />

nach der Sommerpause trafen wichtige<br />

Stimmen aus Parteien und Bundesregierung<br />

zusammen. Zum Ende der parlamentarischen<br />

Sommerpause veranstaltete<br />

der Vorwärts-Verlag seinen renommierten<br />

Sommerabend. Er ist weit mehr als ein<br />

Stelldichein mit Prominenz aus Politik, Gewerkschaft,<br />

Medien, Wirtschaft und Kultur.<br />

Dieser Abend ist eine gesuchte Gelegenheit<br />

für ernsthafte Diskussionen über<br />

gesellschaftlich relevante Themen.<br />

Inmitten der zahlreichen Gäste war<br />

auch Kerstin Marx, Vorsitzende des Konzernbetriebsrats<br />

und Aufsichtsrätin der<br />

Telekom, geladen. Gemeinsam mit Kevin<br />

Kühnert, Generalsekretär der SPD, und<br />

Professor Bertolt Meyer von der Technischen<br />

Universität Chemnitz, besetzte auch<br />

sie die Diskussionsrunde des Abends.<br />

Dauer-Transformation<br />

Thema dieser Runde war „Transformation“.<br />

Angesichts der politischen und gesellschaftlichen<br />

Herausforderungen, vor<br />

denen Deutschland nach dem Angriff auf<br />

die Ukraine und der daraus resultierenden<br />

Energiekrise steht, ist dies eine Herausforderung,<br />

die an Relevanz gewonnen hat.<br />

Kerstin Marx betonte in der Eröffnungsrunde<br />

des Abends: „Die Menschen bei<br />

der Deutschen Telekom erleben seit der<br />

Privatisierung eine Dauer-Transformation.<br />

Wir wissen also, wie ,Transformation‘<br />

geht. Und wir haben auch erlebt, wie es<br />

nicht laufen sollte.“ Transformation gehöre<br />

für die Beschäftigten der Deutschen<br />

Telekom zum Tagesgeschäft.<br />

Fortschritt muss allen dienen<br />

Was sich in jüngster Zeit deutlich verändert<br />

habe, sei die Dimension und die Geschwindigkeit,<br />

erklärte die Konzernbetriebsratsvorsitzende:<br />

„Damit Transformation<br />

gerecht wird und zum Fortschritt<br />

aller gelingt, brauchen wir eine starke<br />

betriebliche Mitbestimmung und eine<br />

flächendeckende Tarifbindung. Sie geben<br />

den Beschäftigten Sicherheit und Teilhabe<br />

im Wandel und Vertrauen in die Zukunft.“<br />

Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie<br />

die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten<br />

in den Aufsichtsräten hätten<br />

zwar heute schon Gestaltungsmöglichkeiten<br />

in den Unternehmen. „Doch mit Blick<br />

auf bevorstehende Transformationsprozesse<br />

und ihre Schattenseiten brauchen<br />

wir eine neue Qualität in der Debatte<br />

über die Demokratisierung der Wirtschaft<br />

und in Unternehmen“, so Marx.<br />

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ergänzte,<br />

dass die Transformation eine systematische,<br />

politische und sozialstaatliche<br />

Begleitung der Arbeitswelt erfordere.<br />

Bertolt Meyer, Professor für Arbeits-, Organisations-<br />

und Wirtschaftspsychologie<br />

an der Technischen Universität Chemnitz,<br />

wies darauf hin, dass Transformation häufig<br />

mit Ängsten verbunden sei, insbesondere<br />

in einer sich ständig und immer<br />

schneller verändernden Arbeitswelt. Die<br />

besondere Herausforderung der aktuellen<br />

Transformation liege in der Kombination<br />

von Digitalisierung und demografischem<br />

Wandel, so Meyer. Es gehe deshalb auch<br />

darum, die Ängste und Verlustängste der<br />

Menschen ernst zu nehmen.<br />

Kerstin Marx ist es wichtig, dass die<br />

politischen Entscheider in Berlin erfahren,<br />

wie Mitarbeitende der Telekom die aktuelle<br />

Situation wahrnehmen und welche<br />

Erwartungen sie haben. „Meine Besuche<br />

im politischen Berlin dienen immer einem<br />

zentralen Ziel: Der Sicherung unserer Arbeitsplätze<br />

und damit der Sicherung unserer<br />

Zukunft!“. Und Kerstin Marx hält,<br />

was sie verspricht, so nutzte sie den weiteren<br />

Verlauf des Abends für Gespräche<br />

mit Mitgliedern des Bundestages und der<br />

Bundesregierung.<br />

Hier geht es zum Video der<br />

Konferenz auf YouTube


6<br />

1&1 MOBILFUNK GMBH<br />

Foto: Silke Leuckfeld<br />

ÜBERRASCHENDER WECHSEL<br />

Die 1&1 Mobilfunk GmbH („1&1 Mobilfunk“),<br />

eine hundertprozentige<br />

Konzerntochter der 1&1 AG, habe<br />

mit der Vodafone GmbH einen verbindlichen<br />

Vorvertrag für eine langfristige,<br />

exklusive National Roaming-<br />

Partnerschaft geschlossen, teilte<br />

1&1 Anfang August mit.<br />

VON SILKE LEUCKFELD<br />

Überrascht reagierten nicht nur Mitbewerber<br />

und Branchenkenner, sondern<br />

auch Telefónica, für die das keine gute<br />

Nachricht war.<br />

Telefónica Deutschland, mit der Mobilfunkmarke<br />

O 2 , hatte bisher laut Handelsblatt<br />

gute Geschäfte mit 1&1 gemacht.<br />

Von 453 Millionen Euro Free<br />

Cash flow im Jahr würden 200 Millionen<br />

Euro an 1&1 hängen. Dies bedeute<br />

geschätzte 500 bis 600 Millionen Euro<br />

Umsatz pro Jahr. Mit dem Wechsel zu<br />

Vodafone würden laut Handelsblatt diese<br />

Einnahmen wegfallen.<br />

Technischer Sprung nach vorn<br />

Bisher nutzt 1&1 als Reseller das Netz von<br />

Telefónica und in kleinerem Umfang auch<br />

von der Deutschen Telekom und Vodafone,<br />

da das Unternehmen noch nicht über<br />

eine flächendeckende eigene Versorgung<br />

verfügt. Der 5G-Standard war laut Handelsblatt<br />

bei dem Vertrag mit Telefónica<br />

für 1&1-Kunden ausdrücklich ausgeschlossen.<br />

Bei Vodafone erhalten sie<br />

künftig auch 5G.<br />

Eigener Ausbau lahmt<br />

Von den von 1&1 bis Ende 2022 ankündigten<br />

bundesweit 1000 Sendemasten<br />

senden bisher erst rund 40. Da dies im<br />

Jahr 2019 eine Auflage bei der Vergabe<br />

der Sendelizenzen war, läuft aktuell auch<br />

ein Bußgeldverfahren gegen 1&1 bei der<br />

Bundesnetzagentur. Verantwortlich für<br />

das Desaster sei nicht 1&1, sondern Vantage<br />

Tower, eine Vodafone-Tochter, monierte<br />

1&1-Chef Ralph Dommermuth<br />

öffentlich. Vantage Tower war damit beauftragt<br />

worden, die Sendestandorte zu<br />

liefern. Im Handelsblatt-Interview erklärte<br />

Dommermuth, dass Vantage Tower<br />

1600 Standorte für 5G-Antennen für<br />

Vodafone zur Verfügung gestellt habe,<br />

aber für 1&1 nur einige wenige. Deshalb<br />

hat 1&1 Beschwerde beim Bundeskartellamt<br />

eingereicht. Dennoch wechselt 1&1<br />

nun ausgerechnet zu Vodafone.<br />

Rotes Tuch Mitbestimmung<br />

In den vergangenen Jahren wurden Betriebsratsinitiativen<br />

von den Geschäftsleitungen<br />

immer wieder verhindert. Hier<br />

gibt es jetzt Bewegung, am Standort der<br />

1&1-Zentrale in Montabaur gibt es jetzt<br />

einen Wahlvorstand, die Betriebsratswahl<br />

wird mit Hilfe von ver.di vorbereitet,<br />

„Störfeuer“ von der Arbeitgeberseite gibt<br />

es bisher nicht.<br />

Tariftreue bindend<br />

ver.di fordert seit Jahren von der Politik,<br />

öffentliche Aufträge nur an mitbestimmte<br />

Unternehmen mit geltendem Tarifvertrag<br />

zu vergeben. Diese Vorgaben sollen<br />

auch für die Vergabe von Sendelizenzen<br />

gelten. Es könnte also durchaus im Interesse<br />

von 1&1-Chef Ralph Dommermuth<br />

sein, wenn in seiner Zentrale die betriebliche<br />

Mitbestimmung eingeführt und irgendwann<br />

auch ein Tarifvertrag mit<br />

ver.di abgeschlossen wird. Im Koalitionsvertrag<br />

der Bundesregierung wurde angekündigt,<br />

dass zur Stärkung der Tarifbindung<br />

die öffentliche Auftragsvergabe<br />

des Bundes an die Einhaltung eines<br />

repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen<br />

Branche gebunden werden soll,<br />

wobei die Vergabe auf einer einfachen,<br />

unbürokratischen Erklärung beruht. Einen<br />

Vorstoß dazu hat Bundesarbeitsminister<br />

Hubertus Heil (SPD) angekündigt. Er will<br />

noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf<br />

vorlegen, der die Tarifbindung für die<br />

Vergabe von öffentlichen Aufträge ab<br />

einer Vergabesumme von 10 000 Euro<br />

vorschreibt.<br />

Handelsblattartikel:<br />

https://kurzelinks.de/8mp0<br />

https://kurzelinks.de/l7t9


7 <strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

MITBESTIMMUNG<br />

1&1-Beschäftigte schreiben<br />

Betriebsratsgeschichte<br />

Nach vielen Jahren und noch mehr Versuchen, Betriebsräte innerhalb des<br />

United Internet-Konzerns oder in einem Unternehmen der 1&1-Gruppe zu<br />

gründen steht dies nun am Standort Montabaur unweigerlich bevor.<br />

VON ANDREAS WIESE<br />

Foto: privat<br />

Andreas Wiese<br />

IKT-Branchenkoordinator<br />

ver.di Landes bezirk<br />

Rheinland-Pfalz-<br />

Saarland<br />

Drei mutige Beschäftigte der größten Einzelgesellschaft<br />

der 1&1-Gruppe, der 1&1<br />

Telecommunication SE, haben sich aufgemacht,<br />

eine Betriebsratswahl zu initiieren.<br />

Dafür war ein langer Atem, aber auch<br />

eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts<br />

notwendig. Mit tatkräftiger<br />

Unterstützung von ver.di steht nun der<br />

Wahlvorstand. Die Vorbereitungen für die<br />

erste Betriebsratswahl haben begonnen.<br />

Die ver.di-Landesbezirksfachgruppe IKT<br />

Rheinland-Pfalz-Saarland hat die drei Kollegen<br />

unterstützt und im Rahmen von<br />

drei Aktionstagen vor der Kantine der<br />

1&1-Zentrale in Montabaur die Beschäftigten<br />

über die bevorstehenden Betriebsratswahlen<br />

informiert. Gleichzeitig wurden<br />

sie aufgefordert, sich auch zur Wahl<br />

aufstellen zu lassen. Denn was wäre eine<br />

Betriebsratswahl ohne die Kandidat:innen!<br />

Ohne „Störung“ durch den Arbeitgeber(!)<br />

wurden viele Gespräche mit interessierten<br />

Beschäftigten und über die Arbeit<br />

eines Betriebsrates sowie über die<br />

Kandidatur zum Betriebsrat geführt. Informiert<br />

wurde natürlich auch über die<br />

Sinnhaftigkeit einer ver.di-Mitgliedschaft<br />

und den damit verbundenen Vorteilen.<br />

Und auch wenn es bis zur Betriebsratswahl<br />

wohl noch einige Tage sind, werden<br />

wir weiter Informieren und für ver.di, als<br />

auch für unsere Liste werben.<br />

JETZT ONLINE BEITRETEN<br />

mitgliedwerden.verdi.de<br />

Fotos: ver.di<br />

BRANCHENPOLITIK<br />

Frequenznutzung soll verlängert werden<br />

Die Bundesnetzagentur will die Nutzungsrechte<br />

für Mobilfunknetze verlängern.<br />

Für den Staat ein schlechtes<br />

Geschäft, die Frequenzauktion im<br />

Jahr 2019 hatte rund 6,6 Milliarden<br />

Euro eingebracht.<br />

Die Bundesnetzagentur will die Nutzungsrechte<br />

für die Mobilfunkfrequenzen, die<br />

Ende 2025 auslaufen, zunächst verlängern.<br />

Am 13. September wurden die Rahmenbedingungen<br />

einer Übergangsentscheidung<br />

zur Bereitstellung der Frequenzen<br />

in den Bereichen 800 MHz, 1800<br />

MHz und 2600 MHz ab dem Jahr 2026<br />

zur Konsultation gestellt. Dies bedeutet,<br />

dass die Mobilfunkbetreiber Stellungnahmen<br />

zu den vorgesehenen Rahmenbedingungen<br />

abgeben können. Vorgeschlagen<br />

ist eine Verlängerung von fünf Jahren.<br />

Die endgültige Entscheidung, ob die<br />

Nutzungsrechte für die Mobilfunkfrequenzen<br />

verlängert werden, soll Anfang<br />

2024 fallen. Diese Frequenzen sollen<br />

dann zusammen mit Nutzungsrechten<br />

vergeben werden, die 2033 auslaufen.<br />

Hierüber will die Bundesnetzagentur im<br />

Jahr 2028 entscheiden.<br />

Die Mobilfunkbetreiber Deutsche Telekom,<br />

Vodafone und Telefónica (O 2 ) hatten<br />

– ebenso wie ver.di – gefordert, die<br />

Frequenznutzung nicht in einer erneuten<br />

Versteigerung zu vergeben. ver.di hat bei<br />

der Forderung zu einer Verlängerung der<br />

Lizenzen immer damit argumentiert, auf<br />

teure Auktionen zugunsten verstärkter<br />

Investitionen im Netzausbau zu verzichten.<br />

Die Bundesnetzagentur will nun die<br />

Verlängerung der Nutzungsrechte mit der<br />

Pflicht verknüpfen, die Netzabdeckung im<br />

ländlichen Raum signifikant zu verbessern.<br />

<br />

PM/SIL<br />

Ausführliche Pressemitteilung:<br />

https//kurzelinks.de/5m0s


8<br />

OXOXOXOXOOX<br />

JUGEND<br />

Duales Studium mit ver.di<br />

Foto: Manfred Geneschen<br />

JETZT ONLINE BEITRETEN<br />

mitgliedwerden.verdi.de<br />

Du hast jetzt mit deinem dualen Studium<br />

begonnen? Wenn du Fragen hast oder<br />

Hilfe brauchst, stehen dir die Auszubildendenvertretungen<br />

und die Betriebsräte<br />

in deinem Betrieb zur Seite. Bei der<br />

Telekom heißen sie Auszubildendenvertretungen,<br />

in den anderen Betrieben<br />

Jugend- und Auszubildendenvertretung.<br />

Wir kürzen sie (J)AV ab.<br />

ver.di, die (J)AVen und auch die Betriebsräte<br />

arbeiten eng zusammen. Als<br />

Gewerkschaft schließen wir Tarifverträge<br />

ab. Die (J)AVen und die Betriebs- und Personalräte<br />

achten darauf, dass sie eingehalten<br />

werden.<br />

Und gemeinsam haben wir schon sehr<br />

viel erreicht. So wollte die Telekom die<br />

Zahl der Ausbildungsplätze radikal kürzen.<br />

Nachdem wir ordentlich Druck gemacht<br />

haben, werden auch in diesem<br />

Jahr wieder 1900 Ausbildungsplätze angeboten.<br />

Ob Übernahme, Fahrtkostenerstattung,<br />

bezahlbarer Wohnraum für Ausbildende<br />

und dual Studierende, höhere<br />

Ausbildungsvergütungen… Wir setzen<br />

uns für die Interessen der jungen ver.di-<br />

Mitglieder ein.<br />

Um viel zu erreichen, brauchen wir<br />

eine starke Basis mit vielen ver.di-Mitgliedern.<br />

Deshalb: Wir brauchen dich!<br />

WETTBEWERB<br />

Jetzt mitmachen!<br />

Ihr alle seid aufgerufen, euch zu beteiligen und mit einem Wettbewerbsbeitrag ein kreatives Zeichen gegen Rassismus,<br />

Ausgrenzung und für ein solidarisches Miteinander zu setzen!<br />

Gesucht werden Beiträge, die im Jahr 2022 und <strong>2023</strong> entstanden sind und bei keinem Wettbewerb prämiert wurden.<br />

Erlaubt sind alle Projektarten, Darstellungsformen und Medien.<br />

Auf die Gewinner:innen warten Preise:<br />

• 1000 Euro für den ersten Preis,<br />

• 700 Euro für den zweiten Preis,<br />

• 500 Euro für den dritten Preis,<br />

• 500 Euro für den Sonderpreis Saarland,<br />

• 500 Euro für den Sonderpreis DGB-Jugend Rheinland-Pfalz/Saarland,<br />

• 500 Euro für den Sonderpreis DGB-Jugend Nordrhein-Westfalen.<br />

Die Schirmherrschaft haben die saarländische Ministerpräsidentin,<br />

Anke Rehlinger, und die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes,<br />

Yasmin Fahimi, übernommen.<br />

Der Einsendeschluss für die Wettbewerbsbeiträge ist der 14. Januar 2024.<br />

Die Darstellungsform ist frei.<br />

Hier geht es zur Ausschreibung: https://kurzelinks.de/6rfy


9 <strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

STUDIE<br />

Krisenerwachsen<br />

Globale Finanzkrise, Klimawandel, Coronapandemie, Ukraine-Krieg, Inflation<br />

und Energiekrise – keine junge Generation der Nachkriegszeit hat solch verdichtete<br />

Krisenzeiten erlebt wie die jetzt 16- bis 30-Jährigen. Was macht<br />

diese Krisenerfahrung mit den jungen Menschen? Wie beurteilen sie angesichts<br />

der Dauerkrisenerfahrung ihr eigenes Leben und ihre Position in der<br />

Gesellschaft? Mit welchen Erwartungen treten junge Wähler:innen Politik<br />

und Parteien gegenüber?<br />

DGB-Jugend-Referatsleiterin Anna Bruckner<br />

sah anlässlich der Präsentation der<br />

Studie im Bereich Arbeit und Soziales<br />

Handlungsbedarf: „Für die Demokratie ist<br />

es wichtig, junge Leute in die Lage zu versetzen,<br />

ihr Leben selbst bestimmen zu<br />

können. 88 Prozent wollen soziale Sicherheit<br />

und ein gutes Einkommen, zudem<br />

sind ihnen Freundschaften und Beziehungen<br />

sehr wichtig; sie wollen ein gutes<br />

Leben führen. Gute Arbeit bedeutet gute<br />

Löhne: Darum ist die Tarifbindung der<br />

Betriebe überaus wichtig.“<br />

Link zur Studie:<br />

https://kurzelinks.de/qbva<br />

Diese Fragen standen im Mittelpunkt der<br />

vorliegenden Studie, die auf Forschungsergebnissen<br />

von infratest dimap und<br />

Kantar Public basiert. Dafür wurden zuerst<br />

4059 Wahlberechtigte im Alter<br />

von 16 bis 30 Jahren befragt. Hinzu<br />

kamen anschließend neun Fokusgruppendiskussionen,<br />

die vertiefend durchgeführt<br />

wurden.<br />

„Die Parteien leben halt<br />

von den Stimmen der alten<br />

Menschen. Sie möchten ja<br />

auch weiter im Rennen sein,<br />

und dementsprechend<br />

schenken sie natürlich eher<br />

der Mehrheit das Gehör,<br />

was halt eben die alten<br />

Menschen sind, um ihre<br />

Stimmen zu bekommen,<br />

(…) ist halt Scheiße für uns.“<br />

weiblich, 23 Jahre<br />

Christoph Döbele, Jan Niklas Engels, Roberto Heinrich,<br />

Nicole Loew, Catrina Schläger, Anja Miriam Simon und<br />

Anne-Kathrin Vitt<br />

Krisenerwachsen<br />

Wie blicken junge Wähler:innen auf<br />

Politik, Parteien und Gesellschaft?<br />

Soziale Sicherheit<br />

Zentrales Ergebnis: In Zeiten zunehmender<br />

Verunsicherung haben für junge Menschen<br />

Wertorientierungen, die für Sicherheit<br />

stehen, einen hohen Stellenwert. Fast<br />

neun von zehn erachten es als wichtig,<br />

ein sicheres Einkommen zu haben. Soziale<br />

Beziehungen in Freundeskreis und Familie<br />

bilden ebenfalls zentrale Orientierungspunkte<br />

– und die „weichen Faktoren“:<br />

Vielfalt der Menschen respektieren,<br />

sozial Benachteiligten helfen, tolerant<br />

gegenüber anderen Meinungen sein werden<br />

als weitere wichtige Werte genannt.<br />

Von geringerer Relevanz ist es dagegen,<br />

sich und die eigenen Bedürfnisse<br />

gegen andere durchzusetzen: Nur jeder<br />

Dritte (33 Prozent) der unter 30-Jährigen<br />

erachtet das Streben nach Macht und Einfluss<br />

als überdurchschnittlich wichtig.<br />

Was bedeutet das politisch? Auf einer<br />

Links-Rechts-Skala von 0 („links“) bis 10<br />

(„rechts“) positionieren sie sich im Durchschnitt<br />

bei einem Wert von 4,5 – also<br />

leicht links der Mitte. Dabei halten sich<br />

junge Frauen (4,2) für etwas weiter links<br />

als junge Männer (4,8).<br />

Gute Arbeit – gute Demokratie<br />

Diesen Artikel haben wir von der<br />

„Soli aktuell“ der DGB-Jugend<br />

übernommen.<br />

Tipp: Die „Soli aktuell“ ist das Monatsmagazin<br />

der DGB-Jugend. Die Redaktion<br />

berichtet über alles, was in der<br />

gewerkschaftlichen Jugendarbeit passiert.<br />

Du findest darin News und Hintergründe<br />

zu Themen, die junge Menschen<br />

betreffen. Ob globalisierungskritische<br />

Bewegungen, Kampagnen gegen<br />

Studiengebühren oder gegen<br />

Ausländerfeindlichkeit, Jugendcamps,<br />

Workshops oder Musikfestivals: Die<br />

„Soli aktuell“ hält dich auf dem Laufenden<br />

in Sachen Jugendpolitik. Abo<br />

und Versand sind kostenfrei.<br />

https://jugend.dgb.de


10<br />

UNI WELTKONGRESS<br />

Kampf für Demokratie und<br />

Gerechtigkeit globalisieren<br />

Fotos: UNI Global Union<br />

In der letzten Augustwoche fand der<br />

Weltkongress des gewerkschaftlichen<br />

Dachverbands UNI Global<br />

Union in Philadelphia/USA statt. UNI<br />

Global Union vertritt mehr als 20<br />

Millionen Beschäftigte in den Dienstleistungsbranchen<br />

in 150 Ländern.<br />

Gewerkschafter:innen aus 109 Ländern<br />

waren zusammengekommen, um über<br />

dringende Themen zu diskutieren, die Arbeitnehmer:innen<br />

weltweit betreffen.<br />

Unter ihnen war auch eine ver.di-Delegation,<br />

einschließlich dem ver.di-Vorsitzenden<br />

Frank Werneke und der stellvertretenden<br />

ver.di-Vorsitzenden Andrea<br />

Kocsis, die beide in den UNI-Vorstand<br />

gewählt wurden.<br />

Tarifverträge schützen<br />

Wiedergewählt wurde Christy Hoffman als<br />

Generalsekretärin und Gerard Dwyer als<br />

neuer Präsident der UNI. In ihrer Dankesrede<br />

sprach Hoffman über die enormen<br />

Herausforderungen und Chancen, denen<br />

sich die Gewerkschaften in der ganzen<br />

Welt gegenübersehen. „Dies ist ein Umfeld,<br />

das Ehrgeiz und Strategie erfordert,<br />

um das, was ein flüchtiger Moment sein<br />

mag, in einen dauerhaften Wandel zu verwandeln<br />

und einen Sprung nach vorne in<br />

der Reichweite von Tarifverhandlungen zu<br />

machen. Wie wir immer wieder gehört<br />

haben, brauchen wir Tarifverhandlungen<br />

auf betrieblicher Ebene, aber wir brauchen<br />

auch mehr. Wir brauchen sektorale Tarifverhandlungen“,<br />

sagte sie.<br />

Für Frieden, Demokratie und<br />

Menschenrechte<br />

Auf dem Programm standen leidenschaftliche<br />

Reden und Diskussionen, die von<br />

Aktivist:innen, Gewerkschaftsführer:innen<br />

und Regierungsvertreter:innen geführt<br />

wurden. Edwin Palma Egea, stellvertretender<br />

Minister für Arbeit in Kolumbien,<br />

betonte die Notwendigkeit globaler<br />

Einheit in der Gewerkschaftsbewegung<br />

und erklärte: „Die Globalisierung der<br />

Kämpfe für Demokratie und Gerechtigkeit<br />

ist ein Meilenstein für die Gewerkschaftsbewegung<br />

und die UNI Global Union.“<br />

Schwester Khaing Zhar, Leiterin des Gewerkschaftsbundes<br />

von Myanmar (Myanmar<br />

Confederation of Trade Unions) betonte<br />

die Notwendigkeit der internationalen<br />

Solidarität im Kampf gegen die<br />

Militärherrschaft in Myanmar und dankte<br />

der UNI für ihre Unterstützung.<br />

Ausgezeichnete Arbeit trotz Krieg<br />

„Be Like Nina“, die ukrainische Gewerkschaft<br />

für das Gesundheitswesen, wurde<br />

mit dem Preis „Freedom from Fear<br />

Award“ ausgezeichnet. Die Gewerkschaft<br />

hat sich trotz Krieg und Pandemie weiterhin<br />

für die Pflegekräfte in der Ukraine<br />

organisiert und eingesetzt. Gewerkschaftsvertreterin<br />

Oksana Slobodiana betonte:<br />

„Unsere Gewerkschaftsarbeit ist<br />

jetzt sehr wichtig, wo wir die Grundrechte<br />

der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen<br />

und die Menschenrechte verteidigen.<br />

Und sie wird nach dem Krieg nicht weniger<br />

wichtig sein, um die Rechte, die wir<br />

verloren haben, wiederherzustellen und


11<br />

<strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

faire Arbeitsbedingungen für die Menschen<br />

zu gewährleisten.“<br />

Ebenfalls mit dem Preis ausgezeichnet<br />

wurde der kolumbianische Gewerkschaftsführer<br />

Luis Fernando Rodriguez<br />

von der Grafik- und Verpackungsgewerkschaft<br />

SINTRAPULCAR. Luis Fernando hat<br />

trotz Schikanen, Drohungen und sogar<br />

einem Attentatsversuch seine Arbeit fortgesetzt.<br />

Harte Arbeit im Callcenter<br />

Der Kongress wurde zu einer Plattform,<br />

auf der die unterschiedlichen, aber miteinander<br />

verbundenen Kämpfe zum Ausdruck<br />

gebracht wurden. „Die Arbeit in<br />

einem Callcenter auf den Philippinen ist<br />

wirklich sehr hart. Wir müssen meistens<br />

nachts arbeiten, die meisten Arbeiter haben<br />

Schlafmangel. Wenn ein Kunde anruft,<br />

dann nicht, um seine Zufriedenheit<br />

zu bekunden, sondern weil er ein Problem<br />

oder einen Notfall hat. Ihre Frustration<br />

wird an den Arbeiterinnen und Arbeitern<br />

ausgelassen, die Tausende von<br />

Kilometern entfernt sind und unter<br />

Schlaf entzug leiden“, berichtete Mylene<br />

Cabalona, Präsidentin des BIEN auf den<br />

Philippinen. Die meisten Arbeiter:innen<br />

verdienten weniger als 300 US-Dollar im<br />

Monat. Viele Callcenter-Beschäftigte können<br />

also ihre Familien nicht ernähren und<br />

leben in Armut, betonte sie: „Diese Unternehmen<br />

könnten mehr zahlen, wenn<br />

sie wollten. Die Arbeit im Kundendienst<br />

ist wirklich hart und wir werden schlecht<br />

bezahlt.“ Der Beitrag von Mylene war Teil<br />

einer Diskussionsrunde über die Rechenschaftspflicht<br />

von Unternehmen. Diego<br />

Velasco aus Kolumbien wies auf die psychische<br />

Belastung der Moderatoren von<br />

Inhalten hin, die für die Sicherheit im Internet<br />

sorgen – ein Problem, das oft übersehen<br />

wird. Lucia Trenor aus Spanien<br />

schloss sich dem Gefühl der Solidarität an<br />

und betonte, dass die Arbeitnehmer:innen<br />

mit vielen der gleichen Probleme<br />

konfrontiert sind, unabhängig davon, in<br />

welchem Land sie sich befinden.<br />

Menschenrechte im Fokus<br />

Bei einer Diskussionsrunde erläuterte Alke<br />

Boessiger, stellvertretende Generalsekretärin<br />

der UNI Global, das Engagement<br />

von UNI für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht<br />

von Unternehmen: „UNI setzt<br />

sich dafür ein, dies zu ändern, indem sie<br />

sich für eine obligatorische menschenrechtliche<br />

Sorgfaltspflicht für Unternehmen,<br />

durchsetzbare OECD-Leitlinien, einen<br />

globalen Vertrag über Gerechtigkeit<br />

in der Lieferkette, ein IAO-Übereinkommen<br />

über die Lieferkette und Handelsabkommen<br />

in Verbindung mit der Achtung<br />

der Menschenrechte einsetzt.“ Es sei<br />

notwendig, die Regeln zu ändern. Aber<br />

es müssten auch die bestehenden Instrumente<br />

genutzt werden. „Ein wichtiger<br />

Teil unseres Ansatzes zur Unternehmensverantwortung<br />

ist die Aushandlung von<br />

Vereinbarungen mit globalen Unternehmen,<br />

durch die wir Rechte sichern, die<br />

über das lokale Recht hinausgehen, insbesondere<br />

das Recht, sich zu organisieren<br />

und zu verhandeln“, betonte sie.<br />

Quellen:<br />

https://uniglobalunion.org<br />

ver.di:<br />

https://kurzelinks.de/a8r8<br />

Solidaritätsmarsch<br />

Mehr als 1000 Gewerkschafter:innen aus<br />

190 Ländern, die am UNI-Weltkongress<br />

teilnahmen, beteiligten sich an einer<br />

Demonstration von fast tausend gewerblichen<br />

Büroreiniger:innen, Wartungsarbeiter:innen<br />

und Mechaniker:innen der<br />

32BJ SEIU durch die Innenstadt von Philadelphia.<br />

Mit dabei war Marta Müller (Foto<br />

rechts), Vorsitzende der IKT-Jugend. Die<br />

Demonstrierenden forderten einen fairen<br />

Gewerkschaftsvertrag für die örtlichen<br />

Hausmeister:innen, deren Vertrag am 15.<br />

Oktober ausläuft.<br />

Die Verhandlungen zwischen 32BJ SEIU<br />

und Building Owners Labor Relations,<br />

Inc. (BOLR) hatten am 22. August begonnen.<br />

Die Gebäudeeigentümer wollen<br />

schwerwiegende Kürzungen durchsetzen,<br />

die zu erheblichen Gehaltseinbußen<br />

und Leistungskürzungen für die 2000<br />

Reinigungskräfte in Philadelphia führen<br />

sollen.<br />

Ausführlich unter<br />

https://kurzelinks.de/pr0z<br />

Foto: UNI Global Union<br />

Foto: Odysseus Chassidis


12<br />

VER.DI-BUNDESKONGRESS<br />

Fotos: Kay Herschelmann (4), Charles Yunck (2)<br />

MORGEN BRAUCHT UNS.<br />

Mit einem positiven Ausblick auf die Mitgliederentwicklung im Jahr <strong>2023</strong>,<br />

einer erfolgreichen tarifpolitischen Bilanz und deutlicher Kritik an der Haushalts-<br />

und Sozialpolitik der Bundesregierung begann der 6. ver.di-Bundeskongress<br />

unter dem Motto „Morgen braucht uns.“ am 17. September <strong>2023</strong><br />

in Berlin. Bis 22. September wählten knapp 1000 Delegierte einen neuen<br />

Bundes vorstand sowie einen neuen Gewerkschaftsrat und berieten mehr als<br />

900 Anträge zu Gewerkschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik.<br />

Demnach verzeichnet ver.di mit mehr als<br />

140 000 Neueintritten, darunter 35 000<br />

junge Menschen, den höchsten Zuwachs<br />

seit Gründung der Dienstleistungsgewerkschaft<br />

vor mehr als 22 Jahren.<br />

„Wir werden in diesem Jahr auch im Saldo<br />

mit einem deutlichen Mitgliederzuwachs<br />

von mehreren zehntausend Mitgliedern<br />

abschließen“, prognostizierte<br />

der ver.di- Vorsitzende Frank Werneke.<br />

Gleichzeitig zog Werneke ein positives<br />

Fazit der Tarifrunden des Jahres <strong>2023</strong><br />

und stimmte die Delegierten auf weiterhin<br />

harte tarifpolitische Auseinandersetzungen<br />

ein. Mithilfe neuer Instrumente<br />

wie Stärketests und der Mobilisierung<br />

von „Tarifbotschafter:innen“ sei es gelungen,<br />

erfolgreicher zu werden. ver.di<br />

werde den „Weg einer konsequenten<br />

Vertretung der Interessen der Beschäftigten“<br />

weiter beschreiten.<br />

Kritik an der Bundesregierung<br />

„Wir sehen auf ganzer Breite ein Spardiktat<br />

zulasten der Bereiche Soziales, Integration<br />

und Bildung“, sagte Werneke. Es<br />

sei eine „fatale Fehlentscheidung“, die<br />

Schuldenbremse wieder zu aktivieren und<br />

gleichzeitig Unternehmenssteuern zu senken.<br />

Dies habe dramatische Folgen. „Seit<br />

2005 wächst in Deutschland jedes fünfte<br />

Kind in Armut auf. Das ist für ein reiches<br />

Land wie Deutschland ein vernichtendes<br />

Zeugnis“, stellte Werneke klar. Die geplanten<br />

2,5 Milliarden Euro zur Finanzierung<br />

der Kindergrundsicherung reichten nicht<br />

aus. „Da muss deutlich mehr kommen.“<br />

Und: „Wir brauchen mehr Investitionen in<br />

Schulen, Kitas und Chancen auf dem Arbeitsmarkt“,<br />

so der ver.di-Vorsitzende.<br />

Dogma Schuldenbremse<br />

Auch an anderen Stellen gehe der Haushaltsentwurf<br />

der Ampelkoalition in die<br />

„völlig falsche Richtung“: Die Pflegeversicherung<br />

sei „chronisch unterfinanziert“,<br />

gleichzeitig werde jährlich eine Milliarde<br />

Euro an Bundeszuschüssen gestrichen. Bei<br />

den Studierenden sollen künftig 440 Millionen<br />

Euro und beim Schüler-BAföG<br />

210 Millionen Euro eingespart werden.<br />

Deutschland könne sich das Dogma der<br />

Schuldenbremse schlichtweg nicht leisten.<br />

Keine Zockerei mit der Rente<br />

Kritisch sieht ver.di die Rentenpläne der<br />

Bundesregierung. Es sei ein Teilerfolg<br />

der ver.di-Aktivitäten, dass das Rentenniveau<br />

nunmehr bei 48 Prozent festgeschrieben<br />

werden solle, sagte Werneke.<br />

Allerdings sei der geplante Aufbau des<br />

sogenannten „Generationenkapitals“, bei


13 <strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

STIMMEN ZUM BUNDESKONGRESS AUS UNSERER FACHGRUPPE IKT<br />

Yvonne Schroeder<br />

„,Morgen braucht uns‘ ist das Motto des 6. ver.di-Bundeskongresses – also: Morgen<br />

braucht auch Dich und mich!<br />

Ich fahre mit einer großen Erwartung zum Bundeskongress – für mich ist es der<br />

Erste. Viele gute Anträge liegen uns vor und ich freue mich schon auf die Diskussionen<br />

mit den anderen Fachbereichen, um gemeinsame Meilensteine für die nächsten<br />

Jahre zu legen. Gerade der Austausch mit den anderen Fachbereichen und Fachgruppen<br />

gibt mir neue und oft tiefere Einblicke in die Diskussionen. Zudem kennt<br />

man viele ver.dianer:innen nur per E-Mail oder WebEx und es ist schön, sie auch mal<br />

in live und in Farbe kennenzulernen. Deshalb freue ich mich auf diese Austauschmöglichkeit!“<br />

dem jährlich künftig zwölf Milliarden<br />

kredit finanzierte Euro auf dem Kapitalmarkt<br />

angelegt und zudem die Bundesbeteiligungen<br />

an Post und Telekom eingebracht<br />

werden sollen, um ergänzend zur<br />

Rentenfinanzierung beizutragen, nichts<br />

anderes als ein Einstieg in einen Systemwechsel,<br />

bei dem künftig ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge<br />

am Kapitalmarkt<br />

angelegt werden solle. Werneke:<br />

„Stoppt die Zockerei mit unserer Rente!“<br />

Sonderseite zum ver.di-Bundeskongress:<br />

https://kurzelinks.de/95w1<br />

WAHLEN<br />

Neue Spitzen gewählt<br />

Als ver.di-Vorsitzender wurde der<br />

56-jährige Frank Werneke mit 92,5<br />

Prozent im Amt bestätigt. Ebenfalls<br />

erneut in den Vorstand der Gewerkschaft<br />

gewählt und als stellvertretende<br />

ver.di-Vorsitzende bestätigt wurden<br />

Andrea Kocsis mit 91,3 Prozent<br />

und Christine Behle mit 93,5 Prozent.<br />

Wiedergewählt wurden auch<br />

Sylvia Bühler, Christoph Meister,<br />

Detlef Raabe und Christoph<br />

Schmitz. Neu im ver.di Bundesvorstand<br />

sind Rebecca Liebig und Silke<br />

Zimmer die auf Dagmar König und<br />

Stefanie Nutzenberger folgen.<br />

Zudem wählten die Delegierten einen<br />

neuen Gewerkschaftsrat. Das höchste<br />

beschlussfassende Organ zwischen<br />

den ver.di-Bundeskongressen wird<br />

künftig von Lisette Hörig geleitet. Sie<br />

folgt auf Martina Rößmann-Wolf.<br />

Cornelia Parisi-Bohmholdt<br />

„Ich bin zum Kongress gefahren mit der Erwartung, dass wir unter dem Slogan ‚Morgen<br />

braucht uns‘ deutlich machen, dass wir Zukunftsbotschaften an unsere Mitglieder und<br />

an die Politik senden werden. Gerade ist die Eröffnungsveranstaltung zu Ende gegangen<br />

und es gab wichtige Statements für eine gute Zukunft in einer Zeit mit vielen Veränderungen.<br />

Wir müssen als große Gewerkschaft daran arbeiten, die Zukunft zu gestalten,<br />

für eine Zukunft der Arbeit, der Gesellschaft und der Solidarität. Der Bundeskongress<br />

ist das höchste Organ unserer Gewerkschaft und legt in diesem Kongress die Grundsätze<br />

für die Arbeit der nächsten vier Jahre fest. Ich bin gespannt auf die Diskussionen<br />

mit den Delegierten und hoffe auf zukunftsweisende Beschlüsse.<br />

Natürlich darf auch der Spaß nicht fehlen und nach einem arbeitsreichen Tag werden<br />

diverse Abendveranstaltungen stattfinden. Ganz besonders freue ich mich auf den<br />

Landesbezirksabend am Sonntag und den ver.di-Abend am Dienstag.“<br />

Ina Buyny<br />

„Ich will ehrlich sein, manche Anträge, die auf dem Kongress gestellt wurden, konnte<br />

ich nicht nachvollziehen. Aber wer bin ich schon, die Forderungen anderer in<br />

Frage zu stellen und deren Anträge abzulehnen? Doch das soll nicht mein Thema<br />

sein. Es gab viele Themen über die gesprochen wurde: Corona, Ukrainekrieg, Tarifrunden<br />

und vieles mehr. Ich will aber auf eine Aussage von Frank Werneke eingehen,<br />

die mich als ver.dianerin stolz macht und zu der ich voll ganz stehe. Ich hoffe, jede<br />

und jeder, die/der das liest, auch: ‚ver.di steht für eine vielfältige, eine solidarische<br />

Gesellschaft, in der alle Menschen gleichberechtigt leben können, egal woher sie<br />

kommen, woran sie glauben, wie sie aussehen, welches Geschlecht sie haben oder<br />

wen sie lieben. Antisemitismus ist für uns keine Jugendsünde. Die Menschenrechte<br />

gelten für alle und sind nicht verhandelbar – auch nicht für Geflüchtete, die ein<br />

Menschenrecht auf Asyl haben. Die Verteilungsfrage ist für uns eine zwischen Kapital<br />

und Arbeit und nicht eine Frage der Herkunft, wie die Rechten das behaupten.<br />

Deshalb: Keinen Fußbreit den Faschisten, keinen Fußbreit den Nazis und keinen<br />

Fußbreit ihren Helfern!‘“<br />

Constantin Greve<br />

„Dies ist mein vierter Bundeskongress und ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert über<br />

die Breite und Themenvielfalt unserer Gewerkschaft, die hier auf dem Kongress ganz<br />

komprimiert beinahe anfassbar zu Tage tritt und gleichzeitig gespannt auf die Dynamik,<br />

die Diskussionen und Überraschungen, die er bereithält. Ich finde, das ist motivierend,<br />

macht Mut und gibt Energie für die weitere Arbeit.<br />

Ich bin sehr gespannt auf die Debatte zum Antrag Perspektiven für Frieden, Sicherheit<br />

und Abrüstung in einer Welt im Umbruch. Das Thema ist schwierig und die Frage, wie<br />

uns die Debatte dazu gelingt, ist – wie ich finde – der Gradmesser für unsere Diskussionsfähigkeit.“<br />

Florian Moser<br />

„Der Bundeskongress ist für mich der Ort, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.<br />

Hier diskutieren wir gemeinsam, korrigieren Fehler und motivieren uns, um den unruhigen<br />

Zeiten gemeinsam und solidarisch zu begegnen und diese mit positiver Haltung<br />

mitzugestalten. Es geht darum, voneinander zu lernen, sich zu vernetzen und gemeinsam<br />

stärker zu werden.“


14<br />

BESOLDUNGSRUNDE <strong>2023</strong><br />

Respektabel und nachhaltig<br />

Die Bezüge der aktiven Beamt:innen des Bundes, der Anwärter:innen und<br />

der Versorgungsempfänger:innen werden ab 1. März 2024 in bedeutendem<br />

Umfang erhöht. Das betrifft auch die Beamt:innen bei der Telekom. Noch<br />

steht der parlamentarische Beschluss von Bundesrat und Bundestag zum<br />

vorliegenden Gesetzentwurf zur Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassung<br />

für <strong>2023</strong>/2024 aus. Dieser soll im Herbst erfolgen.<br />

VON ANITA SCHÄTZLE<br />

Das Ergebnis des Tarifabschlusses für die<br />

Beschäftigten im Öffentlichen Dienst vom<br />

22. April <strong>2023</strong> wird 1:1 übertragen. Damit<br />

ist die Forderung von DGB und von<br />

ver.di erfüllt. Die Einkommenssteigerung<br />

ist beachtlich, sie sichert die Teilhabe an<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung.<br />

Angemessene Entwicklung<br />

Der Gesetzgeber ist nach § 14 Abs. 1<br />

BBesG und nach § 70 des Beamtenversorgungsgesetzes<br />

(BeamtVG) nicht nur verpflichtet,<br />

die Besoldungs- und Versorgungsbezüge<br />

regelmäßig an die Entwicklung<br />

der allgemeinen wirtschaftlichen<br />

und finanziellen Verhältnisse anzupassen.<br />

Der Gesetzgeber ist auch verpflichtet, den<br />

verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz<br />

der amtsangemessenen Besoldung<br />

und Versorgung zu beachten. Dazu dient<br />

der Einbau des Sockelbetrags in die Besoldungstabelle.<br />

Die Erhöhung in dieser Form hat aber<br />

eine abstandsmindernde Wirkung zwischen<br />

den Besoldungsgruppen zur Folge.<br />

Vor dem Hintergrund der besonderen<br />

Ausnahmesituation einer andauernd historisch<br />

hohen Inflation, die insbesondere<br />

Beamt:innen in den unteren und mittleren<br />

Besoldungsgruppen in besonderer<br />

Weise belastet, sei diese Maßnahme<br />

dienstrechtspolitisch geboten, so die Bundesregierung.<br />

ver.di und der DGB begrüßen die Übertragung<br />

dieser sozialen Komponente in<br />

das Besoldungsgefüge. Gleichwohl muss<br />

die amtsangemessene Besoldung längerfristig<br />

und verlässlich ausgestaltet werden.<br />

ver.di und der DGB fordern unter<br />

anderem, die Eingangsämter anzuheben<br />

und sie den gestiegenen beruflichen Anforderungen<br />

anzupassen.<br />

Gesonderte Tabellen PNU<br />

Nach wie vor gelten gesonderte Besoldungstabellen<br />

für die Beamt:innen bei<br />

den Postnachfolgeunternehmen (PNU).<br />

Die Beträge werden mittels Multiplikation<br />

mit einem Faktor < 1 (bisher 0,9524)<br />

gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 BBesG abgesenkt.<br />

Grund ist die herausgerechnete<br />

Sonderzahlung (Weihnachtsgeld). Ob vor<br />

dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

von 2020 zur amtsangemessenen<br />

Besoldung die gesonderten Besoldungstabellen<br />

überhaupt weiterbestehen<br />

können, bleibt zu prüfen.<br />

Starker Einsatz zahlt sich aus<br />

Die Grundgehälter der Besoldungsordnungen<br />

A, B, W und R werden um 200<br />

Euro angehoben (Sockelbetrag) und<br />

gleichzeitig um 5,3 Prozent erhöht. Um<br />

jeweils 11,3 Prozent erhöht werden die<br />

dynamischen Zulagen, dazu zählen unter<br />

anderem der Familienzuschlag und die<br />

Amtszulage. Die Anwärtergrundbeträge<br />

orientieren sich künftig an der Entwicklung<br />

der Eingangsämter der jeweiligen<br />

Laufbahngruppen. Die Berücksichtigung<br />

der Versorgungsrücklage gemäß § 14a<br />

Abs. 1 Satz 2 Bundesbesoldungsgesetz<br />

(BBesG) gilt noch bis 31. Dezember 2024.<br />

Zuletzt waren Besoldung und Versorgung<br />

zum 1. April 2022 um 1,8 Prozent, zum<br />

1. April 2021 um 1,2 Prozent und zum<br />

1. März 2020 um 1,06 Prozent erhöht<br />

worden.<br />

Die parlamentarische Beschlussfassung<br />

des Gesetzentwurfs zur Bundesbesoldungs-<br />

und Versorgungsanpassung ist im<br />

Herbst vorgesehen, die Verkündung im<br />

November. ver.di setzt sich weiterhin für<br />

bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen<br />

ein.<br />

Anita Schätzle<br />

Gewerkschaftssekretärin<br />

i. R.<br />

Foto: privat<br />

Wirkung der geplanten Änderungen<br />

Berechnungsbeispiele – gesonderte Besoldungstabelle PNU:<br />

BesGr Stufe 7 Grundgehalt aktuell Grundgehalt geplant Differenz prozentuale Steigerung<br />

A 8 3308,23 € 3684,66 € 376,43 € + 11,38<br />

A 9 3582,46 € 3972,91 € 390,45 € + 10,90<br />

A 11 4468,45 € 4905,85 € 437,40 € + 9,79<br />

A 13 5476,08 € 5966,89 € 490,81 € + 8,96<br />

Berechnungsbeispiele – Besoldungstabelle Bund (gilt unter anderem für die Versorgungsempfänger:innen)<br />

BesGr Stufe 7 Grundgehalt aktuell Grundgehalt geplant Differenz prozentuale Steigerung<br />

A 8 3483,99 € 3879,24 € 395,25 € + 11,34<br />

A 9 3761,51 € 4171,47 € 409,96 € + 10,90<br />

A 11 4691,78 € 5151,04 € 459,26 € + 9,79<br />

A 13 5749,77 € 6265,11 € 515,34 € + 8,96


15 <strong>KOMM</strong> 06/<strong>2023</strong><br />

BEAMT:INNEN<br />

Inflations ausgleichs prämie<br />

kommt<br />

Foto: ©nateejindakum – stock.adobe.com<br />

Die Beamt:innen im aktiven Dienstverhältnis bei der Telekom haben Grund<br />

zur Freude, denn sie erhielten bereits Ende August mit den für den Monat<br />

September im Voraus auszuzahlenden Bezügen den ersten Teil der Inflationsausgleichsprämie,<br />

rückwirkend zum Juni <strong>2023</strong>. Damit war die Telekom<br />

dieses Mal schneller als andere Dienstherren.<br />

VON ANITA SCHÄTZLE<br />

ver.di und der DGB haben nachdrücklich<br />

Abschlagszahlungen gefordert. Dazu ließ<br />

das Bundesinnenministerium wissen, dass<br />

die Bundesbeamt:innen und die Versorgungsempfänger:innen<br />

mit einem Abschlag<br />

spätestens mit den Bezügen für<br />

Oktober rechnen können. Die Versorgungsempfänger:innen<br />

der Telekom erhalten<br />

im Übrigen ihre Versorgungsbezüge<br />

über die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation<br />

Deutsche Bundespost.<br />

On Top<br />

Grundlage ist der Tarifvertrag Inflationsausgleich<br />

vom 22. April <strong>2023</strong>; er wird auf<br />

die Empfänger:innen von Dienst- und<br />

Versorgungsbezügen übertragen. Die Inflationsausgleichsprämie<br />

ist eine für das<br />

Jahr <strong>2023</strong> sowie für die Monate Januar<br />

und Februar 2024 steuer- und abgabenfreie<br />

Sonderzahlung. Sie umfasst eine<br />

Einmalzahlung in Höhe von 1240 Euro für<br />

den Monat Juni <strong>2023</strong> und acht weitere<br />

monatliche Teilzahlungen. Ab Juli <strong>2023</strong><br />

bis einschließlich Februar 2024 gibt es<br />

jeweils 220 Euro.<br />

Die Sonderzahlung ist weder Besoldung<br />

noch Versorgung, sondern sie wird<br />

zusätzlich zu den Dienst- und Versorgungsbezügen<br />

gezahlt. Somit bleibt sie<br />

bei der Anwendung von Ruhens-, Anrechnungs-<br />

und Kürzungsvorschriften<br />

sowie bei Vorschriften über die anteilige<br />

Kürzung außer Betracht. Ebenso ist die<br />

Sonderzahlung kein zusatzversorgungspflichtiges<br />

Entgelt, weil sie kein steuerpflichtiger<br />

Arbeitslohn ist. Im Sinne der<br />

Zivilprozessordnung (ZPO) handelt es<br />

sich allerdings um Arbeitseinkommen<br />

gemäß § 850 ZPO. Eine ausdrückliche<br />

Unpfändbarkeit ist gesetzlich nicht geregelt.<br />

Die Sonderzahlung ist eine freiwillige<br />

Leistung des Dienstherrn/Arbeitgebers,<br />

und mit der Auszahlung ist ein deutlicher<br />

Hinweis auf den Zusammenhang der Prämie<br />

mit der Inflation verpflichtend.<br />

Anspruch<br />

Empfänger:innen von Dienstbezügen und<br />

am 1. Mai <strong>2023</strong> vorhandene Versorgungsempfänger:innen<br />

haben Anspruch<br />

auf die Inflationsausgleichsprämie. Liegt<br />

der Versorgungsfall nach dem 1. Juli<br />

<strong>2023</strong>, wird die monatliche Zahlung von<br />

220 Euro erst ab diesem Beginn gewährt.<br />

Für die Versorgungsempfänger:innen ist<br />

ihr individuell maßgeblicher Ruhegehalts-<br />

und Anteilssatz maßgebende Zahlungsgrundlage.<br />

Bei Empfängern von Mindestversorgungsbezügen<br />

gilt der jeweils maßgebliche<br />

Mindestruhegehaltssatz. Das ist der<br />

erdiente Ruhegehaltssatz, das heißt der<br />

Ruhegehaltssatz, der individuell für die<br />

Bestimmung der Mindestversorgung<br />

maßgeblich ist (65 Prozent oder 35 Prozent),<br />

beziehungsweise auch der nach<br />

§ 14a vorübergehend erhöhte Ruhegehaltssatz.<br />

Teilzeitbeschäftigte erhalten die einmalige<br />

Sonderzahlung und die acht monatlichen<br />

Sonderzahlungen anteilig entsprechend<br />

dem Verhältnis der ermäßigten<br />

zur regelmäßigen Arbeitszeit. Für Altersteilzeitbeschäftigte<br />

gilt das grundsätzlich<br />

gleichermaßen. Befinden sich Beamt:innen<br />

in der Freistellungsphase der Altersteilzeit<br />

haben sie Anspruch auf den hälftigen<br />

Inflationsausgleich, also maximal<br />

620 Euro. Bei der Berechnung des Altersteilzeitzuschlages<br />

bleibt der Inflationsausgleich<br />

unberücksichtigt.<br />

Zahlung<br />

Die Inflationsausgleichsprämie ist Teil des<br />

Gesetzes zur Anpassung der Bundesbesoldung<br />

und -versorgung für <strong>2023</strong>/2024<br />

und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher<br />

Vorschriften (BBVAnpÄndG<br />

<strong>2023</strong>/2024). Dieses liegt im Entwurf vor,<br />

die parlamentarische Beschlussfassung ist<br />

für Herbst und die Verkündung für November<br />

vorgesehen.


16<br />

VER.DI<br />

100 Milliarden für die Bildung<br />

Foto: ©Halfpoint – stock.adobe.com<br />

Das Bündnis „BILDUNGSWENDE<br />

jetzt“ appelliert an politisch Verantwortliche,<br />

für ein gerechtes und inklusives<br />

Bildungssystem zu sorgen.<br />

Mehr Erzieher:innen und Lehrkräfte<br />

seien nötig.<br />

Die Diagnose ist vernichtend: „Unsere Gesellschaft<br />

erlebt aktuell eine der schwersten<br />

Bildungskrisen seit Gründung der<br />

Bundesrepublik“, heißt es in einem von<br />

der Initiative „Schule muss anders“, der<br />

Arbeitsgemeinschaft der Schulelternbeiräte<br />

und „Teachers for Future“ initiierten<br />

Appell. Der von etlichen Verbänden und<br />

Gewerkschaften unterzeichnete Aufruf<br />

„Bildungswende jetzt“ richtet sich sowohl<br />

an die Bundesregierung und den Bundestag<br />

als auch an die Landesregierungen.<br />

Sie fordern mehr Mittel und bessere Bedingungen<br />

– angefangen bei der frühkindlichen<br />

Bildung in den Kitas.<br />

Es fehlt an allem<br />

„Ein enormer und sich vergrößernder<br />

Mangel an Lehrer:innen und Erzieher:innen<br />

trifft auf ein veraltetes, unterfinanziertes<br />

und segregiertes Bildungssystem,<br />

das sozial ungerecht ist“, so die Kritik der<br />

Unterzeichnenden. Bundesweit fehlten<br />

hunderttausende Kita-Plätze. Über<br />

300 000 zusätzliche Erzieher:innen seien<br />

nötig, um die Kinder angemessen betreuen<br />

und versorgen zu können. In den<br />

Schulen gebe es bis 2035 fast 160 000<br />

Lehrkräfte zu wenig. Dieser Mangel verschlechtere<br />

die Bildungschancen und verschärfe<br />

die ohnehin bestehende soziale<br />

Ungleichheit. „Die Bildungskrise raubt<br />

Kindern und Jugendlichen Zukunftschancen,<br />

verbaut ihnen Lebenswege und erschwert<br />

gesellschaftliche Teilhabe. Sie<br />

belastet ganze Familien sowie die Gesundheit<br />

von Erzieher:innen und Lehrer:innen.“<br />

Der auch von ver.di unterzeichnete Appell<br />

fordert deshalb „eine echte Bildungswende“.<br />

Konkret soll ein „Sondervermögen<br />

Bildung“ von mindestens 100 Milliarden<br />

Euro eingerichtet werden, um<br />

notwendige Investitionen in Kitas und<br />

Schulen zu finanzieren. Dauerhaft sollen<br />

wenigstens zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

für Bildung und Forschung<br />

aufgewendet werden. Das hatte<br />

die Bundesregierung eigentlich schon<br />

2008 beim Dresdner Bildungsgipfel beschlossen,<br />

aber nie umgesetzt.<br />

Endlich handeln<br />

Einen solchen Bildungsgipfel unter Einbeziehung<br />

aller Akteur:innen brauche es<br />

auch jetzt, so die Unterzeichnenden. Der<br />

„sogenannte Bildungsgipfel“ im März<br />

<strong>2023</strong> – der lediglich drei Stunden dauerte<br />

und in dem kaum Praktiker:innen aus den<br />

Bildungseinrichtungen zu Wort kamen –<br />

habe jedenfalls nicht zur Lösung der Krise<br />

beigetragen. Weitere Forderungen sind<br />

der Einsatz für eine zukunftsfähige und<br />

inklusive Schule sowie eine Ausbildungsoffensive<br />

für Lehrkräfte und Erzieher:innen.<br />

Der Appell kann hier heruntergeladen<br />

werden: https://kurzelinks.de/gxt9<br />

KINDERGRUNDSICHERUNG<br />

Das ist kläglich!<br />

ver.di kritisiert die von der Ampel-Regierung vereinbarten Eckpunkte zur Kindergrundsicherung<br />

als eindeutig nicht ausreichend. „Der in der Ampel ausgehandelte<br />

Kompromiss bündelt im Wesentlichen bestehende Leistungen,<br />

eine verbesserte Unterstützung für armutsgefährdete Kinder bietet er nicht.<br />

Das ist kläglich“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.<br />

Kinderarmut werde damit nicht wirksam<br />

bekämpft. Wenn von ursprünglich<br />

geforderten zwölf Milliarden Euro mehr<br />

pro Jahr nun gerade mal 2,4 Milliarden<br />

Euro zur Verfügung gestellt werden sollen,<br />

davon zum Teil für Verwaltungskosten,<br />

zeige dies deutlich, dass der<br />

Ampel-Kompromiss falsche Schwerpunkte<br />

setze. „Für Steuererleichterungen für<br />

obere Einkommensschichten und für<br />

die Wirtschaft ist Geld da, für Kinder<br />

offensichtlich nicht“, sagte Werneke<br />

weiter.<br />

Die Kindergrundsicherung verdiene ihren<br />

Namen nur, wenn sie finanziell substanziell<br />

mehr ausmache als nur eine Umwidmung<br />

bestehender Programme, so<br />

Werneke weiter. „Denn die bestehenden<br />

Programme führen dazu, dass jedes fünfte<br />

Kind armutsgefährdet ist. Das ist beschämend.“<br />

PM

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